Schiller – Ode an die Schulden

Ich kann mir nicht helfen, irgendwas riecht in Sachen Schulden und Hertha BSC Berlin fischig.

Dieser Tage sind die Finanzen der Hertha wieder in aller Munde und en passant ist dabei zu erfahren, dass Hertha doch keine Schechter-Anleihe bekommen hat, obwohl der Vorgang im März des Jahres für quasi fix erklärt worden ist. Jedenfalls erweckt der entsprechend verlinkten Artikel des Tagesspiegel seinerzeit den Eindruck, garniert mit diversen O-Tönen von Ingo Schiller, u.a.:

Um die Finanzen seines Klubs macht sich Schiller keine Sorgen. Die Bauphase des Olympiastadions sei für den Verein sehr belastend gewesen. „Aber die Einnahmemöglichkeiten sind durch das fertige Stadion deutlich gestiegen.“

Ingo Schiller. Seit 1998 Geschäftsführer bei der Hertha und seit dieser Zeit zuständig für die Finanzen. Gerade erst wurde sein Vertrag vorzeitig bis 2010 verlängert.

Täuscht es, oder macht die finanzielle Lage von Hertha BSC seit 1998 nicht gerade einen konsolidierten Eindruck? Da darf man dann auch mal die seit anno dazumals arbeitenden Verantwortlichen wie Schiller, Hoeneß oder auch Teile des Aufsichtsrats hinterfragen.

Angeregt durch den obigen Tagesspiegel-Artikel über die anscheinend fehlgeschlagene Aufnahme einer Anleihe, habe ich mal nach weiteren Statements von Ingo Schiller gegooglet. Mir hat es nicht gefallen, worüber ich gestolpert bin. Es erinnert an Tricksereien und Rhetorik aus BVB-Zeiten. Probleme werden erst zugegeben, wenn sie von dritter Seite Schwarz auf Weiß nachgewiesen werden können.

Nehmen wir nur obigen Spruch vom März dieses Jahres: “die Einnahmemöglichkeiten sind durch das fertige Stadion deutlich gestiegen“. Fünf Monate später wissen wir, dass das Stadion der Hertha wie ein Mühlstein um den Hals gehangen hat und der Sportsenator in Berlin wg. Insolvenzgefahr um Mieterlaß um mehr als 25% gebeten hat.

Vor 18 Monaten kündigte Hertha, gerade dem Abstieg entronnen, auf einer Hauptversammlung den höchsten Etat der Vereinsgeschichte an. Schiller beschwichtigt: “Der Verein steht auf einer gesunden Basis“. Obwohl der Verein seit 2001/02 faktisch rote Zahlen in Millionenhöhe (5,0 Mio, 5,9 Mio, 5,6 Mio) geschrieben hat. In der Ägide Schiller wuchs der Saisonetat von 13 Mio (97/98, 1tes Bundesligajahr) bis auf 53 Mio an. Mit einer Verschuldung die je nach berechnungsgrundlage zwischen mit knapp 19 Mio EUR bis 30-35 Mio EUR beziffert wird.

Beunruhigend muss auch sein, das man nicht das Gefühl hat, das Hertha noch sehr viel Spielraum hat. Nehmen wir nur die Schechter-Anleihe, bei der im März schon quasi Vollzug gemeldet worden ist. Sie ist bis heute nicht gezogen worden, Interessenten sind abgesprungen, weil Hertha keine Sicherheiten bieten konnte. Wie schlimm das Problem ist, kann man ahnen, wenn man merkt dass Stephen Schechter sich seit Sommer 2004 um eine Vermittlung einer solchen Anleihe bemühte.

Stattdessen zieht Ingo Schiller Taschenspielertricks mit denen für dieses Jahr ein Gewinn suggeriert wird, der nur dadurch entsteht, weil Verwertungsrechte in eine Tochtergesellschaft geschoben werden und so Umsatzerlös erzeugt wird, ohne das auch nur ansatzweise Geld geflossen ist.

Für Hertha macht die Sache heikel, dass sich seit Jahren keine Besserung der Einnahmesituation bemerkbar macht. Daher werden seit 2001 konstant 5 Mio Verlust pro Jahr geschrieben.

Gleichzeitig wird, wo geht, auf Jahre hinaus auf Einnahmen vorgegriffen um an Frischgeld zu kommen. So wurde letztes Jahr vorzeitig der Vertrag mit SportFive bis 2014 verlängert, SportFive gab dafür 7,5 Mio EUR Handgeld.

2002/03 wurden die Business-Logen bis 2010 für 15 Mio (in 2 Tranchen) verkauft und werden seitdem von der Hertha geleast. Nike und Arcor haben ihre Gelder ebenfalls längst in Form von Handgeldern gezahlt. Der Vertrag mit Arcor läuft zwar aus, aber von Nike ist z.B. bis zum Vertragsende 2009 kein weiteres Geld zu erwarten.

Im März ermittelte die Kreditrating-Agentur “Creditreform” bei der Hertha den schlechtesten Wert aller Bundesligisten in Sachen Kreditwürdigkeit und bezeichnete die Lage bei der Hertha als “kritisch.”. Ingo Schiller findet übrigens “Creditreform” richtig Klasse. Hat er zumindest im Jahr davor gesagt, als Hertha noch im oberen Drittel landete. Das hörte sich dann so an:
Ein erfreulicher Wert. Zumal „Creditreform“ eine neutrale Vereinigung ist. Die Benotung bestätigt, dass wir in den letzten Jahren verantwortungsbewusst gewirtschaftet habe

Erinnert mich irgendwie an Michael “Ich habe kein schlechtes Gewissen” Meier.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. vor einigen monaten stand ein schönes zitat vom vorstandsvorsitzenden des hsv, bernd hoffmann, in der sueddeutschen zeitung: als außenstehender sei er immer der meinung gewesen, hauptziel eines profifußball-vereins sei es, maximale wirtschaftliche erträge mit ebensolchem sportlichen erfolg zu verbinden. inzwischen sei er anderer meinung. es gehe darum, maximalen sportlichen erfolg zu erreichen, ohne dabei insolvenz anmelden zu müssen.

  3. Auch vor der Insolvenz wird sich Hertha wohl retten (lassen), auch wenn es durch den maroden Haushalt Berlins geschieht.

    Ist es denn wirklich definitiv so, dass es nur einen einzigen Fußballverein in Deutschland gibt, der Schuldenfrei arbeiten kann?

    Wenn es denn so wäre, ist das ein trauriges Bild.

  4. Danke für den Link zum Michael Meier-Interview, auch wenn mir nach soviel Selbstgerechtigkeit erst mal übel geworden ist.

  5. Nachklapp von der gestrigen Jahreshauptversammlung: Hertha hätte in der Saison 2004/05 ohne “Sonderffekte” 4,2Mio EUR Verlust gemacht. Also konnte man gegenüber dem Vorjahr die einnahme-/Ausgabe-Situation um eine popelige Million verbessern. Ziemlich statisch die Geschichte.

    @dröhn: “Ist es denn wirklich definitiv so, dass es nur einen einzigen Fußballverein in Deutschland gibt, der Schuldenfrei arbeiten kann

    An was für einen Verein denkst du?

    Der eine Verein der einem sofort einfällt, Bayern München, hat auf Jahre hinaus dank Allianz-Arena auch nicht den ganz großen finanziellen Spielraum mehr, zumal ihr Partner, die 60er, finanziell auch ein Wackelkandidat sind.

    Es dürfte die Bayern und Sponsor zudem nicht sehr erfreut haben, dass sie auf UEFA-Bschluß bei CL-Spielen die halbe Außenhaut des Stadions nicht illuminieren dürfen, weil das “Allianz”-Logo nicht gesehen werden darf. So scheiße wie das halb erleuchtete Stadion aussieht, hat man daran bei Stadionbau bestimmt nicht gedacht und ich kann mir vorstellen dass die Allianz die Bayern bzgl. Gelder noch einmal zum Gespräch bitten.

  6. Ja, eigentlich hatte ich an Bayern gedacht. Aber selbst da scheint es ja ziemlich mau auszusehen.

  7. Ich hatte es mir fast gedacht, hatte aber keine konkrete Zahlen: der SV Werder Bremen ist schuldenfrei und generierte im angelaufenen Geschäftsjahr 5,8 Mio EUR Gewinn bei einem Umsatz von 70 Mio. (WELT)

  8. Wobei Schulden bei Wirtschaftsunternehmen (dazu zähle ich jetzt Fußballvereine mal dazu) nichts grundsätzlich schlechtes sind. Fast jedes Unternehmen hat Schulden in Form von Fremdkapital im Unternehmen. Entscheidend ist, dass die laufenden Ausgaben inkl. Schuldenlast durch die laufenden Einnahmen kurzfristig gedeckt und mittel- bis langfristig gesichert sind.
    Kritisch wird die Lage erst dann, wenn zur Deckung der Ausgaben ungesicherte Einnahmen erforderlich sind, wie z.B. Einnahmen aus internationalen Wettbewerben.