Motorsport à la americaine: NASCAR und IRL

Heute abend auf PREMIERE ein US-Motorsport-Doubleheader: ab 20 Uhr das sechste Rennen des NASCAR Nextel-Cups (Saison: 36 Rennen) und danach als Aufzeichnung das zweite Rennen der IRL.

Kurz zum NASCAR Nextel-Cup: nachdem man bislang auf MOTORS TV die NASCAR Busch-Series sehen konnte, gibt es nun auf PREMIERE die “erste Liga”. Die Rennserie macht in Sachen Popularität in den USA mit weiten, weiten Abstand alles naß was da sonst noch auf zwei oder vier Rädern fährt. Auch wenn es ein klassischer “weißer” Redneck-Sport ist. Da ist jedenfalls richtig viel Kohle drin. Nur ein Beispiel: der Führende der Gesamtwertung Matt Kenseth hat in den bisherigen 5 Rennen 1,2 Mio US$ Preisgelder verdient, Jimmie Johnson durch zwei Siege 2,5 Mio. Acht Fahrer in den Top 12 haben bereits mehr als 1 Mio US$ auf dem Konto.

Die Schlagzeilen des Wochenendes wurden von Jeff Gordon geschrieben. Letzten Sonntag schubste er nach dem Rennen Fahrerkollegen Matt Kenseth (den Führenden der Gesamtwertung, verpasste Gordon in den Schlußrunden einen Bump der Gordon von Platz 3 auf Platz 21 purzeln ließ) und wurde unter der Woche mit 10.000 US$ abgestraft. Die Aktion wirkte lächerlich, weil der gutaussehende Jeff Gordon seit Jahren mit perfekten Saubermannimage auf den Kursen und in Werbespots umherfährt und Gordon nach dem Schubser sich verbal um ein “Bad Boy”-Image bemühte. Selbst Konkurrenten wie Bobby Labonte gaben vor Mikros zu, herzhaft gelacht zu haben. Gordon wirkt immer noch wie ein junger Bursche der abends Väter fragt, ob er ihre Tochter gepflegt zum Tanzen ausführen darf und ist wegen seiner Schleimspur vorallem im Süden der USA völlig verhasst.

Dabei gehört Gordon inzwischen zum Urgestein. Erst 34 Jahre alt, aber in seiner 13ten Saison fahrend. In jeder Saison fuhr er in der Gesamtwertung in der Top 10 mit, mit Ausnahme seines Rookiejahres (14ter) und des letzten Jahres als er sich als Elfter nicht mehr für die Quasi-Playoffs der NASCAR qualifizierte.

Gordon ist bislang 7ter in der Gesamtwertung. Das Oval von Martinsville gehört aber zu seiner Lieblingsstrecke: letztes Jahr gewann er beide Rennen und in seiner Karriere insgesamt sieben Rennen in Martinsville.

Das Oval von Martinsville hat seinen ganz eigenen Charakter. Es ist das kleinste Oval, knapp mehr als eine halbe Meile lang und besitzt völlig atypische Kurven mit geringen Radien und wenig Überhöhung. Das heißt die Wagen müssen am Ende der Geraden wirklich in die Eisen gehen und in die Kurven einlenken. Da ist nix mit rundem Fahren und automatischem in-die-Kurve-einlenken durch entsprechend schräggestellte Räder. Und das nicht zu selten: 500 Runden. Da dürften einige desöfteren den Bremspunkt verpassen und Kollegen abschießen.

Martinsville genießt den Ruf ein Crashfestival zu sein, auch wenn es aufgrund der geringen Geschwindigkeit wenig Totalschäden gibt und die Karren mit Klebebandflicken wieder auf die Strecke geschickt werden.

Eine weitere Eigenart ist die sehr enge Boxengasse die zudem in Ein- und Ausfahrt einen scharfen Knick in die Steilkurve rein macht.

Mit Spannung wird das Verhalten der Fahrer beobachtet. Beim Rennen in der letzten Woche in Bristol, ebenfalls einem Halbmeilen-Oval, war Kenseth nicht der einzige der mit Ellbogen fuhr. Es war ein Bumpfestival bei dem auch Jeff Gordon himself den Rookie Martin Truex Jr. an die Wand gedrückt hat. Möglicherweise werden heute noch diverse Rechnungen beglichen.

Rookie: heute debüttiert Tony Raines in einem Wagen des Teams der Dallas-Quarterback-Legenden Roger Staubach und Troy Aikman.

Qualifying: An der Pole steht Jimmie Johnson/Hendrick Motorsports (Teamkollege von Jeff Gordon), der nach einem schlechten Abschneiden letzte Woche in Bristol in der Gesamtwertung von Eins auf Drei fiel.

Jamie McMurray und Vorjahresmeister Tony Stewart folgen auf den Startplätzen 2 und 3.

Jeff Gordon qualifizierte sich als Achter.

Gesamtwertung:
Matt Kenseth, der Mann der am letzten Wochenende Jeff Gordon von Platz 3 gebumpt hat und geschubst wurde, führt mit 8 Punkten Vorsprung.

Dahinter Kasey Kahne, Jimmie Johnson, Mark Martin und Kyle Busch in den Top 5.

Dale Earnhardt Jr. ist mit 118 Punkten Abstand auf Platz 6, der “Rainbow Warrior” (wegen seines quietschbunten Wagens) Jeff Gordon auf Platz 7. Titelverteidiger Tony Stewart (von Joe Gibbs Racing – ja, dem Redskins-Headcoach Joe Gibbs) auf Platz 9.

Bester Rookie ist Clint Bowyer auf Platz 14.

Nix mit der Vergabe von Punkten an die ersten Acht, wie in Europa üblich. Stattdessen bekommen alle teilnehmenden 43(!) Fahrer Punkte. Für den Zieleinlauf werden die Punkte von 180 Punkten (Sieger), 170 Punkten (Zweiter) bis runter zu 34 Punkten (43ter) verteilt.

Zudem gibt es Bonuspunkte: 5 Punkte wenn man einmal die Führung im Rennen übernommen hat und 5 Punkte für die meisten Führungsrunden.

Richtig kompliziert wird es dann bei der Meisterschaft: nach 26 der 36 Rennen wird ein Schlußstrich gezogen: die Top 10 der Gesamtwertung, sowie alle weiteren Fahrer mit max. 400 Punkten Abstand zum Führenden qualifizieren sich für die “Playoffs”, der 10 Läufe währenden “Chase for the Championship“. Die teilnehmenden Fahrer fangen dann nicht bei Null an, sondern in 5-Punkt-Abständen: 5.050 Punkte für den Führenden, 5.045 für den Gesamtzweiten etc…

IRL in St. Petersburg

Der letztwöchige Saisonauftakt in der IRL wurde durch den Tod von Paul Dana im Warm-Up überschattet. Auch in den USA war die Durchführung des Rennens nicht unumstritten. Die Meinung war ungefähr Fifty-Fifty geteilt.

Sofern man sich dann noch am Rennen in Homestead erfreuen konnte, war es eine irrsinnig knappe Entscheidung. Gut zehn Runden lang lieferten sich Helio Castroneves und Dan Wheldon ein Duell Rad-an-Rad. Diverse Runden lang fuhren sie auf dem Oval nebeneinander, teilweise keine Handbreit voneinander entfernt. Nicht auszudenken wenn die beiden bei 330kmh sich gegenseitig über die Räder gefahren wären.

Wheldon gewann mit einer Flügelspitze Vorsprung, weil er zwar den längeren Weg außen nahm, aber auf der Geraden regelmäßig mehr Speed als Castroneves hatte und sich vorbeischieben konnte.

Heute abend geht es auf den Stadtkurs von St.Petersburg in Florida. Mangels kann ich die Strecke schwer einschätzen, aber es sieht mir eher nach einem kleinen Kurs aus. Die Hälfte aller Kurven sind 90-Grad-Ecken und eigentlich nur zwei längere Vollgasstücke.

Ich habe noch nie ein IRL-Stadtrennen gesehen, nehme aber an, dass es sich wie mit den Champ Cars verhält: nicht wirklich ansehnlich.

Dario Franchitti, der Schotte der auch mal in Deutschland Tourenwagen fuhr, hat die Pole vor Scott Dixon und Tony Kanaan geholt. Sam Hornisch an Vier, Homestead-Sieger Wheldon an Dreizehn.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Wichtige Information in Runde 140 von 500: Nächste Woche moderiert Jacques Schulz zusammen mit Klaus Graf. Bisher ist die Übertragung nicht schlecht, was aber wirklich vor allem an dem sehr versierten Klaus Graf liegt, der sehr viel Hintergrundwissen mit rein bringt.

  3. Ach, gemessen an anderen Motorsportkommentatoren macht Edgar Mielke seinen Job okay, obwohl ich ganz glücklich bin, dass es auch die Tonspur von FOX gibt. Klaus Graf ist in der Tat ein Detailfreak, aber ob ich mir jede Woche drei Stunden diese Intonation geben muss…

    Ich frage mich gerade wer die IRL heute kommentiert. Ralf Heinke (der heute den Interaktiv-Kanal gemacht hat)? Boost-Button Twins?

  4. Ich finde auch, dass die beiden ihre Sache bisher wirklich gut machen – Edgar Mielke hat sich scheinbar das komplette Starterfeld draufgeschafft (oder schlägt die Nummer superschnell nach), Klaus Graf ist mit seiner hautnahen Erfahrung eine prima Wahl. (Ist das jetzt zu fies, wenn ich hoffe, dass er erstmal kein NASCAR-Cockpit mehr bekommt?) An Premiere-Rennsport-Experten mit lustigen Intonationen der deutschen Sprache jedenfalls habe ich mich auch schon länger gewöhnt …

    Und was den IRL-Lauf angeht, kann man wirklich nur hoffen, dass bei den Boost-Button-Twins der Sandmann rechtzeitig zugeschlagen hat.

  5. IRL. Roos. Heidfeld. Weia.

  6. Zu Nascar: Das war natürlich Pech für beide Kommentatoren, dass man das Rennen am kurz vor Ende komplett gestoppt hat. Die letzten vier Runden waren dann einfach zu hektisch. Aber die beide haben ihre Sache gut gemacht und ich bin mal gespannt wie sich nächste Woche Jacques Schulz schlägt.

  7. Roos spricht die ganze Zeit von einer Strecke namens “Glen Watkins” und hat mit Danica Patrick in der IRL den neuen “Timo Scheider” gefunden. Er gibt alle zwei Runden bekannt, dass sie auf einem sensationellen Platz 10 liegt. Das Roos nicht weiß, dass es sich bei der von ihm genannten Strecke um den Traditionskurs “Watkins Glen”, auf dem die Formel Eins schon in den 70er unterwegs war, ist allerdings mehr als peinlich. Bleibt wirklich nur zu hoffen, dass Premiere einen Kommentator findet, der mehr Ahnung hat.

    Zum Glück gibt es den US Originalton als Option.

  8. Owei, gut, dass ich da bei der IRL schon lange im Bett war, um akuten Schlafmangel zu beheben. “Glen Watkins” – hört sich an wie ein Billigwhiskey aus’m Aldi. Ich hab noch nichtmal das NASCAR-Rennen zu Ende gesehen, ich war einfach zu müde. Abgebrochen haben die das? Mal nachlesen.

  9. @Dirk

    Das ging mir genauso, ich bin irgendwann gegen 11 weggepennt, so einen Mehrfachwhopper mit F1 ganz früh, Nascar recht spät und IRL noch hintendran gibt’s ja zum Glück in nächster Zeit nichtmehr. Für die Zukunft habe ich mir aber dieses Wochenende den Kauf eines PVR vorgenommen, da kam einfach zuviel. Ich werde alt …

  10. ^ und bei der Aufzählung hatte ich noch die vormittagliche A1 und die nachmittagliche WTCC ganz vergessen. Das war wirklich ein Hammer-Sonntag. (und wenn man dann noch wie die Kabeljungs E² hätte, wär’s fast schwierig geworden, Zeiten zum Essen zu finden, von den geschätzten Co-Inhabitanten der eigenen 4 Wände ganz abgesehen)

  11. @ Dirk, re: “Abbruch”
    Es gab neun Runden vor Ende einen Crash. Statt das Rennen unter Gelblicht ausgondeln zu lassen, haben sie das Rennen abgebrochen, die 43-x Fahrzeuge in der Kurve stehen lassen, aufgeräumt, 3-4 Runden unter Gelb das Feld anfahren lassen und dann die Meute nochmal 4 Runden lang losgelassen.

    Das sind recht interessante Regelvarianten, die natürlich drei Meilen gegen den Wind danach riechen den Sport noch spektakulärer zu machen. Aber als Fernsehzuschauer kann man sich nciht beschweren.

    Ich habe NASCAR Nextel zuletzt vor 3 Jahren auf EUROSPORT gesehen und das muss man den Jungs von FOX lassen: die haben die Übertragung noch einmal aufgejazzt. Vom Niveau her war das vergleichbar mit der F1 zu Baskerville-Zeiten. Dankenswerterweise wurden auch die Werbepausen von FOX gut überbrückt in dem man einfach in ein Cockpit schaltete, inkl. Spotter-Funksprüche.

    @ NoteMe, re: “PVR”
    Dran denken: wenn PVR mit Receiver, dann eines das CAMs aufnehmen kan, um die nächsten Jahre auf der sicheren Seite zu sein.

  12. ^ Ja, ohne CAM geht ja bald nichts mehr. Was ich aber viel schlimmer finde: Wenn es so weitergeht wird man trotz 2 CIs (wie etwa bei den aktuellen Topfields) möglicherweise in 1-2 Jahren wieder zum Kartenjongleur. (Premiere, arena, Astra, und wer weiß, was noch …)

    Technischer Fortschritt? *kopfschuettel*