Superbowl Philadelphia Eagles – New England Patriots 21:24

Erstes Viertel

Das Spiel wirkte im ersten Viertel wie noch nicht von der Leine gelassen. Wenige First Downs, viel Punts und Ballbesitzwechsel, ergo ein sehr unrythmisches Spiel. Beide Defenses waren fast immer zur Stelle (bei New England fielen einige schlechte Tackles auf). Die beiden Offenses hatten hingegen Abstimmungsschwierigkeiten. Quarterbacks und Receiver fanden nicht zueinander. QB Bradys Pässe landeten bei den zahlreichen timed patterns ins Nichts. QB McNabb hingegen forcierte Pässe, wo es nichts zu forcieren gab, warf in die Doppeldeckung oder warf auf die “Außenschulter” als der Receiver “nach innen” abbog. Der “Favre-Effekt”: übermotiviert zu glauben, das Spiel im Alleingang gewinnen zu müssen.

Die Patriots-Defense gefällt mir einen Tick besser, weil sie just jenen Tick aggressiver als die “Grünen” sind. Das geht aber einher mit größeren Risiko. Es schreit gerade nach Big Plays. Entweder machen die Patriots Interceptions oder McNabb kann TDs einschenken. Ich würde gerne mehr Situationen sehen, wo die Eagles-Offense mal mit 4-5 Receivern gleichzeitig unterwegs ist und die Secondary auseinanderziehen.

Zweites Viertel

Und man musste im zweiten Viertel keinen Drive länger warten, ehe die Offenses von der Kette gelassen wurden. Es schien als hätten beide Offenses gegnerische Schwächen ausgemacht. Die Eagles gingen 7:0 in Führung dank eines Drives mit gleich dreimal substantiellen Raumgewinn durch Pass in die Mitte auf WR Pinkston, der sich jedesmal Mann gegen Mann durchsetzen konnte, zuletzt in der Endzone, wo er sich zwei Schritt von seinem “Bewacher” LB #95 lösen konnte.

Umgekehrt die New England Patriots die anfingen mit Screen-Pässen und Läufen auf halblinks via RB Dillon die überaggressive Eagles-Defense auseinanderzunehmen. Im ersten Anlauf konnten die Pats noch gestoppt werden, da Brady eine angetäuschte(?) Ballübergabe versiebte, aber kurze Zeit später eine schöner Lob auf den völlig freistehenden WR Givens, der von einer wüst fehlgeschlagenen Coverage profitiert. 7:7

Halbzeit: 7:7

Putzig das PREMIERE-Team. Sebastian Hellmann mit den angehenden NFL-Spielern Constantin Ritzmann und Patrick Venzke, die beide zeigten dass Analyst-sein nicht leicht ist.

Im O-Ton war, wie erwartet, der Kommentar von NFL International mit Dick Stockton und Darryl Johnston zu hören. Beide waren, wie erwartet, deutlich bemüht nicht zu komplizierte Football-Materie zu bereden, aber es war nicht ganz so schlimm wie vor 2-3 Jahren, als First Downs und ähnliches erklärt wurden. PREMIERE hat zudem nach dem ersten Viertel auch die Tonprobleme während der Auszeiten im Griff bekommen. Im Rahmen dessen was wirtschaftlich vernünftig ist, war das eine solide Leistung von PREMIERE.

Halbzeit-Show? Wie befürchtet, krass. Paul McCartney mit aufgewärmter Beatles-Ware, während unten enthemmte minderjährige Groupies sich am liebsten die Kleider für den schmerbäuchigen Engländer vom Leib gerissen hätten. Es hatte etwas deutschem Oldie-Festival, ich habe darauf gewartet dass jeden Augenblick Thomas Gottschalk um die Ecke biegt. Bonuspunkte für McCartneys einzigen brauchbaren Song “To live and let die“, Abzüge weil keine orchestrale Version gespielt wurde, sondern die Metall-Gitarre bevorzugt wurde, was dem Lied viel vom Witz nahm.

Das ist ungefähr genauso peinlich wie im Vorfeld einige alte Schwarze auftreten zu lassen, zwei Saxophone und eine Posaune daneben zu stellen und zu behaupten das wären Earth, Wind and Fire. Da könnte man ja gleich behaupten “Cola Light” wäre eine richtige Cola.

Wie? Das wars? Nur McCartney? Keinen Gaststar? Kein gar nix? Das war fad.

Drittes Viertel

Das dritte Viertel war so ein “Gemischtwarenladen”. Beide Mannschaften konnten punkten, waren aber nicht so dominant dass sie den Gegner beherrschten. Ein Knackpunkt könnten die Defenses sein. Man sah schon recht früh im dritten Viertel beide Defenses schwer durchschnaufen.

WR Owens ist auf Seiten der Eagles kein Faktor. Die Waffe von McNabbs Wahl ist RB Bryant Westbrook, sowohl mit Läufen als auch Screenpässen und Pässen im Bereich der LB-Coverage. Es überrascht mich, dass die Eagles sowenig mit tiefen Pässen versuchen. Das Backfield der Pats, namentlich Gay, sieht nicht so souverän aus, das die wirklich jedes Anspiel auf z.B. einen Owens abfangen können. Ich glaube Owens spielt nicht im Vollbesitz seiner Kräfte, vorallem nicht mit der vollen Geschwindigkeit. Ein weiteres Problem ist natürlich die OL, die McNabb nur selten die Zeit gibt, damit dieser tief gehen könnte.

Die Pats-Offense spielt ein bißchen atypisch. QB Brady ist heute nicht die ganz große Ballverteilmaschine mit zehn verschiedenen Receivern. Da geht vieles mittellang oder lang auf WR Branch oder kurz auf Dillon. Das ist die Patriots-Offense des dritten Viertels gewesen: Läufe über Dillon oder Faulk oder Screens auf Dillon.

Ein enges Spiel bei dem die Pats ein Jota souveräner aussehen, aber bei 14:14 ist noch alles offen.

Viertes Viertel

Ist es ein gutes Spiel? So lala. Beide Mannschaften sind sich darin zu ähnlich, dass sie sehr starke Defenses besitzen und beide Offenses zu häufig neutralisiert werden. Es ist wie Armdrücken, bei dem minutenlang nichts passiert, beide Arme in “Mittelstellung” verharren. Aber obwohl rein äußerlich kaum was passiert, wird der Grundstein für den Sieg gelegt und ehe man sich versieht, ist es bereits passiert. Nicht spektakulär, aber mit einem Mal liegen die Patriots zehn Punkte vor.

Diese Grundsteine haben die Patriots im dritten Viertel angedeutet. Beide Defenses gaben sich massiv die Kante, haben sich aufgerieben und sind früh im dritten Viertel im “roten Bereich” gekommen, am Rande dessen was noch in der Kondition drin ist.

Die Entscheidung fiel im dritten Viertel, ohne dass daraus bereits die Punkte resultierten: den Patriots gelang es das Laufspiel zu etablieren, und die Eagles-Abwehr im wahrsten Sinne des Wortes plattzumachen, ohne dass man nun immens länger im Ballbesitz gewesen wäre.

Den Eagles muss man vorhalten, dass es ihnen trotz eines zehn Punkte-Rückstandes auch in den Schlußminuten nicht gelang das Spiel zu öffnen. Man brachte kein Zug rein, langsame Huddles und der Körpersprache nach zu urteilen, gab McNabb die Partie bereits drei Minuten vor Ende verloren. Als Andy Reid die drei Championship-Spiele verlor, lautete eine Kritik, dass Reid in der Offense vorsichtiger als sonst spielen lässt. WR Freddie Mitchells erster Passfang kam 150 Sekunden vor Schluß, WR Owens wirklich substantielle Passfänge kamen erst spät im 4ten Viertel. Es war letztendlich das Rezept dass die Eagles 108 Sekunden vor Schluß bis auf 21:24 heranbrachte. Nur dass es zwei Minuten zu spät kam…

WR Branch wurde zum MVP gewählt, für meinen Geschmack diskutabel, denn neun von den 11 Passfängen kamen in der ersten Halbzeit bzw. im ersten Drive des 4ten Viertels. Entscheidend war für mich eher RB Dillon.

Es war ein Spiel auf hohem Niveau, das aber nicht so spannend war, wie die vorigen beide 3-Punkte-SuperBowl-Siege der Patriots.

Dritte SuperBowl für die Pats in vier Jahren. Dynastie, yadda-yadda. Nächstes Jahr, und das macht die Geschichte dann ja doch aufregend, gibt es einen kleinen Neubeginn in Boston und um zu. OffCoord. Charlie Weis geht zu Notre Dame und sein defensiver Gegenpart Crennel versucht sich an einem Browns-Neuaufbau. Die Patriots haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sie problemlos Spieler austauschen und ersetzen können. Das System Belichick muss nun zeigen, ob es auch mit dem Trainerstab funktioniert.

Man sieht sich am 8ten September.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. King Kaufman bringt es in Salon auf dem Punkt:

    They’re going to have to work overtime at NFL Films to make this one look like a classic. They’ll have to use every play in the book, every kettle drum and French horn, every slow-motion montage, and still it probably won’t work. But that’s the thing about the New England Patriots: They don’t win ’em pretty. They just win ’em. And win ’em. And win ’em again.

  3. Also ich weiss nicht so ganz wo da das Problem liegt, ich fand den Superbowl gut. Das Spiel war bis ins 4. Viertel ziemlich ausgeglichen, auch wg der Fehler auf beiden Seiten.
    Muss man denn ein Offensiv-Feuerwerk wie STL, IND oder GB abfeuern um Meister zu werden?
    Nein.
    Für mich war DAS guter, ehrlicher, harter Football. Und diejenigen, die jetzt über die Patriots meckern, werden spätestens in 3 Jahren in der Retrospektive sagen müssen, daß sie ein verdammt starkes Team waren.

  4. Der Schlüssel ist halt ‘to hang in there’ und ‘to make it a tight game’ und das finde ich persönlich nicht schlecht