Moneysport: Bay Area wandert nach Süden

Der US-Sport hat seit gestern ein interessantes Gerichtsverfahren bekommen, mit durchaus Potential zu weitreichenden Auswirkungen. Es geht um das Verfahren “City of San Jose vs Office of Commissioner of Baseball Bud Selig” (Klageschrift als PDF).

Das Verfahren in einem Satz: die MLB hat es der MLB-Franchise Oakland Athletics verboten, ein neues Stadion in San Jose zu bauen.

Dazu einen Blick auf die Sportfranchises und -Teams der Bay Area. Rund um die Bucht von San Francisco sind eine Reihe von Städte entstanden: u.a. San Francisco, Stanford, Santa Clara, San Jose, Oakland, Berkeley und knapp 100-120 Kilometer entfernt ist die Hauptstadt Kaliforniens, Sacramento.

Bay Area und ihre Teams im Profisport und College
Die San Francisco 49ers ziehen 2014 in ein Stadion in Santa Clara

Der Profi-US-Sport hat eine Eigenart: die Franchises haben eine Art geschütztes Einzugsgebiet, in das keine andere Franchise ohne Absprache (und ggf. Entschädigungszahlungen) ihr Arena platzieren darf.

Und damit sind wir schon beim Thema der gestrigen Klage. Das MLB-Team Oakland Athletics (“A’s“) würden gerne ein neues Stadion haben. Das Oakland Coliseum muss als letztes MLB-Stadion noch mit einem NFL-Team geteilt werden. Das Coliseum gilt als alt, was sich nicht nur an der problematischen Erlössituation bemerkbar macht (wenig Luxury Boxes, weniger Einnahmen), sondern auch an der Bausubstanz. Das Stadion ist unkomfortabel, der Rasen liegt so niedrig, dass das Grundwasser manchmal das Spielfeld flutet und die sanitären Anlagen sind so marode, das am letzten Wochenende Abwasser in den Kabinentrakt der Auswärtsmannschaft floss.

Seit 2006 klopfen die A’s bei jeder Stadt an. Pläne mit Sacramento und Fremont (im Norden an San Jose angrenzend) zerschlugen sich, doch seit 2009 nimmt der Bau eines Stadion auf einem Grundstück in San Jose immer konkreter Gestalt an.

Das Problem: MLB-Lokalkonkurrent San Francisco Giants beansprucht Santa Clara County, also San Jose und Santa Clara, als Home Territory und verbietet den Athletics damit den Stadionbau. Die MLB hat sich dieser Meinung angeschlossen und einen Umzug nach San Jose verboten.

Die Giants berufen sich dabei auf territoriale Rechte, die ihnen die MLB in den 90er Jahren zugesichert hat, als die Giants ihrerseits auf Suche nach einem Standort für ein neues Stadion waren. Die A’s berufen sich darauf, dass die territoriale Aufteilung der Bay Area der die A’s damals als Entgegenkommen zugestimmt haben, nur temporär, für einen möglichen Stadionneubau der Giants galten. Mit dieser Interpretation stehen die A’s aber innerhalb der MLB sehr einsam da, auch wenn sie Aufzeichnungen der damaligen Gespräche als Beleg anführen.

Die A’s sind verbittert über das Verhalten der MLB und der Giants und können nicht nachvollziehen, warum der Wechsel nach Süden verhindert wird. Ihrer Ansicht nach, sollte ein Umzug nach Süden, in größerer Entfernung zu den Giants, den Giants sogar eher nutzen.

Die Stadt San Jose wiederum, hat ein Interesse das Stadion bauen zu lassen. Damit lässt sich Stadtentwicklung betreiben und hofft auf zusätzliche Steuereinnahmen und Tourismusattraktion. Folgerichtig setzte es nun nach dem MLB-Verbot die Klage gegen die MLB mit der Allzweckwaffe bei Klagen gegen Verbänden und Ligen: eine Kartellrechts-Klage gegen die Liga, Stichwort: Ausnutzen einer Monopolstellung (“unfair business practices and anticompetitive conduct” und Verbot einer Konkurrenz in der Bay Area). Kleiner Haken an der Geschichte: der Baseball geniesst seit 1922 eine vom Obersten Gerichtshof (“Supreme Court“) abgesegnete Ausnahmestellung im Kartellrecht. Diese beruft sich darauf, dass Baseball keine bundesstaaten-übergreifendes Geschäfts sei – und so bizarr es anmutet, wurde diese Rechtsprechung zuletzt 1972 bestätigt.

Geklagt hat wohlgemerkt die Stadt San Jose und nicht die Oakland Athletics, die mit der Schulter zucken und sagen “Mein Name ist Hase – wir haben von der Klage wirklich nix gewusst.“. Das ist praktisch, denn die MLB-Regularien verbieten es den MLB-Teams sich gegenseitig zu verklagen.

Der Hebel über das Kartellrecht, macht die Sache spannend, denn am Ende könnte ein ähnlicher Effekt stehen wie bei der Bosman-Klage im Fußball. Die Ligen sind eine Vereinigung der Teambesitzer, die sich über Mehrheitsbeschlüsse selber regulieren. Bricht ein Teil der Regulierungsmöglichkeiten aus kartellrechtlichen Gründen weg, könnten einige Besitzer versucht sein, Wild West zu üben.

San Jose versucht sich am Stadionneubau als Mittel der Stadtplanung. Unter diesem Aspekt ist es interessant, was in der Bay Area derzeit vor sich geht: der Marsch nach Süden, zumindest was die Sportfranchises angeht. Die 49ers werden 2014 vom Candlestick Park in San Francisco ins “Levi’s Stadium” in Santa Clara umziehen, nachdem Versuche in San Francisco einen Stadionneubau durchzuführen, scheiterten. Trotzdem werden sie weiterhin San Francisco 49ers heißen und nicht San Jose 49ers. In gewisser Form ist es für die 49ers sogar ein “zurück nach Hause”, nachdem die 49ers-Franchise ihren Verwaltungssitz und das Trainingsgelände seit 1987 in Santa Clara haben.

Damit gibt es in Sachen Stadtplanung für Santa Clara und vielleicht San Jose viel spannendes zu erledigen. Umgekehrt stellt sich für San Francisco und vielleicht Oakland die Frage, was sie mit dem Verlassen der Franchises verlieren.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Meldung aus Maschinenraum: heute im Laufe des Abends werden einige kleinere Korrekturen aufgespielt, weil dieser Eintrag für mich auch eine Art Testfall werden wird, wie mit großen Bildern umgegangen werden soll. Ich weiß also um die Layout-Probleme.

  3. Ich war 2006 im Stadion der A’s und mal ganz abgesehen davon dass generell während des Baseballs die Oberränge mit Planen zugedeckt sind aus Mangel an Zuschern, ist das Stadion in der Tat ein ziemliches (Beton-) Loch, kein Vergleich z.B. zum Stadion der Astros und das ist ja auch eher ein Beispiel für “Viereckigkeit” und Moderne anstatt den in den letzten zehn Jahren gebauten Stadien die sich auf die alten Werte wie z.B. Asymetrie fokussiert haben.

  4. Der link funktioniert auch nicht, aber die Grafik sieht top aus :)

  5. den statistischen Vergleich der Regionen finde ich ganz interessant (laut wiki):
    1.San Francisco (City und County)
    Einwohner (2012): 825.863
    durchschnittliches Haushaltseinkommen (2007): 65.519$
    2.Santa Clara County (u.a. Santa Clara, Palo Alto, Stanford, San Jose)
    Einwohner (2010): 1.781.642
    durchschnittliches Haushaltseinkommen (2000): 74.335$
    3.Alameda County (u.a. Oakland, Berkeley)
    Einwohner (2010):1.510.271
    durchschnittliches Haushaltseinkommen (2000):55.946$

  6. Zusatz: die Golden State Warriors spielen ab 2017 in einer Halle in SF, unweit vom Giants-Stadion

    (Hausherr: ein weiterer Beitrag von mir ist anscheinend nicht durch die Spam-Wall gekommen)

  7. und die San Jose Earthquakes (MLS) bauen gerade ein neues Stadion in San Jose (wenn man MLS dazuzählen will)

  8. Hm, Maschinenraum? Bemerkung von mir geht nicht raus, erneuter Versuch erkennt aber das Duplikat?

  9. Ver. II:

    Selig hat übrigens vor ca. 4 Jahren eine Kommission einberufen, um sich mit der Territorialgeschichte auseinanderzusetzen, die hat sich, so sie sich jemals konstituiert hat, noch nie geäußert. Selig hat auch diverse Kontaktversuche von Bürgermeistern oder den Eigentümern abgeblockt.
    Einerseits eine typische Selig Nummer, andererseits hat er Teile der Liga hinter sich bzw. den anderen Eigentümern ist es recht schnuppe, was dort passiert.

    Die Eigentümer der A’s, Wolff und Fisher, haben allerdings auch seit Jahren nichts dafür getan, das Baseballerlebnis für die Fans in Oakland zu verbessern. Die Frustration in Oakland ist groß, weil die Eigentümer Vorschläge der Stadt zu einem Neubau in Oakland momentan berücksichtigen, obwohl sie selber ein solches Projekt anschieben wollten.

    Klar ist, wenn der Erfolg wie im letzten Jahr da ist, herrscht eine tolle Stimmung – das ist nicht selbstverständlich, siehe Indians oder Nationals gerade vor dem Allstar Game im letzten Jahr.
    Klar ist auch, O ist eine heruntergekommene Stadt, die Kehrseite von SF und dem Silicon Valley. Business Logen sind dort schwerer an den Mann zu bringen, die Stadt kann nicht viel zuschießen.

    Um das Elend zu komplettieren, planen die Golden State (nicht Oakland) Warriors einen Hallenneubau in Francisco auf einem der unbenutzten Piers in AT&T Park Nähe zu 2017, Datum weiß ich aber nicht genau. Habe übrigens den Entwurf eines norwegischen Archtiktenbüros gesehen, und ja, sieht ziemlich gut aus.

    Hier ist die Problematik allerdings nicht so ganz so schlimm, Fans aus San Francisco waren jetzt ja auch in die andere Richtung. Oakland -San Jose ist eine andere Entfernung.

    Zu den 49ers ist nur zu sagen, das ist Football, da fahren die Leute auch ins Death Valley, um ihn zu sehen.

    Für mich wäre die schönste Lösung, die jetzigen Eigentümer verkaufen und man findet einen Bauplatz in Oakland.

    Will Leitch macht übrigens gerade eine Reise durch amerikanische Sportstädte:

    http://www.sportsonearth.com/writer/will_leitch nach unten scrollen und da sind drei Berichte zu SF/O. Der Podcast Will Leitch Experience Sports on Earth hat auch 3 oder vier Folgen zum Thema.

  10. Merci!

  11. Meines Wissens lehnen es die SF Giants auch deshalb ab, die A’s nach San Jose ziehen zu lassen, weil dort ihr eigenes Minor League Team San Jose Giants spielt (Advanced A) und wohl auch ganz guten Zuschauerzuspruch hat. Ich war letztes Jahr im Sommer auch bei 2 Spielen im Coliseum in Oakland (MLB Regular Season A’s vs. Angels und NFL Preseason Raiders vs. Lions) und mir kam das Stadion doch auch ganz schön marode vor, kein Vergleich zum tollen AT&T Park auf der anderen Seite der Bucht, aber ein Erlebnis wars trotzdem mal :)

  12. Früher war Oakland das Mekka des SPorts in der Bay Area, mit den Warriors, GOlden Seals (NHL), As und Raiders war man die Sportstadt. Gut zur damaligen Zeit war San Jose noch eine kleine Stadt und nicht IT CIty wie heute.
    Wenn es dumm läuft hat man gegen Ende des Jahrzehnts kein ML Team mehr. Schon traurige Entwicklung.

  13. Schade ist es um den Stick. Das Oakland Alameda County Coliseum können sie ruhig abreissen obwohl ich da meinen einzigen Live Grand Slam gesehen habe. Wenn aus den Oakland A’s die San Jose A’s wüden fänd ich das schon schaden, aber die Stadt Oakland ist ja ziemlich klamm.

  14. Zu Atlanta: Weiß jemand, warum dieses “window” zur Skyline? Doch nicht aus ästhetischen Gründen? Ich meine, da wird doch massiv auf Plätze und damit Einnahmen verzichtet, Ästhetik halte ich als einzige Begründung fast schon für abwegig.

  15. Die Klageschrift (1ter Absatz) ist jetzt verlinkt.

  16. Hier die ,angesprochene, geplante Warriors-Halle in SF. Sieht schon nicht schlecht aus: http://www.nba.com/warriors/sf#_

  17. Ich finde das Neymar-Gehype um Neymar auch recht nervend, aber heute hatte er schon ein paar sehr schöne Aktionen.

    Mexikos Abschlussschwäche und Harmlosigkeit und generelle Harmlosigkeit vor dem Tor sind unglaublich.

  18. Super Beitrag Kai!

    Das Colliseum in Oakland ist in der Tat ein Riesenproblem, wenn man bedenkt, dass der Club selbst als Grund für die Abwasserproblematik angab, dass “zu viele Zuschauer” den Weg in das Stadion gefunden haben…peinlicher geht es eigentlich nicht. So ein Schmuckstück wie der neue Ballpark der Marlins oder dergleichen könnte doch eine Lösung sein. Wobei man in Florida den Steuerzahler auf eine gewisse Art und Weise hinter’s Licht geführt hat, nachdem das Stadion fertig war und man wieder angreifen wollte, hat man den Großteil der guten Spielern per Trade abgegeben und legte die Operation Playoffs erstmal auf Eis. Ist schon hart, wenn einem der Chef bei einem Abendessen nahe legt doch bitte ein neues Haus in Miami sich zuzulegen und man 2-3 Tage später nach Toronto getradet wird!

    Solche Sachen würde ich mir in Oakland nie vorstellen: Billy Beane hat da andere Pläne…

  19. Die neue Halle sieht aus wie ein Puck…sucht da nicht ein Team eine Heimat?

  20. … Billy Bean empfiehlt seinen Spielern von vorne herein nur Mietwohnungen am Teamstandort? ;)

  21. @FalconsStadiumn Meiner Meinung nach ein ganz toller Entwurf, würde mich freuen, wenn er so umgesetzt wird. Hätte gerne solche Ideen auch in Deutschland gesehen, anstatt riesiger Luftkissenboote…

  22. Kleines Video zum neuen 49ers Stadion. Ein paar Fotos wären zwar aufschlussreicher als Gequatsche, Schnitte und Musik, da es aber gerade thematisiert wurde:

    bit.ly/12WbQ3c

    PS: wenn das Posting klappt, war vorher schon wieder eines verschwunden (gleichen Inhalts).

  23. Hm, der bit.ly Link zeigt nicht das Video, der Original Link wird wohl als Spam angesehen.

    Neuer Versuch: http://bleacherreport.com/articles/1678039-why-the-49ers-new-levis-stadium-will-be-the-greatest-sports-complex-in-sports#ooid=d4bDVqYzrkjvijTgHllJz1lwYc3qPhLC

  24. Behind The Dish: 6/25
    Keith Law talks to San Jose mayor Chuck Reed to discuss his city’s lawsuit against MLB over the purposed relocation of the Oakland A’s.
    http://sports.espn.go.com/espnradio/podcast/archive?id=9043211

  25. Es ist noch immer zum Kotzen, dass Keith Law nur noch einmal die Woche zu hören ist. Habe ja nichts gg. Buster Olney, aber, im Vergleich zum Baseball Today Podcast ist Baseball Tonight einfach viel zu ESPN.