Nach dem Super Bowl 43: Superlativen wohin das Auge blickt

Nun ist er fünf Stunden alt, der Super Bowl XLIII, Pittsburgh Steelers – Arizona Cardinals.

Jo, ich lag mit meiner Prognose daneben und die Cardinals haben den Steelers das von vielen erwartete enge Match gegeben, ehe die Steelers mit 27:23 gewonnen haben, in einem der spannendsten 4ten Viertel der Super Bowl-Geschichte.

Das Spiel schien anfangs auf eine einseitige Geschichte hinauszulaufen. Die Cardinals-Defense schien nicht auf dem Platz zu sein, das erste Viertel wurde komplett von den Steelers dominiert, die das Feld lässig runterwandern konnten. Die Cardinals fanden keinen Ansatz gegen die volle Palette der Steelers-Angriffe. Nach dem ersten Viertel verteilte sich die Spielzeit 12 zu 3 Minuten zugunsten der Steelers.

Was die Cardinals drei Viertel lang überhaupt noch im im Spiel hielt, war eine fantastische Defense auf den letzten zehn Yards vor der eigenen Endzone. Den Steelers gelang es in diversen Anläufen nicht, mit einem 1st Down in Goal-Distanz einen TD zu erzielen. Als aber kurz vor Halbzeit Steelers-LB Harrison einen Pass von QB Warner an der eigenen Goal Line abfing und 100yds weit zum TD returnierte (Super Bowl-Rekord), schien das Spiel gegessen zu sein. 17:7 die Halbzeitführung. Die Steelers ließen aber viele, viele Punkte liegen.

Auch das dritte Viertel wurde noch von den Steelers kontrolliert: ein langer Drive über 79yds und acht Minuten brachte aber wieder nur ein Field Goal.

Doch die Cardinals kamen im vierten Viertel zurück. Was sich schon im zweiten Viertel für zwei Drives kurz andeutete: mit einer No Huddle-Offense fand QB Warner zu seinem Rythmus. Mit einem Stakkato an 10yds-Pässen nutze er den leeren Raum zwischen der aufgerückten Defense Line und den nach hinten absichernden Secondary aus. Die Offense Line hielt dem Druck der Steelers stand und wie gegen Baltimore setzte Steelers Dick LeBeau nicht auf hemmungsloses Blitzen, sondern auf Coverage, was gegen Boldin und Fitzgerald überhaupt nicht aufging.

Die Parade-Receiver Boldin und Fitzgerald meldeten sich im 4ten Viertel ins Spiel zurück. 20:7 noch zu Beginn des 4ten Viertels. Dann ein 87yds-Drive von Warner binnen 4 Minuten zum 14:20. Nach einem Safety zu ihrem Gunsten (16:20) und einem entsprechend kurzen Free Kick, kam als zweites Play ein einfacher 10yds-Pass in die Mitte auf Fitzgerald, der daraus einen 64yds-Touchdown machte. Mit 2:30 auf der Uhr gingen die Arizona Cardinals erstmals in Führung: 23:20.

Der Schlüssel zum Erfolg war nicht nur der erfolgreiche Einsatz der Spread Offense, sondern auch die von mir so sträflich unterschätze Cardinals-Defense, die nicht nur den Safety produzierte, sondern die ersten drei Drives der Steelers im 4ten Viertel einfach tot machten: Punt, Punt, Safety. Raumgewinn der Steelers im 4ten Viertel bis dahin: -7yds.

Der Pass Rush der Cardinals war inzwischen haushoch der Offense Line der Steelers überlegen, was sich nicht nur in den kurzen Drives bemerkbar machte, sondern auch an den zahlreichen Fouls in die die Steelers nun getrieben wurden. Roethlisberger bekam keine Luft zu Atmen, die Pocketkollabierte schneller als er sich daraus rausbewegen konnte.

Mit 2:30 auf der Uhr setzten die Steelers zum finalen Drive an. Anders als in den Drives zuvor, versuchte man nicht auf Zeit zu spielen, mit Gewalt ein Laufspiel einzustreuen um die Uhr herunterticken zu lassen, sondern schaltete auf Two-Minute-Drill um. Wie vorher bei Warner, fand auch Roethlisberger dadurch ins Spiel zurück. Die Cardinals reduzierten den Pass Rush etwas, um mehr auf Coverage gegen tiefe Pässe zu setzen und gaben damit Roethlisberger genau jene Luft zum Atmen, die er braucht.

Nach einer Strafe von der eigenen 12yd-Line beginnend: 14yds-Pass Holmes, 13yds-Pass Holmes, 11yds-Pass in die Mitte auf Washington, Scramble durch die Mitte für 4yds, letzte Auszeit genommen, 62 Sekunden auf der Uhr. Dann der 40yds-Pass auf Holmes bis an Arizonas 6yds-Line. Holmes profitierte von einem wegrutschenden Verteidiger, guten Blocks und einem misslungenen Tackling.

48 Sekunden auf der Uhr. Auch an der 6yds-Line gelingt es den Cardinals nicht mehr, Pass Rush zu generieren. Die Steelers versuchen auch gar nicht erst mit Läufen und Pässen durch die Mitte. 1st Down an der 6: Roethlisberger, Pump Fake, versucht den Ball in die hinterste linke Ecke der Endzone zu schaufeln. WR Holmes, mit zwei Verteidiger an den Hacken, rutscht der Ball durch die Fingerspitzen.

2nd Down an der 6: es ist der gleiche Spielzug, aber spiegelverkehrt. Roethlisberger, Pump Fake, jetzt in die hinterste rechte Ecke der Endzone. Santonio Holmes rennt in die Ecke mit gleich drei Verteidiger im Gefolge, die im Halbkreis um ihn herum stehen und sich nach dem Ball recken. Auf minimalsten Raum streckt sich Holmes und streckt sich und streckt sich, liegt im 45 Grad-Winkel in der Luft um den ins Aus fliegenden Ball noch zu fangen, bekommt ihn mit seinen Fingerspitzen, beide Füße schleifen mit den letzten Resten der Fußspitze noch auf dem Boden. Es ist ein Catch, es ist DER Catch, es ist DER Touchdown, es ist die Führung und es sollte der Sieg sein. 27:23 für Pittsburgh, 35 Sekunden vor Schluß. Wenn man so will: die Cardinals mit den eigenen Mittel geschlagen. Mit einem Catch, den man eher WR Fitzgerald zugetraut hätte, mit einer Spread Offense, die eher zum Arsenal der Cardinals gehörte.

Das Spiel war drei Viertel lang keine Schönheit und wurde phasenweise zu stark von den Schiedsrichtern geprägt, aber die Spannung des vierten Viertels entschädigte für alles.

Zwei gute QB-Leistungen. Ben Roethlisberger hielt Drives einige Male mit seiner Beweglichkeit am Leben, u.a. mit einer fassungslosen Szene, als er dreimal zwischen den Hash Marks hin und her rennen konnte, um dann gegen die Laufrichtung zu passen, ohne dass ihn ein Pass Rusher zu fassen bekam. Was Roethlisberger an Houdini-Moves zeigt, ist drei bis vier Superlative wert. Roethlisberger kann sich aber vorallem den messerscharfen Schlußdrive zuschreiben. Für das Spiel: 21 von 30, 256yds, 2 Sacks, 1TD, 1INT. QB-Rating 93,2.

QB Kurt Warner, der sich gestern als gnadenlos präziser Werfer auszeichnete. Gibt es einen anderen QB, der so schnell und so präzise den Pass anbringt? 31 von 43, 377yds, 2 Sacks, 3Tds, 1INT, Rating von 112,3. Die Zukunft von QB Warner ist ungewiss. Der Vertrag läuft aus und einige spekulieren, dass er seine Karriere beenden könnte.

Das Laufspiel war hüben und drüben kaum zu sehen. 58yds für Pittsburgh, 33yds für Arizona. Aber die Running Backs waren wichtige Anspielstationen für Kurzpässe. Davis, Moore und Parker auf Steelers-Seite mit 3 Catches, Arrington, James und Hightower mit 8 Catches.

Die Receiver waren eine merkwürdige Geschichte. Bei den Steelers war WR Hines Ward offensichtlich nicht in bester Verfassung und wurde nur als Ablenkungsmanöver benützt, um einige Verteidiger von den anderen Receivern wegzuziehen. Für Ward nur zwei Catches. In Vertretung von Ward übernahm TE Miller die Rolle für wichtige 3rd Down-Catches (5 catches, 57yds). Der Mann für die tiefen und wichtigen Pässe war aber Holmes: 9 Catches, 131yds. Er wurde zum MVP der Partie gewählt, was nicht nur am sensationellen Catch am Ende des Spiels lag. Holmes machte im Schlußdrive vier der fünf Passfänge für 73yds.

Bei Arizona war von dem Top-Duo Boldin und Fitzgerald lange Zeit nichts zu sehen. Hauptanspielstation war stattdessen die Nummer 3 in der Depth Chart Breaston (6 Catches, 71yds). Es war zuerst Boldin der auftaute und vorallem in der Mitte für wichtige Catches sorgte (8 Catches, 84yds), ehe Fitzgerald in einem furiosen Schlußviertel eine MVP-würdige Leistung zeigte: 7 Catches, 127yds im Spiel. Sechs der Passfänge kamen ebenso in den letzten 15 Minuten wie seine zwei TD-Fänge.

Es ist die sechste NFL-Trophäe für die Steelers (ESPN: “Great Sixcess“), die damit Rehordhalter in der NFL sind. Der gebrechlich wirkende Dan Rooney bedankte sich bei der Mannschaft, bei Präsident Obama (den er und Mike Tomlin früh im Wahlkampf unterstützte) und bei der Steelers Nation, während es aus Headcoach Mike Tomlin nach einigen gesetzten Wörtern förmlich herausbrach und mit Verve sein Team lobte.

Es war dank des Comebacks der Cardinals ein furioser Super Bowl. Es gab fantastische individuelle Leistungen zu sehen. In den USA wird schon wieder darüber diskutiert ob es “Best Super Bowl ever” gewesen ist.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Also von “Best Super Bowl ever” würd ich mal schnell runtergehen. Es war ein klasse 4. Viertel – beim Rest war lediglich der 100yd-Return herausragend, wobei hier absolut unfassbar ist, dass es den Cards nicht gelungen ist, den an der Seitenlinie laufenden Harrisson einfach out of bounce zu schubsen (damit wäre die hz ohne weitere punke beendet gewesen).

    knackpunkt im ganzen spiel waren meiner meinung nach die extrem vielen strafen der cards für mehr als 100 yds. damit haben sie die steelers lange am leben gehalten und viel zeit von der uhr genommen, die ihnen am ende gefehlt hat.

    btw: ich fand den td-catch von te patrick zum 7:10 der cards spektakulärer, da er gegen einen grösseren db über dessen kopf hinweg den ball gekrallt hat. aber zugegebenermassen hat ein game-deciding td 35 sek. vor schluss natürlich eine ganz andere kragenweite.

    schlussendlich bin ich der meinung, dass die steelers nicht gewonnen, sondern die cards den SB verloren haben. Ihre Nervosität in der ersten HZ (sowohl offense als auch defense) als auch die unnötigen strafen haben ihnen selbst um den sieg gebracht.

  3. Die Quoten der ARD sind deutlich nach unten gegangen. Waren es in den beiden Vorjahren noch mehr als 500.000 Zuschauer, so guckten gestern nur 380.000 Leute zu. Keine guten Zahlen und ein mögliches Argument für deutsche Sender, Football nicht zu übertragen. Ob es auch an der ARD und den Herren Froberg, Nütten und Kretzschmar liegt, will ich mal lieber offen lassen.

  4. Meine Gedanken zum Super Bowl dechen sich weitestgehend mit denen von dogfood. Deswegen nur ein paar kurze Anmerkungen.
    Gestern hat sich gezeigt welch grossartiger Passer Warner ist. gegen die beste Defense der Liga hat er fat 400yards erworfen. Wen man ihm ein bisschen Zeit gibt ist er in der Lage jede Defense in ihre Einzelteile zu zerlegen. Man hat aber auch seine Schwächen gesehen. Er braucht eine O- Line die nicht mal zulässt, dass sich eine Fliege ihm nähert. Er ist sehr unbeweglich, was gerade im Vergleich zu Big Ben auffiel, und neigt zum fumbeln.
    Sollte sich Arizona nicht zu einem ordentlichen Vertragsabgebot(Vielleicht eine Super Bowl Teilnahme ja für die nächsten 40 Jahre) veranlasst sehen, wird es einige geben die Warner liebend gerne verpflichten wollen(Ich könnte mir meine Freunde in Grün Weiß gut vorstellen, die eine gute O-Line haben, einen QB brauchen und im Draft nicht in der Position scheinen Sanchez oder Stafford zu bekommen).
    Die Steelers Defense hat einen insgesamt guten Job gegen Boldin und Fitzgerald gemacht. Man hatte meist einen Spieler abgestellt, der bereit stand um einen auf fitzgerald geworfenen Pass evt abzufangen(war in einigen Zeitlupen zu sehen in denen sich Fitzgerald meckernd und reklamierend über seine Nichtbeachtung ärgerte).
    Das Bild wird natürlich getrübt von dem einen 64 Yard Catch bei dem sich die Steeler D völlig desolat zeigte. Beide Saftys doppeln die Wide Receiver und Fitzgerald kann aus der Slot heraus LB Harrison daran errinnern, dass es Spieler gibt die schneller rennen können als er. Sowas darf natürlich nicht passieren.
    Insgesamt ein sehr spannender Super Bowl(vomm Besten zu sprechen naja(mir fallen schon drei ein die ich besser fand(SF-Cin II; St.Louis- Ten; und NE-NY Giants), den ich auch in den ersten drei Vierteln sehr unterhaltsam fand.

    Zu den Rahmengeschehnissen: Auch wenn der arme Boss in den Kommentaren schwer zerlegt worden ist, war er Längen besser als Tom Petty letztes Jahr. Und das es in den nächsten 20 Jahren keine Frau unter 80 mehr in die Halftime Show schaffen wird ist doch wohl klar. Man stelle sich vor was die machen könnte…

    Zum ESPN America: Ich habe das Spiel weitestgehend bei ESPNA gesehen und wurde von Papa/Sharpe kalt erwischt. Ich fand die beiden richtig gut. Sehr emotional und doch in der Analyse stark. Keine Grüße von hier und da aus der Welt und kein ständiges rumerklären von Grundregeln. Mir hats gefallen(hab ich je was gegen den World Feed gesagt?).

    Zur ARD: Hab in den Werbeunterbrechungen immer mal rüber geschaltet. Die Kommentaroren(von dem was ich mitgekriegt hab)(Witte/Froberg?) nicht wirklich schlecht aber auch nicht wirklich gut.
    Die Studio Crew, furchterregend!!! Der Mann der Moderator sein sollte redete solchen Blödsinn, dass sogar Tom”ich tu keiner Fliege was zuleide” Nütten sich mehrfach genötigt sah korrigierend einzugreifen. Kretschmar war deutlich nicht in seinem Element(finde den als Experten beim Handball eigentlich ganz gut), wurde auch kaum von den anderen beiden beachtet und kam in seinen Statements gerade mal übers Becker Niveau. Nütten fand ich den Besten von den Dreien und damit ist ja eigentlich alles gersagt.
    Der “Field Reporter”: Kam mir vor wie der Prakitkant der als gefragt wurde wer den Job haben will nicht schnell genug weggerannt ist. Und dann ist ihm auch noch auf der Strecke die Stimme verlorengegangen. Hoffentlich hat ihm der Cards Fans mit dem er während des Spiels Freundschaft geschlossen hat, wenigstens ein Bier nach dem Spiel ausgegeben.

  5. Die Zuschauerzahlen sind ja erschreckend. Hat irgendjemand Zahlen der letzten 10 – 15 Jahre?

    Ich meine mich dumpf an erheblich mehr als eine Million Zuschauer beim Superbowl vor ca. 10 Jahren erinnern zu können.

  6. @freddy7: denkst du wirklich, dass sanchez das potential hat, bereits jetzt als franchise-qb was zu reissen?

    meiner meinung nach hatte er zu wenige spiele bei usc (eigentlich ja nur ein jahr und war da auch noch tw. verletzt)

    zu papa/sharpe muss ich sagen, dass ich die auch ganz ok fand. bin aber dann auf den orf-kommentar umgestiegen, da mir das tonumschalten in den werbebreaks zu mühsam war (und 3 minuten stille beim standbild des stadions wollt ich mir nicht ganze nacht antun)

  7. Ich hab Sanchez selbst nur einmal gesehen und fand ihn recht gut. Ob er ein Franchise QB ist oder nicht wird sich dann zeigen müssen. Er wird mit sicherheit in der ersten Runde einen Abnehmer finden, dafür haben zuviele Teams Probleme auf der Position des QB.