Die NFL-Draft 2010 im Schnelldurchgang

In den nächsten Nächten teilen sich die NFL-Teams in der diesjährigen Draft den Nachwuchs aus den aktuellen College-Jahrgängen auf. Heute findet die erste Runde ab 1h30 statt, morgen die Runden 2 und 3 ab 1h30 MESZ und am Samstag ab dem Nachmittag die restlichen vier Runden. Erstmals hat die NFL-Draft ihren angestammten Sendeplatz am Samstag und Sonntag verlassen, um in die Prime Time zu rücken. ESPN America ist mit den NHL-Playoffs beschäftigt und wird von der Draft erst an den darauffolgenden Nachmittagen berichten. Die NFL wird aber laut eigener Aussage die Draft auch auf ihrer Website streamen – in den letzten Jahren ist die Draft-Berichterstattung vom NFL-Network u.a. mit dem Draft-Guru Mike Mayock besser und sachlicher gewesen als das Pendant von ESPN.

Quarterbacks

So wie die Quarterbacks in den Spielen immer im Fokus stehen, so schnell und einfach kann man sich auch bei der Draft eine Meinung über die zur Verfügung stehenden QBs bilden. Das beste was man über diesen Jahrgang sagen kann: er ist “interessant”.

Als sicherer NFL-Kandidat und #1-Pick unter den Quarterback gilt Oklahomas Sam Bradford. Sehr präziser Passer, kann auch aus der Pocket rausrollen. Die Trennung von St. Louis von QB Marc Bulger gilt als sicheres Zeichen, dass die St. Louis Rams den ersten Pick der Draft für Bradford verwenden. Kunstrasen und präziser Passer gilt als gute Kombination – schlag nach bei Kurt Warner und die Mike Martz-Offense.

Doch bereits dahinter poppen allenthalben die Fragezeichen nach den Qualitäten auf. Unisono als zweitbester QB wird Notre Dames Jimmy Clausen gehandelt. Als positiv wird vermerkt, dass er von Headcoach Charlie Weis ein Pro Style-Offense wie aus der NFL kennt und ein guter Passer ist. Die Fragezeichen drehen sich mehr um Charakter und Leadership. Clausen hat das Image eines verwöhnten Einzelkindes. Bezeichnend für die nicht überzeugende Qualität des QB-Jahrganges: Clausen als Konsens-Nr 2-QB, geht in den Mock-Drafts irgendwo in der zweiten Hälfte der ersten Runde weg.

Am spannendsten ist die Situation rund um QB Tim Tebow. Begonnen hat er seine College-Karriereals verkappter RB der auch werfen konnte. Headcoach Urban Meyer versuchte ihn im Laufe der Jahre zu einem QB zu reifen, der auch laufen konnte. Es ist ihm bzgl. der NFL-Kompatibilität nicht überzeugend geglückt, daher ist es vielen ein Rätsel was aus Tebow wird, zumal die Wildcat-Offense, die in den letzten 1-2 Jahren in der NFL in Mode war, schon wieder langsam am Abklingen ist – ein Pat White hat sich in Miami nicht durchsetzen können und überlegt in die MLB zu wechseln. Wird ein Team einfach auf gut Glück Tebow draften? Wird ein Team Tebow draften, um ihn dann aber Running Back spielen zu lassen? Don Banks und Peter King von Sports Illustrated sehen ihn als Favre-Nachfolger in Minnesota, Bill Simmons sieht ihn als ballwerfende Werbeikone bei den Jacksonville Jaguars. Auch wenn die Aktien von Tebow im Laufe der letzten Wochen bei den Beobachtern gestiegen sind: für viele kein Mann für die erste Runde.

“Aktien gestiegen” im Falle von Tebow heißt: bei vielen Beobachtern an QB Colt McCoy von Texas vorbeigezogen. McCoy ist ein Mann mit waffenscheinpflichtigen Wurfarm, der aber als nicht cool genug für den Pass Rush in der NFL gilt und keine gute Saison 2009 hatte.

QB Bradford als erster Pick weg, QB Clausen eher in der zweiten Hälfte der ersten Runde, QB Tebow vielleicht erst in der zweiten Runde und QB McCoy erst in den Runden 2 oder 3. So ist es um die Qualität bestellt…

Dahinter: QB John Skelton aus Fordham, aus einem irrsinnig kleinem College, der aber einen guten Eindruck hinterlassen hat. QB Dan LeFevour der in Central Michigan mit einem starken Wurfarm Irrsinns-Stats geworfen hat, aber nicht wirklich als NFL-kompatibel gilt. QB Jevan Snead, dessen Aktien nach einem mauen Jahr bei Ole Miss gesunken sind. QB Crompton aus Tennessee, zeigte zuwenig Konstanz bei den Vols. QB Mike Kafka von Northwestern gilt als Fighter. QB Tony Pike aus Cincinnati gilt als zu verletzungsanfällig.

Running Backs

Common sense in den Mock Drafts: ganz schwacher Running Back-Jahrgang mit nur zwei oder drei Backs die in der ersten Runde weggehen könnten. Top-Mann ist RB CJ Spiller aus Clemson, der ein komplettes Paket darstellt. Athletisch, schnell, sehr stark, fangsicher und im Special Team einzusetzen. Allgemein wird erwartet, dass er irgendwo zwischen den Picks #10 und #20 weggeht.

In den letzten Wochen kämpfte sich RB Ryan Matthews von Fresno State in den Rankings nach vorne. Ein Panzer der sich in den Short-Yardage-Situationen durchtankt und immer, immer wieder eingesetzt werden kann. Er soll irgendwo südlich des 20ten Picks weggehen.

Nicht ganz sicher ob er überhaupt schon in der ersten Runde weggeht: RB Jahvid Best von California. Sehr explosiv, sehr fangsicher.

Sonst so

Aus Zeitgründen muss ich nun abkürzen. Im Mittelpunkt steht abseits der Skill Player das Duell der besten Defense Line-Spieler. Mit DL Ndamukong Su von Nebraska und Gerald McCoy aus Oklahoma gehen zwei der potentiell besten DL-Spieler der letzten Jahre vermutlich als #2- und #3-Pick weg. McCoy ist der besserer Pass Rusher, Su der besserer Blocker gegen das Laufspiel

Bei den Picks dahinter wird ein Duell der besten OL-Spieler erwartet: Trent Williams aus Oklahoma vs. Russell Okung von Oklahoma State. Beides geschulte Left Tackle. Williams mit Off-Field-Problemen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ich hoffe mal, dass Tebow nach JAX geht. Das wäre wie geschaffen dafür, um die Jags mal zu nem echten Team zu machen. Schlechter als Colt Brennan oder Matt Leinart kann er kaum sein, wobei ich die beiden wirklich mag.

  3. surprise, surprise

    tebow……surprise

  4. Sagt tschüss Tim.
    “Tschüss Tim”

    Irgendwie mag ich die Perversion dieses Sklavenhandels :-)

  5. Kann mir zufällig irgendjemand erklären, weshalb die Broncos jetzt ausgerechnet Tim Tebow gedraftet haben? Habe ja prinzipiell sehr wenig Ahnung von dem ganzen Football-Gedöhns und dies ist der erste Draft, den ich verfolge, aber dass die Broncos einen QB nehmen würden, hatte ich nun nicht wirklich erwartet.

    @dogfood
    Keine Forderung, sondern wirklich nur eine Frage: Wird es von Dir irgendwann im Laufe der Tage noch eine gesonderte Einschätzung zu den Drafts der jeweiligen Teams geben?
    (Interessieren würde mich das auf jeden Fall, ansonsten tun es auch die Einschätzungen von ESPN auf deren Webseite.)

  6. Ich werd wohl heute nicht dazu kommen – zumal ich die Draft auch nur heute morgen überflogen bin und versuchen will heute nachmittag zur ESPN A-Ausstrahlung zuhause sein zu wollen.

    Den Move von Denver kann ich auch nicht so richtig nachvollziehen. Headcoach Josh McDaniels soll mit Floridas urban Meyer gut befreundet sein und von daher ist über die Schiene vermutlich mehr Know How über Tebow aufgelaufen als bei anderen Teams.

    Orton und Quinn sind maximal grundsolide QBs aber keine um die ich eine Franchise bauen würde. Nach dem Abgang von WR Marshall wurde ein belastungsfähiger WR gesucht – und mit dem 22ten Pick wohl in WR Demaryius Thomas/Georgia Tech gefunden. Etwas überraschend dass die nicht den Konsens-WR #1 der Draft Dez Bryant/Oklahoma State genommen haben.

    The Football Post schreibt dass Tebow gut in die McDaniels-Offense passen soll – ich sehe nicht wie. McDaniels war QB-Coach und OffCoord in New England. OffCoord. Mike McCoy kam aus Carolina, wo er QB-Coach von Jake Delhomme war. Also alles eher paßlastige Offenses. Im Falle von NE viele kurze, schnelle Pässe mit Präzision, im Falle von Carolina mit dem dicken Wurfarm von Delhomme.

    Tebow passt irgendwie nicht in dieses Schema rein – zumindest nicht als Starting-QB. Eher schon als “Freak Show” oder Option für irgendwelche Spielzüge – Wildcat oder sonst was.

    Da wird es übrigens nicht uninteressant: WR Thomas spielte bei Georgia Tech-Receiver in einer Triple-Option-Offense. Der kennt sich also mit lauffähigen Quarterbacks aus…

  7. Danke für die interessanten Erläuterungen. Klingt alles in allem auf jeden Fall nach einem spektakulären Move, der entweder ein richtiger Knaller wird oder an dem sich McDaniels vielleicht selbst aufhängt, wie ein ESPN-Analyst meinte. Spannend.

    Ich freue mich auf jeden Fall schon auf die nächste Saison und mit etwas (naja, eher ziemlich viel) Glück, schaffe ich es am 26.9. ins Mile High gegen die Colts.

  8. ein Pat White hat sich in Miami nicht durchsetzen können und überlegt in die MLB zu wechseln.

    Wie jetzt – zum Baseball? Weil die von Ihm geworfenen Bälle schon vorher unberechenbar waren, oder was? Oder habe ich eine Regeländerung in der MLB verpasst (die ich mir gerade sehr, sehr lustig vorstelle..)?

  9. Kurze Frage: Sind die Draftpick-Rechte in der NFL auch Teil von Transferdeals a la “ich gebe dir einen Spieler für einen Erstrundenpick”?

  10. Jep. Kann man unter anderem hier sehr schön sehen und mitverfolgen.

  11. Danke!

  12. NFL-Draft zur US-Primetime scheint sich für das amerikanische TV ausgezahlt zu haben: 23 Prozent Steigerung zum Vorjahr in der ersten Runde bei ESPN. Meistegesehene erste Runde ever.

    Höchstes Rating in Jacksonville. Dort scheint man wohl auf Tebow gehofft zu haben… Quelle: ESPN.com

  13. Diese amerikanische Art mit jungen Talenten umzugehen ist wirklich speziell. Als ich das letzte Jahr in Amerika verbracht habe, haben wir sehr viel Football geschaut und auch in den ersten Wochen viel College Football. Die Jungs spielen mit 20 Jahren vor Millionen von Menschen und manchmal 90 000 Zuschauern im Stadion. Nach ihrer Zeit am College ist das leben des großen Sports vorbei. Nur ein Bruchteil schafft es in den Draft und die anderen hängen können mit Anfang 20 ihre Schuhe an den Nagel hängen… .

    Am besten beschreibt sich in diesem Jahr nach meiner Meinung nach Dilemma damit das bisher nur zwei Quarterbacks in der ersten Runde gezogen wurden. Ein Mann wie Colt McCoy war zu Zeiten am College jeden Tag in den Medien wie z.B. ESPN, CBS, ABC… all diese Quarterbacks leben während ihrer Schulzeit in einer riesen Blase ob man da zum lernen kommt wenn man wie die Profis trainiert ist auch noch eine Frage.

    Nach Jahren im Ausnahmezustand wo man ein öffentliches Ansehen genießt wie die Besten der Besten in der NFL sitzt man dann auf der Straße und das war`s dann. Ich würde gerne mal eine Bericht darüber lesen wie diese Jungs damit nach Ihrer College Karriere zurecht kommen!

    Dieses Jahr wurde jemand auf eins gezogen, der fast das ganze Jahr verletzt gewesen ist. Als Nummer 1, 2 oder 3 bekommt man mehrere dutzend Millionen garantiert, also ohne jemals nur ein einziges Spiel gemacht zu haben. Diesen Sinn und Unsinn verstehe ich nicht.

  14. guck doch mal den draft letztes jahr an

    1. Matthew Stafford QB Detroit Lions

    der junge galt nie als jahrhundert-talent oder so und hat trotzdem einen über 70 millionen guaranteed vertrag bekommen.seine erste saison war nicht schlecht aber es kann auch gut sein,dass nächste saison jemand anders als QB spielt und dann sind im schlimmsten fall (kein trade etc) 70 millionen für vielleicht 2 gespielte saisons happig

  15. edit

    zahlen stimmen nicht ganz:

    max. 72 millionen dollar und guaranteed 42 millionen dollar

  16. Soll aber auch im, sagen wir mal, Fussball vorkommen, dass ein Spieler, der in der, sagen wir mal, brasilianischen Liga überragend gespielt hat, nur auf Grund dieser dort überragenden Leistungen einen langfristigen Vertrag mit hohen Fixkosten in einer intensiveren Liga erhält, ohne dass irgendjemand garantieren kann, dass der Spieler dort ähnliche Leistungen abliefern kann.

    Wie hoch waren noch gleich die kummulierten Kosten der Hertha BSC GmbH & Co KGaA auf Grund der Verpflichtung des Alex Alves?

  17. Interessante Story:

    http://nfl.fanhouse.com/2010/04/27/how-dare-nfl-teams-question-myron-rolles-commitment-to-football/

    Passt nicht ganz 100%ig in diesen Thread, aber vielleicht interessiert das ja jemanden (vor dem Draft hatte schon ein ESPN-Schreiber nicht nur Rolles, sondern auch Tebows “Intelligenz” als Nachteil in der NFL gesehen).

    Die NFL benimmt sich neuerdings wie ein Moralhüter, die Wirklichkeit ist eine andere: Sie ist verantwortungslos gegenüber den eigenen Protagonisten.