Jungfernspiel: Sea Devils – Rhein Fire 31:24

Am dritten Spieltag der NFL Europe kam es endlich zur Heimpremiere der Hamburg Sea Devils. Ein geschickter Schachzug. Während die Devils-Fans ins Stadion strömten, kamen die Handball-Fans einem aus der benachbarten Color-Line-Arena entgegen, das zweite Halbfinale der Final Four war gerade zu Ende. Die Sea Devils boten für die Color-Line-Arena-Besucher Eintrittkarten für nur 5 Euro an. Ich hatte allerdings nicht den Eindruck das viele Zebra- oder Frischauf-Anhänger in die AOL-Arena fanden.

19.800 Besucher kamen in die Arena. Das ist eine gute, aber keine überraschende Zahl. Ich hatte angesichts des sommerlichen Wetters (20 Grad, Sonne) sogar mit mehr als 20.000 Zuschauern gerechnet. Aber zumindest ist der Besucherrekord für eine neue Franchise nun in hamburgische Hand. Es hätte nicht viel gefehlt und man hätte im Alleingang soviele Zuschauer begrüßen können, wie heute in Berlin Amsterdam und Köln zusammen (10.100 und 10.800).

Für mich war es die Rückkehr aus einer Football-Abstinenz nach knapp 5-6 Jahren. Ich hatte damals die Schnauze von den hohen Eintrittpreisen bei den Blue Devils einerseits und andererseits vom sich immer wiederholenden Programm (7x “We will rock you”, 12 x “Who the fuck ist Alice” etc…).

So gesehen war ich angenehm überrascht. Sieht man einmal von der “Halbzeitshow” ab, die von einem Aerobic-Kurs eines Sponsors (Fitneß-Studios) abgehalten wurde, war alles frischer und professioneller als seinerzeit bei den Blue Devils.

Der Stadionsprecher war okay, lieferte nicht zuviele Erklärungen für Laien, denn die konnten Regelerklärungen der Videoleinwand entnehmen. Nur das Anheizen des Publikums bei 3rd Downs des Gegners finde ich schäbig. Entweder das Publikum rafft es von alleine oder man hat es nicht besser verdient…

Es gab noch mehr Bereich in denen man sich von den Blue Devils unterschied. Leider.

Das Publikum war überraschend lau. Nehme ich die Reaktionen bei First Downs und guten Defense-Aktionen als Meßlatte, ist das Publikum erstaunlich unkundig gewesen. Da gab es selbst bei halber Zuschauerzahl im altehrwürdigen Volksparkstadion mehr Lärm als heute in der AOL-Arena. Es gab so gut wie keine Anfeuerungsrufe für die Devils, obwohl man noch Sprüche aus “Blue Devils”-Zeiten hätte zurückgreifen können. Die Silbenzahl hat sich ja nicht geändert.

Wer sich übrigens fragt, wie das geht, mit den
Fernsehauszeiten und den Referees…
In der NFLE steht an der 20yd-Linie ein Männlein
mit schwarzen Pullover und orangen Ärmeln,
dass dem Referee bei Auszeiten signalisiert,
wann der Sender wieder “on air” ist

Zu meinen Bedauern haben die Sea Devils nicht viel mit der Cheerleading-Tradition der Blue Devils am Hut . So ein Mixed-Team wie zu besten Devil-Zeiten, ist ein Kracher nach dem sich jedes Team die Finger lecken würde. Stattdessen gab es einige Hupfdohlen, die noch keine Pyramiden konnten und auch zahlenmäßig den Rhein Fire-Pyromaniacs unterlegen waren.

Da hat man leider einiges Potential aus der Zusammenarbeit mit den Blue Devils verschenkt.

Das Spiel

Was macht man, wenn man mit einem völlig neuen Team konfrontiert ist? Man pickt sich 1-2 bekannte Spieler heraus und konzentriert sich erst mal auf sie. In meinem Fall war es #23 FS Eric Crouch, jener kleiner QB den ich vor ein paar Jahren als QB bei Nebraska gesehen habe. Ihn als FS zu sehen, läßt einen das Herz bluten. Dieser Typus des QB/RB prägte lange Jahre bei den Blue Devils das Bild des Angriffsspiels (Stichwort: Dino Bucchiol). Nun, die NFL hielt Crouch für zu klein und Crouch versucht sich nun als FS. In der Partie hinterließ er keinen großen Eindruck, hatte nur eine etwas spektakulärere Aktion.

Unterdessen zeichneten sich schnell die Schlüsselspieler in den Offenses und Defenses beider Mannschaften ab. Und das waren erstaunlicherweise nicht viel. Die Mannschaften liessen sich auf 1-2 RBs, 1 WR und 2 QBs reduzieren. Man merkt an allen Ecken und Kanten, dass die NFLE eine Sparliga ist. Der Kader ist nicht sehr tief, die Vorbereitungszeiten sehr gering. In Folge gab es nur wenig Formationen, mitunter viele Flüchtigkeitsfehler (Zillionen von Encroachments bei Rhein Fire), viele Fehlpässe. Erschwerend kommt hinzu das Sea-Devils-Headcoach Jack Bicknell ein extrem konserativer Headcoach ist, für den “safety first” gilt und der kaum ein Risiko geht. Direkter formuliert: er läßt langweilig spielen.

Aus Sicht eines Zuschauers ist eine hochklassige Bundesliga-Begegnung spektakulärer, da hier ein wesentlich bunterer Strauß an Spielzügen zu sehen ist und mehr Trickspielzüge eingesetzt werden. Das war eine etwas ernüchternde Erkenntnis an dem Abend.

Zum Spielverlauf: die Hamburger legten los, als gäbe es kein Morgen mehr: 10:0, 21:0 lauteten die Resultat der ersten zwei Viertel zum Halbzeitstand von 31:0. Bicknell setzte im Lauf vorallem auf den bislang enttäuschenden #24 RB Larry Croom, dem es aber nicht wirklich gelang ganz fette Raumgewinne zu erzielen. Die kamen eher über den Schotten #87 WR Scott McCready und #85 TE Bobby Blizzard (wenn es den Namen nicht gäbe, müsste man ihn erfinden). Von den beiden QBs machte #5 QB Casey Bramlet klar den besseren Eindruck. Irgendwie stand bei ihm die Offenseline auch besser, bekam nicht viel Passrush.

Bei den Düsseldorfern ging nach vorne nicht viel zusammen.

Das änderte sich mit der zweiten Halbzeit in der Rhein Fire 24 Punkte erzielte und bis auf einen TD an Hamburg rankam. Auslöser war #7 QB Scott McBrien, dessen Würfe viel mehr Zug hatten. Was für ein Wurfarm. Insbesondere wenn er die Würfe als pfeilschnelle Flachpässe abfeuerte, kam die Devils-Secondary in böse Kalamitäten. In der Manndeckung hatte sie keine Chance gegen die Fire-Receivers, obwohl das Fire-Spiel durchaus simpel gestrickt war: Pässe wurde auf irgendwelchen Post-artigen Pattern gespielt, meistens auf der vom TE abgewandten Seite, also der weak side. Kaum Comebacks oder Cross-Patterns.

Die Aufholjagd von Rhein Fire verreckte 5 Minuten vor Ende. Den Hamburgern gelang es Rhein Fire nur noch 20 Sekunden auf der Uhr zu lassen, nicht zuletzt weil Rhein Fire mit zwei Encroachment-Strafen (Rhein Fire an dem Abend mit 14 Strafen insgesamt!) den Drive der Hamburger am Leben ließen.

Hamburg nun 1-2 und Rhein Fire gar 0-3.

Die Sea Devils überraschten mich mit einer besseren Veranstaltungsorganisation als gedacht. Das Drumherum, sprich die Fans, wird sich im Laufe der Zeit hoffentlich besser einspielen. Richtig enttäuschend ist aber die Spielqualität. Die Spiele sind in Natura wirklich so schwach wie sie im Fernsehen wirken. Natürlich haben die Jungs mehr auf den Kasten als Bundesliga-Spieler. Aber was nützt es, wenn die Mannschaften nicht eingespielt sind, das A & O im American Football. Daran gemessen, sind die 20-25 EUR die man für gute Plätze ausgeben muss, nicht jedermanns Sache.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Bei den vereizelten “Hamburg Sea Devils”-Rufen hatte ich immer so ein “Hamburg Blue Devils” im Ohr ;). Meine Befürchtungen zum Publikum hatten sich leider bewahrheitet. Zwei Pracht-Honks neben mir.

    Sitzenzubleiben bei der Am. Hymne finde ich ja noch ok. Aber die Zuschauer, die aufgestanden waren, deswegen zu beschimpfen…
    Ob das mitgröhlen der Dt. Hymne danach so toll war…
    Das pubertäre, von reichlich Alkohol unterstütze, “Bunnies-Gerufe” von eindeutigen Gesten unterstütze Gestikuliere, na ja.

    Ich hätte mir gerne die Stadion-Regeln aus Miami gewünscht. Dort kann man solche Leute aus dem Stadion entfernen lassen. Gottseidank sind die Kasper nach Block 18 gewechselt um ihre gestaltgewordenen Phantasien anzuhimmeln. Peinlich…

    Interessieren würde mich noch, wie viele Karten kostenlos abgeben wurden. Beim Umzug von Thunder ins Olympia-Stadion waren jede Menge Feuerwehrleute im Stadion. Ein paar Bundesliga-Vereine waren auch eingeladen. Für die Fanclubs (Devil-Mania und Supporters) gab es auch Freikarten.

    Stadionsprecher war ok, es gab wirklich nicht zu viele Erläuterungen.
    Halbzeitshow war wirklich kein Bringer, aber man muss ja auch noch was zum Verbessern haben.

    Mal den 14.05. abwarten und darauf hoffen das die NFLE noch ein paar Jahre bleibt.

  3. Ich saß im Block 18 und hatte aus der “Ferne” auch das Gefühl dass in den Stehplatzrängen der Nordkurve Hardcorefans waren die einige Male “Blue-Devils” riefen. Aber ich kann mich täuschen, ich war weit weg.

    Im Block 18 war die Stimmung freundlich, fast alle standen für die US-Hymne auf, niemand wurde bepöbelt etc… Die Honks die du evtl. meintest, waren 8-7 Post-Pubertierende, teilweise mit verspiegelter Sonnenbrille und weißen Hemd, die ‘ne Stunde lang mit den Plastikbechern auf den Metallgeländer trommelte, was bei dem allgemeinen Lärmpegel aber nicht weiter auffiel.

    re: Gratis-Karten
    Keine Ahnung. Letzte Woche waren bei der Frankfurt Galaxy auch diverse Feuermänner auf der Tribüne. Die offiziellen Spielberichte sprechen ausdrücklich von “Paid Attendance“. Allerdings ist es bei den American Bowls jahrelang und überall Usus gewesen abartig hohe Zuschauerzahlen zu nennen, von denen kein Beobachter weiß wie die sich die NFL aus den Fingern gesogen hat.

    Ich bin auch am überlegen ob ich nochmal hingehe. Am meisten würde mich das Galaxy-Spiel reizen, aber man weiß ja nicht ob am letzten Spieltag die Partie überhaupt noch irgendwie von Belang ist.

  4. Sorry, die hatten sich nicht nach Block 18 sondern Block 20 verzogen.

    Beim Spiel gegen Frankfurt dürfte zumindest mehr Lärm sein. Ich hatte die Frankfurter-Fans mal in Amsterdam erlebt, war laut. In Frankfurt wurde auf der Anzeigetafel auch immer ein dB-Meter eingeblendet.

  5. Die vergünstigten Tickets für Colorline-Arena Besucher gibt es, IIRC, seit dem Zeitpunkt wo der HSV stunk machte und behauptete die Freezers würden den Heimspielen die Zuschauer klauen.

    Schon bei diesen Spiel, http://www.hebig.com/hamburgfreezers/ … mir ist entfallen wann das war, aber 1-2 Jahre ist es bestimmt her, wurde dafür geworben das man nach dem Eishockey bei vorlage des Freezersticket vergünstigt, es waren definitiv mehr als 5,- €, zu dem direkt im Anschluss stattfindenen Heimspiel des HSV kommt.

  6. Bilder von den Sea Devils und Sea Pearls gibts auf “schaudichan”

    “It’s not just a game. It’s a party!”

    [Edit dogfood: Links auf die Site gelöscht, wer rauf will, kann nach dem Namen googlen…]

  7. Ich habe mein Problem damit, wertvolles PageRank-Mana ungefragt an kommerzielle Projekte weiterzugeben. Wenn es wenigstens ein Deeplink/Permalink zum Sea Devils-Beitrag selber gewesen wäre und damit thematisch mit dem Blogeintrag zu tun hätte… aber so, einfach auf eine Singles-/Photo-Community zu linken…

  8. Sorry, in der Form sollte es natürlich nicht rüberkommen. Ich fand es bißchen beschämend, wenn man ein bißchen nach den Sea Devils und aktuellen Bildern oder Berichten sucht, dass man nur sehr viele tote Links findet , schade eigentlich :(

    Zu diesem Spiel vom Blogeintrag ist z.Bsp. auch unter Event-Dokus ein Bericht und viele Fotos vorhanden, neben 4 weiteren Matches der Hanseaten u.a vom aktuellen Spiel gegen die Amsterdam Admirals. Permamentlink auf Berichte wären vorhanden…