Der Box-Schlumpf schlumpft sich durch

Zwei Weltmeisterschaften mit Sauerland-Boxern gestern in der ARD.

Zum Kampf Markus Beyer – Sakio Bika gibt es nicht viel zu sagen: der Kampf wurde in der 4ten Runde durch technical draw nach einem unabsichtlichen Kopfstoß von Bika abgebrochen. Es gab einen klaffenden Cut unterm rechten Auge von Beyer, insofern eine korrekte Entscheidung von Ringrichter Joe Cortez. Der gemeine Zwickauer buhte und pfiff, entweder weil es nicht genügend Blut geboten bekam, oder die Entscheidung nicht verstand oder Bika schmutzigen Boxens beschuldigte.

Schade mit dem Abbruch, denn es steuerte auf einen dramatischen Kampf zu. Beyer dürfte auf den Punktzetteln hinten gelegen haben und wurde einige Male recht massiv durchgeschüttelt.

Anschließend stieg der sympatische Box-Schlumpf Arthur Abraham gegen Kofi Jantuah in den Ring.

Abraham gewann mit 3-0 Richterstimmen und 117:109, 115:112 und 116:111 auf den Zetteln. Das was auf den Zetteln steht, ist, so merkwürdig es klingt, technisch korrekt – ich sah Jantuah auch nur drei Runden vorne – spiegelt aber nicht den Kampf wieder. Es gab einen Haufen von Runden die man auch an Jantuah hätte geben können, so dass auch ein knapper 2- oder 3-Runden-Vorsprung von Abraham in Ordnung gewesen wäre.

Abraham gab vorallem die ersten beiden Runden ab, schenkte sie mit seiner Passivität ab. Ich kenne die Armlängen beider Boxer nicht, aber man hatte den Eindruck, das Jantuah 5-10cm mehr Reichweite hatte, kam immer wieder aus der Distanz und schlug hart zu.

Abraham zeigte ab der dritten Runde mehr Aktivität und kam über heftige Körpertreffer zurück in den Kampf. Wichtiger für den Kampf sollte aber die konditionelle Verfassung der beiden Boxer werden. Bei Abraham ging es ab der sechsten Runde damit bergab. Er fing massiv an den Clinch zu suchen und japste in den Ringpausen richtig böse nach Luft. Später nutzte er jeden Trick (offene Schnürsenkel, nasse Ringecke), jeden Break um wieder Sauerstoff an die Blutkörperchen zu bringen.

Noch finsterer sah es beim Herausforderer Jantuah aus, bei dem die Körner sich schon in der 4ten Runde verabschiedete. Zuerst fing er an mit seinem Mundschutz herumzuspielen, dann hörte er auf den Vorwärtsgang aus seinen ersten Runden weiterzumarschieren. Er nahm die Abrahamsche Einladung zum Clich an, ließ die Deckung hängen und schließlich fing er an unkonzentriert wilde Luftlöcher zu schlagen.

Wie gesagt: bei Jantuah ab Runde 4 und Abraham ab Runde 6, liefen nur noch die Notstromaggregate. Der Kampf wurde über den Willen entschieden und Abraham zeigte in den späteren Runden die bessere Workrate. Was aber nicht heißt das Jantuah sich abschlachten ließ: er hatte immer wieder lichte Phasen, zumal auch Abraham sperrangelweit offen für Schläge war. Es war ein offener Fight der noch bis in die Schlußsekunden durch einen wilden Punch hätte entschieden werden können.

Verglichen mit dem letzten Kampf von Abraham, im März gegen Taylor, war der Kampf eher ein Rückschritt. Abraham war noch nie ein Konditionswunder, aber der Abfall ab der sechsten Runde war erschreckend, zumal er in den ersten zwei Runden auch kein Hochgeschwindigkeitsboxen gezeigt hatte. Aufbau hin, Aufbau her: Abraham boxten in den letzten 12 Monaten sechs Kämpfe, also alle zwei Monate einen. Da darf man schon mal fragen, ob es nicht too much ist, vorallem kurz vor seinem richtig schweren Fight gegen Miranda im August.

Abraham boxt unheimlich kraftaufwendig. Da werden nicht nur die Fäuste geschwungen, sondern der gesamte Körper ist angespannt. Wenn Abraham schlägt, ist auch der letzte Wadenmuskel zum Bersten angespannt.

Neben der Kondition ist auch die Abwehrarbeit eine Schwäche. Abraham kennt anscheinend nur zwei “Arbeitsmodi”: sich minutenlang hinter seiner Deckung verschanzen oder völlig offen in den Schlagabtausch gehen, alleine auf seine Meidbewegungen vertrauend. Ein guter Konterboxer (der zudem konditionell was auf dem Kasten hat) dürfte Abraham ganz schwer in Kalamitäten bringen.

Was man Abraham zugute halten kann, ist sein unheimlich gutes Auge und seine Beweglichkeit. Entweder ist er intelligent oder hat gute Instinkte.

Nicht so schön: mit schwindender Konzentration boxt Abraham auch dreckiger. Da gab es einiges an Hinterkopftreffern, tiefen Schlägen, eingeklemmten Armen oder Köpfe-Festhalten.

Also: die beiden Gegner gestern waren recht unbekannt, aber zeigten, dass sie eine Chance auf einen WM-Kampf verdient hatten. Zwei Kämpfe mit Unterhaltungswert, mehr kann man nicht verlangen.

PS: Henry Maske ist neuer ARD-Analyst. Der Mann ist nur schwer zu ertragen, da wünsche ich mir wirklich Ottke zurück.

Maske ist von Kopf bis Fuß nur noch ein Kunstprodukt. Jede Faser seines Körpers, jede Zelle seines Hirn ist anscheinend stundenlangem Fernseh-Coaching ausgesetzt gewesen. Maske hat nicht gesprochen, sondern gedanklich die Anweisungen abgearbeitet, die er beim Coaching beigebracht bekommen hat: Lächeln, Henry, Lächeln! Offene Gesten mit der Hand zeigen deine geistige Offenheit! Henry, sanft sprechen! Vor dem Auftritt zwei Liter Kamillentee trinken und dann genauso sprechen! Henry! Zeige mit den Vokabel Intellektualität: es heißt “Auseinandersetzung” und nicht “Fight” oder “auf die Omme”.

Hier bewirbt sich jemand ganz penetrant für eine zweite Karriere vor Publikum. Derzeit sieht es aber eher nach Wärmedecken und Kaffeemaschinen aus, als nach meinungstarkem Sportanalysten. Herr Don Cherry, bitte in die Notaufnahme, Herr Don Cherry, bitte in die Notaufnahme.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Oh ja, Maske for Stützstrümpfe! Der war wirklich kaum zu ertragen. Soll er doch bei Beckmann oder Kerner schleimen…

    Die Kopfstoßgeschichte war wirklich ärgerlich. In der Zeitlupe sah der Kopfstoß absichtlich aus, worauf ja wohl auch einige heute insistieren, wenn ich aktuelle Pressemeldungen richtig gelesen habe; in der normal-schnellen Einstellung konnte man den aber auch als unabsichtlich durchgehen lassen, finde ich. Naja – immerhin weiß ich jetzt, dass es einen technical draw gibt. Ich hatte zuerst gedacht, Beyer verliert den Gürtel (vielleicht daher die Buh-Rufe).

    Danke übrigens für die tollen Box-Kommentare! Die lese ich immer wieder gerne und finde sie weitaus informativer als die Sportmeldungen bei Spon&Co.

  3. Also, ich habe den Herrn Maske nicht ganz so schlimm gesehen. Zwar wirkte er unendlich gestelzt, aber inhaltlich hat er wenigstens dem Hartmann mit seinen Absichts-Theorien beim ersten Kampf die Stirn geboten. Ob das emotionalere Experten geschafft hätten, weiss ich nicht. Vor allem fand ich die Kommentare aus der Beyer-Ecke unerträglich. Mensch, schaut euch das erst in Ruhe noch einmal an, bevor ihr solche Vorwürfe erhebt! Ansonsten war es wirklich der vielversprechendere Kampf von beiden. Und von der Sympathie her mochte ich die beiden Reggae-Kontrahenten der Deutschen irgendwie gerne :-)

  4. Schwer zu sagen ob der Kopfstoß absichtlich war … er sieht zwar ein bisserl danach aus, aber ich würde es nicht unbedingt vermuten.
    Zumal er Bika nichts gebracht hat … wenn, dann hätte er von einer Technical Decision profitieren können, also wenn der Kopfstoß in der 5ten Runde oder später passiert wäre, denn über die Punkteverteilung der ersten Runden gehen die Meinungen weit auseinander … gibt auch welche die die ersten beiden Runden (in denen beide wenig aktiv waren) an Beyer gegeben haben.
    Zudem war Beyer in der 4ten wieder gut dabei.
    Die Pfiffe des Publikums fand ich lustig … da wird deutlich, wie wenige überhaupt Ahnung vom Regelwerk haben.

    Einen faden Beigeschmack erhält die ganze Geschichte aber dadurch, wie parteiisch der Ringarzt offenbar war … man hatte beinahe das Gefühl, er wolle eher Beyer vor einer Niederlage bewaren, als dass er den Cut für als so gefährlich sah … nungut, der Cut war schon schlimm.
    (selbiger Ringarzt war glaube ich auch bei Beyer-Green-I dabei)

    Bei Beyer darf man nun gespannt sein. Da wird man vielleicht abwarten müssen was der WBC sagt, ob nun ein Rematch mit Bika anstünde, oder ob Beyer als nächstes Andrade boxen muss. Der Name “Calzaghe” wurde an dem Abend zwar oft in den Mund genommen (klang beinahe so als hätte man schon ansatzweise mit Verhandlungen begonnen) … aber mit einer Titelvereinigung würde ich nicht rechnen … sofern Beyer den Titel halten kann.
    Jener Calzaghe hat momentan übrigens Probleme einen Gegner zu finden. Sein Auftritt im Juli im Millenium Stadium in Cardiff wird von HBO übertragen … doch die Gegner die HBO vorschlägt haben keine Zeit (Andrade) oder wollen mehr Geld (Pavlik).

    Abraham-Jantuah war sehr unterhaltsam. Ich denke auch, dass das Punkturteil so in Ordnung war, wobei die 117-109 zwei Punktabzüge enthält … was doch etwas seltsam ist (vielleicht hatte jener Punktrichter in der 10ten nen Niederschlag gesehen … oder so). Ich hatte für Jantuah auch nur 3-4 Runden. Gibt zwar Leute die ein 114-113 für Jantuah sahen, aber meiner Ansicht nach hat Abraham verdient gewonnen.
    Problematisch ist natürlich der Eindruck den seine Kondition hinterlässt. Sicher, Jantuah hat ihn zu einer hohen Workrate gedrängt … das wird Miranda vielleicht nicht machen, aber gut sahen da am Ende beide nicht aus, der Abraham konnte kaum mehr Jubeln vor Erschöpftheit.

    Tiefpunkt des Abends ist meiner Ansicht nach der Kampf Charr gegen Carrion den ich mir heute morgen in voller Länge angesehen hab (Das mdr bringt Sonntag morgens den ein oder anderen Undercard-Kampf in voller Länge). Auf meiner Scorecard hat Carrion mit 1-2 Runden Vorsprung gewonnen. Ein paar Runden hat er deutlich geholt, Charr konnte sich die ein oder andere nur knapp sichern.
    Die Punktrichter aber haben Charr zum Sieger gekührt (einer davon sah ein Draw) … was das Publikum in Zwickau mit Pfiffen quittierte.
    Mehr zum Kampf: http://www.sportforen.de/showpost.php?p=1095436&postcount=2

    BTW: Maske hat mir gut gefallen. Sicher, er redet und gestikuliert wie ein Finanzberater … aber dafür birgen seine Aussagen inhaltlich manchmal mehr Qualität als die von Ottke und Co.

  5. Auch wenn ich glaube, daß die Entscheidungen, die gestern getroffen wurden zumindest keine bewußten Fehlentscheidungen waren und es auch ansonsten seriös zuging, habe ich bei Boxübertragungen latent den Eindruck, daß die beteiligten Fernsehjournalisten sich imer noch gegen den Verdacht mancher wehren, alles wenn nicht vieles wäre getürkt, also als ob Boxen die Light-Version von Wrestling sei. Bilde ich mir das ein?

  6. Der Verdacht ist auch bisweilen ganz berechtigt. Bei so manchem Hoffmann-Kampf hatte man schon schwer den Eindruck, dass da nicht alles so läuft wie es dem Verständnis vom fairen Sport nach sein sollte. Junge, was war ich sauer, als Bob Mirovic der verdiente Sieg gegen Timo Hoffmann nicht gegeben wurde. Und Valuev gegen Larry Donald war ebenfalls ein Witz, den man sich schlechter nicht hätte ausdenken können.