Vom Tiger zum grauen Panther

Der 50te Profifight von Dariusz Michalczewski sollte nach 16 Monaten Kampfpause sein Comeback werden, wurde aber zu seinem Never-Come-Back.

Der Kampf ging überraschend offensiv los, immerhin hatte der eine 11 Monate und der andere 16 Monate Pause hinter sich. Insbesondere Michaelczewski zeigt sich in alter Form, was nicht nur die Angriffigkeit meinte, sondern auch die völlig offene Deckung. Tiozzo kam immer wieder durch die Mitte und über außen durch. Tiozzo stand sehr viel kompakter. Auch wenn er aufgrund seiner Größe kein Meister des Auspendels ist, so zeigte er sich im Hochschnellen seiner Arme zum Abblocken von Schlägen sehr gut in Schuß.

Die ersten beiden Runden gingen an Tiozzo, die dritte und vierte Runde an Michalczewski, der in Schwung zu kommen schien. Bereits hier ließ sich aber ahnen, dass der Kampf nicht über die volle Distanz gehen würde, Michalczewskis Gesicht sah nach zwei Runden wie durch den Fleischwolf gedreht aus. Es war nur eine Frage der Zeit bis irgendwelche monströsen Cuts aufbrechen würden. Von daher war für den “Tiger” auch eine gewissliche Dringlichkeit gegeben, Tiozzo schnell und zügig aus den Schuhen zu schlagen.

Es geschah aber genau das Gegenteil. Mit Runde 5 wurde Michalczewski passiv. Keine Ahnung warum, vielleicht lag es am rausgeschlagenen Mundschutz oder der Mundschutz war ein Symptom dafür, dass irgendwas im Kopf von Michalczewski schief ging.

In der 5ten Runde schlug erstmals ein Wirkungstreffer ein, der Tiger wankte zwei Schritte zurück, konnte sich aber fangen. In der 6ten Runde kam das Aus. Michalczewski wurde auf die Bretter geschickt, rappelte sich in der Ecke auf und der Kampf wurde schnell wieder freigegeben. Sofort kam ein eher softer Schlag von Tiozzo und Michaelczewski drehte sich ab. Tiozzo setzte nach, der Ringrichter brach ab.

Michalczewski soll laut Trainer Sdunek trainiert haben wie noch nie. Aber ich frage mich wie es im Kopf aussah. Die Passivität in den Runden 5 und 6 und dieses Abdrehen vor dem Abbruch. Nur Sdunek und seine Kollegen werden wissen ob Michalczewski auch mental fit für diesen Kampf war.

Nimmt man das und Michalczewskis frappierendes Problem mit dem Gesicht, kann die Konsequenz nur lauten: Abtreten.

Michalczewski erreicht, nicht zuletzt als Polen-Export, nie die Popularität anderer deutscher Boxer dieser Phase. Nie so “deutsch” wie Maske oder Rocchigiani gewesen, nie so smart und vorzeigbar wie die Klitschkos gewesen. Nach vielen seiner Kämpfe stieg er auf die Ringseile und wollte sich zujubeln lassen, aber es mischten sich immer wieder deutlich hörbare Buhrufe rein.

Als er gestern in seiner zweiten Heimat Hamburg auf die Seile stieg, gab es ein letztes Mal Beifall. Er war nur schwach, aber es gab immerhin nicht einen einzigen Buhruf. 50ter Kampf, Hamburg, Jubel. Es scheint sich ein Kreis und damit eine Karriere zu schließen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Vielleicht war es auch ein Fehler nach einer so langen Pause direkt einen Titelkampf zu wagen. Auch mit 36 sollte man die Zeit haben, einen oder zwei Aufbaukämpfe zu bestreiten, um zu sehen wo man wirklich steht.
    Tiozzo war zwar auch 11 Monate ohne Kampf, er hatte aber als Weltmeister keine “mentale Pause”.
    Hoffentlich macht uns der Tiger jetzt nicht den Holyfield, sondern tritt noch einigermaßen stilvoll von der Bühne ab.

  3. Tja irgendwann ist doch mal Schluss. Und wenn dann auch noch der erste KO der Karriere eintritt, dann ist aller Anlass zu Gedanken zum Karriereende gegeben.

    BTW: Tyson überlegt derzeit wohl wieder in den Ring zu steigen (ZDF-Videotext) … das würd den Klitschko freuen.