Noah will Zaubertrank für alle!

In Lausanne hat der lang erwartete Prozess des Radsportlers Alberto Contador vor dem CAS begonnen. Contador will nachweisen, dass das Clenbuterol mit dem er positiv getestet wurde, nicht per Doping eingenommen wurde, sondern durch verseuchtes Fleisch. Siehe dazu auch den Beitrag im Deutschlandfunk “Endgültige Klärung” (Audio: 4:30min + Transkript) und den Blogeintrag bei Jonathan Sachse.

Zum Prozessbeginn hat der Ex-Tennisspieler Yannick Noah in der “Le Monde” eine Suada gegen den spanischen Sport und seine Dopingverseuchung losgelassen. Noah fragt wie es sein kann, dass eine Nation von heut’ auf morgen derart im Sport dominieren kann wie Spanien. Alles nur mit Hilfe eines “Zaubertranks”. Er führt einige Dopingskandale auf und fragt warum der Fuentes-Skandal in der ganzen Welt für Riesenschlagzeilen gesorgt hat, aber in Spanien komplett versandet ist. Für Noah ist die einzig mögliche Konsequenz: Freigabe des Dopings.

Lasst uns die Heuchelei beendet. Natürlich gilt die Unschuldsvermutung, aber es gibt niemanden der nicht mehr gedopt ist. Daher ist die bessere Haltung sich der Einstellung anzupassen und Doping zu akzeptieren. Und dann hätte jedermann den Zaubertrank.

aus: Yannick Noah “La potion magique”, 19.11.2011, Le Monde

Zum Timing der Kolumne muss man wissen, dass die Le Monde letzte Woche in letzter Instanz zur Zahlung von 15.000 Euro Schadensersatz an FC Barcelona verklagt wurde, weil man 2006 in einem Artikel eine Verbindung zwischen Fuentes und Barça nahelegte, aber nach Ansicht der spanischen Gerichte nicht gerichtsfest beweisen konnte.

Die Kolumne von Noah wirkt sehr unappetitlich, keine fünf Tage nach dem algerische Fußballer an die Öffentlichkeit gegangen sind, weil sie fürchten, dass die vermehrt auftretende Geburten von behinderten Kindern im Zusammenhang mit Doping in den 80er Jahren stehen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Hat nicht Bode Miller auch mal sowas gefordert? Sinngemäß: Wenn wir alle dopen ist das gut, weil wir dann alle voll die Hammerkörper haben und dann nicht mehr so oft stürzen/Fahrfehler machen…

    Jedenfalls sind das unfassbare Ansichten und die Leute, die sowas schreiben/Drucken sollten für jeden Leser, der damit Zeit verplempert sowas zu lesen 10€ für den Kampf gg Doping spenden.

  3. Solange Sportler, warum auch immer, freiwillig dopen, kann ich da nichts unappettitliches erkennen. Wer seinen Körper unbedingt ruinieren will, soll das bitte gerne tun. Man muss Leute, die es offensichtlich besser wissen (müßten), nicht andauernd vor sich selbst schützen. Und bevor jemand schreit, die Betonung liegt auf freiwillig. Und nein, der Druck und “die anderen aber auch” zählen nicht als Argumente.

  4. Wie naiv kann ein Noah eigentlich sein, sollte er das ernst meinen? Der erste Teil der Analyse ist korrekt: Wie kann es sein, dass der Fuentes-Skandal nie wirklich aufgeklärt wurde? Ist es Zufall, das Spanien auch im Hallenhalma und Wasserski dominiert? Vielleicht ja, denn im Wintersport, Langlauf, Biathlon (ja, auch der) oder Eisschnellauf ist von Spanien nichts zu sehen. Vielleicht liegt es auch teilweise an den (klimatisch bedingten) bessern Trainingsbedingungen? Ich weiß es nicht, aber es gilt eben die Unschuldsvermutung, nicht mehr aber auch nicht weniger. Was man kritisieren muss, ist die schlampige bis skandalöse Art, wie in Spanien teilweise bis in die höchsten Instanzen mit dem Thema umgegangen wird. Das ist unerträglich.
    Den zweiten Teil möchte ich fast nicht kommentieren, da er von Blauäugigkeit und Wahnwitzigkeit mal wieder nicht zu überbieten ist. Was passiert denn, wenn Doping legalisiert wird? Welches “Doping” soll denn freigegeben werden (es gibt nicht “DAS” Wundermittel, sondern Epo/Cera für Radfahrer, HGH für Gewichtheber, Footballspieler und andere, Beruhigungsmittel für Snooker und Schach…)? Welche Menge, woher kommt es, wer verabreicht es. Und: Wer kontrolliert bei noch einfacherem Zugang, dass diese Menge nicht überschritten wird? Selbst heute gibt es noch Radfreaks, die trotz aller Kontrollen und Spießrutenläufe dopen. Wie sehen die denn aus, wenn das legal wird? L’alpes D’Huez in 10 Minuten? Zwei Durchgänge bei der legendären Streiff? Dreimal die Woche Fußballspiele?
    Traurig, dass Menschen sowas denken. Tun es aber (erfolgreiche) [Ex-]Sportler, dann wird mir nur noch schlecht. Ich hoffe inständig, dass Bode Miller das nicht ernst gemeint hat, denn er ist der technisch beste Skifahrer den es zur Zeit gibt. Der hätte sicher nicht nötig.

  5. Um mal einen ganz anderen Spin in die Sache zu bringen, weil ich finde, dass die Dopingfreigabe durchaus diskussionswürdig ist (ohne mich jetzt schon festlegen zu wollen):

    Bei einer Freigabe werden Sportler wie die Algerier auch mündiger – und die zugehörigen Ärzte haftbarer. Statt dubioser “hier haste ne Vitaminspritze” Verdunkelungen seitens des Verbandes können Sportler mit ihren Ärzten Kosten/Risiken abwägen. Wer auch immer da die Spritzen aufzieht und wer welche Mittel verkauft, ist dank transparenter Vorgänge viel konkreter zu belangen. Sportler können also ihrem Doc als Kunden gegenübertreten, statt als Versuchskaninchen.

    Wenn die Algerier eine Wahl gehabt hätten, sich den besten und “gesündesten” Stoff zu besorgen, statt dass ihnen irgend ein ohne klinische Studien getesteter Scheiß untergejubelt wird, wäre das nicht womöglich in ihrem Sinne gewesen? Der systemische Druck, die Spieler im unklaren zu lassen, weil Doping illegal ist, fiele weg und “dubiose” Praktiken müssten gegenüber offener Medikamentenvergabe erst mal einen leistungssteigernden Mehrwert bringen, der das Risiko des Rechtsbruchs aufwiegt.

  6. Bei der Freigabe von Doping denke ich meist: wie mündig sind Leistungssportler innerhalb ihres Systems wirklich. Der “mündige” Sportler ist doch genauso ein Märchen wie der mündige Konsument, Patient, usw. usf.
    Noch gefährlicher wird die Freigabe für mich, weil Spitzensport vorbereitet wird und passiert in Kindheit und Jugend und durch die Legalisierung im Erwachsenenalter (wie ist das im Schwimmen, Turnen, wo Teenager und Erwachsene gleichberechtigt an Wettkämpfen teilnehmen) der/die gedopte Minderjährige noch viel wahrscheinlicher wird.

  7. Das stimmt natürlich, der Druck ist immens – aber speziell auf den Fall bezogen, wo einem Sportler ohne sein Wissen vom Verband initiiert Drogen verabreicht werden, ist die Mündigkeit schlicht noch niedriger, weil nicht existent. DIe Frage nach dem Schadenspotential ist halt, ob die ohnehin bestehende Schädlichkeit von Hochleistungssport mit der von legalisierter Medikamentenvergabe koordiniert und dadurch beherrschbarer werden kann.

    In der jugendlichen Leistungsspitze mancher Verbände (oder den Kaderschmieden für Profisport, looking at you US-Colleges) wird ohnehin längst gedopt, was die Spritze hergibt. Das wird natürlich weiterhin illegal bleiben (Minderjährige sind ja nichtmal mündig genug, sich andere Volksgifte wie Alkohol legal selbst zu verabreichen). Immerhin bleibt die Hoffnung, dass die skrupellosen Strukturen, die momentan gänzlich in der Schattenwelt agieren, durch wachsende Transparenz unter Druck geraten.

  8. Bis zum Beweis des Gegenteils glaube ich weiterhin, dass wer immer die Freigabe von Doping fordert, damit auf eine besonders aufrüttelnde Art auf die derzeitigen Zustände und die allgegenwärtigtkeit des Dopings aufmerksam machen will.

  9. Würde es bei einer Dopingfreigabe nicht eher so laufen wie im Schwimmsport mit den Anzügen?

  10. Nein. Die waren neu.

  11. Abidal Leberkrebs mit 28. Ganz normal.

  12. Doping soll genau DANN legalisiert werden wenn der Kampf gegen Drogen aufgegeben wurde.

    Nicht früher und nicht später.