Urban Development in Florida (Update)

[Update So 20h13] Es gibt neue Entwicklungen. Siege Ergänzungen am Ende des Blogeintrages


Egal was da am Samstag sonst noch gespielt wurde: um kurz nach Mitternacht deutscher Zeit gab ESPN per Breaking News den Rücktritt des Headcoaches der Florida Gators Urban Meyer bekannt. Urban Meyer ist der erfolgreichste College Football-Coach der letzten Jahre. Seit 2005 trainiert er die Florida Gators und hat eine Bilanz von 56 Siegen und 10 Niederlagen. Er wurde mit den Gators zweimal National Champion. Zuvor erreichte er Bilanzen von 17-6 mit Bowling Green in der MAC und 22-2 mit den Utah Utes in der Mountain West, mit denen er als erster Coach ein Nicht-BCS-Team in eine BCS-Bowl brachte.

Ein Paukenschlag mit dem niemand gerechnet hatte und der sichtlich irritierte Moderatoren, Kommentatoren und Analysten bei ESPN hinterließ, die für 1-2 Minuten sogar von einem laufenden Bowl-Spiel wegschalteten. Die Nachricht wurde Minuten nach der ersten Breaking News bei ESPN von Florida bestätigt. Meyer überbrachte dem Team gerade die Nachricht. Knapp eine Stunde später gab es auch eine offizielle Stellungnahme von Urban Meyer über die Gründe des Rücktritts und ESPNs Kirk Herbstreit konnte off the air ein Telefonat mit ihm führen. Meyer blieb noch etwas nebulös und sprach von gesundheitlichen und familiären Gründen.

Die NY Times grub etwas tiefer. In der Nacht nach dem verlorenen SEC-Championship Game gegen Alabama wachte Urban Meyer (45 Jahre) mit Brustschmerzen auf und verlor kurz das Bewusstsein. Im Krankenhaus eingeliefert, wurde er untersucht – in anderen Medien ist von einem gereizten Herzmuskel die Rede. Direkt Anfang Dezember war noch von Dehydration die Rede.

Meyer ist nicht lebensgefährlich erkrankt und es gibt keine akuten Probleme, aber Meyer interpretierte es als Warnsignal, ging über Weihnachten in sich und entschied sich aus dem Tagesgeschäft auszusteigen. Meyer wird in einer Art beratenden Funktion im Front Office der Gators bleiben – schöne Aussichten für den Nachfolger.

Es gab in der Öffentlichkeit nicht den Hauch von Anzeichen für einen solchen Schritt – ergo fiel man gestern in den USA aus allen Wolken. Verwundern muss der Zeitpunkt der Bekanntmachung. Eigentlich war es nur damit erklärbar, dass es das erste Teammeeting nach Weihnachten war. Aber die fünf Tage Vorbereitungen bis zum Sugar Bowl werden sich kaum noch in Ruhe durchführen lassen und die Last die auf dem Team liegt, dürfte seit gestern immens gewachsen sein. Da anscheinend keine akuten Probleme vorlagen, frägt sich schon, warum Meyer damit jetzt und nicht erst nach dem Sugar Bowl raus geht.

Urban Meyer geniesst einen Ruf als Offense-Guru und ist der derzeit prominentester Verfechter der Spread-Offense, die er je nach Spielerkader in einer passlastigen oder lauflastigen Variante spielen lassen kann.

Sein Rücktritt setzt ein bis dato recht müdes Trainerkarussell in Gang. Es wird kein leichter Job für Floridas Athletic Director Jeremy Foley werden, der binnen eines Jahres damit den OffCoord. Dan Mullen (nahm Headcoach-Posten bei Mississippi State an), DefCoord Charlie Strong (nahm Headcoach-Job in Louisville an), Headcoach Meyer und Recruiting Director Billy Gonzales (ging zu LSU) ersetzen muss. Die Aufgaben für Meyers Nachfolger sind gigantisch. Schlüsselspieler wie QB Tebow beenden ihre College-Karriere und müssen ersetzt werden. Die letzten erfolgreichen Jahre der Gators haben die Fans verwöhnt und in der SEC ist durch einen sehr fetten TV-Vertrag inzwischen viel Geld im Spiel.

Derzeit werden als Favoriten für die Nachfolge gehandelt: Bob Stoops/Oklahoma (war in Florida unter Spurrier Assistent), Dan Mullen/Miss St (war acht Jahre lang in Notre Dame, Utah und Florida Meyers Assistent), Chris Peterson/Boise State, Harbaugh/Stanford, Charlie Strong/Louisville, Kyle Whittingham/Utah und Kevin Sumlin/Houston.

Die Lösung Whittingham wäre die Verpflichtung einer Meyer-Kopie: Whittingham war Meyers Nachfolger in Utah und gilt seit längerem als reif für ein renommiertes College Football-Programm. Bob Stoops: Big 12 und das nicht lasche Oklahoma-Programm: nee, glaub ich nicht das Stoops einen Wechsel nach Florida interessieren könnte.

Harbaugh hat für mich in Stanford noch zuwenig konstante Arbeit geliefert. Charlie Strong ist erst jetzt nach Louisville gewechselt (angeblich soll es aber nur ein Vorvertrag sein). Dan Mullen hat bei seinem ersten Jahr bei MSU gute Arbeit abgeliefert, aber keine sensationelle Arbeit – fehlt es somit an Bewährung.

Ich halte große Stücke auf Chris Peterson, der bei Boise State mit relativ wenig Ressourcen nun schon über Jahre ein gutes Football-Programm hochgezogen hat. Die Ansetzung eines BCS-Bowls nur gegen TCU könnte Peterson vor Augen geführt haben, dass BCS-Conferences die Kleinen auf Jahre auch klein halten wollen und er Titelchancen nur in einer BCS-Conference haben kann. Ein Angebot von Florida könnte ihn locken.

Andere Stimmen

Jürgen Kalwa verweist auf die deutsche Abstammung Meyers, verlinkt auf ein ausführliches Portrait von Meyer in der Sports Illustrated und bettet ein Video ein, dass Meyer von einer toughen Seite zeigt, die man hinter der freundlichen Fassade nicht vermutet. Die in dem Video von Meyer verkündete Doktrin des Leistungswettlauf mit anderen Spielern steht in einem bizarren Kontrast zu den “Health, Family and Faith“-Sprüchen die Meyer gestern zur Begründung seines Rücktritts anschlug.

The Big Lead: “Urban Meyer Steps Down as Florida Coach”
The Big Lead: “Urban Meyer Leaves Florida, and the Gators Rebuilding Project Begins”
Can’t stop the Bleeding: “There’s A Job Opening In Gainesville : Meyer’s Surprise Exit”

Updates

[So 20h14] Diverse Sportreporter tweeten sich in diesen Minuten die Finger aus der Seele, zuvorderst Pete Thamel/NY Times – der bereits gestern als einer der wenigen mit Meyer sprechen konnte.

Demnach hat Meyer es sich im Laufe des heutigen Tages anders überlegt und wird nicht zurücktreten, sondern Urlaub für unbekannte Dauer machen. Dafür wird er beim Sugar Bowl nicht coachen, sondern Steve Addazio den Interimscoach geben.

Diese Entscheidung soll heute den Spielern mitgeteilt und anschließend auf einer PK bekanntgegeben werden.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Für mich haben die Aussagen gestern nach ganz anderen “Problemen” geklungen, gerade die Vermischung von Familie, Gesundheit und Glaube fand ich sehr ominös.

    Aber vielleicht lese ich da in die Formulierung einfach zu viel herein.

  3. Wie geschrieben: das Timing fand ich auch etwas unüberzeugend und wäre es nicht Urban Meyer, sondern Pete Carroll, hätt ich drauf getippt das bei USC irgendwas droht, wo denen der Laden nun endgültig um die Ohren fliegen würde.

    Aber Meyer und Florida unter Meyer schienen sehr saubere Programme zu sein und in Ermangelung von Anhaltspunkten oder auch nur Indizien, fresse ich die Erklärung erstmal.

  4. Peter Thamel von der NY Times, einer der ganz wenigen die gestern noch mit Meyer sprechen konnte, tweetet Breaking News:

    Urban Meyer scheint es sich anders überlegt zu haben und relativiert seinen Rücktritt. Schließt baldige Rückkehr nicht mehr aus. Mehr auf einer PK im Laufe des Tages.

  5. Ist jetzt etwas off-topic, aber ich kann nicht ganz nachvollziehen, woraus du die schlüsse ziehst, dass bei usc carroll der laden um die ohren fliegen würde.

    zugegeben: das war heuer eine ganz schwache saison, aber unter der berücksichtigung, dass sie einen freshman-qb starteten und 8 mann in der defense ersetzten mussten war das nun keine grosse überraschung. viel mehr muss gefragt werden, ob da die preseason polls nicht völlig daneben lagen. der sieg gegen bc am samstag war zwar jetzt keine machtdemonstration, aber man hat gesehen, dass barkley grosses potential hat und auch die commitments für das kommende jahr sind wieder (zumindest wenn man den “experten” glauben möchte) von ganz starker qualität). ich sehe bei usc eher ein übergangsjahr, das so jede junge mannschaft mal durchmacht. und die ganzen querelen abseits des platzes (mcknight, trainerstab) werden m.E. zu hoch gepusht, da es halt usc und nicht irgendwer ist.

  6. Es bezieht sich nicht auf die Leistungen von Carroll, sondern dass mit McKnight zum zweiten Mal binnen 3-4 Jahren ein Skill Player mit unkoscheren finanziellen Zuwendungen auffällt – nimmt man das Basketball-Programm unter dem inzwischen zurückgetretenen Tim Floyd hinzu, Stichwort “OJ Mayo”, ist es das dritte Mal binnen 3-4 Jahren, das USC mit so einer Geschichte auffällt. Einzelfälle oder System?

  7. Ich bin davon überzeugt, dass im gesamten College-Sport, der ja auch bereits eine Milliardenschwere Industrie geworden ist (man muss ja nur die TV-Rechte-Zahlungen betrachten) so einiges hinter der vorgehaltenen Hand läuft, von denen nichts durchsickert. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es die NCAA wagt, ein Schwergewicht wie USC merkbar zu bestrafen. Inwiefern Carroll in der Sache verwickelt ist und da event. Konsequenzen zu befürchten hat, kann derzeit nicht abgeschätzt werden; die Gefahr würde ich jetzt aber eher gering ansehen.

  8. Re: “Schwergewicht”

    Hmmm. Da müsste man mal die Indiana Hoosiers, Alabama Crimson Tide, Tim Floyd oder Bobby Bowden von den Seminoles fragen, inwieweit Schwergewicht-Sein vor Bestrafung schützt.

  9. Ich find die Beschichte sehr seltsam. Die sporting News berichtet, dass Meyer wohl 2010 coachen wird.
    http://today.sportingnews.com/sportingnewstoday/20091228/#pg1
    Wenn er Ausgebrannt/gesundheitlich angeschlagen ist, wie kann ihn dann eine Woche mehr, die nötige zusätzliche Erholung geben um 2010 coachen zu können. Wäre es da nicht naheliegender den Sugar Bowl noch zu coachen und dann 2010 auszusetzen?