Schlaghemmungen

Klitschko d.J. gegen Eliseo Castillo ist die Sorte von Kämpfen gewesen, bei denen sich der eigentliche Eintrag mit den völlig durchgefrästen ARD-Hirnen statt dem Kampf beschäftigen müsste.

Was gestern an Übertragung zu sehen war, war Nuttigkeit hoch zwei. Es fand wieder das von ARD und ZDF gewohnte Hochgejazze eines Fights statt. Allerdings hatte es diesmal Dimension, das eigentlich Rundfunkräte eingeschaltet und Köpfe rollen müsste.

Nur zur Erinnerung was da gestern in der Westfalenhalle stattfand: ein Nicht-WM-Kampf, nur auf 10 Runden angesetzt, mit einem Gegner der gerade einmal 19 Kämpfe hatte, von denen nahezu alle Kanonenfutter und völlig außer Form waren und dessen bestes Ranking in der IBO(!) auf Platz 20(!) ist!

Dies roch nach Aufbaukampf und dies war ein Aufbaukampf und ich bezweifle dass das ein “Eliminationfight” für einen WM-Kampf mit Byrd war.

Und für diese Prügelei bot die ARD eine Show auf, als hätte Michael Schumacher auf einem Rad die F1-Weltmeisterschaft gewonnen, den Friedensnobelpreis bekommen und die universelle Weltformel auf Papier gebracht. Man fragt sich, wenn die ARD so etwas schon für einen Aufbaukampf raushaut, inkl. eines eingeflogenen Michael Buffers, was will sie dann noch bei einem WM-Kampf machen? Atombombenabwurf? Carmen Nebel nackt?

Ein Mann verdient es hart rangenommen zu werden, ist der Reporter Andreas Witte. Ich gebe es zu: ich habe den Andreas Witte gemocht. Zu einer Zeit als der SFB in Sachen Sport kaum kompetente Leute hatte und stattdessen die Rübe von Jochen “wo ist mein Kinn geblieben” Sprenzel immer zu sehen war, verkörperte er den sympatischen Außenseiter, der z.B. in der ARD als einer der ganz wenigen den Basketball hoch hielten.

Seit gestern steht Andreas Witte bei mir auf der roten Liste. Es ist blankerseits eine Sache der moralischen Integrität und Unabhängigkeit und damit einer “Kernkompetenz” eines Journalisten, inwieweit sich ein Reporter vor den Karren eines Promoters spannen läßt. Andreas Witte hat nicht ein Jota dazu beigetragen, dem unbedarften Zuschauer die wirkliche Dimension des Kampfes zu vermitteln. Er stellte nur den Ausschnitt der Fakten dar, der der “Sache”, sprich der Wertigkeit des Kampfes und des Gegners zuträglich.

Wenn ich nach 10 Minuten Internetsurferei zu einer Einschätzung über den Gegner Eliseo Castillo komme, die sich recht nahe an der Wirklichkeit erwies, wenn selbst der US-Broadcaster HBO in einer Kolumne Castillo als Muster ohne Wert bezeichnet, dann ist eine Einschätzung des Gegners wie sie Andreas Witte abgegeben hat, Dummheit oder Absicht.

Ach ja, zum Kampf.

Wladimir Klitschko sah austrainiert aus, mir machten aber die herausgetretenen Adern an den Armen Sorgen, die ich so bei ihm noch nie gesehen hatte.

Klitschko überzeugte mehr mit Schlagkraft als mit Offensivgeist. Er und Coach Emanuel Steward führten den Kampf sehr “intellektuell”. Ich hatte das Gefühl dass es die Ansage gab: “wir testen deinen Jab”, denn 90-95% aller Schläge von Klitschko war der Jab.

Von Castillo gab es nicht viel zu sehen. Ich glaube dass sich die Zahl seiner Schläge bis zum KO in der 4ten Runde an einer Hand abzählen liessen. Er verschanzte sich hinter seiner nur mäßig gut sitzenden Deckung, die immer wieder von Klitschkos Jab durchbrochen wurde. Ansatzweise schien Castillo sogar ein rope-a-dope zu versuchen, aber mit Klitschkos Jabs hatte es keinen Sinn.

Bei Lichte betrachtet, sollte dieser Kampf keine Auswirkung auf die Rankings haben, denn zu schwach war Castillo. Ob es wirklich zu einem Kampf gegen Byrd kommen wird, hängt von ganz anderen Bedingungen ab, als ob dieser Kampf nun wirklich ein “Elimnationfight” war oder nicht. Bei Byrd hatte ich immer das Gefühl, dass er kein Feigling ist, sondern sich nur adäquat teuer verkaufen will. Ich weiß nicht wie eng er derzeit unter den Fuchteln von Don King steht. Sollten aber derzeit Byrd-Kämpfe nur via Don King möglich sein, dürfte dass die Kampfansetzungen eher erschweren, denn King wird kaum die Kontrolle über Kämpfe und WM-Titeln aus der Hand geben wollen. Eher läßt er “seine” Fighter wie Ruiz, Oquendo, Brewster im Ringelreihen untereinander antreten um im Madison Square Garden wieder “Nights of the Heavyweight Champions” zu machen…

Was ist eigentlich mit PREMIERE los? Hat man sich aus dem Boxen zurückgezogen? Wenn ich mir das HBO-Programm angucke: nicht ein einziger Kampf (Ruiz – Toney, Trinidad – Wright, Brewster – Golota) ist davon auf PREMIERE zu sehen. Mir dünkt, als stünde PREMIERE recht vertragslos da.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ja, das gelaber wie “He’s Back!” und von “Klitschkos Comeback” war … dämlich.
    Das ist ja wie Skispringen bei RTL, oder wie Fussball bei ran um 20:15 oder wies grad frisch beim Ersten zurück war (als die Zuschauer eigentlich Sport sehen wollten, statt “drumherum”)

    Mit Castillo dachte man eher, dass Klitschko etwas Zeit totschlagen wollte, als in dieser einen respektablen Gegner.
    Eher als Comeback zu bezeichnen ist sein Sieg über Williams, was ihn aber in Sachen “Gegner” nur sazu gebracht hat, dass er die Karriere eines aufstrebenden Nobody bremsen konnte.

    Mein Gott, es gibt genug Boxer weit vorne in den Rankings, muss es unbedingt Byrd sein?
    Na gut … wenn er den ein zweites Mal schlägt dann würde er im Anschluss eh wieder stärkere Gegner bekommen.

    Die drei oben genannten Kämpfte hören sich da für mich spannender an, als das was ich gestern gesehen hab .. egal, ich hab eh kein Premiere.

  3. Byrd hat halt den Vorteil, dass er Gürtelträger ist. Derzeit sind es Klitschko d.Ä., Brewster, Ruiz und Byrd. Byrd hat an und für sich technisch auf einiges auf den Kasten, auch wenn seine Kämpfe aufgrund seiner Defensivtaktik eher unansehnlich sind. Aber seine 1-2 letzten Kämpfe waren unglaublich schlecht.

    Gerade Trinidad vs. Wright wäre ein echter Leckerbissen für den PREMIERE noch unlängst seine Mannen gen Las Vegas oder sonstwo hin geschickt hätten.

  4. Nunja, Mittelgewicht hat eben auch etwas weniger Popularität als Schwergewicht. Zu unrecht eigentlich, ich glaub im Vorfeld zum letzten Klitschko-Kampf (Vitali) gabs einem Kampf im Leicht-Mittelgewicht, unheimlich schnell und Energiegeladen.

    Ruiz – Toney wird sicher interessant (letzterer 2ter bzw. 3ter bei WBA, WBO, IBF).

    Und Golota? Letztes Jahr hatte er zwei WM-Kämpfe (Unentschieden oder Verloren) und nun wieder einen … tjoa, wenn die Niederlage nicht durch KO kommt ist ein Aufbaukampf nicht unbedingt notwendig (im Gegensatz zu den Jahren nach Golotas Kampf gegen Tyson)

    P.S.: Hat Byrd überhaupt irgendwelche Kampf-Pläne für die nächste Zeit?
    P.P.S.: Wo war Tuaman solange?

  5. ruiz – toney wird ein superlangweiler werden. ruiz geht sowieso gar nicht mehr. ich kann mich nicht entsinnen, wann ich von ihm einen sehenswerten kampf gesehen habe. und da waren einige kämpfe dabei, da muss man fragen, wieviel die punktrichter bekommen haben.

    toney hat in letzter zeit auch keinen spitzenmann mehr im schwergewicht gehabt. mit wohlwollen rydell booker letztes jahr.

    chris byrd hat derzeit nix vor, scheint wirklich auf Klitschko zu warten. wie gesagt: ich weiß nicht inwieweit byrd bei don king unter vertrag steht. wenn nicht, sollte ein kampf eher einfacher sein, weil via K2 promotion von den klitschkos selber machbar sein.

  6. Und was David Tua angeht, der hat 2004 gar nicht gekämpft und ende märz einen schnellen KO gegen einen unbekannten mann in neuseeland gehabt. mit 114kg hat er sehr viel auf die waage gebracht, war also vermutlich nicht austrainiert. tua ist erst mal weg vom fenster. aber so groß wie derzeit die not nach profilierten schwergewichtlern ist, sollte er binnen 2-3 kämpfe wieder in WM-nähe kommen.

  7. Wie se bei HBO meinen “Toney muss gewinnen”, denn Ruiz will wohl keiner mehr unbedingt sehen, auch wenn dieser wohl gegen jeden boxt der ihm auf die Bretter kommt.
    Prognostiziert werden würden dann Kämpfe zwischen Toney und Byrd und dem älteren Klitschko … sofern er denn gewinnt.

    Was gabs denn gestern noch so?
    Cengiz Koc gegen Michael Sprott, zwei Boxer die ähnlich gut in manch Ratings stehen, Koc hat wohl nicht gezeigt, dass er sich für höhrere Plätze empfiehlt.
    Und Rene Dettweiler durfte Sauerland-mäßig wieder gegen einen Boxer antreten, der auch schon mehr Niederlagen als Siege sein eigen nennt.

    Und was gibts demnächst bei den öffentlich rechtlichen zu sehen?
    Ich denk mal Kasniqi gegen Whitaker … auf dem Papier nett anzusehen.
    Und Valuev gegen Etienne. Valuev tanzt so langsam die Ratings hoch und darf mal gegen jemanden Boxen der schon nahmhafte Leute vor den Fäusten hatte (Brewster, Tyson).

  8. Nun, Toney hat nach Punkten gewonnen und das deutlich (vgl Ruiz – Golota). Ich hab bisher nur so einigermaßen beiläufig gehört, dass Ruiz meist in die Defensive gedrängt war.
    Toney mit seinen über 70 Kämpfen ist nun einer der wenigen der wohl in 4 verschiedenen Gewichtsklassen einen WM-Titel hat/hatte.
    Nun peilt er wohl weitere WM-Kämpfe an (z.B. Klitschko d.Ä. wenn der erstmal gegen Rahmann gekämpft hat, bis dahin gibts wohl noch ne andere Verteidigung der beiden Titel).

    Noch was zum Thema Klitschko. Der Kampf Krasniqi – Whitaker ist wohl ein sog. Eliminator-Fight darum, wer dann mal mit Brewster um den WBO-Titel kämpfen darf. Bleibt da am Ende vielleicht kein WM-Kampf gg. Brewster für Klitschko übrig wenn dieser weiter Gegner der Klasse Castillo boxt?

  9. ah ne, W. Klitschko wollte ja gegen Byrd oder (hmpf, mein Gedächtnis)? … is mir auch recht.

  10. Lt. SecondsOut ist Toney – Ruiz ein “putziger” Kampf gewesen. Der Kampf ist – das muß man sich einmal vorstellen – keine 3 Sekunden alt gewesen, als Ruiz bereits mit dem Klammern angefangen hat. Ruiz wurde wohl anschließen in Grund und Boden gebuht und gepfiffen. Allerdings soll Ruiz anschließend für seine Verhältnisse recht sauber geboxt haben.

    John Ruiz hat dankbarerweise nach dem Kampf sein Karriereende erklärt.

    Was Brewster, Byrd und Klitschkos angeht: Ich glaube Brewster und Bird stehen bei Don King unter Vertrag. Und dier Erfahrung sagt mir: im Reiche Don King ist nix fix. Der kriegt das so oder so hingebogen wie er es braucht.

  11. Jo, Brewster und Byrd sind bei Don King wohl in der Tat beschäftigt.

    Brewster kämpft noch diesen Monat gegen Golota (welcher ja einen Titelkampf nach dem nächsten bestreitet und auf den Punktekärtchen wohl nicht das Glück für sich hat).

    Und Byrd soll wohl am 23.07. seinen Titel verteidigen (während Rahman gegen Monte Barrett um den WBC interims Titel antritt)
    http://www.boxrec.com/date_search.php?yyyy=2005&mm=07&dd=23

    Nunja, ich hab bisher erst einen Kampf von Byrd gesehen und zwar den gegen den jüngeren Klitschko … ich glaub bei den anderen Kämpfen muss er anders drauf gewesen sein.

  12. Hab den Kampf nun gesehen … naja, nicht sonderlich spektakulär, aber besser als die meisten Ruiz-Kämpfe denke ich.

    Naja, aber wie das nunmal so ist, hat Ruiz seinen Rücktritt wiederrufen (wie damals nach der Niederlage gegen Roy Jones jr.).

    Und ganz doll: Toney wurde positiv auf verbotene Substanzen getestet.
    Nun wartet Ruiz darauf, dass die WBA nicht nur das Ergebnis des Kampfes annuliert, sondern dass zusätzlich auch noch eine Disqualifikation Toneys zu trage komme und Ruiz den Gürtel wiederbekommt … na super.