WM2010-Heft: 11 Freunde-WM 2010-Heft

11 Freunde-WM-Heft

4,90 EUR, 196 Seiten DIN A4 + 196 Seiten DIN A6

Redaktionsschluss: 30.4.2010

Kaufgrund: Es ist anders

Wie gewohnt, ist das 11 Freunde-Heft kein Sonderheft, sondern die reguläre Ausgabe, nur halt mit dem Schwerpunkt “WM”. Und wie gewohnt, hat man all Faktenhuberei in ein kleines Büchlein geschoben, das diesmal von einem in Südafrika stark engagierten deutschen Automobilkonzern gesponsort wird.

Weil das Hauptheft eine reguläre 11 Freunde-Ausgabe ist, finden sich etliche gewohnte Rubriken wieder. Alle längeren Artikel sind aber von der WM geprägt. So zum Beispiel ein überraschend nahrhaftes Interview mit dem Rudi Völler. Vollends um die WM gestrickt ist dann die zweite Hälfte des Heftes “Die WM – Tag für Tag“, wo es für jeden WM-Spieltag einen Artikel oder eine Bildstrecke gibt. Meiner Meinung nach, ist die einzig mögliche Form des Genusses dieser Strecke, die des Adventskalenders: einfach am betreffenden Tag (oder in der Nacht davor), den Inhalt für den jeweiligen Spieltag durchlesen. Natürlich hat man sich etwas dabei gedacht, am dritten Tag den australischen Co-Trainer der 74er-Mannschaft zu befragen – schließlich spielt Deutschland am dritten Turniertag gegen Australien. Aber aus der zeitliche Ferne genossen, wirkt der Haufen von Artikeln sehr beliebig und braucht IMHO die zeitliche Nähe des Spieltages.

So habe ich mir erstmal nur einige wenige Rosinen rausgepickt und unter diesen Rosinen war das fünfseitige Interview mit Pierluigi Collina das Highlight.

Wenn ich sage, dass alles “Faktische” in das kleine WM-Büchlein abgeschoben wurde, dann stimmt es nicht ganz – weil das Faktische auch dort nur spärlich anzutreffen ist. Die 32 Teams haben je zwei Doppelseiten mit Mannschaftsfoto, Kader, einigen Daten (Bruttosozialprodukt des Landes), Kurzvorstellung von drei Spielern und fünf Anekdoten.

Das Buch wirkt wie eine Alibiveranstaltung, die einerseits Sponsoren (erfolgreich) anlocken soll, andererseits eine Datensammlung nach Art der “großen” Sonderhefte vortäuschen soll (Stichwort: “Alle Spieler”). Die Kaderliste ist aber recht unbrauchbar. Der Redaktionsschluss 30.4. und die Aufnahme von nur 20 Spielern pro Mannschaft, lassen mich fragen: wozu überhaupt? Seitenschinderei? Das Statement” Alle Spieler” ist einfach Bullshit hoch zwei.

Und wie ist das Heft sonst so? Aufgrund des völlig anderen Konzeptes, kann man das Heft nicht mit den anderen Fußball-Magazinen vergleichen. Die “11 Freunde” wollen eigentlich nicht das siebte Heft auf dem Markt sein, dass eine Teampräsentation nach der anderen aneinanderreiht. Das halte ich für legitim. Die Messlatte ist daher der Unterhaltungswert. Wie oben angedeutet, finde ich Themen und Machart in dieser Konzentration ermüdend, aber über einen Zeitraum von vier Wochen gestreckt, angenehm.

Ein Punkt der übrigens unangenehm auffällt, ist die Zahl der Anzeigen, Eigenwerbung und Sponsorenhinweise. Mit ganz, ganz weitem Abstand gibt es kein andere Heft, das soviel Werbung intus hat, wie diese Ausgabe der “11 Freunde”. Es sei den “11 Freunden” der kommerzielle Erfolg gegönnt und ich habe auch Verständnis zum Abschöpfen des Interesses von Anzeigenkunden für das Großereignis “Fußball-WM”. Aber mit diesem Heft geraten die “11 Freunde” in Bereiche, wo zumindest meine Gutmütigkeit als zahlender Leser strapaziert wird.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Das Buch wirkt wie eine Alibiveranstaltung

    So wie das Heft in meinen Augen schon seit 2 Jahren. Vielleicht liegt es auch daran, dass es halt nur eine begrenzte Anzahl an Themen abseits des Tagesgeschäfts gibt, an denen sie sich schon teils sehr erfolgreich abgearbeitet haben, aber dennoch ist für mich irgendwann der Charme verflogen und zurück blieb so ziemlich mein erstes Gefühl von ‘früher war alles besser’ oder ‘als ich jung war hat das noch nicht alles gleich ausgesehen’. Auf jeden Fall schade drum, aber es hat sich leider überlebt.

  3. falls es die tage bereits schon mal angemerkt wurde, sorry für den folgenden doppelpost. ansonsten kann ich jedem der einen online wm-plan sucht die version der Marca empfehlen, sehr schön gelöst das ganze.
    http://www.marca.com/deporte/futbol/mundial/sudafrica-2010/calendario-english.html

  4. Ich lese die 11 Freunde immer sehr gerne und halte auch das aktuelle Sonderheft für eine ordentliche Veranstaltung. Verglichen mit den Ausgaben zu vergangenen internationalen Turnieren ist jedoch der Humor etwas auf der Strecke geblieben. Manche Texte wirken zwanghaft auf lustig getrimmt, andere arbeiten mit den üblichen Klischees – dabei waren die 11 Freunde doch dafür bekannt, auch mal gegen den Strich zu schreiben und so manche vermeintliche Selbstverständlichkeit literarisch zu relativieren. Diesmal ist kein Artikel dabei, den man uneingeschränkt “must read” Qualität attestieren kann.

    By the way, schade, dass der SPIEGEL zur WM kein Sonderheft rausgibt. Deren Liebeserklärung an den Fußball vor der WM 2006 war der beeindruckendste Fußball-Text, den ich in den letzten Jahren gelesen habe.

  5. @Dan11: Kannst du den Artikel verlinken? Ist der online zu lesen? :)

  6. Habe den Text nach langer Sucherei gefunden. Unter heutigen Gesichtspunkten ein wenig veraltet, vermittelt er aber auf emotionale Art und Weise, wie Fußball die Menschen erreichen, vereinen und gloabl wirken kann. Sicher lesenswert, dank des sehr speziellen Charakters.

    http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-46479607.html

  7. ich brech hier mal eine lanze für das 11freunde-heft: immerhin ist da gleich als erster längerer artikel ein kritischer text über havelange, blatter und die kommerzialisierung (um schlimmere ausdrücke zu vermeiden) des fussballs – ähnliches hab ich in keinem anderen heft gefunden (zugegeben: stichprobe nicht besonders groß).
    und auch wenn der humor zu kurz kommt, allein die doppelseite mit dem fernsehprogramm reisst es wieder raus.
    klar, der ton, der sich durchs heft zieht, ist klassisch 11freunde und überraschungsarm – angesichts der übrigen fussballberichterstattung in dtl. finde ich den aber immer noch ganz angenehm.

    das kleine heft ist allerdings in der tat eher überflüssig. nicht nur, daß die mannschaftsfotos teilweise von testspielen stammen, bei denen zahlreiche stammspieler fehlen, sind bei manchen mannschaften nur zwei torhüter aufgeführt, bei anderen wiederum drei. aber die kaderlisten finde ich in internetzeiten sowieso zunehmend überflüssig – es sei denn, jemand brächte mal ein heft NACH bekanntgabe der endgültigen kader raus.

  8. @Linksaussen: Wäre DAS eigentlich nicht mal eine Idee für kentnisreiche Blogger? Solche aktuelen Infos kurz vor einem großen Turnier bereitzustellen? Verbreitung als pdf ginge ja auch ruckzuck, wer will, kann sich das dann ausdrucken. Und mir persönlich reicht es, mich eine Woche vor der Turnier einzulesen, ich brauch das alles nicht schon 5 Wochen vorher. Aber ich fürchte, da steckt wahrscheinlich wesentlich mehr Arbeit dahinter, als man auf den ersten Blick glaubt.

  9. hm, was müßte denn da rein in die statistik? spielerkader mit vermutlicher aufstellung, alter und vereinszugehörigkeit der spieler, länderspielzahl, tore? noch was?

  10. Körpergröße (für Abwehr & Sturm)

    Links-/rechts-/beidfüßig.

    Was ich bei transfermarkt.de nett finde, ist die “Einsatzbereiche-Grafik” um z.B. zu verdeutlichen dass Mittelfeldspieler X auch am Flügel oder nur defensiv eingesetzt wird.

  11. okay, aber links- oder rechtsfuß? bei den deutschen kriege ich das hin, bei cl-teilnehmern vielleicht auch noch, aber bei nordkoreanern und anderen exoten?

    und die einsatzbereiche für jeden spieler würden das ja auf dreistellige seitenzahlen ausdehnen.

  12. Na ja, wenn es nur darum geht die handelsüblichen Tabellen zusammenzustellen: wozu? Kann doch jeder selber ggf. auf eine der Fußball-Websites gehen und auf den Print-Knopf drücken.

    Die Positionsangaben müssen nicht zwangsläufig das auf dreistellige Seitenzahlen explodieren lassen. Ein Blick wie das z.B. der Football Manager darstellt (mit Kürzeln wie AM, DM, CM, LM, RM, WB etc…)

    Und die halten eh eine sehr gute Datenbank in Gang – vielleicht sollte man die mal anquatschen ob die dafür nicht einen Teil ihrer DB lizensieren.

  13. Sehr hübsch waren die Interviews mit den Eltern der deutschen Spieler, deren Nachnamen man erst am Ende des Interviews erfuhr. Schönes Rätselspiel.

  14. Ich muss mittlerweile meinen ersten, sehr kritischen Eindruck des Hefts revidieren und mich dem obigen anschließen: Das ganze ist durchaus recht solide.

    Der erste Eindruck ist enttäuschend, weil man das Telefonbuch einer Mittelstadt in der Hnd hält, ohne einen einzigen Artikel zu sehen, den man jetzt gerne mit Vorfreude anfängt zu lesen. Aber wer hier und und das Heft aufschlägt und häppchenweise einen oder zwei Artikel liest, der ist über längere Zeit unterhalten und hat am Ende Informationen aufgeschnappt, die man so sonst eher nicht erhalten hätte (das gilt sogar für das Heftchen mit den fünf, sechs throw-away-fakts pro Team).

    Von mir eine nachträgliche klare Kaufempfehlung für denjenigen, der ohnehin täglich mit Rucksack in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist. Heft reinpacken, vier Wochen später wieder rauspacken.

  15. Sorry sternburg, da liegen bei mir schon die Günter Hetzer Kolummnen in Buchform.Allerdings mehr als 2-3 Stück kann man in einem Rutsch auch nicht lesen, dazu ist es dann doch zu monoton.

  16. Die Günter hetzer Kolummnen wirken auf mich ja äußerst seltsam: Beim ersten Mal fand ich die einfach nur stulle. Also nicht so gut-stulle, sondern nur dumm-stulle. Und so unangenehm durchsichtig.

    Gerade durch die Monotonie mag ich sie aber seltsamerweise mittlerweile. Ein wenig wie im eigenen Leben, in dem das regelmäßige Zusammensein mit freundlichen Starkstrom-Alkoholikern ja auch vor allem durch die stete Wiederholung der jeweils zwar unglaublichen, aber auch dummen Erlebnisse an Witz gewinnt.