Wie die Formel 1 von 2009 nach 2010 fährt

Ich habe im Laufe des Wochenendes mit Don Dahlmann vom Racingblog ein Interview geführt, bei dem ich im übertragenen Sinne ihm ein Lineal in die Hand gedrückt und gebeten habe, anhand der abgelaufenen Formel 1-Saison, die Linie zur Formel 1-Saison 2010 weiterzuzeichnen. Das Interview war eigentlich am Dienstag fertig, als dann am späten Abend immer stärker Gerüchte vom Ausstieg Toyotas laut wurden. Toyota ist am Mittwoch morgen dann offiziell ausgestiegen und auch rund um Renault gerüchtelt es: es wurde am Mittwoch eine außerordentliche Versammlung des Aufsichtsrat einberufen. Einige sagten, dass es um den weiteren Verbleib der Formel 1 gehen würde, andere spekulierten, das Renault in dieser Situation versuchen will, von der Formel 1 Kompensationen für den Verlust von Sponsorengelder noch herauswringen.

Wie dem auch sei: 2009 ist eine markante Saison gewesen. Im Frühjahr drohten die Hersteller noch mit der Abspaltung von der Formel 1 und Gründung einer eigenen Rennserie. Sechs Monate später zeichnet es sich ab, dass mit Ferrari, McLaren-Mercedes und Renault plötzlich nur noch drei von dreizehn Formel 1-Teams Werkteams sein werden. Mit Brawn GP hat erstmals seit geraumer Zeit ein Privat-Team die Fahrer- und Teamwertung gewonnen. Der Wechsel von Mosley zu Todt, neue Regeln, neue Teams. Grund genug Don Dahlmann das Lineal anlegen zu lassen und den Bleistift zu reichen.


Es war eine kuriose Saison, weil die etablierten Hierarchien mächtig durcheinander geschüttelt wurden. War das der Beginn einer Entwicklung oder einfach nur ein Freak-Jahr, bedingt durch die Faktoren Wetter und Brawn GP, die mit einer fetten Honda-Abfindung und einem halben Jahr Vorlauf, ihr Fahrzeug entwickeln konnten.

[Don Dahlmann] Das in diesem Jahr die gewohnte Rangfolge der Teams so sehr auf den Kopf gestellt wurde, hat sicher sehr viel mit den neuen Regeln zu tun. Es zeigte sich aber auch, das eine, sagen wir mal, gewisse Schlitzohrigkeit bezüglich der Regeln (Doppeldiffusor) durchaus recht hilfreich war. Die Entscheidung der FIA im April den umstrittenen Diffusor zu genehmigen, hat erst zu der interessanten Saison geführt.

Das Beispiel Red Bull zeigt aber auf der anderen Seite, dass man auch ohne das Bauteil schnell sein konnte. Tatsächlich haben die Regeln wieder mal dafür gezeigt, das es der Formel Eins gut tut, wenn man ab und an mal den Resetknopf drückt, 2010 wird es zwar keine großen Veränderungen an der Aerodynamik geben, aber das Nachtankverbot wird viel ändern. Man kann nicht mehr auf die Strategie setzen, also drei Runden länger fahren um dann den Gegner an der Box zu überholen. Man wird auf der Strecke überholen dürfen. Also wird man versuchen müssen, die Wagen unempfindlicher in der “dirty air” des Vordermanns zu machen, andererseits werden Bremsen und Gewichtsverteilung eine größere Rolle spielen.

Ich glaube aber nicht, das man 2010 wieder so große Überraschungen wie in diesem Jahr sehen wird. Allerdings wird man enger zusammenrücken, denn mit McLaren, Red Bull und Ferrari dürften alleine drei Teams vorne sein. Die neuen Teams werden sich brav hinten anstellen. Eine derartige Saison wie 2009 wird man sicher nicht erleben, da die Regeln nun bekannt sind und die Lücken im Reglement enger werden.

Was wird von Brawn für die nächste Saison zu erwarten sein, ohne Honda-Gelder und ohne den Luxus mit einem halben Jahr Vorlauf an ein Auto zu basteln?

[Don Dahlmann] Das ist wohl die am schwersten zu beantwortende Frage. Wenn man sich die Entwicklungsgeschwindigkeit von Brawn aus diesem Jahr anschaut, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass es nicht so gut aussieht für 2010. Man hat zwar zwischen Australien und dem letzten Rennen rund eine Sekunde gefunden, aber das waren mehr oder weniger Aerodynamische Updates, plus vom Unterboden und ein paar Dinge an der Hinterradaufhängung.

Red Bull und McLaren haben mehr oder weniger eine B-Version ihrer Rennwagen gebastelt und die haben so rund 2 Sekunden zu gelegt. Wenn Brawn kein Geld für eine verschärfte Weiterentwicklung hat, wie soll er dann das Geld für eine verbesserte Konstruktion usw. zusammen bekommen? Zu dem hat man bis zum Schluss im WM-Kampf gelegen, was der Entwicklung für 2010 nicht gut getan hat.

Aber kaum einer weiß, wie es mit den Finanzen von Brawn aussieht. Honda hat wohl einen Teil der diesjährigen Saison noch finanziert, unter anderem auch, damit da nicht plötzlich ein anderer Markenname auf den Autos klebt. Angeblich war das weiße Auto “part of the deal”, der Brawn verboten hat, weitere Sponsoren auf das Auto zu nehmen.

Der bisherige Hauptsponsor Virgin wird entweder neuer Hauptsponsor oder gar Teilhaber bei Manor Motorsport und es gibt so gar Gerüchte, dass Manor komplett in Virgin F1 umbenannt wird. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, das Ross Brawn eine adäquaten Ersatz gefunden hat. Oder gar einen Teilhaber. Das Gerücht, das Mercedes einsteigt, ist zwar nicht vom Tisch, hängt aber davon ab, ob McLaren dem zustimmt.

Wenn bei Brawn nicht jemand einsteigt, oder man einen sehr großen Hauptsponsor findet, dann rechne ich nicht damit, dass man 2010 wieder so weit vorne ist. Der Winter ist aber lange und Ross Brawn hat mal wieder gezeigt, dass er selbst aus einem total verkorksten Laden ein schlagkräftiges, hochmotiviertes Team machen kann. Da sollte es doch einige geben, die ihren Firmennamen auf das Auto kleben wollen.

McLaren hat 60 Punkte Rückstand auf das Zweitplatzierte Red Bull-Team, dahinter Ferrari, Toyota auf 4 und 5, BMW-Sauber und Renault erst auf 7 und 8. Wie ist es zu erklären, dass in dieser Saison so viele reinrassige Werkteams hinterfuhren, trotz all ihres Know-Hows, ihrer Manpower und dem Budget.

[Don Dahlmann] Es zeigt sich halt, das bei so gravierenden Änderungen im Reglement doch wieder eine in der F1 fast vergessene Tugend des Ingenieurswesen zum tragen kommt: Ideen haben und mal außerhalb der Spur denken. So ein radikaler Wechsel in den Regeln war schon immer der Moment, in dem Menschen mit genialen Ideen gekommen sind. Colin Chapman hätte sich gefreut. Der Umdenkungsprozess im Grunde nur Ross Brawn und Adrian Newey gelungen, alle anderen haben deren Ideen im Laufe der Saison abgekupfert und verbessert. Das Ferrari und McLaren Zeit auf den Rest fehlen würde, hatte man schon Ende 2008 gehört. Weil man so in den Titelkampf verzahnt war, blieb keine Zeit für 2009. Aber das schlechte Abschneiden der einzelnen Teams hatte auch andere Gründe:

Ferrari – Die haben nicht nur komplett daneben gelegen, sondern durch den Unfall von Massa auch den Boden unter den Füßen verloren. Seit Ungarn hat man den Wagen praktisch nur noch als Teileträger für das 2010er Auto genutzt.

McLaren – Man hatte eine sehr gute zweite Saisonhälfte, auch wenn der Wagen immer noch Schwächen hatte. Die haben es sich erlaubt, den Wagen fast komplett neu zu bauen. Ich glaube, es gibt bis auf das Monocoque kein Teil, was sie nicht getauscht habe. Das sie in Team WM so weit hinten liegen, hat auch was mit Kovalainen zu tun, der nicht in die Lücke springen kann, wenn mal was schief läuft.

Renault – Die haben seit 2006, als ihnen ihre J-Dämpfer Entwicklung verboten wurde, die den Wagen stabiler macht, kein vernünftiges Auto mehr gebaut. Ob mit oder ohne neue Regeln.

Toyota – Wundertüte Toyota. Aber denen fehlte in diesem Jahr manchmal auch einfach nur das Glück zum ersten Sieg. Es ist fast bedauerlich, dass sie den eingeschlagenen Weg nicht mehr beschreiten werden, und nun aufhören.

BMW – Das war doppelt peinlich. Erst hat man ein schlechtes Auto, dann legt man auch noch einen von Panik getriebenen Ausstieg hin und versaut zwei potentiellen Käufern den garantierten Startplatz.

Dennoch konnte man in der zweiten Saisonhälfte sehen, dass der Vorsprung der “Kleinen” sehr schnell geschmolzen ist. Hätte Ferrari weiter entwickelt, hätte man sicher auch noch ein paar Siege einfahren können. 2010 werden die “big names” wieder vorne sein. Red Bull wird sich wohl hoffentlich vorne halten können, aber Adrian Newey weiß man auch nie. Der baut entweder Granaten oder Wagen, die gut, aber nicht rasend gut gehen.

Das Beispiel Kovalainen zeigt im übrigen auch, wie eng es in der F1 zu geht. Man kann durchaus 3 Zehntel auf einen Weltmeister verlieren, das ist ja wohl normal. Das man damit dann aber auch oft in Q3 nur auf Platz 8 oder 10 kommt, wo das Rennen dann gelaufen ist, das ist schon erstaunlich.

Honda, Toyota und BMW sind ausgestiegen, Renault wackelt. Die F1 scheint sich weg von den Hersteller-Werkteams wieder zu besitzergeführten Teams zu bewegen. Gleichzeitig haben sich mit Ron Dennis und Briatore zwei Machtmenschen aus dem Zirkus zurückgezogen (haben sie?). Wie wird dies die F1 verändern? In welche Richtung wird sich die F1 hinbewegen wollen? Wird man eine neue, hemdsärmeligere Mentalität zu spüren bekommen?

[Don Dahlmann] Die F1 ist nach dem Rückzug von Toyota, BMW und Honda schon jetzt wieder eher eine Team-Serie. Williams, Force India, Brawn, Red Bull, Toro Rosso und die neuen Teams Campos, USF1, Lotus und Manor (Virgin F1) sind privat geführte Teams. McLaren hat “nur” eine Partnerschaft mit Mercedes, Ferrari ist halt Ferrari. Bleibt nur noch Renault als reines Werkteam.

Allerdings: mit den Herstellern kommen auch die Sponsoren, weil die oft eh schon Geschäftspartner der Marken sind, oder sich über das Sponsoring eine verbesserte Zusammenarbeit versprechen. Diese Möglichkeit hat man bei den Privatteams, die mit einem Cosworth unterwegs sind einfach nicht. Allerdings – das Beispiel LotusF1 zeigt, das mittlerweile Sponsoren das Ruder komplett übernehmen. Lotus ist quasi die Filiale von “Air Asia” und deren Zulieferer haben sich auch Interessen, sich zu zeigen, oder mit Air Asia bessere Geschäfte zu machen.

Man kann von Max Mosley halten, was man will. Aber er hat 2008 die Zeichen der Zeit erkannt und damit begonnen, die Serie weg von den Herstellern zu bewegen. Die Reaktivierung des Cosworth Motors als Alternative für Teams ohne Herstellervertrag, war eine gute Idee. Ob sie sportlich was bringt, ist was anderes, zumal sich Mercedes als Lieferant für sechs Autos schon die Position manövriert hat, dass man auch den Rest des Feldes kostengünstig ausstatten könnte. Auch war es konsequent auf ein Budgetlimit zu setzen. 50 Millionen Euro für ein Team ist viel Geld, auch wenn die NASCAR mittlerweile mit Kosten von 25 bis 30 Millionen Dollar pro Wagen schon nahe dran ist.

Mit den vielen Privatteams wird das sicher besser werden. Wenn ein Hersteller wieder 400 Millionen ausgibt und alles in Grund und Boden fährt, wird man sehr schnell darüber nachdenken, wie man den Vorteil eindämmt. Im Moment sieht es aus, als habe man sich mehr oder weniger darauf geeinigt, dass man nicht mehr als 150 Millionen/Saison ausgibt. Die Beschränkung der Testtage und der Tage im Windkanal hilft da schon sehr.

Die Ausgabenlage hängt in der F1 aber auch sehr eng mit der Einnahmensituation der Serie zusammen. Man darf nicht vergessen, dass die Teams mit einer einjährigen Verzögerung 50% der TV-Einnahmen bekommen, plus andere Quellen wie Transportkostenübernahme. Je mehr Bernie Ecclestone reinholt, desto mehr können die Teams ausgeben.

Briatore ist sicher weg für ein paar Jahre, oder zumindest so lange, bis er seinen Prozess wegen des faktischen “Berufverbotes” gegen die FIA gewinnt, woran ich nicht zweifle. Bei Ron Dennis bin ich mir nicht sicher, ob er überhaupt jemals wirklich komplett raus war. Man wird ihn, jetzt wo Mosley weg ist, wieder sehr oft sehen. Als “Berater”, oder so. Der Abgang beider hat der F1 aber nicht nachhaltig geschadet. Dennis war wegen seines “Ronspeak” nicht sonderlich TV-tauglich, Briatore wegen seiner Nuschelei. Wie ich hörte waren nur sehr wenige Menschen im Paddock unglücklich über den Abgang der beiden. Zu dem hat der Zirkus immer wieder beweisen, dass er neue “Figuren” produziert.

Hemdsärmlig wird es bei 2,5 Milliarden Euro Geschäft wohl nicht mehr werden.

Es war eine weitere Saison mit viel Trubel außerhalb der Strecken, mit dem Machtkampf zwischen Teams und FIA. Die FIA bekommt einen neuen Chef mit Jean Todt. Wie wird sich die Machtbalance zwischen FIA und F1-Akteure verändern?

[Don Dahlmann] Darüber mache ich mir seit dem Sommer Gedanken und ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher. Mit Jean Todt ist einer Präsident geworden, der wie kein zweiter im Moment beide Seiten kennt. Er war Teamchef, hat sich aber auch um die geschäftlichen Belange gekümmert. Er kennt die Zahlen und die Probleme der Teams am besten. Das deutet darauf hin, dass er Spaßmaßnahmen durchaus offen gegenüber steht, auch wenn man das Wort “Budget-Limit” von ihm nie gehört hat. Interessant wird sein, wie er reagiert, wenn es den ersten großen Ärger in der F1 gibt. Ein Spionageskandal, oder sonstiges. Bis dahin würde ich mal abwarten.

Was man bei Jean Todt nicht vergessen sollte: er und der FOTA Chef Montezemolo sind nicht die besten Freunde. Es gab Gerüchte, dass Montezemolo zunächst sauer war, dass der Vertrag mit Massa Ende 2007 für drei Jahre verlängert wurde, da man damals schon Alonso haben wollte. Todt ist aber kein großer Fan vom Spanier. Jedenfalls soll das einer der Gründe gewesen sein, warum der Vertrag von Todt nicht mehr verlängert wurde. Jetzt sitzen sich beide wieder gegenüber. Könnte interessant werden.

Mosley versuchte die Kosten runterzuschrauben. Offensichtlich nicht schnell und nicht gut genug. Es springen Hersteller von der Schippe und einige der besitzergeführten Teams wie Williams oder Force India wackeln. Mit den veränderten Machtverhältnissen in der FIA und in der F1, wie kann da die weitere Entwicklung aussehen?

[Don Dahlmann] Max Mosley hat da, wie oben erwähnt, schon die Weichen gestellt. Da man die Einnahmenseite nicht vergrößern kann, da die Streckenbesitzer und Promoter sowieso schon ächzen, wird man also entweder mehr Sponsoren bekommen müssen, oder die Kosten drücken. Der Taktgeber ist im Moment aber nicht die FIA, sondern die FOTA. Und dort hat man sich dass Konstrukt der Einstimmigkeit einfallen lassen, was die FIA gerade wieder abgeschafft hatte. Und so kommt es, das ausgerechnet Williams den 14. Startplatz von Sauber verhindert(*). Da sehe ich für Sparmaßnahmen eine große Gefahr, denn evtl. könnte ja Williams mal was wollen, und dann werden sie von einem reicheren Team blockiert. Das führt sicher wiederum zu Spannungen zwischen der FIA und der FOTA.

Aber im Moment hat die FOTA die Oberhand und diktiert, was alles so geht. Die FIA hätte ja gerne KERS weiter im Auto, aber die FOTA nicht (warum auch immer). Das 2010 vermutlich ohne KERS gefahren wird, obwohl das FIA Reglement den Einsatz ausdrücklich erlaubt, zeigt, wie stark die FOTA ist.

Auf der anderen Seite: Der Spionageskandal und die gerade so abgewendete Spaltung der F1 in diesem Jahr, haben allen Beteiligten gezeigt, dass die Serie nur als Ganzes funktioniert. Streitigkeiten halten die Sponsoren ab und hält Hersteller davon ab, in den Sport einsteigen zu wollen.Es ist also wichtig, dass man die nächsten zwei, drei Jahre die Füsse still hält.

(*: Anmerkung: mit dem Rückzug von Toyota scheint Sauber nicht mehr auf einen ursprünglich nicht vorgesehenen 14ten Startplatz angewiesen zu sein, sondern kann Toyotas Platz einnehmen -dogfood )

Die Wirtschaftskrise schlägt voll bei den Herstellern und den Teams durch. Nur bei den Strecken macht es noch den Eindruck, als würde man das pralle Leben vor dem Börsencrash genießen. Neue Kurse wie Valencia, Singapur und Abu Dhabi strotzen nur so vor Künstlichkeit und Dekadenz. Wird es hier auch irgendwann einen Rückschlag geben und wie nachhaltig können Strecken mit einem Fassungsvermögen von z.B. nur 50.000 Zuschauer wie in Abu Dhabi überleben? Wie lange kann Ecclestone interessierte Streckenbesitzer gegenseitig ausspielen und die Preise hoch halten?

[Don Dahlmann] Abu Dhabi als reine Rennstrecke anzusehen, ist ein Fehler. Das ist eine Art “Disneyland” mit einem Formel Eins Rennen im Jahr. Die brauchen die Tribünen eigentlich gar nicht, weil es ausreicht, dass das Hotel, der Hafen, die “Ferrari-World” und die Rennstrecke mit Hobbyfahrern ausgebucht ist. Davon gibt es da unten ja genug.

Das Thema “Tradition” vs. “Neue Erlebniscenter” kann man ja schön in Deutschland am Nürburgring sehen. Diese neue “ring-world” nebst angeschlossenen Ballermannkonzept namens “Eifel-Dorf” hat nichts mehr mit Motorsport zu tun und am Ring lebt es allein von einem Mythos, den es auf der Grand Prix-Strecke auch nach 25 Jahren mal ansatzweise gibt.

Was mich stört ist nicht, dass die Rennen zu einem Event von vielen an einem Wochenende verkommen. Das aber ist Teil der Sache. Man macht das teilweise für die Fans, damit die ein Argument haben, den horrenden Ticketpreis zu bezahlen, aber viel mehr für die Sponsoren und deren tausenden von Gästen. Die Strecken sind aber ein Problem. China, Malaysa, Bahrain, Valencia, Abu Dhabi und nächstes Jahr auch Korea sind Strecken, die alle nur dann gute Rennen versprechen, wenn es regnet. Mittlerweile ist ein Rennen in Ungarn ja schon besser, als auf den genannten Strecken. Wie gut die Rennen sein können, sieht man in Spa, Monza, Melbourne, Montreal, Suzuka oder Brasilien. Man würde die F1 gerne in Brands Hatch oder anderen Strecken sehen, aber das geht nicht mehr. Teilweise aus Sicherheitsgründen, teilweise, weil das Setting für die Formel Eins und deren Sponsoren nicht mehr stimmt.

Meine Prognose: man behält Europa ein paar wichtige Strecken und Rennen. England, Deutschland und Italien sind Kernmärkte. Spanien wird einen GP an Frankreich abgeben müssen, wenn die denn endlich mal eine neue Strecke bauen, die Ecclestone passt. Der US-Markt bekommt ein Rennen. Er mag für die Hersteller wichtig sein, aber nicht mehr für die meisten Sponsoren. Der Rest der Rennen wird nach Asien und Arabien gehen. In Indien und China warten theoretisch 2,5 Milliarden Menschen auf die Übertragungen.

Ecclestone hat das schon eingesehen. Er hat Hockenheim, Montreal und vermutlich auch Silverstone ein deutlich besseres Angebot gemacht. Die Streckenbetreiber in Asien und Arabien fangen das wieder auf, in dem sie mehr zahlen. Aber wie gesagt: ich glaube auch, dass die Preisschraube da am Ende ist.

Ausblick auf die nächste Saison: eine der markantesten Regeländerungen wird der Wegfall des Tankstopps sein. Kann man schon erahnen, wer mit dem Einbau eines größeren Tanks am besten zurecht kommen wird?

[Don Dahlmann] Zwei Dinge werden wichtig sein: der reine Spritverbrauch, weil 5 Kilo Sprit eben auf Dauer doch was ausmachen, und die Gewichtsverteilung. Dazu kommt auch, dass es um den Reifenverbrauch geht. Zwar wird man auch 2010 die Reifen mindestens einmal wechseln müssen, aber es geht auch darum, wie die Reifen belastet werden. Das ideale Temperaturfenster wird noch wichtiger. Wie man dieses Jahr schon bei Toyota, BMW und Brawn gesehen hat, können da ein paar Grad Asphalttemperatur entscheiden, ob man rutscht, oder voran kommt. Im Gegensatz zu diesem Jahr, kann es 2010 sein, dass man einen Vorteil hat, wenn man kürzere Stints macht, weil frische Reifen mehr bringen.

Wenn man diese Saison sieht, könnte man zu dem Schluss kommen, dass Brawn, Sauber, Toyota und Ferrari nächstes Jahr Vorteile haben müssten, weil die am besten mit den Reifen umgehen. Aber alle Teams werden in Anbetracht der neuen Situation die gesamte Aufhängung im Hinblick auf den mechanischen Grip überarbeiten. Da man mit Autos starten wird, die nicht mehr 650 kg, sondern 760kg wiegen werden, muss man komplett umdenken. Was auch der Grund war, warum Ferrari Fisichella in den letzten Rennen immer als Tanklaster losgeschickt hat. Vor den Tests im Februar wird man nichts genaues sagen können.

Ganz weit geblickt: die größte Herausforderungen für die Autohersteller dieser Tage, ist der Bau von Elektrofahrzeugen. Werden Elektromotoren irgendwann in absehbarer Zeit relevant für die F1 sein?

Ich bin mir nicht mal sicher, ob Elektromotoren generell für die Autoindustrie auf Dauer die Lösung ist. Im Motorsport sind sie es für die nächsten fünf, wenn nicht zehn Jahre nicht. Die FIA plant die Einführung eines “Weltmotors”. Ein kleiner Motor, der als reiner Saugmotor mit zwei Liter oder Turboaufladung mit 1.4 Litern gefahren werden kann. Der soll in der WRC, der WTCC, aber auch durchaus in der F1 nach 2012 zum Einsatz kommen. Das war aber eine Idee von Max Mosley, da wird man abwarten müssen, ob die FIA und Jean Todt die Idee weiter verfolgt.

Sollte es eine Art “Ölkrise” geben, wird man vermutlich schnell einen Wechsel zu verbrauchsarmen Motoren machen, vielleicht kommt eine verbesserte, einheitliche Version von KERS dazu. Wenn man sehr weit schaut, ist vielleicht ein Wasserstoffantrieb eine Variante.

Für den Motorsport ist ja nicht nur der Antrieb wichtig. Der Sound gehört genauso dazu. Vorbei zischende Elekromautos sind langweilig.


Don Dahlmann: Berliner, Journalist, Autor, Blogger, Gründer und Macher vom racingblog.de.
Ich bedanke mich, dass er sich für das Interview zur Verfügung gestellt hat.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Schön zu lesendes Interview,auch mal was neues hier. Gefällt mir auf alle Fälle aber gut.

  3. In der Tat “etwas Neues und eventuell schon eine Maßnahme, bzw. ein Testlauf nach der “neuer Schwung gesucht” – Diskussion?

    Überrascht mich aber eigentlich nicht, dass dogfood dann in Form dieses Interviews mit etwas kommt, dass meines Wissens nicht von uns in den Kommentaren angedacht wurde :-)

  4. BBC 5live meldet heute morgen, dass gestern auf der Aufsichtsratsversammlung von Renault über ein Rückzug des F1-Teams, aber einem Verbleib als Motorenhersteller nachgedacht wurde – was auch so ein bißchen zum Daily Mail-Artikel passt. Was ein Ergebnis verkündet wird, ist nicht bekannt, soll aber nicht heute passieren, da Renault eine wichtige Präsentation vornimmt, die nicht “überschattet” werden soll (sic…)

    France Info hält sich heute morgen leider noch mit Sport-Blöcken zurück.

  5. Klasse Interview! Danke an die Beteiligten.

    Wenn man sehr weit schaut, ist vielleicht ein Wasserstoffantrieb eine Variante.

    Oder Biosprit. Ethanol, BtL (synthetische Kraftstoffe aus Biomasse), etc. Oh, halt. Doch kein Ethanol. In den arabischen Ländern herrscht ja Alkoholverbot. ;-)

    Turboaufladung mit 1.4 Litern

    Also ich weiß nicht… In einem Formel-Auto?!? Sowas gehört in einen Golf.

  6. Schönes Interview.

    Das Renault drüber nachdenkt, ist ja auch wie bei Toyota nichts neues. Allerdings finde ich es immer ziemlich merkwürdig, ob man so eine Entscheidung wirklich nach der Saison treffen muss, wo sicherlich schon die ersten Entwicklungen, Zeichnungen und so weiter für das nächste Jahr stattgefunden haben… Da Red Bull aber offenbar einen Vertrag für 2010 mit Renault hat, wird man zumindest ein Jahr als Motorlieferant noch im Rennen bleiben – außer da ist noch nichts unterschrieben worden.

  7. […] In einem langen Interview habe ich mich zum Thema Formel Eins und die Saison 2010 geäußert. Der Kollege Dogfood, Betreiber von allesaussersport, hatte am letzten Wochenende die Idee, ein Interview zum Thema Formel Eins und deren Aussichten für die nächsten Jahre zu machen. Netterweise hat er mich um die Beantwortung der Fragen gebeten. Dem bin ich gern nach gekommen. Die erste Frage gibt es auch hier zu lesen, den Rest des sehr langen Interviews drüber bei allesaussersport. […]

  8. Ich mag die Formel eins nur am Rande.
    Aber das Interview ist klasse!

  9. Ich mag die Formel 1 gar nicht, aber dem Lob schließe ich mich an.

  10. Klasse Interview, auch wenn man das im Nachinein nochmal auf “dass”-Fehler durchsuchen sollte ;-)

    Aber ich verfolge Dons Blog ja schon seit langem. Schrecklich finde ich vor allem diese Veröstlichung der F1.

    @Don: Gehöhrte nicht vor allem Red Bull zu den Teams, die mit den Reifen am wenigsten Probleme hatte, oder invertiere ich da etwas?

  11. […] allesaussersport gibt es ein hochinteressantes Interview von Kai Pahl mit Don Dahlmann, dem Betreiber vom Racingblog, […]

  12. […] Wie die Formel Eins von 2009 nach 2010 fährt – allesaussersport dogfood von allesaussersport hat sich Don Dahlmann vom Racingblog zu einem interessanten Interview geschnappt. […]

  13. @JanW: Red Bull war sicherlich kein Team, bei denen die Reifen extrem beansprucht wurden.

    Brawn hat die Reifen sogut geschont, dass man nicht mal ins richtige Temperaturfenster auf einige Strecke kam (Zick-Zack fahren während des Rennens, ungewöhnlich). Ferrari ist mit dem schwarzen Gold eigentlich schon immer gut umgegangen.

    Aber das ist in 2010 alles neu. Wer es im Winter schafft, die 165 Kilo Sprit, die man mitnehmen darf, gut zuverteilen, wird auch einen Vorteil bei den Reifen haben.