Six Nations: Frankreich – Wales

Erstes Spiel des dritten Spieltages der Six Nations, erstes Freitagsspiel überhaupt, in der Geschichte der Six Nations und ein Spiel das mich erstmal eine halbe Stunde lang mit erhöhten Adrenalinspiegel zurückließ.

Es war stets eine intensiv geführte Partie, bei der die Waliser in der ersten Halbzeit wie die abgeklärtere Mannschaft aussahen, ehe die Franzosen in der zweiten Halbzeit in Abwehr und Angriff wie entfesselt aufspielten und letztendlich verdient 21:16 gewannen (Halbzeit 13:13).

Wales kann mit der ersten Niederlage bei diesen Six Nations seinen Traum von der Wiederholung des Grand Slams erst mal ad acta legen.

Die Tage vor dem Spiel wurden von den Franzosen dominiert. Nationaltrainer Marc Lievremont beschwerte sich über den Freitagstermin der seinen Spielern aufgrund des Top14-Spieltages vom Wochenende, zuwenig Zeit zur Regeneration geben würde. Lievremont hat auch sehr hoch gepokert, als er Morgan Parra und Benoit Baby an #9 und #10 brachte (Gedrängehalb/Scrum Half und Verbinder/Fly Half). Für Parra war es der erste Start in dieser Saison und Benoit Baby spielt normalerweise #12, #13 oder #15, aber sehr viel seltener Verbinder. Noch ein Risikofaktor in der Aufstellung Lievremonts: es gab keinen veritablen Kicker für Straftritte und Erhöhungen. Den Job übernahm Parra.

Die erste Halbzeit sah eine ausgeglichene Partie, bei der die Waliser aber souverän wirkten. Es gab in der gesamten ersten Halbzeit nur ein missed tackle von Wales, die mit plötzlichen Tempowechsel u.a. von Shanklin immer wieder gefährlich vor dem französischen Malfeld auftauchten. Nach einem Abtausch von Straftritten führte Wales 6:3. Frankreich kam in die Nähe des walisischen Malfeldes. Harinordoquy drückte sich in mehreren Anläufen durch, doch der Versuch wird vom Videorichter nicht gegeben, weil der Ball nicht regelgerecht über die Linie bewegt wurde.

Vier Minuten später die Antwort von Wales. Shanklin bricht plötzlich durch, schleift auf halblinks 2-3 Spieler mit sich um dann perfekt getimet auf die kurze Seite weiterzupassen. Wales in Überzahl, ein französsicher Abwehrspieler macht zu früh einen Schritt nach vorne und wird ausgespielt, kann den entscheidenen Tackle nicht ansetzen und Lee Byrne kann ins Malfeld laufen. 3:13 die Führung für Wales nach 25min.

Wales schien das Spiel zu kontrollieren, Frankreich nicht mehr gefährlich nach vorne zu kommen. In der Schlußminute der ersten Hälfte ein Gedränge für Frankreich nahe der Mittellinie in der walisischen Hälfte, als plötzlich die #8 Harinordoquy aus dem Gedränge durchbricht und gen Malfeld zurennt. 5m vor dem Malfeld wird er gestoppt und die französischen Stürmer versuchen mit aller Macht die Waliser zu überwinden. Szarzewski, der blonde Beau versucht durch die Mauer zu kommen und dann ist es im dritten Anlauf Dusautoir ins Malfeld durchkommt und in den letzten Sekunden den Ausgleich zum 13:13 (inkl Erhöhung von Parra) erzielt.

Eine skurille erste Halbzeit. Ein hohe Kicker der Waliser prallt gegen die Spider Cam und landet in der eigenen Hälfte statt tief im französischen Gelände und die Franzosen versauen einen hoffnungsvollen Angriff, weil sie die eigene medizinische Betreuung übern Haufen rennen, die sich gerade um einen eigenen Spieler gekümmert hat (im Rugby wird das Spiel nicht unbedingt angehalten, Betreuer kümmern sich auch im laufenden Spiel um verletzte Spieler auf dem Spielfeld).

Bei Frankreich blieb das befürchtete Desaster aus. Baby musste zwar wegen Verletzung früh (37te Minute) gegen Trinh-Duc ausgewechselt werden, aber bot bis dato ansprechende Kicks. Parra sehr agil und auf schnelle Weiterleitung bedacht. Ein kleines Fragezeichen hinter der Kondition der Franzosen, bei denen die Stürmer nach einer halben Stunde sich schon mit den Händen auf den Knien abstützen mussten um Luft zu schnaufen.

Wales mit einer exzellenten defensiven Vorstellung, begnügte sich im Angriff mit einigen gezielten Nadelstichen. Das sollte sich als zuwenig erweisen.

Frankreich bekam überraschend Wales in Griff. Zuerst durch die Passivität von Wales, die wenige Entlastungsangriffe starten. Nichts von Shanklin zu sehen, keine wirklich guten Kicks.

Die Franzosen konnten anfangs für diese Passivität dankbar sein, denn sie kamen etwas rostig aus der Halbzeit. Der neue Verbinder Trinh-Duc hatte anfangs Probleme beim Fangen und Treten von Kicks. Parra hatte Pech mit seinen Tritten, traf – wenn ich mich richtig erinnere – dreimal Aluminium und bei zwei weiteren Gelegenheiten nur knapp neben das Tor.

Die walische Abwehr hielt stand, zeigte extreme Giftigkeit mit der Ballverluste der Franzosen provoziert wurden. Aber das war alles nur die defensive Seite des Geschehens. Man kam kaum in die französische Hälfte. Die Franzosen gewannen langsam an Sicherheit, erhöhten, angetrieben durch Parra, das Tempo. In der 53ten schließlich ein Versuch durch Heymans zum 18:13. Wieder einer dieser schnellen Gedränge. Heyman leitet über links eine schnelle Passstafette ein, kommt an der linken Seitenlinie wieder im Ballbesitz um dann kurz vor dem Malfeld zu kreuzen und ins Malfeld abzutauchen.

Mit dieser Führung spielten die Franzosen vorallem in der Abwehr wie enthemmt. Mit einem unfassbaren Tempo waren sie immer an den walischen Ballträger dran. Eine bessere Verteidigung wird man im Rugyb nicht zu sehen bekommen. Wales fing an selber Fehler zu produzieren, Unsicherheiten bei den hohen Kicks der Franzosen zu zeigen. Wales eingeschnürt, tief in der eigenen Hälfte.

Trinh-Duc nach 67min mit dem Versuch eines Drop-Kicks – daneben. 3 Minuten später kann Parra nach 4, 5 vergeblichen Anläufen endlich wieder einen Kick treffen und verwandelt einen Straftritt zum 21:13 für Frankreich.

In den letzten zehn Minuten schmeißt Wales alles nach vorne und was folgt, war ein Inferno an Leibern die sich aufeinanderwarfen. Wieder und wieder. Wales kommt per Straftritt 7min vor Schluß auf 16:21 heran.

77te Minute: Einwurf Wales, 5min vom französischen Malfeld entfernt. Der Ball wird von Wales überraschend lang eingeworfen, der wackere Martyn Williams ist völlig frei und wird auf dem letzten Meter vor dem Malfeld noch gestoppt. Standing Ovation für die französische Verteidigung im ausverkauften Stade de France. Immer wieder werfen sich walisische Stürmer gegen die Franzosen – ein letzter Einwurf 4-5 Meter vom Malfeld entfernt, doch im anschließenden Ruck können die Franzosen den Ball erobern und treten ihn ins Aus zum Abpfiff.

Und Wales reibt sich verwundert die Augen, wie sie über die ersten 30 Minuten der zweiten Hälfte aber auch so gar keinen Ballbesitz haben konnten. Die Franzosen haben gezeigt, dass mit ihnen zu rechnen ist, wenn sie alles, aber auch wirklich alles in die Waagschale werfen. Gedrängehalb Parra hatte sogar Pech mit seinen Tritten, sonst wäre das Spiel schon eher entschieden gewesen. Von Parras Schüßen war keiner wirklich schlecht, sondern nur knapp daneben oder eben Aluminium…

Frankreich ist wieder ganz vorne dabei, bei den Six Nations.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Sehr intensives Spiel, toll anzuschauen. Die entscheidenden Spielen werden nun also Wales vs Irland und England vs Frankreich sein, wird spannend werden. Auch Irland gegen England heute sollte ähnlich intensiv werden, kann man sich schon mal drauf freuen.

  3. War wirklich ein tolles Spiel.

    Überhaupt, jedesmal wenn ich solche Spiele sehe verstehe ich nicht warum dieser Sport in Deutschland sich nicht etablieren konnte. Spektakulärer, intensiver und spannender als Rugby geht schlichtweg nicht und auch der deutsche Rugby Verband hat eigentlich eine lange Tradition. In Frankreich, England und (teilweise) Italien füllt Rubgy regelmäßig die größten Stadien und zu all diesen Ländern hat Deutschland eine enge Verbundenheit, u.a. durch die jahrelange Präsenz von Franzosen und Engländern in unserem Land. Nun mag man sagen gerade deswegen würden die Deutschen das Spiel ablehnen (Stichwort Besatzerspiel), aber wurden Franzosen und Engländer nicht eher als Freunde hier wahrgenommen? Und warum sind Basketball und American Football dann hier so beliebt? Was zur Hölle ist da schiefgelaufen?

  4. Ich hab da gestern mal ein paar Minuten in den Stream geschaut und es war für mich als Rugbylaien etwas, das man beim Fußball wohl Mittelfeldgeplänkel nennen würde. Irgendwie liefen sich immer wieder Spieler mit dem Ei in der Hand fest, dann wechselte mal der Ballbesitz, aber es passierte nichts. Ich weiß zwar, dass ich bei der WM mal ein Spiel länger gesehen hab und es dann auch ganz nett fand. Und ich will euch Rugby jetzt auch nicht schlechtreden.
    Aber wenn du eine Erklärung willst, warum es nicht geht: Das wäre sie. Es ist kein Sport, den man auf Anhieb versteht, wie z.B. Handball oder Basketball. Es gibt diese seltsamen Gedränge (?), eine nichtintuitive Punktevergabe und eben Spielphasen, in denen nichts passiert (vielleicht hatte ich ja auch einen doofen Moment).

    Aber beim American Football ist das doch auch so? Ich würde aber auch behaupten, dass das in Deutschland nun auch nicht sooo populär ist. Gut, es gab die NFL Europe, aber dass da recht viele Zuschauer kamen, lag doch sicherlich auch am Charakter des (Familien-)Events, der von den Offiziellen gezielt aufgebaut wurde. Was wiederum nur ging, weil aus der NFL jede Menge Geld reingepumpt wurde, wenn ich mir anschaue, was Berlin Thunder immer an Werbung für seine Spiele gemacht hat, das hätte die Leute vermutlich auch zum Wasserball gebracht. Und der Super Bowl wird sicherlich auch deswegen gezeigt, beim größten Fernsehevent der Welt mit dieser tollen Halbzeitshow will auch die ARD dabei sein.

    Generell ist es aber eh nicht logisch, warum in welchen Ländern welche Sportarten geguckt und gespielt werden. Da muss es irgendwelche Initialereignisse geben, oder einzelne Stars oder Mannschaften, die zum Mythos werden und den ganzen Sport mitaufwerten und noch 1000 andere Dinge. Warum wird in ganz Skandinavien und Osteuropa erfolgreich Handball gespielt, nur anscheinend in Finnland nicht? Warum ist Rugby in zahlreichen englischen Kolonien heute noch Nationalsport, aber in Indien haben es nur Cricket und Hockey geschafft? Warum um alles in der Welt gucken sich Menschen Rodeln im Fernsehen an, obwohl 99% beim Zuschauen nix kapieren und nur auf die unten eingeblendete Zeit starren können, so spannend wie Videotext?

  5. Hat eben jemand aktuelles Sportstudio gesehen?
    Hab leider nur noch das unrühmliche Ende des Interviews mit Stefan Schumacher gesehn.
    Der hat in etwa sowas gebrabbelt “Anti Doping Markt ist ein Industriezweig wo es viel Geld zu verdienen gibt und viele Leute Karriere machen wollen”
    An die Torwand wollte er danach wie es scheint nicht mehr!
    Hat jemand das ganze Interview gesehn?