Tour 2005: J-15 – Die Grenzen

Die Parallelen zur 14ten Etappe waren da: Lance Armstrong hat im Alleingang seine direkten Kontrahenten in Schach gehalten.

Es war in Sachen Anstrengung die Königsetappe. Die Gesichter der Fahrer schon zu Begin des letzten Anstiegs vor Anstrengung aufgequollen, der Reißverschluß bis zum Anschlag nach unten gezogen.

Aber es gibt nur einen Meister und der heißt Armstrong. Die 2-3 Minuten Vorsprung die er im Gesamtklassement hat, drücken nicht seine wahre Dominanz aus. Und natürlich stellt sich bei Armstrong immer die Frage, wie denn das nun ist mit dem Doping. Aber die FR hat schon recht, wenn sie nun sagt: “Wo allerdings kein Beweis, da auch kein Kläger.“. Und selbst wenn der Mann bis zum Rand mit unlauteren Sachen abgefüllt gewesen ist, die Willenskraft von Armstrong bliebe auch so beeindruckend.

Es macht so sauer oder verzweifelt zu sehen wie sich – seit Jahren – alle Fahrer gnadenlos die Zähne ausbeißen und wie gegen eine Wand fahren.

Leuten wie Basso gehört die Zukunft. Mit dieser Tour hört aber nicht nur die Karriere von Lance Armstrong auf, sondern auch die Karriere von Jan Ullrich. Ullrich wird zwar weiterfahren, aber sieben Mal gegen Armstrong nicht gewonnen zu haben, wird ein nie wieder zu entfernender Makel bleiben.

Ullrich hat seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Zum wiederholten Male. Selbst unter guten Rahmenbedingungen, Tempo hochgehalten und Teamkollegen größtenteils bei sich gehabt, gab es wieder 84 Sekunden auf die Nase. Dies wäre kein Problem, wenn Ullrich neben der Tour der France noch einen “Plan B” hätte. Zum Beispiel auch mal Frühjahrsklassiker voll fahren oder nicht so zu tun als wäre die Tour de Suisse ein Wurmfortsatz der Tourvorbereitung.

Durch die Fixierung von Ullrich auf die Tour de France muss sich Ullrich auch daran messen lassen. Und die Tour sagt: 6 Minuten hinter Armstrong. 3 Minuten hinter Basso. 2 Minuten hinter Rasmussen. Der erste war der Maßstab, den zwoten wähnte man auf gleicher Augenhöhe und den dritten hatte man nicht auf der Rechnung.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Das alles macht Jan Ullrich somit zum Ivan Lendl des Radsports…

  3. Ach, wenn er doch wenigstens ein Miroslav Mecir wäre…

  4. Man darf nicht vergessen, dass Jan Ullrich zwei Stürze hinter sich hat, die selbst beim unschlagbaren LA Spuren hinterlassen hätten. Genausowenig wie Ullrich am Berg vernünftig attackieren kann, ist er in der Lage zuzugeben, dass ihn etwas behindert. Nach dem ersten Sturz hat er sich “super” gefühlt, nach dem zweiten ebenso. Bei beiden Vorfällen stellen sich erst später die wahren Konsequenzen heraus – für jemanden, der mit Gehirnerschütterung und Rippenprellungen (die beispielsweise einen Gerrit Glomser zur Aufgabe bei der Tour zwingen, obwohl er sie Wochen vorher erlitten hat) antritt, ist Platz vier ein überragendes Ergebnis. Vielleicht sind seine Attacken, die er jetzt auch gegen Rasmussen und Basso fährt, als verzweifelt zu bezeichnen, aber Ullrich hat Kämpferherz bewiesen. Und seine Karriere hört mitnichten mit Lance Armstrongs Rücktritt auf. Niemand ist Armstrong in den Jahren seiner Herrschaft näher gekommen, niemand hat ihn so in Bedrängnis gebracht (Cap Decouverte, Plateau de Bonascre 2003) wie Ullrich – bei solchen Leistungen wirken natürlich auch die Niederlagen schwerer, die zweifellos vorhanden und in ihrer Vielzahl und vor allen Dingen in ihrer Entstehung (wie oft hat er sich zu schlampig vorbereitet, und, ja, natürlich hätte er auch das eine oder andere Mal die Dauphine Libere der Tour de Suisse vorziehen müssen) bemängelnswert sind. Aber Ullrich ist mehr als eine deutsche Version von Raymond Poulidor. Ullrich hat die Tour gewonnen, zugegeben in einer Zeit vor Lance Armstrong (allerdings in der Zeit vor Lance Armstrong, der eigentlich eine Zeit mit Lance Armstrong folgte, die ja schon wieder eine Zeit nach Lance Armstrong war, jedenfalls dem, der bis dahin bekannt war) – Ullrich wird mit dem Makel leben müssen, LA bei der Tour im Gesamtklassement nie besiegt zu haben, doch die Frage muss erlaubt sein, ob ein Gesamtklassement mit Lance Armstrong auf Platz eins überhaupt ein reguläres Klassement ist? Oder anders: Es ist nicht unmöglich, dass jemand mehr Leistung bringt als alle anderen – es ist aber gerade in diesem Fall geradezu kaum auszuschließen, dass Armstrong (natürlich durchaus zwangsläufig) mehr medizinische Behandlung als alle anderen erhält.
    Die Kronprinzen-Diskussion im Übrigen ist reichlich müßig. Basso bleibt ein Konkurrent Ullrichs, Vinokourov wird wiederkommen, ob bei CA oder anderswo, vielleicht ein Mayo, ein Heras – die Amerikaner und die Jungen wie Cunego oder Valverde. Keinesfalls jedoch wird ein Mickael Rasmussen zur übermäßigen Bedrohung. Den haben sie fahren lassen, weil sie ihn unterschätzt haben – bei keiner zukünftigen Tour de France wird er die Möglichkeit bekommen, solche Ritte zu veranstalten wie in diesem Jahr. Und für das Zeitfahren ist der wundersame Däne nicht geschaffen. Selbst, und so schließt sich der Kreis, das “Sorgenkind” Ullrich hat ihm in angeschlagenem Zustand auf der ersten Etappe 2:08 Minuten abgenommen. Auf 19 Kilometern. Samstag stehen 55,5 km auf dem Programm. Dieses Resultat ist eigentlich vor jeder Wertung der Ullrich´schen Leistung abzuwarten.

  5. Sehr harsch geht heute Jürgen Schreiber im “Tagesspiegel” mit Ulle und T-mobile ins Gericht.
    An einigen Stellen übertreibt er maßlos ( Zitat: “Nicht nur Analytiker Kettmann gab die Tour bereits verloren, als er Liebling Jan bei der Schweiz-Rundfahrt am Berg hecheln sah; einen namenlosen Spanier ließ er ziehen, statt ihn um 20 Minuten abzuhängen.”), ist halt ein Stimmungsstück. Aber der eine oder andere Fakt, der noch nicht überall stand, bleibt doch hängen.
    Als Phlegmatiker habe ich eh völliges Verständnis, und schon gar nicht schuldet Ulle mir oder gar “Deutschland” irgendwas. Aber schade ist es doch.

  6. Eines muss man Ullrich zu Gute halten: der “Fall” Ullrich führt dazu mal das eigene Anspruchsdenken zu hinterfragen.

    Meiner Ansicht nach, ist jeder Sportler ab einer gewissen Fallhöhe (ergibt sich aus medialer Präsenz, Werbeeinnahmen und gut dotierten Verträgen) auch ein Dienstleister und muss es sich gefallen lassen, an seiner eigenen Positionierung gemessen zu werden.

    Das mag sich jetzt gefühlskälter anhören als ich es sage, aber auf der einen Seite muss man sehen, dass die sechs- und siebenstelligen Summen die gezahlt werden, nicht von ungefähr kommen, sondern z.B. durch Gebührengelder oder Produktpreise meinerseits bezahlt werden. Mit dem Preis/Einkommen, steigt auch die Verantwortung. Wie bei jedem Dienstleister. Und auf der anderen Seite kann man einen Jan Ullrich nicht mit z.B. Sportler messen, die in der Regel weniger verdienen und eher einen Amateur- als Profistatus geniessen.

    In diesem Sinne muss sich ein Jan Ullrich für seine Leistung verantworten. Der “Dienstleister” Jan Ullrich schuldet eine gute Leistung. Nicht Deutschland, aber seinen Brötchengeber und damit, als jemand der Telefongebühren u.ä. zahlt, auch mir etwas.

    Das erklärte Ziel war es die Tour zu gewinnen und das wurde — aus unterschiedlichen Gründen — weit verfehlt. Mir gefällt die Kritik aus der Altherren-Ecke wie Altig nicht, nicht zuletzt weil sie versucht nicht gebrachte Leistung zu einer Charakterfrage zu erheben. Es ist ein Unterschied ob man eingesteht, dass Ulrich vielleicht Kaltschnäuzigkeit und Aggressivität fehlt, oder ob er einfach “kein Bock hat”. Ersteres wäre eine schlechte Positionierung des Fahrer Ullrichs gewesen, der sich einfach ein anderes Terrain suchen muss, um zu glänzen. Zweiteres würde an Betrug grenzen.

    Und das finde ich zu happig.

    Ullrich ist jemand der sein Potential nicht ausschöpft, der vielleicht auch die falschen Saisonschwerpunkte legt. Nicht mehr und nicht weniger.