Play The Game 2011 – Sportpolitik in Köln

Letzte Woche schrieb ich über die Sportjournalismus-Konferenz in Köln, einer eintägigen Veranstaltung die vom Deutschlandfunk organisiert wurde. Das war eigentlich “nur” das Aufwärmprogramm für vier Tage die Play The Game-Konferenz, die danach in der Sporthochschule Köln stattfanden. “Play The Game” ist inzwischen zu eine der wichtigsten sportpolitischen Veranstaltung geworden, auch wenn die Berichterstattung in den deutschen Medien eher spärlich war.

Ich selbst war dann bei der Veranstaltung nicht dabei, aber man konnte die Veranstaltung “von außen” sehr gut mitverfolgen, dank ausführlichen Material auf der playthegame.org-Website wie z.B die Präsentationen oder die Livestreams/Video-On-Demand-Angebote (die allerdings tontechnisch etwas herausfordernd sind…)

Die Journalisten und Blogger Jonathan Sachse, Anja Perkuhn, Daniel Drepper und Jens Weinreich haben die Veranstaltung livebloggenderweise und unter höchsten körperlichen Einsatz verfolgt.

In den vier Tagen hat sich ein Wust an Material angesammelt. Bei der Aufarbeitung des Materials ist mir erst die schiere Menge an detaillierten Informationen bewusst geworden. Ich habe versucht aus der Ferne das Material zu sichten und zu sortieren. Ich wollte schon Ende letzter Woche damit durch sein, aber es war dann doch zu viel, was gelesen werden wollte. Die Themen seien hier nur angerissen und zum Weiterlesen auf die verlinkten Präsentationen und Blogeinträge von Daniel/Jonathan/Anja/Jens verwiesen.

Doping

Hajo Seppelt und Robert Kempe, u.a. für ARD und WDR tätig, sind für einen Sport Inside-Beitrag der Frage nachgegangen, wie Sportverbände Doping kontrollieren. Ihr Fazit: viele Sportverbände legen sich bei Nachfragen völlig quer, allen voran der Schwimverband FINA. Andere Sportverbände sparen Geld in dem sie bei den Kontrollen nicht Blut- und Urinproben gleichzeitig nehmen und nicht auf alle Stoffe untersuchen. Es gibt auch keinerlei Transparenz wie Verbände mit ihren Dienstleistern, den Untersuchungslaboren arbeiten. Mehr bei Anja Perkuhn.

Wilhelm Schänzer, bekannter Kämpfer gegen das Doping fordert Reformen und macht in seinem Vortrag “How to Improve the Fight Against Doping” Vorschläge zur Verbesserung (PDF)

Einen ganzheitlichen Ansatz zur Verbesserung unterbreitet Olivier Niggli, WADA-Justiziar in “Current challenges and issues for anti-doping”. Der Anti-Doping-Kampf braucht staatliche Unterstützung bei den Ermittlungen – schließlich sei aufgrund der Gewinnspannen auch die Unterwelt involviert. Bei den Sanktionen muss auch das Umfeld des Athleten, wie Trainer, Ärzte, Berater und teilweise Eltern mit einbezogen werden. Daniel Drepper über den Niggli-Vortrag.


Zur qualitativen Untersuchung von Doping zählt auch der Vortrag von Jonas Hoffmann “Adverse Analyzing”. Dabei fallen Zahlen wie z.B. das nur 20 von 49 nationalen Anti-Doping-Agenturen Berichte veröffentlichen und nur 11 Agenturen an die WADA berichten. Auffällig ist die hanebüchen niedrige Zahl der positiven Dopingbefunde in Deutschland.

Techno-Doping

Daniel Drepper schreibt über ein interessantes Panel rund um “Techno-Doping”, also technischen Hilfsmitteln zur Erbringung von sportlichen Höchstleistungen – wie z.B. die allseits bekannten leichten, aerodynamischen Zeitfahrräder.

Spannend ist dabei die Diskussion rund um Oscar Pistorius, dem südafrikanischen Sprinter der mit zwei speziellen Unterschenkelprothesen läuft und von der CAS inzwischen grünes Licht bekommen hat, um bei den normalen (Nicht-Paralympischen) Wettbewerben mitzulaufen. Gerd-Peter Brüggemann, einer der Referenten bei Play The Game, war in dem ursprünglich negativen Entscheid der IAAF, als Sachverständiger involviert. Bei seinen Untersuchungen zeigte sich, dass Pistorius eine sehr viel geringere Sauerstoffaufnahme als vergleichbare Athleten mit normalen Unterschenkel besitzt – was für weniger Leistung spricht. U.a. wegen dieser Erkenntnis ist sich Brüggemann sicher, das Pistorius mit seinen Prothesen einen Wettbewerbsvorteil besitzt.

Klaus Wieweg wies auf die juristischen Aspekte des Techno-Dopings hin: die Notwendigkeit ein überprüfbares Regelwerk aufzustellen, das nicht diskrimiert, aber gleiche Voraussetzungen schafft. Mehr von der spannenden Diskussion von Daniel Drepper.

Korruption

Volleygate

Eines der prägnantesten Beispiel für den Kampf gegen Korruption im Sport wurde auf der Veranstaltung von Mario Goijman, früherer Präsident des argentinischen Volleyballverbandes, präsentiert.

Vor fast 10 Jahren erstattete er Anzeige gegen den damaligen FIVB-Präsidenten Ruben Acosta wegen Dokumentenfälschung und Betruges. Er schaffte es zwar Acosta zu stürzen, aber – so die Bilanz von Goijman auf der diesjährigen Play The Game-Veranstaltung – Acosta scheint vor Gericht mit einem blauen Auge davon zu kommen, u.a. weil sich der Volleyball-Weltverband immer noch nicht komplett von ihm gelöst hat. Goijman hat im Laufe seiner Untersuchungen viel Geld und Besitz verloren.

Es sieht nicht gut aus, deshalb bittet er um Hilfe. Goijman und seine Mitstreiter haben kein Geld mehr für weitere Prozesse, er selbst hat kein Auto mehr, kein Haus, keine Kreditkarten. Er ist verzweifelt. Aber: Er bereut seinen Kampf nicht. Sport sollte eine Möglichkeit sein für Bildung, Ethik und Fair-Play und nicht nur dazu da, um so schnell wie möglich Geld zu machen. “Ihr, die Journalisten, seid meine letzte Hoffnung.”

aus: “Mario Goijman und ‘sein’ Volleygate”, Anja Perkuhn + Daniel Drepper


Nikky Dryden stellt Fragen. Wie es zum Beispiel sein kann, dass die FINA, der Weltschwimmverband, als Non-Profit-Organisation mehrere Millionen Euro Gewinn macht, aber nur 300.000 Euro pro Jahr für die “Entwicklung des Schwimmsports” ausgibt. Dryden sieht dabei auch die Athleten in Bringschuld, die mit Fragen und Protesten mehr Druck ausüben müssen. Mehr bei Daniel Drepper.


Skandale sind Auslöser um den Druck für Veränderungen zu erhöhen. Skandale sorgen für ein Hinterfragen von Strukturen. Was für ein Art von Skandal ist dazu notwendig? Rasmus Storm hat dazu eine Anatomie der Sportskandale erstellt und den Text bei Scribd online gestellt.

Der Fußball und die Korruption

Der Korruptionsklassiker im Sport ist der Fußball. Ezequiel Fernández Moores hat in einem kurzen Vortrag (PDF) 91 Jahre Korruption südamerikanischer Fußballfunktionäre zusammengefasst (siehe auch Anja Perkuhn)

Am letzten Tag der Konferenz lag der Schwerpunkt auf der FIFA, u.a. mit den beiden “Schwergewichten” Andrew Jennings und Jens Weinreich. Bei ihren Vorträgen kam es auch zu einer Wortmeldung des im Publikums anwesenden neuen FIFA-Kommunikationsdirektor Walter de Gregorio, dem wegen den Metaphern aus dem Mafia-Bereich der Kragen platze. Jonathan Sachse und Anja Perkuhn fassten die Session zusammen: [1], [2] und [3]. Das Video der Session (inkl Wutausbruch des provozierten de Gregorio nach 41 Minuten) gibt es hier.

Danach folgten Vorträge mit Vorschlägen für einen Wandel der FIFA. Jean-Loup Chappelet fordert unabhängige Watchdogs (siehe bei Jonathan). Anne Schwöbel fordert einen Anti-Korruptions-Code der für Verbände, Agenturen und Dienstleister verpflichtend sein soll (siehe Jonathan). Anja berichtet wie Jerome Champagne mehr Gleichgewicht in den Fußballverbänden zwischen Profis und Amateuren, zwischen Verbänden und Vereinen fordert. Spieler sollen stärker direkt in die Entscheidungsprozesse eingebunden und dadurch eine Demokratisierung der Verbände erreicht werden (siehe Anja)


Steve Menary hat sich mit einem Detail der Korruption beschäftigt: den winzigsten FIFA-Verbänden, die mehr oder weniger nur Karteileichen sind, die bei Stimmentscheidungen wieder aufleben. In seinem Vortrag “How much is a vote worth?” (PDF). Die Nationalmannschaft von Barbados bestritt zuletzt 2003 ein Freundschaftsspiel, die Turks & Caicos im Jahr 2000. Gleichzeitig streichen diese Verbände FIFA-Fördergelder ein. Die Turks & Caicos Inseln seit 2000 zum Beispiel 3,9 Mio US$. Der Verband Guyanas strich 2002 und 2006 jeweils 400.000 US$ FIFA-Gelder zur Förderung des Fußballs ein. Trotzdem verfügt die Insel das CONCACAF-Mitglied über keine Fußballinfrastruktur.

Politik über Sport

Angesichts der grassierenden Skandale rund um Sportverbände, gibt es immer häufiger den Ruf nach der Politik (ausgerechnet…), die korrigierend und regulierend einschreiten soll. Die Vergabe der Fußball-WM 2018 und 2022 hat das Thema Korruption noch einmal hochkochen lassen. Jens Weinreich sprach am Sonntag vom größten Korruptionsskandal der Sportgeschichte, das sogar bei Sponsoren über das Maß des Erträglichen geht.

Dick Pounds Rede

Zentrale Veranstaltung zum Themenkomplex Korruption, war eine Rede von Richard “Dick” Pound, ememals IOC-Mitglied und Ex-Chef der WADA (Anti-Doping-Agentur). Jens Weinreich hat diese Rede in seinem Blog dokumentiert und bereits in der Vorwoche mit ihm gesprochen.

Pound, der die Organisationen seit langer, langer Zeit in- und auswendig kennt, hat keinerlei Vertrauen mehr in die Selbstreinigungskräfte der Sportmoloche. Wenn die Entwicklung so weitergehe, verkomme der Sport zu einer Showveranstaltung wie Wrestling. Er fordert daher staatliches Handeln, z.B. durch Staatsanwaltschaften, und unabhängige Untersuchungskommissionen, vielleicht sogar eine Welt-Antikorruptions-Behörde, allerdings mit anderen Strukturen als die WADA.


Hans Bruyninckx, Professor of International Relations and Global Governance, versuchte in einen Vortrag die Zuständigkeiten innerhalb des Sportes zu strukturieren. Was gehört zu den Aufgaben eines Verbandes und was ist Zuständigkeit des Staates. Dabei hinterfragte er auch, inwieweit sich der Sport noch weiterhin Ausnahmeregelungen geben darf oder zum Beispiel bei den Finanzen, inklusive Transparenz, wie andere Wirtschaftsunternehmen behandelt werden sollte. Mehr bei Jonathan.

Wetten, dass…?

Ein immer größeres Thema wird der Wettbetrug, die Spielmanipulation. Richard Pound hegt den Verdacht, dass z.B. das IOC liebend gern Match Fixing in den Vordergrund rückt, damit das große Thema “Korruption” unten gehalten werden kann.

Jonathan Sachse über eine Studie des Institutes für Sportwissenschaft der Uni des Saarlandes von Dr. Werner Pitsch (PDF).

Am ersten Tag war auch Declan Hill zu Gast, zuletzt als Autor eines Enthüllungsbuches über Sportwetten bekannt geworden – und in der Szene wegen seiner Inszenierung nicht unumstritten. Er habe vor sechs Jahren den Warner gegeben und nun Recht bekommen. Der asiatische Sport sei wegen der Spielmanipulationen bereits komplett am Boden. Hill schlägt in eine ähnliche Kerbe wie Pound und fordert eine Welt-Anti-Korruptions-Agentur. Ob mehr Frauen in den Führungspositionen, wie von Hill gewünscht, wirklich ein brauchbares Anti-Korruptionsmittel ist, wage ich zu bezweifeln – um mal Namen wie Winnie Mandela, Imelda Marcos oder die Ehefrau von Mao in die Runde zu werfen. Ein Spruch wie “Das stoppt die Jungs, sich wie Jungs zu benehmen“, halte ich für erschreckend naiv (via Daniel Drepper/Blog).

Hier gibt es das 105minütige Video der Session mit Dr. Werner Pitsch und Declan Hill. Zuerst spricht dort André Noël Chaker, ein Representant eines Wettanbieters und der “World Lottery Association” (PDF)


Katarina Pijetlovic hat die Ziehung der Spiele bei Grand Slams der Männer der letzten drei Jahre untersucht und dabei einige Merkwürdigkeiten festgestellt. Mehr in ihrem PDF Curious case of draws at the ITF Grand Slam tournaments

Extremismus und Gewaltbereitschaft

Der deutsche Journalist Ronny Blaschke berichtete über den Rechtsradikalismus in der Fußballszene, über den hierzulande kaum noch in den Medien berichtet wird. Der Vortrag scheint dem vom Sonntag geähnelt zu haben, über den Daniel Drepper schon ausführlicher geschrieben hat. Hier das PDF seines Vortrages bei playthegame.org

Wie ist das mit Angst? “Der Bandleader von Kategorie C hat quer durch den Saal gebrüllt: Hey Ronny. Das ist sehr subtil, für mehr sind die zu klug. Bei einem Konzert in Bernau waren 300-400 alkoholisierte Hooligans, da weiß man nie. Die sind natürlich gefährlicher als der Blatter. Der hat seine Anwälte als Waffe. Aber ich bin ja nicht denunziatorisch, dass ich deren Adresse verrate oder so. Und wenn die anonym bleiben wollen, dann bleiben die bei mir ja auch anonym. Ich gebe denen ein differenziertes Forum. Das ist besser als das zu verschweigen.”

aus: “Ronny Blaschke: Rechtsredikalismus im Fußball” von Daniel Drepper.

Es folgte ein Vortrag von Javier Szlifman, der über die argentinische Hooliganismus-Szene spricht und als eine der verstärkenden Faktoren die zunehmende Instrumentalisierung der Fußball-Fans durch die Politik sieht. Mehr bei Jonathan.

In diesem Zusammenhang wurde auf der Konferenz auch ein Dokumentarfilm von Monika Nizzardo vorgestellt: “Futbol Violencia S.A.”

Medien und Sport

International Sports Press Survey

Links

Jörg-Uwe Nieland und Thomas Horky präsentierten eine Studie über die Sportberichterstattung in der europäischen Presse. Dabei wurden ca 18.000 Artikel aus 22 Ländern ausgewertet. Dabei geht es nicht nur um eine quantitative (wer schreibt? Über wen wird geschrieben?), sondern auch eine qualitative Auswertung (wie wird geschrieben?)

Eine meiner Lieblingsthemen wird dabei durch eine Grafik aus der Studie bestätigt.

Der internationale Schnitt für den Dominator Fußball beträgt “nur” 41% statt fast 60% in Deutschland. Dabei wäre es interessant zu wissen, ob sich die Dominanz des FC Bayern im TV (knapp 50-70% der Zuschauer bei parallelen Sa-15h30-Einzelspielen) auch in den Printmedien wiederspiegelt.

Bemerkenswerte Erkenntnis der Studie: im Vergleich zu 2005 hat sich der Frauenanteil bei den Autoren nicht erhöht und ist bei ganz lauen 8% geblieben.

Zahl der Artikel zu Sportarten. Deutschland vs USA
Anm.: beim US-Sport sollte berücksichtigt werden,
dass es starke saisonale Schwankungen gibt

Jonathan berichtet über einen Vortrag des Filmemachers Niels Jung, der über sein Filmprojekt “Son of a Football Star” spricht. Fünf Jahre lang begleitete Jung den inzwischen 21jährigen dänischen Fußballer Morten Nielsen und zeigte wie er die Jugendakademie von Chelsea durchlief und später beim AZ Alkmaar spielte. Jung spricht dabei auch von den Schwierigkeiten Zugang zu den Vereinen zu bekommen und im Laufe von fünf Jahren Probleme mit der Distanz zum Sujet bekommen zu haben.

Frauen & Sport & Sportmedien

Passend zur Erkenntnis, dass Autorinnen im Sportteil der Printmedien weiterhin weniger als 10% ausmachen, gab es einen Vortrag von Daniel Beck der Universität Freiburg: “The depiction of male and female athletes in the sports press – updates in an old research field”. Siehe die Zusammenfassung von Anja Perkuhn im Blog.


Annie Sugier legte am letzten Tag in ihrem Vortrag “The mediatisation of women participation to mega events” noch einige Zahlen nach (PDF). Obwohl z.B. das erste Frauenfußball-Spiel 1917 in Frankreich stattfand, feierte “der Frauenfußball” 2010 seinen 40ten Geburtstag. Anfang der 70er wurde der Frauenfußball nach jahrzehntelangem Bann nach und nach wieder in den Verbänden aufgenommen.


Thomas Grant befasste sich mit Frauen im Sport und wie sie sich innerhalb männlich geprägter Rahmenbedingungen durchsetzten. In seiner PDF-Präsentation geht er dabei von zwei unterschiedlichen Trainer-Modellen aus: der männliche Trainer als “Bewacher” und die weibliche Trainerin als “Hüterin” bzw. “Pflegerin” (“Caring Model”).

Annie Sugier stellt in ihrem Vortrag Forderungen auf, wie Olympia 2012 und die Olympischen Spiele generell die Gleichberechtigung fördern sollten: “Justice for women at the London 2012 Olympics”

Anja Veum berichtet in ihrem Vortrag über Richtlinien des Norwegischen NOKs gegen sexuelle Belästigung und für Gleichberechtigung (PDF)


Um Frauen in den Führungspositionen im Sport ging es in “Women on the top, a challenge for men” von Tine Rindum Teilmann (PDF-Vortrag). In Dänemark gibt es mit “Women on the top” ein Pilotprojekt zur Förderung von Frauen in den Sportverbänden. Mehr gibt es von Jonathan Sachse.

From sexualization of sport to spornofication

Anja Perkuhn leitet einen Vortrag von Daniela Schaaf und Jörg-Uwe Nieland von der Sporthochschule Köln furios ein:

“Pornostars und Sportler haben viel gemeinsam”, sagt Schaaf. Sie sind berühmt, müssen für ihren Beruf auf ihren Körper achten – und sie brauchen Aufmerksamkeit. Die Öffentlichkeit brauche aber immer größere Stimuli, um jemandem oder etwas auch Aufmerksamkeit zu schenken. Der Sportler an sich müsse sich deshalb immer mehr als “homo sportivus erectus” darstellen (Krüger 2009). Der nächste Schritt in dieser Entwicklung ist: “Sporno”.

aus: Anja Perkuhn, vormerstenkafee.blog.de

Als Belege führen Schaaf und Niewand “sexuell aufgeladene” Bilder von Sportlern (auch männlichen) und Werbekampagnen mit Sportlern, den Dresscode im Beachvolleyball und neue Sportarten wie “Lingerie Football League”.

Nebenwirkungen des Sports

Revoluzzer unter den Ultras

Links

James M. Dorsey vom Blog “The Turbulent World of Middle East Soccer” referierte über ägyptische Fußball-Ultras und ihre positive Wirkung bei der ägyptischen Revolution.

Die Ultras zeigten nicht nur eine gute Selbstorganisation. Sie besassen auch eine Autorität die die Polizisten fürchteten, vorallem als die verfeindeten Ultras ihre Rivalität der Revolution wegen, vorübergehend zur Seite legten. Für sie spiegelten sich die autokratischen Machtverhältnisse in Ägypten auch im Fußball wieder – das ägyptische Nationalteam gilt noch immer als “Mubaraks Team”, weswegen die Ernennung vom Ex-US-Nationaltrainer Bob Bradley eher schulterzuckend oder desinteressiert aufgenommen wurde.

Wie Daniel Drepper weiter schreibt, berichtet Dorsey auch über die Wichtigkeit des Fußballs für die Jihad-Bewegungen im Nahen Osten.

Mega-Brazil

Brasilien steht vor einigen interessanten Jahren. Anfang des Jahres machte der langjährige und populäre Präsident Lula Platz für die erste Staatspräsidentin Dilma Rousseff, die sich den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben hat.

Sportpolitisch gibt es den “Doubleheader” aus WM 2014 und Olympische Sommespiele 2016 in Rio – zwei Sportgroßprojekte, die entsprechend immense Investments in die brasilianische Infrastruktur verlangen. Wie immens groß das Land ist, machte vor kurzem Tim Vickery im BBC 5live World Football Phone-In deutlich, als er über die klimatischen Verhältnisse bei der WM sprach. In Manaus, im Regenwald, herrschen im Juni im Schnitt 31 Grad. Am südlichsten Ort, Porto Allegre, herrscht dagegen Winter und Temperaturen die nachts an den Gefrierpunkt gegen können.

Brasilien

Auf der “Play The Game” gab es einen Brasilien-Schwerpunkt. Der Ex-Fußballer Rai berichtete aus seinem Land. Siehe Daniel Drepper und Anja Perkuhn

Raí sieht in diesem Zusammenhang sowohl die Fußball-WM 2014 als auch die Olympischen Sommerspiele 2016 gleichzeitig als Herausforderung und als Möglichkeit für Brasilien. Das Land habe als junge Demokratie noch einen langen Weg vor sich, erst vor 30 Jahren überwand Brasilien 25 Jahre Diktatur. Die WM soll den sozialen Wandel beschleunigen: “Es ist möglich, dass wir eine wunderbare organisierte Veranstaltung auf die Beine stellen”, sagt er. “Es kann aber auch sein, dass wir zum Beispiel infrastrukturell an unsere Grenzen stoßen.” Die Erwartungen an Brasilien seien hoch – genauso wie die Erwartungen in Brasilien an die Veranstaltungen.

aus: “Mega-Events: Which Brazil will we discover?”, Anja Perkuhn


Wie man dem PDF entnehmen kann, gab es eine sehr interessante Präsentation von Isabel Ledo: “Rio de Janeiro 2016 Olympics: exploring tensions between global and local demands”. Darin schildert sie detailliert wie Rio de Janeiro versucht, Olympia für die Stadtentwicklung einzusetzen und wie die olympischen Bauten in den post-olympischen Alltag der integriert werden. Siehe auch die Zusammenfassung von Daniel Drepper. Drepper zitiert Ledos Eindrücke von Willi Lembke, dem UN-Sport-Botschafter:

Willi Lemke ist offenbar etwas naiv. Ich bin mit ihm durch die Slums in Rio gegangen. Er war vorher bei den Politikern und ich hatte das Gefühl, er wurde etwas gebrainwashed. Er geht davon aus, dass die Leute mit den Umsiedlungen glücklich sind. Dabei werden die Leute oft nach weit draußen umgesiedelt. Die Politiker haben ihm wohl einen Plan gezeigt, den niemand vorher gesehen hat, auch ich nicht. So ein Planungsprozess sollte mit einer starken Bürgerbeteiligung ablaufen. Da haben Herr Lemke und ich wohl Unterschiedliche Standpunkte. Die Entscheidungen sind gefallen, aber man bekommt keine Informationen. Ich wollte mit den Menschen sprechen, die die Olympia-Siedlungs-Pläne gemacht haben, aber sie wollten mir keinerlei Informationen geben. Die gestern in der Zeitung veröffentlichten Pläne sind offenbar vom Himmel gefallen. Die soziale bewegung wird stark werden, die Leute werden stärker, aber ich denke, das da trotzdem nichts passieren wird.

aus: Isabel Ledo, zitiert nach Daniel Drepper


Am dritten Tag der Play The Game-Konferenz gab es rund um einen Vortrag über die brasilianische Medienresonanz zur WM 2014 und Olympia 2016 größere Diskussionen. In diesem Vortrag setzte sich Fernando Molica mit der Kritiklosigkeit der einheimischen Medien auseinander und wundert sich, was die Medien alles übersehen und wie die Machenschaften von Ricardo Teixeira ignoriert werden (siehe Zusammenfassung von Jonathan). Im Gegensatz dazu, hört Daniel Drepper nach der Diskussion das optimistische Fazit, dass die beiden Großereignisse nun erstmals dafür sorgen, dass sich der brasilianische Sportjournalismus langsam dieser Themen annimmt.

Mega-Elefanten

Weiße Elefanten” werden Bauwerke wie Sportstätten genannt, die z.B. für Weltmeisterschaften oder Olympischen Spiele gebaut werden, aber nach der Veranstaltung mangels Nutzung & Notwendigkeit vor sich hin gammeln und horrende Unterhaltsaufwendungen benötigen. Auch für die beiden großveranstaltungen in Brasilien bzw. Rio de Janeiro werden solche Elefanten befürchtet. Henrik Brandt hat auf der Konferenz eine erste Studie zu solchen Elefanten angefertigt. Mit dabei: die Esprit-Arena in Düsseldorf, die mit ihren Fassungsvermögen von 55.400 Zuschauer von der Fortuna nicht wirklich ausgelastet wird (Schnitt 25.100, 19 Events im ganzen Jahr). Mehr zu dem Vortrag von Daniel.

Vor Rio kann man bei Olympia 2012 in London die Wirkung von Stadtentwicklung durch Ausrichtung von Olympia beobachten. Jonathan war dazu auf einer Präsentation von Stefan Szymanski “An early assesment of the economic impact of London 2012

Gehirnerschütterungen

In der NHL und NFL werden Gehirnerschütterungen die durch harte Hits erfolgen, zu einem immer größeren Thema. In der NFL haben 75 NFL-Spieler, die inzwischen ihre Karriere beendet haben, die NFL verklagt, weil diese trotz vorliegender medizinische Erkenntnisse, nicht vor den Nachfolgeschäden von Gehirnerschütterungen aufgeklärt haben und keine Vorsorge betrieben. Gehirnerschütterungen werden inzwischen in Zusammenhang mit gehäuften Erkrankungen an Alzheimer in Verbindung gebracht.

Der Vortrag von Annette Greenhow hatte den Fokus auf NFL und beschreibt die zwei Klagen die in diesem bereich derzeit gegen die NFL geführt werden: “Concussion Management in Professional Football – a legal perspective” (PDF)

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. uff. viel stoff, aber schon mal ein sehr guter überblick. werde mich die nächsten tage mal an ein paar links entlanghangeln, vielen dank.

  3. alter vadder: was ne menge!

    danke für so viel input. kann Linksaussen nur zustimmen: das wird ein schönes kaffeevergnügen die nächsten tage!

  4. “Die Nationalmannschaft von Barbados bestritt zuletzt 2003 ein Freundschaftsspiel, die Turks & Caicos im Jahr 2000.”

    Also falls ich die Aussage nicht falsch verstanden habe, stimmt das aber nicht…

    Sowohl Barbados als auch die Turks&Caicos sind im ganz normalen Qualifikationsbetrieb. Die Turks sind schon ausgeschieden (das müsste die erste Runde gewesen sein), Barbados verliert zwar am laufenden Band, aber spielen tun sie schon ;). Wie auch vorgestern beim 0:4 in Trinidad…

  5. @ Atterl:

    Da die Qualifikationsspiele ja keine Freundschaftsspiele sind, stimmt die Aussage doch trotzdem?!

  6. Danke für diesen tollen Beitrag und die viele (zusätzliche) Arbeit, die da drin steckt.

  7. Sehr interessant, vielen Dank.

    Es ist unglaublich, welche Aggressionen die Fifa auslöst. Wie wahr.

  8. Hier gibt es das Neueste vom Weißwäscher de Gregorio:

    http://www.tagesanzeiger.ch/sport/fussball/Billige-Stimmungsmache-geht-mir-auf-den-Keks/story/27509401

    Ich bitte um kritische Lektüre.

  9. Zugegebenermaßen war ich gestern Abend ziemlich erschlagen von dieser Textfülle und muss sagen, dass das Weinreichsche Ausmaße angenommen hat… Ganz großer Filzballsport! Da werde ich am Wochenende sicherlich einiges zu lesen haben.

    @OF: Das Interview ist identisch mit dem im Artikel verlinkten Interview der Basler Zeitung. Dem sehr sehr ähnlichen Layout nach zu urteilen werden beide Zeitungen vom selben Verlag vertrieben…

  10. Es ist total absurd die FIFA mit der Mafia zu vergleichen, bei der Mafia gibt es noch einige Werte wie Ehre und Zurückhaltung.

  11. Der Verband Guyanas strich 2002 und 2006 jeweils 400.000 US$ FIFA-Gelder zur Förderung des Fußballs ein. Trotzdem verfügt die Insel über keine Fußballinfrastruktur.

    Welche Insel? Beide Guyanas (also Französisch Guyana und Guyana) liegen eigentlich auf dem südamerikanischen Kontinent (auch wenn die FIFA beide in die CONCACAF eingemeindet hat).

  12. Großartiges Angebot, dogfood.

    Kleine Anmerkung zu den FIFA-Mitteln, die an die 208 Nationalverbände verteilt werden:

    # FINANCIAL ASSISTANCE PROGRAMME
    http://de.fifa.com/aboutfifa/footballdevelopment/financialassistance/index.html

    Seit 1999 werden jährlich JEDEM nationalen Verband 250.000 Dollar im FAP (Financial Assistance Programme). Der DFB bekommt also auch diese 250.000, so wie die Guayanas oder die Jungferninseln, von denen ich gerade kommentiere. Außerdem gab es zum FIFA-Kongress 2010 vom Sepp eine Bonuszahlung von 250.000. (Was mir jetzt nicht ganz klar ist, ich glaube, es gab Anfang dieses Jahres noch eine Bonuszahlung.)

    Es müssten also 14 mal 250.000 Dollar auf den Konten aller Nationalverbände eingegangen sein. Mal abgesehen davon, dass Jack the Ripper in der Karibik gern bis zu 30 Prozent Provision abgezweigt hat (für CFU, CONCACAF etc), sollten theoretisch 3,5 Millionen überwiesen worden sein – und dafür sollte man eigentlich in allen kleinen Ländern, Inseln und Fleckchen eine Menge sehen. Rasen- und Kunstrasenplätze, ein technisches Zentrum, Verwaltungsgebäude, Internate etc. Hinzu kommt ja noch …

    # GOAL PROGRAMME
    http://de.fifa.com/aboutfifa/footballdevelopment/projects/goalprogramme/index.html

    Das GOAL Programm. Mehr als 500 Projekte (mit derzeit rund 500.000 Dollar gefördert) in fast allen Nationalverbänden.

    Asien: 124
    Afrika: 143
    Nord- und Zentralamerika, Karibik: 79
    Südamerika: 29
    Ozeanien: 36
    Europa: 93

    Da kommt eine Menge zusammen.

    Chef des GOAL Bureaus war bislang Blatters ehemaliger Stimmenbeschaffer Mohamed Bin Hammam.

  13. @ JW: also doch Rechercheaufenthalt – wie viele Kunstrasenplätze passen in den Hotelpool vor den dritten Daiquiri, oder? :-)

    Wohl bekomms aber auf jeden!

  14. Ich hab’s versucht, aber meine Chefin blieb hart und hat keine Recherche zugelassen.

  15. Schöne Übersicht, Respekt Kai!

  16. Bin auch ganz platt, habe nicht mehr dran geglaubt, weltklasse! Du lieferst ein Paradebeispiel für Content-Sharing, genau so sollten Journalisten zusammenarbeiten. Vielen Dank für die Übersicht!

  17. Auch ein Ausruf der Begeisterung von meiner Seite: Herrlich! Plötzlich ist so unglaublich viel Ordnung in unserem Wahnsinnswust von Mitschriften, gedankt dafür!

  18. Da muss man ja fast schon Urlaub einplanen für den Blogeintrag und alle Links. Sensationell!

  19. @Adonis: Ja, aber es ging um “Karteileichen”. Und damit sollte ja die Aussage sein, daß diese Teams keine Spiele ausgetragen haben. Und das stimmt so eben nicht….

    Ansonsten geile Zusammenfassung…. da muß man erst mal durch!

  20. @Weißer Elefant
    Das Thema Infrastruktur-Förderung bei Groß-Events durch die öffentliche Hand ist ein interessantes Thema und birgt genügend Diskussionsstoff. Den Ansatz des Indikators der “ausverkauft”-Spiele finde ich aber schon arg limitiert. Das mag zwar bei manchen Stadien, gerade gewisse Bauten eine richtige Herangehensweise sein, aber wenn man beispielsweise wie in Düsseldorf einen Dauermieter hat, der zudem Potential hat, nach einem Aufstieg das Stadion mehrfach pro Saison auszuverkaufen, kann das meiner Meinung nach keine Diskussionsgrundlage sein. Wie kommt Düsseldorf überhaupt in diese Liste? Das Stadion war zwar angedacht, als Stadion für 2006, aber wurde ja nicht nur deswegen gebaut. Die WM war damals der Anlaß für eine Neuplanung, nicht der Grund. So war es letztlich ein Ersatzbau fürs Rheinstadion und dann hat die Stadt das ja auch alleine entschieden und konnte den Bau überwiegend alleine finanzieren. Problematisch sind diese weißen Elefanten, wenn nicht auch grundsätzlich eine Basis für neue Infrastruktur notwendig ist. So ist z.B. klar, dass in Katar kein Bedarf für viele Fußballstadien ist, deswegen werden manche ja auch eventuell nur temporär erichtet.

    Auch heißt ein “ausverkauft” nun mal auch nicht, inwieweit dies Kosten verursacht. Manchmal kann selbst ein ausverkauftes Stadion nicht kostendeckend dauerhaft betrieben, manchmal reicht eine 50%-Auslastung.

  21. Dickes Lob, lang anhaltender Beifall, kurz durchatmen, Standing Ovation…

    Danke für die intensive Aufbereitung und Strukturierung der Tage von Köln.

  22. @ Jochen/weiße Elefanten: Es soll nicht nur bei diesem Indikator bleiben. Das Projekt hat gerade erst begonnen.