Die Lehren des ersten Tags der Draft 2006

Houston Texans

Die Houston Texans haben mit der Wahl von DE Mario Williams statt RB Reggie Bush auch einen Tag später überwiegend Kopfschütteln geerntet. Bush gilt als zu großes Ausnahmetalent auf der RB-Position, als das man ihn nicht nehmen könnte. Die Texans wurden auf der eigenen Draft-Party ausgebuht.

Die Texans vertrauen also offensichtlich RB Domanick Davis den sie 2003 in der 4ten Runde gedraftet haben. In den bisherigen drei Saisons war er jedesmal auf Kurs von 1000+LaufYds und nahm pro Spiel 20 Bälle.

Auf der anderen Seite: ein Defensive End? Haben die Texans wirklich einen Defensive End gebraucht? Die zwei großen Baustellen waren eher die Pass Protection der Offense Line (gestern holte man zwei OTs in Runde 3) und die Laufdefense (LB in der 2ten Runde). Die Wahl von Williams sieht genauso wenig zwingend aus, wie es Reggie Bush gewesen wäre… Plant Kubiak eine eher paßlastige Offense?

Reggie Bush

Für mich die ärmste Sau des ersten Tags der Draft. Okay, “ärmste Sau” ist angesichts des bevorstehenden Multimillionenvertrag nicht das richtige Wort, aber Bushs Gesicht war anzusehen, dass er New Orleans für einen denkbar schlechten Ort hält, um seine NFL-Karriere zu beginnen.

Die New Orleans Saints sind, mal wieder, im Umbruch. Und vielleicht bekommt der neue Headcoach Sean Payton wirklich etwas gebacken. Das ist m.E. nicht das Problem, sondern eher das schlechte Frontoffice der Saints, die Jim Haslett zwei Jahre zu lang auf dem Headcoach-Stuhl sitzen ließen und zudem seit Jahren rund um die Stadionfrage und einem möglichen Umzug herumlavieren. Ganz davon abgesehen, dass nach dem Wirbelsturm Katherina der Heimmarkt um die Hälfte geschrumpft ist. Dem soll Reggie Bush abhelfen. Die Saints waren aus, einen Star zu verpflichten, hatten sich um Brett Favre vergeblich bemüht und bekommen nun von den Texans einen Star “geschenkt”.

Einzig in der Offense sollte Reggie Bush mit Drew Brees einen besseren QB als in Houston vorfinden, mit Joe Horn und Donte Stallworth zwei exzellente Ballabnehmer.

Brees ist aber gleichzeitig Teil eines finanziellen Problems: Brees wurde für viel Geld geholt, der kreuzbandverletzte RB McAllister und Joe Horn sind weitere Großverdiener. Wie Reggie Bush in das finanzielle Konzept von Tom Benson passen soll, ist mir ein Rätsel, sofern er nicht bereits auf einen Umzug z.B. nach Los Angeles spekuliert (entgegen aller Versprechungen und Verpflichtungen)

Die drei QBs

Vince Young ging als erster QB weg. Die Titans haben sich den agilsten QB der Draft rausgesucht, einer der der Charakteristika von Steve McNair am meisten ähnelt. McNair soll als Lehrmeister für Young dienen. Derzeit ist aber der Status von McNair ungeklärt. McNair will seinen teuren Vertrag nicht überarbeiten lassen, die Titans haben McNair wiederum Hausverbot in den Trainingsanlagen erteilt. Das ganze könnte in dem Weggang von McNair münden. Nix mit Tutor, nix mit langsam anlernen. Und ob Young der richtige QB ist, um ihn gleich ins kalte Wasser zu werfen? Okay, in der Hinterhand hat man noch einen Billy Volek, der mehr als solide ist.

Matt Leinart wurde zwar spät, aber nicht zu spät gepickt. Die Arizona Cardinals. Okay, kein glamouröses Team, aber dafür ist der Druck auf Leinart in der Provinz geringer als in New York. Und er kommt in eine Mannschaft in der schon verdammt viele richtige Puzzleteile vorhanden sind: QB Kurt Warner wird Leinart drei Spiele Zeit geben, sich einzuspielen, bevor Warner mit einer weiteren Gehirnerschütterung seine Karriere beenden wird. RB Edgerrin James von den Colts, Boldin und Fitzgeralds als WRs, mit Pope einen fangsicheren Big-Play-TE gedraftet. Und das ganze in einer nicht gerade bärenstarken Division.

Unterm Strich werden die Cards hinsichtlich der nächsten Saison bereits heiß gehandelt.

Jay Cutler geht an die Denver Broncos. Schon gestern erwähnt: der starke Wurfarm von Cutler in der Höhenluft von Denver und WR Javon Walker von den Packers: eigentlich müssten die Broncos ein vertikales Paßspiel aufziehen.

So richtig weiß man noch nicht, wie die Broncos Offense aussehen wird, denn OffCoord. Gary Kubiak ist ja zu den Texans gegangen und der Pick von Cutler als QB ist ein halbes Mißtrauensvotum gegen QB Jake Plummer, der noch einige Jahre spielen könnte.

Die drei sind die einzigen QBs die in der ersten Runde weggegangen sind. In Runde 2 ging QB Kellen Clemens zu den NY Jets und Tarvaris Jackson zu den Minnesota Vikings.
In Runde 3 schließlich Charlie Whitehurst zu den Chargers (was keiner versteht) und Brody Croyle zu den Kansas City Chiefs.

Damit sind nur 7 von 26 QBs in den ersten drei Runden weg.

Was sonst noch auffiel

Oakland, San Francisco, Buffalo und Detroit griffen nicht bei Cutler oder Leinart zu. Das sind halbe Vertrauensbeweise für die dort tätigen Quarterbacks, was bei den Fans zu einigen Gesichtsentgleisungen führen dürfte:

Die Raiders zeigen Gottvertrauen in QB Aaron Brooks, der berüchtigt für seine hohe Zahl an Bolzen ist und in Oakland nicht gerade ein nervenstabilisierendes Umfeld findet.

Die 49ers zeigen nicht minder großes Gottvertrauen in QB Alex Smith, der in der letzten Saison alle Negativrekorde eines Starting QBs ever, gesprengt hat. Was sieht Mike Nolan in Smith, was allen anderen entgeht? Kostproben der Stats von Smith: QB-Rating 40,8, 1TD, 11INTs aus neun Spielen, Compl.% 50,9. In 9 Spielen 875yds geworfen. Statt Smith auszuwechseln, haben die 49ers mit TE Vernon Davis eine passable Anspielstation geholt.

Buffalo und Detroit steuern auf eine neue Saison mit QB-Kontroverse zu: Holcomb oder JP Losman. Kitna oder McCown.

Einige Teams haben sich verstärkt um ihre bisherige Taktiken weiterzufahren. Die Patriots haben in den ersten drei Runden mit RB Maroney, WR Jackson und TE Thomas gleich drei fangsichere Anspielstationen geholt. QB Brady darf also seine Pässe wieder weit streuen.

Die Colts haben mit RB Joseph Addai sich einen direkten Edgerrin James-Nachfolger geholt.

Die Steelers holen sich mit Holmes und Reid zwei sehr explosive Receiver. Sie werden ihr Paßspiel tendenziell eher noch tiefer machen als bisher. Sie gingen mit 10 Picks in die Draft, hatten also genügend “Spielmaterial” um Trades wie z.B. für Holmes zu machen.

Andere Teams wie Buffalo strukturieren via Draft ihre Defense um, haben sich mehr Geschwindigkeit geholt (BUF: S Whitner, DT McCargo und CB Youboty)

Minnesota gibt mir Rätsel auf. Auf der RB-Position haben sie nur Chester Taylor von den Ravens. Gedraftet wurden bis dato 2 Defense-Spieler, ein Center und ein QB.

Die Draft ist nicht so defenselastig ausgefallen, wie anfangs befürchtet. In der ersten Runde gab es 19 defensive Picks. In der zweiten Runde 19 offensive Picks und in der dritten Runde war es ausgeglichen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ich finde die Entscheidung der 49ers gar nicht ungewöhnlich: QB Alex Smith muss im College eingeschlagen haben wie ne Bombe. Warum er ein SO mieses Jahr hatte weiss ich nicht, aber dass der Junge Wahnsinnspotential hat ist klar. Nicht umsonst isser 1stPick Overall 2005 gewesen. Natürlich spielt der jetzt sein zweites Jahr. Schlechter kanns ja nicht mehr werden. ;-)

  3. Statt einem weiteren RookieQB haben sie jetzt eine Killermaschine. Das wird lustig:

    “Instead they took Davis, who bench pressed more than most linemen and ran faster than most receivers at the combine. He is such a great athlete that if he were a baseball player everyone would accuse him of using steroids.”
    (von: deadspin-website)

  4. Bush wird am Ende nicht so ganz unglücklich sein. Die Saints sind zumindest ein guter Kandidat für eine 8:8 Bilanz, die Play-Offs sind dieses Jahr aber eher (noch) nicht zu packen.

    Auch nicht unglücklich (meine Prognose): Die Texans. Die Verteidigung war das viel größere Sorgenkind. Sicherlich kann man sich darüber streiten, ob man nicht besser den stärksten Spieler genommen hätte, statt die Lücken zu stopfen.

    Verbockt haben es meines Erachtens die Titans. Vince Young wird es in der NFL schwer haben. Zudem zwingt er die Coaches das System stark auf ihn abzustimmen. Gefährlich.

    Die Steelers haben an Tag 1 gut die wenigen Lücken geschlossen und aus meiner Sicht am 2.Tag einige tolle Picks mit großem Potential gemacht.

  5. Die Überlegung im Falle Texans wäre natürlich hochinteressant gewesen:
    Hätte man Reggie Bush gepickt wären danach Trades mit anderen Teams und deren
    Defense-Abteilungen möglich gewesen.
    Wenn man mal schaut, welche Teams in den Problembereichen der Texans gut ausgestattet sind, dann wären da sicher einige nette D-leute dabei rausgesprungen. Einen Jahrhundert-RB kann schliesslich jeder brauchen.

    Und bei einer derart desolaten Bilanz wäre es vielleicht klüger gewesen den Superstar zu picken und gegen mehrere “sehr gute” Defenders zu tauschen als einen “hervorragenden” Rookie zu holen.

  6. Sehe ich es richtich, dass Marcus Vick nicht gedraftet wurde ? Wenn ja, wie gross ist die Möglichkeit, dass er dennoch nächste Saison in der NFL unter Vertrag steht ?

  7. Marcus Vick wurde in der Tat nicht gedraftet.

    Wie groß sind die Chancen als Free Agent irgendwo unterzukommen? Im Grunde genommen machbar, kein Problem, aber grundsätzlich bleibt die Frage: wer mutet sich so ein “charakterliches Risiko” wie Marcus Vick zu? Der Mann hat mehrmals Bewährungschancen bei VTech bekommen, ist aber letzten Endes sogar von der Schule geschmissen worden.

    Kommt natürlich auch darauf an, inwieweit er finanzielle Zugeständnisse macht. Wenn er auch nur ansatzweise glaubt, in Regionen wie sein Bruder zu kommen, wird ihn mit Sicherheit keiner nehmen. Vielleicht versucht er sich ja auch, wie jetzt möglicherweise Ricky Williams, in der CFL.

  8. Young in TEN:
    Es wird zur Entscheidungsfindung bei TEN mehrfach
    berichtet (u.a. CBS Sportswriter Clarke Judge), dass
    Coach Fisher Young nicht wollte. Es war die
    Entscheidung des Managers Floyd Reese – , Coach Fisher
    und OFF Coord Chow waren nämlich für Leinart.

    Würde zu gerne wissen, wie es in Fishers Seelenleben
    nun aussieht. Machen wir uns nichts vor, zum Thema
    Young hat Kai ja hier schon genügend geschrieben.
    Bis Young NFL Reife haben sollte rechnen viele mit 2
    Jahren. Aber wie sieht es diese Saison aus? Mc Nair
    wird weggehen aus TEN, wieso sollte er dort auch auf
    Geld verzichten, das er dann in BAL bekommen wird. Und
    ich glaube nicht, dass TEN Mc Nair zu alten
    Konditionen behält ohne Gehaltsverzicht. Young wird
    teuer genug sein als Number 3 pick also bye bye
    McNair.
    Glück nur für Fisher dass QB Volek kein schlechter
    ist.
    Wenn Fisher verständlicherweise angepisst wäre, dann
    geht es ihm ähnlich wie the “german stubborn”
    Headcoach Marty Schottenheimer bei den Chargers. Jener
    war auch in der Offseason angefressen auf das
    Management , weil man Brees ziehen liess. Es wird die
    leider die letzt Saison von Martyball in SD werden.

    Dass Young einiges an Picks VOR Cutler und Leinart
    weggeht (und damit auch eigentlich mehr verdient als
    die beiden), damit habe ich nicht gerechnet.
    Was die Raiders machen ist mir auch etwas
    schleierhaft.
    to be continued…

  9. Die 49ers haben im Draft alles dafür getan auch nächste Saison wieder nicht die Playoffs zu erreichen.
    San Francisco wäre besser damit gefahren Ihre O-Line zu verstärken oder einen RB zu draften, um Ihren jungen QB zu schützen/entlasten. Die Picks wären dafür vorhanden gewesen.
    Zudem ist die grösste Schwachstelle der 49ers , das DB, überhaupt nicht verstärkt worden.
    Man hätte nicht mal hohe Picks benötigt um sich zu verstärken, wenn ein Darnell Bing von USC noch in der vierten Runde gedraftet wird. Dieser ist dann von Oakland gedraftet worden. Zusammen mit Michael Huff haben die Raiders den Abgang von Charles Woodson kompensiert. Mit den zu späten Picks in der 6 und 7 Runde ist das Problem der 49ers im DB nicht behoben worden.
    Auch wenn mir das als 49ers-Fan schwer fällt, schon jetzt kann man sagen das die 49ers im nächsten Jahr beim Draft-Ranking wieder ganz oben dabei sind. Vielleicht gelingt es dann die wahren Schwachstellen der 49ers mit guten Collegespielern neu zu besetzten.

  10. Marcus Vick wurde anscheinend zu einem Mini-Camps der Dolphins eingeladen. Ferner schloß sein Manager einen Gang in die CFL nicht aus.

  11. @joe cool:

    Hat sicher eine Rolle gespielt bei den Überlegungen der 49ers:

    “The biggest problem with Darnell Bing has been staying healthy. He has been consistently banged up during his time at USC. He has had multiple shoulder and leg injuries, and has had troubles with his hip this season.”
    (http://www.footballsfuture.com/2006/prospects/darnell_bing.html)