Gute Bahnen, Schlechte Bahnen (Update)

Eine Soap mit Laure Manaudou.

Frankreich an und für sich, ist keine große Sportnation. Bei Olympischen Spielen oder ähnlichen Großveranstaltungen befindet man sich in der Regel im Medaillenspiegel unter ferner liefen. Daher ist die öffentliche Wahrnehmung und Erwartung eine andere als in Deutschland, wo man sich immer noch verzweifelt zu den großen Nationen wähnt.

Die reduzierten französischen Erwartungen führen einerseits dazu, das man sich wunderbar an zwölften Plätzen erfreuen kann. Hat das Schicksal aber ausnahmsweise aus irgendeinem Franzosen einen in seiner Disziplin dominierenden Spitzensportler gemacht, ist er ein Star. Nein, ein STAR! Ganz Frankreich pflegt dann am Star teilzuhaben.

Diese Konzentrierung deer Hoffnung eines Landes auf eine Person, gibt es in Deutschland nur in raren Ausnahmefällen, wie z.B. Boris Becker.

Die wunderschön grazil laufende Marie-Jo Pérec ist letztendlich daran zerbrochen. Ende der Neunziger Jahre wich sie der Öffentlichkeit aus, litt an Symptomen des Verfolgungswahn. Sie wurde mit dem medialen Druck im Vorfeld der Olympischen Spiele 2000 wegen dem Duell mit der australischen Cathy Freeman nicht fertig und flüchtete mit einer Horde von Journalisten im Schlepptau aus dem Athletenhotel zum Flughafen und verschwand. Es war das unrühmliche Ende der Athletenkarriere von Perec (sie ist inzwischen Beraterin beim Verband und Analystin im Fernsehen).

An Perec fühle ich mich erinnert, wenn die französischen Medien über Laure Manaudou berichten, die französische Ausnahmeschwimmerin.

Seit ihrer Jugend (mit 15 Jahren) wird sie vom harten Hund Phillipe Lucas trainiert. Ein Mann mit riesigen Schnauzer, der mit ärmellosen Shirt und kurzer Hose am Beckenrand steht und dem jede Form der Pädagogie abgeht. Gegen sein Maul ist Werner Lorant ein Chorknabe. Im Armee-Tonfall trainierte Lucas das junge Mädchen und machte aus ihr eine Olympiasiegerin und mehrfache Weltrekordhalterin. Seine verbalen Ausfälle wurden als skurril angesehen, aber verständlich das für Manaudou nach sechs Jahren der Punkt gekommen war, wo sie sich als 21jährige nicht mehr derart anpflaumen lassen wollte und nicht derart durch die Schwimmhalle jagen lassen wollte.

Unter großer medialer Anteilnahme begann Laure Manaudou eine Romanze mit dem italienischen Schwimmer Luca Marin, beschloß in diesem Mai zu jenem Schwimmer nach Turin zu ziehen und die Zusammenarbeit mit Lucas zu beenden: “Ich habe mich für Luca, die Liebe meines Lebens entschieden […] Ich kann die Arbeit mit Lucas psychisch nicht mehr ertragen“.

Psychoanalyse galore! “Vater-Tochter-Konflikt”. Lucas war geschockt und seitdem herrscht zwischen beiden absolute Eiszeit. Lucas sagte auf einer Pressekonferenz, in einem der raren Momente mit Engelszuge: “Laure geht, weil sie weniger trainieren möchte. Sie flüchtet vor dem Training“. Lucas sah sich nach neuen Schwimmtalenten um und es ist kein Geheimnis das er darauf aus ist, eine Konkurrentin zu Manaudou aufzuziehen um der Welt zu zeigen, wem der Erfolg eigentlich zu verdanken ist.

Die Öffentlichkeit sorgte sich wiederum ob Manaudou so reif sei, um abseits ihres alten Erfolgstrainer ihre Form für die Olympischen Spiele 2008 zu konservieren. Der Chef des französischen Schwimmverbandes musste öffentlich erklären, das er ein Auge auf die Situation werfe um ggf. schnell zu reagieren. Seitdem fährt er öfters nach Italien um sich davon zu überzeugen, das Manaudou in Turin und Verona optimale Trainingsumgebung erhält. Das war anfangs nicht einfach, denn der italienische Verband war darüber entsetzt dass eine französische Schwimmerin zusammen mit den italienischen Schwimmern trainieren wollte.

Selten fanden französische Schwimmmeisterschaften soviel Anteilnahme wie Ende Juni, der erste Wettbewerb der neuen Manaudou. Würde man was von den Querelen rund um das Training in Italien merken? Nein. Laure Manaudou bot eine überzeugende Leistung und ließ die Kritiker erst einmal verstummen.

Bis heute.

Heute gab der italienische Trainer von Manaudou ein interview in der L’Équipe in der er Manaudou harsch kritisierte, und damit die Ängste der Franzosen vor dem Verlust eines Ausnahmeathleten anfütterte. Anläßlich der Open de Paris vom Wochenende zeigte sich der Trainer Paolo Penso entsetzt über das Ausscheiden über 200m Rücken und stellte eine weitere Zusammenarbeit in Frage.

Penso kritisierte das Manaudou alles nur nach ihrem Kopf mache und der Kopf sich derzeit ganz woanders befände. Sie würde nicht hart trainieren wollen und in diesem Falle sei er nicht der richtige Coach. Er ist genervt das Manaudou sich abgrenzt, nicht die Staffel mitschwimme und bei den Open de Paris nicht bei der französischen Mannschaft saß, sondern auf der anderen Seite zusammen mit der Familie.

Die Medien kritisieren, dass Manaudou in Paris kaum zu sprechen gewesen wäre und für die Fans nicht erreichbar war. Aus dem französischen Schwimmverband ist zu hören, das man mit Besorgnis beobachtet hat, wie Manaudou sich in Paris der Massage entzogen habe und nur ein Minimum an Einschwimmen zwischen dem Halbfinale und Finale gemacht habe. Der Präsident des Schwimmverbandes, Claude Fauquet, versucht beschwichtigend zu reagieren.

[Update 1]
Zwei Stunden nachdem der Blogeintrag geschrieben wurde, geht die Meldung über den Ticker das Laure Manaudou von der italienischen Mannschaft wo sie trainiert, gefeuert wurde. Die Vereinsführung hat Manaudou heute morgen telefonisch mitgeteilt, dass sie sich gegenüber Trainer Paolo Penso und der französischen Nationalmannschaft (sic!) zu entschuldigen habe. Zitat: “Sie fährt jetzt in Urlaub. Wenn sie sich bei Rückkehr entschuldigt, kann sie in den Verein zurückkehren. Aber die Chancen das Laure die Lektion verstanden hat und zurückkehrt, stehen 1 zu 1 Million

Damit ist Manaudou bis auf weiteres ohne Trainer.
[/Update]

Laure Manaudou kann von Glück reden, dass diese Sache in diesen Tagen hochkocht, wo nahezu alle Franzosen in den Sommerferien und aus den Städten geflüchtet sind. Da dürfte das Badewetter die relevantere Information sein.

A suivre.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. und genau wegen solchen Artikeln liebe ich diesen Blog so sehr.
    Wo sonst bekomme ich solche Infos?
    Wo sonst in dieser Breite?
    Wo sonst mit diesem Spektrum?
    Da bleibt nur mal ein kleiner Dank an dogfood für fundierten, kritischen und weit über den Tellerrand hinausgehenden Online-Journalismus.
    Chapeau!

    btw: die Geschichte an sich interessiert mich nicht die Bohne…ich bin dann morgen wieder dran..:-)

  3. ^ Dito, und dito.

    Wobei, beim Schwimmsport per se frage ich mich schon hin und wieder, ob die breitere Öffentlichkeit doch noch irgendwann aufwacht, sich die Zeittabellen anschaut und sich über die Entwicklung wundert.

  4. Interessanter Text zu einem durchaus interessanten Thema: Die teilweise recht kranke Beziehungen zwischen Sportlern und ihren Trainer(inne)n. Mir fällt da als aktuelles Beispiel noch Anna-Lena Grönefeld ein, deren Trennung von ihrem Trainer ja ebenfalls in einer Soap schlimmsten Ausmaßes ausartet. Das ging wohl sogar so weit, dass der Ex-Coach (dessen Namen ich gerade vergessen habe), den Gegnerinnen Tips gab… Alles ziemlich netter Filmstoff.

  5. über die grönefeld-geschichte sind ja schon ein paar artikel erschienen, das ist ziemlich heftig. die bricht ja schon fast zusammen, wenn ihr extrainer nur im publikum sitzt.

    zu manadou: die ist gerade von ihrem turiner verein entlassen worden, siehe spon.

  6. ich schließe mich colossos an. grandios!