Federer, Baghdatis und Spaß am Tennis

Jetzt hat es mich endgültig erwischt. Zu Becker- und Graf-Zeiten hat mich der Hype aus dem Tennis getrieben. Dank Kiefers Auftritt bei Olympia in Athen fand eine erste “Annäherung” statt, und jetzt bin ich dank der Australian Open und einer guten, vormittäglichen Berichterstattung, die man im Büro ggf. nebenbei laufen lassen kann, wieder zurück.

Die Männer haben viel, viel Spaß gemacht.

Heute mittag besiegte im Finale der Australian Open Federer die zypriotische Überraschung Marcos Baghdatis in vier Sätzen 5:7, 7:5, 6:0 und 6:2. Und beide lieferten anschließend bei der Siegerehrung ergreifende Bilder (die leider vom ansonsten souveränen Matthias Stach etwas zerquatscht wurden). Der unterkühlte Federer schluckte und schluckte ehe sich die Schleusen endgültig öffneten.

Was wirklich Spaß macht, sind die Typen, die man inzwischen sehen kann. Das fängt mit der Nummer 1 Roger Federer an. Der Mann ist während des Turniers unglaublich fokussiert gewesen, ohne aber arrogant zu wirken. Scheinbar ein Technokrat. Er profitierte sicherlich auch davon, dass seine beiden letzten Gegner, Kiefer und Baghdatis in den Runden davor viele Körner gelassen haben und nach dem zweiten Satz konditionell abstürzten. Trotzdem lieferte er recht perfektes Tennis. Er wackelte im zweiten Satz zwar deutlich und erstmals war auch so etwas wie Verzweiflung zu spüren, aber es war eindrucksvoll wie er seine Autorität behielt und dann fast unbeeindruckt weiter perfektes Tennis spielte. Für 24 Jahre spielt er wirklich unglaublich stabil. Und mit der Siegerehrung zeigte er auch, dass ihm das alles nicht am Arsch vorbeigeht. Mit einem Schlag fiel die ganze Konzentration und Fokussierung der vorigen zwei Wochen ab und brach das Bild des Technokraten.

Der 20jährige Marcos Baghdatis lieferte natürlich als Underdog und Mister Sonnenschein die Story des Turniers. Aber auch tennismäßig war das rotzfrech gespielt, was schon der Umstand zeigte, dass er den Roger Federer in den ersten zwei Sätzen in die Ecke treiben konnte. Es waren mitunter sehr spaßige Grundlinien-Ballwechsel zu sehen.

Ein Nicolas Kiefer ist nicht nur interessant, weil er ein deutscher Vertreter ist, sondern wie kaum ein Zweiter von den Emotionen lebt. Mit fällt es leicht mitzuleiden. Ich habe den Mann seit Athen wirklich lieben gelernt (verstärkt durch eine grandiose Ko-Kommentierung eines H96-Bundesliga-Spiels bei PREMIERE mit Matthias Stach).

Nalbandian besetzt die Rolle des Bösewicht. Ein Beau und arrogant. Klasse Besetzung.

Und alle spielen sie Tennis, der nicht nur physisch ist, sondern auch spielerisch abwechslungsreich. Keine Aufschlag-Return-Schlagabtausche oder Grundlinienduelle, bei dem der Punkt nach 3 Minuten durch denjenigen gemacht wird, der als erstes einen Fehler macht.

In diesem Sinne mein Dank an die Beteiligten und an EUROSPORT. Hat Spaß gemacht, bis zum nächsten Turnier.

(Zweites Februar-Wochenende Davis Cup D – F bei BÄH).

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ganz genau.

  3. Ich liebe die Australien Open, man wacht morgens auf und kriegt guten Sport zu sehen.
    Scheiße ists dann, wenn gerade der fünfte Satz ist und man dann los muss.

    Federer beeindruckt einmal mehr. Wenn der zeigt, wie er den Ball spielen kann … das ist schon ein Reportoire das kein anderer hat. Und auch sonst, bereitet er sich immer bestens vor.
    Dass er nicht unschlagbar ist, konnte man an den Matches mit Haas, Kiefer und eben Baghdatis sehen, wo er auch Sätze hergeben musste. Dennoch, der Kerl schafft es während eines Matches kaum oder garkeine Nerven zu zeigen … umso mehr platzt es dann bei der Siegerehrung aus ihm heraus.

    Für Kiefer freut es mich, dass er seinen bislang größten Erfolg in einem Grand-Slam-Turnier hatte. Der Kerl scheitert zwar manchmal an sich selbst, aber packt auch mal ne Rückhand aus, dass es nur so eine Freude ist…

    Ja das aktuelle Herren-Tennis zeigt sich variabel. Kein reines Serfe-and-Volley und auch kein reines Grundlinienspiel (wobei ich einem Agassi dabei gerne zusehe wie er die Leute von einer Ecke zur anderen schickt und selber blitzschnell jedem Ball nachläuft).
    Ich frag mich wie ein Match zw. dem heutigen Federer und Pete Sampras zu dessen Top-Form ausgegangen wäre…

  4. zeitweilig…bei haas / federer…und kiefer / federer kamen mir schon fast tränen in die augen. großer sport…der stach in topform (immer mit dem hang zur positiven übertreibung) som muss das sein.

    das turnier an sich ist und bleibt das jahreshighlight. weder bei den argentinischen meisterschaften in paris…wimbledon klammere ich mal eh aus…noch beim flughafensportfest in new york entsteht solch eine grandiose mischung aus sport, publikum und faszination.

    der saisonbeginn gibt dem ganzen noch die spezielle würze.

    und ja,..gute rollenverteilung bei den helden.

    mit freude an 2007!! die tage ende januar starten um 1am!

  5. Also ich finde Federer spielt deutlich attraktiver als früher Sampras. Federer zelebriert Tennis – beinahe jeder Schlag von ihm ist eine Augenweide während Sampras früher vor allem von seinem Aufschlag lebte. Ansonsten sind die Aussie Open echt immer wieder ein Wahnsinn und auch in meiner Hitliste der Grand Slams ganz vorne (obwohl ich die Sandkastenspiele in Paris auch sehr mag).

  6. Die Australian Open sind schon seit Mitte der 90er (damals die Schlachten mit uns Anke Huber ;)) mein Lieblingsturnier: Superpublikum (nur von den French-Open ansatzweise zu erreichen), Favoritenstürze in Serie (in den letzten Jahren verstärkt), variables, schnelles Tennis. Roger Federer ist rundum eine würdige Nummer eins: Bescheiden, arbeitet viel an sich, sympathisch und mit begnadetem Schlagrepertoire ausgestattet. Er wächst mehr und mehr in die Rolle von Pete Sampras hinein, wobei ich ihm sogar noch ein deutlich größeres Potential zugestehen würde. Mal sehen, wie er sich dieses Jahr in Paris (durch)schlägt. Ich sehe da im Moment kaum eine echte Konkurrenz – zumindest auf den schnelleren Belägen.

  7. MARAT SAFIN! MARAT SAFIN!

  8. Tolles Turnier
    Ich fand die Übertragung bei Eurosport sehr gut , der einzige schock war als die ARD erwachte beim Kiefer Halbfinale und Heribert kam aus der Gruft , aber sonst hat es viel Spass gemacht

  9. Tennis ist tot. Das steht fest.
    Es fehlen die Typen. Früher gabs Agassi, Becker, Lendl, McEnroe, Wilander, Sampras, Courier… Was waren das für geile Matches wenn 2 von denen gegeneinander gespielt haben… und heute?

    Nix.. Ein Langeweiler vor dem Herrn als Nr. 1 (Federer).. Ein Sandplatzwühler (Nadal).. ein Mann, der NULL Technik hat, sondern nur Kraft (Roddick)..
    Wen haben wir noch? Nalbandian, Davydenko? Gääääääääääähn..

    Hewitt… ein Ekelpaket, den mag niemand…
    Safin – zu unbeständig..

    Ljubicic? Den kennen die wenigsten…

    Die Einschaltquoten sinken seit Jahren.. Die Gesichter sind austauschbar geworden.. leider…Die Mitgliederzahlen in den Vereien sinken kontinuierlich.. Der Sport ist am Ende…

  10. du hast das turnier nicht wirklich gesehen, oder?

  11. Effe, es geht hier nicht um die Massenwirkung sondern um den Sport. Und das Turnier war in der Hinsicht richtig richtig groß!

    Hat mich von der Intensität ein bisschen an Paris’05 erinnert, als Nadal groß aufgespielt hat. Einfach unglaublich. Hab mich glaube ich, damals hier auch ausgelassen. Alleine sein Spiel gegen Grosjean, als das Publikum ihn minutenlang ausgebuht hat und Grosjean eine richtige Drecksau war (was mir Kiefers Verhalten vor kurzem etwas angenehmer machte ;) ) und er dennoch die Nerven hatte das Spiel zu drehen und den Sieg zu holen, das war einer der größten Momente die ich im Sport je gesehen habe. Und nach dem Finale sind dann auch die Tränen geflossen…

  12. baghdatis im halbfinalregen….ähm…wie groß war das eigentlich?

  13. @vapour trail: ich weiß nicht worauf du dich hier mit “halbfinalregen” beziehst.

    regen und baghdatis gab es im halbfinale, als nach beginn eines platzregens das match im letzten aufschlagsspiel für zirka 20minuten unterbrochen werden musste.

  14. ja das meine ich doch auch.

    eine weitere große szene im turnier. der junge steht drei aufschläge vor dem ding seiner karriere und die tropfen kommen.

    hatte schon etwas…ähm…egal!

  15. Warum äußert sich eigentlich niemand zum fliegenden Kiefernschläger?

    (Is ja fast wie in der Aachener Zeitung: Drei große Spalten über das Leben und Leiden des jungen Kiefer, aber von einer sehr seltsamen Aktion die ihn locker das Match hätte kosten können: kein Wort.)

    Ich habs selbst nicht gesehen, also …

    WAS ZUM HENKER WAR DA GENAU LOS????

  16. Weil der “flying Kiefer” nicht gravierend war (außer für die australische Presse). Der Schlägerwurf ist im halb im Eifer des Gefechts passiert, halb eine Frustaktion gewesen. Ich habe drei Zeitlupen gebraucht um überhaupt zu erkennen.

    Der Schläger war nicht auf Grosjean geworfen, sondern eher entlang des Netzes und ging übers Netz auf Grosjean Hälfte.

    Es war eine Schiedsrichterfehlentscheidung den Punkt trotzdem Kiefer zu geben, denn der Schläger wurde geworfen bevor Grosjean geschlagen hatte. Er wurde vielleicht/wahrscheinlich vom fliegenden Schläger irritiert und schlug den Ball ins Netz. Aber letztendlich ging das Spiel dann doch an Grosjean, so dass die Wirkung eher gering ist.

    Da der Schläger nicht auf Grosjean geworfen wurde, würde ich als als “sowas passiert in intensiven Spielen” abhaken.

  17. Bemerkenswert finde ich die Aufzählung der so genannten Tennis-Typen aus grauer Vorzeit:
    – Agassi: gibt es immer noch
    – Becker: tatsächlich ein Typ, heute nur noch ein Kerl mit bemerkenswerter Haarpracht
    – Lendl: galt immer als verkniffener Spieler, der keine Freunde hatte
    – McEnroe: wieder ein Treffer, obwohl er zu “Lebzeiten” ein absoluter Flegel war
    – Wilander: Gähn! Ich erinnere mich an ein French Open-Finale gegen Lendl, in dem alleine der 1. Satz 90 Minuten dauerte. Von Typen auf dem Platz keine Spur.
    – Sampras: von Agassi mal als Langweiler bezeichnet – von der Presse mitunter auch
    – Courier: reiner Prügelsportler, der trotz aller versuchten Provokationen nicht mal ansatzweise polarisierte.

    War früher wirklich alles so viel besser oder einfach nur anders? Mit Federer, Nadal, Safin und immer noch Agassi gibt es auch heute immer noch Top-Sportler, die alle für sich Typen sind. Einziges Problem der heutigen Generation ist, dass Tennis in den Medien nur mehr als lebloses Produkt verkauft wird und der brave deutsche Konsument das dann auch noch glaubt. Komische Typen, diese deutschen “Sportfans”…

  18. Klar ist das Tennis von heute athletischer und schneller geworden. Nichtsdestotrotz bleibe ich dabei: Der Sport übt nicht mehr dieselbe Faszination wie noch vor 10 Jahren aus. Der beste Beweis dafür war gestern, als die ARD nichtmals das Finale übertragen hat!

  19. Es ist die Frage wie man “man” definiert. Ich mache meine Faszination von Sportarten nur begrenzt davon abhängig, auf welchen Kanälen sie laufen. Solange Tennis auf EUROSPORT läuft, ist es mir wurscht ob es auch in der ARD läuft.

    (Ganz wurscht ist es mir nicht. NBA mit zwei Spielen pro Woche auf PREMIERE interessieren mich in dieser Saison klar weniger als NHL oder College Basketball mit je 5-10 Spielen pro Woche auf NASN. Da hat TV-Präsenz klar Auswirkung auf meine Vorlieben)

  20. Die mangelnde Präsenz von Tennis in der ARD hängt ja nun auch mit dem Erfolg/Misserfolg der dt. Spieler und nicht mit der Attraktivität des Sports an sich zusammen. Sobald sich wieder ein, zwei Deutsche in der direkten Weltspitze etablieren werden wir auch wieder mehr Tennis in der ARD sehen, sogar ohne dt. Beteiligung. Aber mir als heimlichem Fan dieser Sportart reichen die ausführlichen Übertragungen auf Eurosport fürs erste schon mal. Da waren alle hochkarätigen Spiele dabei :)

  21. Zu Zeiten von Boris und Steffi war es aber auch das erste mal, daß 2 Tenniscracks aus Deutschland kamen, da war der Reiz des Neuen noch dabei. Ähnlich wie bei den Skispringern oder Schumi in der Formel 1. Auch falls Nick Heidfeld irgendwann um die Siege mitfahren sollte, so wird die F1-Euphorie von Schumi wohl nicht mehr zu erreichen sein.

    Die, die danach kommen haben es nun doppelt schwer.