Das Mediale vom Tage

Puzzle-Spielen mit PREMIERE und ARENA

Viele Puzzle-Teile liegen auf den Tisch, aber es gibt noch kein Gesamtbild. Es stehen umwälzende Entwicklungen im deutschen Pay-TV an, aber solange alle “Player” wie RTL, PREMIERE, Unity Media oder ProSieben/Sat.1 noch nicht alle ihre Karten auf den Tisch legen, kann man nur ahnen, dass da etwas Großes ansteht

Puzzleteil: Die Personalie Wolfram Winter. Als selbstbewusster Geschäftsführer von NBC Universal stand er einigen Pay-TV-Spartenkanälen vor (13th Street, SciFi, History Channel etc…) die nicht exklusiv via PREMIERE vertrieben wurden und wurde so etwas wie eine kleine unabhängige Macht im deutschen Privatfernsehen. Anfang des Jahres stand Wolfram Winter kurze Zeit einem Projekt namens “Stargate” vor, ehe er als Geschäftsführer für die neue Tochter von PREMIERE “PREMIERE Sky” benannt wurde. Einerseits taucht die Stargate-Episode in den offiziellen Bios von Wolfram Winter nicht mehr auf, andererseits macht PREMIERE Sky genau das, was auch Stargate machen sollte: Vermarkung von digitalen Kanälen via Satellit abseits der PREMIERE-Plattform. Das lässt den Verdacht aufkommen, das Stargate von Anfang an als PREMIERE-Versuchsballon gestartet war.

Puzzleteil: Entavio. Entavio, früherer Codename “Dolphin”, ist eine Entwicklung des Satellitenbetreibers SES Astra und liefert das technische Fundament für “PREMIERE Sky”. Als die ersten Pläne von “Dolphin” durchsickerten, war die Empörung allerorten, inklusive diverser Kartellämter und Medienanstalten, recht hoch, denn ein zentraler Betreiber drohte via Grundverschlüsslung eine einzigartige Monopolposition einzunehmen. Im Laufe des letzten Jahres wurde es ruhiger um Dolphin. Doch seit einigen Wochen ist der zweite Versuch in Form von “Entavio” in den Medien.

Entavio stellt eine technische Plattform dar, wenn man so will: einen neuen Set-Top-Box-Standard. Set-Top-Boxen bekommen eine Entavio-Zertifizierung und müssen im Gegenzug bestimmte Verschlüsselungsmethoden verarbeiten können und evtl. noch weitere “Features” besitzen. Gerüchteweise ist immer wieder die Rede davon, dass Entavio-Boxen auch die Aufzeichnung von Sendungen so kontrollieren können sollen, dass Aufzeichnungen entweder ganz verboten werden oder das Überspringen von Werbeblöcken verunmöglicht wird.

Puzzleteil: Wie heute von PREMIERE bekanntgegeben wurde, wird PREMIERE in Zukunft via Satellit zweigleisig fahren und auch über die Entavio-Plattform ausstrahlen. Hier wäscht eine Hand die andere: mit PREMIERE im Portfolio kann sich die Entavio-Plattform zumindest in Deutschland als “zukunftssicher” verkaufen, zumal auch RTL und Viacom in Verhandlungen stehen sollen. Die andere Hand:

Puzzleteil PREMIERE: die Entavio-Plattform ist aus PREMIERE-Sicht die bessere Plattform. Bereits seit zwei Quartalen verkündet PREMIERE gerne und häufig, dass man plant via Kabel und Satellit langfristig andere Set-Top-Boxen zu etablieren, die “adressierbar” und rückkanalfähig sind. Damit kann ein User via Set-Top-Box (und Internetanschluß) Feedback geben. Z.B. in Form von Shopping (“jetzt besonders günstig im PREMIERE-Shop: Ralf Schumacher-Bettwäsche zum halben Preis“) oder kostenpflichtiger Quizzes (“Gewinnen Sie einen Gutschein für einen zweiwöchigen Türkei-Aufenthalt. Einfach den roten Button drücken! Doch zurück zum Spiel Barcelona gegen Chelsea, Lattenknaller von…“). Die Wahlfreiheit von Verbrauchern wird noch mehr eingeschnürt als bislang, denn die Entavio-Plattform sieht wohl eine Zwangsverdongelung von SmartCart mit der Set-Top-Box vor. Wer den Markt der Set-Top-Boxen kennt und weiß was für Macken selbst Receiver angesehener Hersteller wie Topfield haben, weiß dass jede Einschränkung der Auswahl ein Albtraum für den Verbraucher ist.

Langfristig macht es für PREMIERE wenig Sinn zwei Plattformen via Satellit zu unterstützen. Also wird man sich verschlanken, Ballast und Kosten abwerfen und nur noch die Entavio-Plattform unterstützen.

Puzzleteil: UnityMedia schreibt dank seiner Tochter ARENA tiefrote Zahlen. UnityMedia hat laut der neuen Zahlen im letzten Geschäftsjahr einen Verlust von ca. 202 Mio EUR gemacht. Alleine die ARENA hat daran einen Anteil von 132 Mio EUR Miesen (Sat+Kabel). Zum Stichtag 31.3. hatte ARENA 1,096 Mio Abonnenten (743.000 Kabel, 352.700 Satellit, normalerweise teilt es sich zwischen Kabel und Satellit 50/50 auf). Das Interesse von ARENA und Unity Media die Kosten zu drücken, ist hoch.

Puzzleteil: ARENA und PREMIERE vereinbarten im Februar eine weitgehende Kooperation. PREMIERE durfte ARENA via Satellit als Abo anbieten. Der Clou steckt aber im Kleingedruckten: gegen 16,7% Anteile an Pnicht-stimmberechtigten REMIERE-Aktien vereinbarte ARENA auch einen umfangreichen Dienstleistungsvertrag. Alles was ARENA zur Satellitenausstrahlung benötigt, inkl. des Handlings der Abokunden, erledigt PREMIERE im Auftrage von ARENA. Dieser Dienstleistungsvertrag passt wie Faust aufs Auge was PREMIERE Sky und Entavio machen wollen. Aus Sicht von ARENA spart man sich das ganze Vetriebsgedöns an einer Plattform an der man als Tochter eines Kabelnetzbetreibers sowieso kein großes Interesse hatte. Vorteil: Kosten sparen, Kosten sparen und Kosten sparen.

Puzzleteil: Führungswechsel im Bundeskartellamt. Dr. Ulf Böge, der gerade bei Medienthemen einen sehr festen Kurs fuhr und auch Ärger mit Großkonzernen nicht scheute, wurde Anfang des Monats nach Ablauf seiner Amtszeit durch Dr. Bernhard Heitzner ersetzt. Möglicherweise wollten SES Astra, PREMIERE und Co. in dieser Übergangsphase die Grenzen des Neuen ausloten.

Das Unvorhergesehene: Der Neue im Bundeskartellamt deutet an, dass die Pläne der Kooperation zwischen ARENA und PREMIERE seiner Ansicht nicht 100%ig kosher sind. ARENA und PREMIERE ziehen heute die Notbremse und setzen die Vermarktung aus. D.h. wer ein ARENA-Abo für Satellit neu abschließen will, kann dieses erst einmal wieder nur noch via ARENA themself tun.

Das ist eine Niederlage für PREMIERE und UnityMedia, die noch Anfang Februar verkündet hatten, dass die Kooperation nicht beim Kartellamt angemeldet werden müsste und im Schlepptau den devoten Präsidenten der bayrischen Medienanstalt Wolf-Dieter Ring hatten, der lt. SAT+Kabel, die Kooperation als “beispielhaft” bezeichnete.

Das Einschreiten des Kartellamts kommt zur richtigen Zeit, denn alle Puzzleteile zusammengefügt, zeichnet sich ein gigantisches Oligopol ab, bei dem sich einige Unternehmen die komplette Verwertungsstrecke von Fernsehrechte über Ausstrahlung und technische Plattform untereinander aufteilen. Auf der Strecke bliebe der Verbraucher der weder bei Hardware noch bei Wahl der Pakete großartige Alternativen hätte.

Wer überlegt sich eine neue SetTop-Box für Satellit anzuschaffen, sollte noch einige Monate warten, bis sich ein klareres Bild abzeichnet. Mein Tipp: bis zum Beginn der Bundesliga-Saison muss das geregelt sein, was es zu regeln gibt. Und dann nicht auf die erstbesten Boxen stürzen.

FightNight, die Dritte

ProSieben hat drei Kampfabende des Talentschuppens “Spotlight” eingekauft. Der erste Kampfabend fand an einem einem mutigen, offensiven Sendeplatz statt: Freitag abend, 20h15. Das Rahmenprogramm war aber für meinen Geschmack zuviel Halligalli. ProSieben wurde entweder für den Sendeplatz oder fürs HalliGalli abgestraft und fuhr in bei jungen Zuschauern nur 7,0% Marktanteil ein, obwohl man gegen Altersheim-TV wie “Mainz wie es singt und lacht” antrat.

Sehr gerne werden von ProSieben-Mitarbeiter (wie hier) nun die 4 Mio Zuschauer der zweiten Kampfnacht erwähnt. Dabei wird vergessen, dass Susi Kentikian und Co. zum Aufwärmprogramm für Raab – Halmich degradiert wurden und gerade die Spotlight-Kämpfe im Vorfeld von ProSieben nicht gerade sehr laut angeteasert wurden.

Nun der dritte Anlauf: die vorerst letzte Kampfnacht wird am Fr. 25.5. um 22h ausgestrahlt. Das kann man als Eingeständnis der Niederlage verkaufen, ist aber für Boxen auf einem “großen” Sender immer noch eine sehr respektable Sendezeit. Was nun mit Halli und Galli ist, steht noch nicht fest. Bekannt die Kämpfe, z.B. zwischen Susi Kentikian gegen Nadia Imine Hockmi. Frau Hockmi hat mit 9-4-1 nun keinen Über-Record und wird kurioserweise drei Wochen vorher bereits einen anderen Kampf um einen EBU-Gürtel führen.

Ansonsten sind vorgesehen: Sebastian Zbik – Alejandro Gustavo Falliga (“El Flaco”, “der Dünne”), Vitali Tajbert – Peter Petrov und Sebastian Kober – Gene Valdez. Kommentatoren- und Moderatorenbesetzung bleiben wie gehabt.

Dit’n’Dat

ESPNs Fußball-Website ESPNsoccernet wurde nun in einer deutschen (und französischen) Version gestartet: ESPNsoccernet.de. Die Inhalte sind überwiegend Übernahmen des Sportinformationsdienst (sid). Die Lokalisierung ist in Qualität und Quantität derart verunglückt, dass es mich wundert, dass man mit so etwas Unausgereiften bereits an die Presse gegangen ist und die Marke “ESPN” ramponiert (“German Bundesliga Spiele: League Spiele, Club Spiele”, “next 4 weeks”, “Jump to Scores”, “Weiter zum Tabellen”, “March 30, 2007”). Die Website springt wirr umher zwischen deutschen Seiten und englischen Seiten.

Italienische und spanische Versionen sollen folgen.

PREMIERE hat noch keine Ansetzungen für die NBA-Playoffs bekanntgegeben. Die Übertragungszeiten orientieren sich aber an die Vorjahre: drei Partien pro Woche in den ersten beiden Runden.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Noch ein bißchen was zu den Puzzle-Teilen da oben. Bekanntermassen ist die Premiere-Verschlüsselung ja geknackt, d.h. selbst nach einem Keywechsel von Premiere dauert es nicht lange, bis verschiedenste Systeme wieder das Premiere-Signal entschlüsseln können, inklusive aller PayPerView-Geschichten. Dies ist Premiere natürlich bekannt, und sie (bzw. Kudelski als Lieferant der aktuellen Verschlüsselung) haben meines Wissens nach auch keine technische Möglichkeit, dieses aktuelle Problem zu beheben. Daher ist ein langsamer Wechsel auf Entavio als Plattform mit einer damit einhergehenden Ablösung der aktuellen Plattform sicherlich auch eine Möglichkeit für Premiere, das Problem der Schwarzseher zumindest für eine gewisse Zeit zu lösen. Natürlich gilt auch hier das, was in allgemeinen Diskussionen um “Raubkopien” immer vergessen wird: Nicht jeder Schwarzseher ist ein verlorener Abonnent. Aber halt doch einige davon, mal ganz abgesehen von dem Ärger mit den Schwarzsehern.

  3. Der Link zur Bio von Winter führt irgendwie zum Kampfrekord von Hockmi – ansonsten vielen Dank für den interessanten Artikel!

  4. Ganz interessant:

    Unity Media Oberhoncho Parm Sandhu schließt in einem Interview mit Dow Jones Newswires die komplette Übertragung der Bundesliga-Rechte an PREMIERE nicht kategorisch aus.

    http://www.faz.net/d/invest/meldung.aspx?id=45402924

  5. Ich neige ansonsten nicht gerne zu dem Spruch “Wo Rauch, da auch Feuer“. Aber der Archibald Preuschat, der sich bei der Nachrichtenagentur Dow-Jones Newswires sehr intensiv um Medienunternehmen kümmert, kommt doch nicht umsonst auf die Idee den Unity Media-CEO nach der Übertragung der Bundesliga-Rechte zu fragen.

    Ein Knackpunkt könnte angesichts der Jahresbilanz sein, dass vielleicht Unity Media langsam das Geld ausgeht. Ich habe leider nicht mehr die Quelle parat, aber “Unity Media” hat ein schlechtes Kredit-Rating erhalten und muss für jede Aufnahme von Frischgeld bitterböse bluten. Ist ARENA inzwischen zum Mühlstein am Hals von Unity Media geworden?

  6. … und PREMIERE übernimmt generös “als Zeichen des guten Willens” aufgrund Zahlungsschwierigkeiten bei ARENA (Bankbürgschaft bekanntlich nur für die erste Saison!) vor der Ausschreibung der Bundesligarechte ab Winter 07 zur neuen Saison die Rechtezahlungen an die DFL, erhält dafür die exklusive Sublizenzvon ARENA.

    DISCLAIMER: Spekulatius meinerseits.

  7. Geplant ist bei PREMIERE Folgendes:

    So auf Mo ab 3.30 Dallas – Goldon State
    Di auf Mi ab 4.30 LA Lakers – Phoenix Suns
    Fr auf Sa ab 1.00 Toronto – New Jersey

    Quelle: PREMIERE Videotext

  8. Stellt sich umso mehr die Frage wer der weitere Bewerber um die Bundesligarechte sein wird von dem die DFL felsenfest ausgeht.

  9. Hmm, Murdoch hat doch sicherlich noch die en oder andere Million übrig, um im dann (endlich und tatsächlich) groß startenden PayTV-Markt in Deutschland mehr als einen Fuß in der Tür zu haben. Evtl hat Onkel Leo ja bis dahin ja auch wieder ein paar Euro ;)

  10. Warum (manchmal) Blogger besser sind als Journalisten – am Beispiel der Entwicklung des Pay TV-Marktes in Deutschland

    Die Diskussion ob Blogger Journalisten sind, ob Blogger die besseren Journalisten oder ob Journalisten die besseren Blogger sind halte ich für müßig. Nichtsdestotrotz zeigt der heutige Tag, inwiefern Blogs Zeitungen überlegen sein …

  11. Keine Ahnung, wie UM es schaffen will, Arena noch weiter mit durch zu schleppen.

    Können die sich eine weitere BuLi-Saison finanziell erlauben ?
    Falls nicht, und die Rechte gehen für ‘nen Appel und ein Ei zurück zu Premiere, werden einige derer, die sich mühsam aus ihren Premiere-Verträgen herausgeklagt haben, ziemlich fluchen.

    Ich als Kabelkunde habe mit Entavio eh nix zu tun, so weit ich weiss. Oder irre ich mich ?

  12. Von Nadia Hockmi habe ich gehört, dass sie deutlich stärker sein soll als Kentikians bisherige Gegnerinnen und eine ernstzunehmende Kontrahentin sein soll, deren Rekord etwas täuschen mag.
    Das unentschieden gegen Galassi sei sehr umstritten zu ungunsten Hockmis ausgefallen gewesen sein (angeblich hat Hockmi die Galassi verprügelt) und auch die Niederlage gegen Anita Christensen soll eine gewisse Kontroverse besitzen … Punktentscheidungen mit großem Heimbonus kommen ja auch in Dänemark gerne vor (wo unlängst ein Punktrichter beim telefonieren während eines Kampfes fotofgrafiert wurde).

    Die interessanteste Ansetzung ist wohl Vitali Tajbert gegen Peter Petrov. Ein Kampf, der Tajbert in der EBU-Rangliste weit nach vorne bringen könnte (Tajbert ist auf 9, Petrov ist dritter).

  13. […] Auf jeden Fall wird es zu einer Neuordnung im deutschen Pay-TV-Geschäft kommen, ob Premiere dann allerdings eine große Rolle spielen wird, ist fraglich. Wenn Ihr mehr zu dieser Thematik lesen wollt, dann klickt Euch mal zu Allesaußersport durch, dort wurde sehr genau beschrieben, wie es derzeit auf dem Pay-TV-Markt aussieht und was sich in den nächsten Monaten und Jahren tun könnte. […]