Klitschko besiegt den schwarzen Peter

Es gab eine schier endlose Boxnacht in der ARD, live aus Atlantic City. Was da anfangs an drittklassigen Kämpfen und Vorberichten gesendet wurde, wäre ohne Festplattenrekorder nicht zu ertragen gewesen.

Das eigentliche Highlight war der Vorkampf Miguel Angel Cotto – Ricardo Torres um den WBO Light Welterweight Title. Was da an Schlägen abgebrannt wurde, hat es seit Gatti vs. Ward nicht mehr gegeben. Cotto war der technisch bessere und intelligentere Boxer, allerdings mit der Deckung eines feuchten Toastbrots ausgestattet. Torres schlug nur zaghaft, aber sobald er eine Schwäche von Cotto entdeckte, prügelte er auf Cotto ein, der nicht mehr wusste wohin und schnell anfing zu wanken. Anscheinend war es unter der Würde von Cotto die Hände hoch zu nehmen, zu klammern oder einfach mal abzuhauen, stattdessen stellte er sich.

Torres hatte deutliche Konditionsprobleme, weswegen er seinen hochtourigen Schlaghagel nie lange durchhalten konnte. Es kam zu insgesamt vier Niederschlägen, bevor Torres in Runde 7 nicht mehr aufstehen konnte, zermürbt von den teilweise heftigsten Körpertreffern von Cotto. Torres war die Sorte von Underdog die man auf US-amerikanischen Planken gerne sieht: seine technischen und körperlichen Defizite machte er mit Herz wieder wett. Herausgekommen ist ein Kampf der sich für einige Monate ins Gedächnis eingebrannt hat.

Ab zirka 5h kam es zum Hauptkampf Wladimir Klitschko – Samuel Peters. Der Sieger kann sich auf einen WM-Kampf voraussichtlich Beginn nächsten Jahres freuen.

Wenn man den Cotto – Torres-Kampf heranzieht, gab es einige Parallelen zum Klitschko – Peters-Kampf. Auf der einen Seite ein Boxer der technisch und konditionell haushoch überlegen ist, auf der anderen Seite ein limitierter, aber schlagkräftiger Boxer mit großem Herz.

Cotto wie Klitschko wussten nicht ihre Überlegenheit auszuspielen und ließen sich immer wieder von der gegnerischen Schlagkraft völlig aus dem Konzept bringen.

Um es vorwegzunehmen: Wladimir Klitschko hat den Kampf nach Punkten gewonnen, alle drei Punktrichter sahen ihn mit 3 Runden (114:111) vorne. Trotzdem zwefile ich immer noch an den Qualitäten von Klitschko d.J. und fühle mich in meine Meinung über die Schlechtigkeit von Coach Emanuel Steward bestätigt.

Zuerst zum Urteil: viele Runden sah ich so eng, dass ich irgendwann aufgehört habe die Runden wirklich zu werten. Klitschko mit drei Runden vorne ist kein schreiendes Unrecht, aber zumindest in dem Ausmaß ein verblüffendes Urteil, denn Klitschko ging drei Mal zu Boden. Nach Adam Riese müsste Klitschko also quasi sechs andere Runden vorne gelegen haben. Diese Klarheit ergibt sich vielleicht wenn man jede einzelne Runde wertet, spiegelt aber nicht den Gesamteindruck wieder.

Zu Klitschkos Gunsten muß gesagt werde, dass ich bei zwei der drei Niederschläge keine Schlagwirkung gesehen habe, sondern Schubsereien von Peter.

Zum Kampf selber. Klitschko hielt Peter mit seiner Führhand auf Distanz, ohne allerdings mit dem Jab allzuhäufig auf Schlagwirkung aus zu sein. Die Ankündigung von Stewart dass Klitschko Peter mit der Führhand zerlegen würde, war eine Luftnummer. Klitschko versuchte Peter auf Distanz zu halten und sobald Peter herankam, ging Klitschko sofort in den Clinch, hielt und klammerte.

Das ist keine überraschende Taktik gewesen, sondern der typische Klitschko unter Stewart: unterkühlt, verhalten, passiv, defensiv, kaum Initiative zeigend.

Und man muss Peter vorhalten, dass er darauf kaum eine Antwort fand. Es dauerte drei Runden bis Peter überhaupt die richtige Distanz zu Klitschko fand, dann eine krachende Hand schlug und Klitschkos Selbstvertrauen aus dem Ring geprügelt wurde. Ähnlich wie zuvor Cotto, wusste Klitschko nicht mehr wo es lang ging und hatte überhaupt Mühe sich über die Runde zu retten. Das Bild ähnelte sich in den Runden 3, 5 und 10 die von allen Punktrichtern unisono an Peter gegeben wurden.

Klitschko seinerseits hatte Peter nur in der letzten Runde am Rande des KOs, traute sich aber nicht nachzusetzen.

Wie gesagt, man kann sich darüber streiten, ob man den Kampf 114:111 für Klitschko geben muss. Aber dass ausgerechnet drei US-amerikanische Punktrichter, den nicht wirklich angriffslustigen Klitschko vorne sahen, verblüfft. Klitschko hatte mehr Schläge, aber vieles war nur Beschäftigungstherapie.

Aus Wladimir Klitschko wird keine große boxerische Nummer mehr. Seit er unter den Fuchteln von Emanuel Stewart steht, sieht man keine Fortschritte mehr, sondern nur verhaltenes “Angsthasen”-Boxen, ohne dass die Stärken und technischen Fähigkeiten ausgespielt werden. Wenn es zur Nummer 1 in einem Verband reicht, dann nur weil die gesamte Schwergewichtsszene derzeit eher mau besetzt ist.

Am Ende zur ARD:

Schon erstaunlich mit was für Kämpfen teure Satellitenübertragungszeit verbrannt wird. Sven Ottke ist als Analyst äußerst umstritten, nicht zuletzt aufgrund seiner Stotterer und etwas wackeligen Formulierungen. Aber zumindest an diesen Abend hat er sich keine Schnitzer geleistet und ich schließe mich seinem Urteil über den Cotto–Torres-Fight und über Klitschko an.

Wer aber gar nicht ging, ist mal wieder Jens-Jörg “Jay-Jay” Rieck. Der Kommentator ist für seine verschachtelten Nebensätze gefürchtet in der er jede wirklich unwesentliche Information reinzupressen versteht. Mal wieder schlug seine Neigung voll durch, den “deutschen” Boxer zum heißesten Ding seit Frittenfett zu erklären und seinen Gegner zur Dumpfbacke (“von den Medien hochgeschrieben”) runterzuplaudern. Peter konnte technisch nix, schlug unfair und eine halbe Stunde später hätte uns “Jay-Jay” auch noch erzählt, dass Peter seine Schuhe nicht zubinden kann. Man sollte meinen, dass die ARD es mit dem auf dem freien Markt verfügbaren Tobias Drews nicht nötig hätte auf die ewigen Karussellbremser zurückzugreifen.

Und noch etwas ARD: man blendet sich nicht aus einem Interview mit Larry Merchant aus. Nochmal: man blendet sich nicht aus einem Interview mit Larry Merchant aus. Nie. Never.

Es sei im übrigen bereits auf den nächsten Boxabend hingewiesen, weil dieser unüblich bereits zur Wochenmitte stattfinden: am Mittwoch tritt in Hamburg Krasniqi gegen Brewster an, Anlaß ist der 100te Geburtstag von Max Schmeling.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Das Urteil geht meiner Ansicht nach voll und ganz in Ordnung. Sicher, man mag den Geschmack haben wie “hey, der war doch dreimalam Boden”, aber sowohl das ARD-Moderationsduo als auch manch andere müssen akzeptieren, dass im Profiboxen jede Runde einzeln gesehen wird.
    Sicher, es werden nicht die Treffer wie bei Amateurkämpfen gezählt, aber die Aktivität (Klitschkos war höher), wer öfter in der Ringmitte steht, wer weniger schnauft, wer weniger Blessuren hat, wessen Hose schöner ausschaut usw … das ist hinter hintergründig.

    Ich sah Peter in den Runden 3, 5 und 10 vorne … Runde 12 hätte ich ihm vielleicht auch noch gegeben, allerdings hat Klitschko in jener Runde mal gezeigt, dass er ne “Attacke” Peters überstehen kann und noch in der selben Runde Akzente setzen kann.
    Also 113:112 oder 114:111, das sind meiner Ansicht nach schon die richtigen Urteile.
    Eigentlich stößt es mir schon übel aus, wenn man krampfhaft Ringrichter dazu verpflichten will falsch zu punkten, mit Argumenten wie “Weltmeister-Bonus”, “Heim-Bonus”, “Sah gut aus und so”.
    Peter war zwar stark und bot eine Leistung im Rahmen seiner Möglichkeiten (inbegriffen Schubsen und Hinterkopfhauen à la Valuev … aber nicht so unsauber wie Cottos halbes Dutzend Tiefschläge), aber Klitschko hat halt öfter getroffen, auch wenns nicht die sogenannten “Power Punches” waren. Ich meine gehört zu haben, dass die Trefferstatistik Klitschko doppelt so viele Treffer bescheinigt.

    Zum einzelnen.
    Klitschko: Blieb doch hinter seinen Möglichkeiten … hat den Kampf zum einen durch sein Können gewonnen und zum anderen dadurch, dass er diesmal auch mehr Siegeswillen hat erkennen lassen.
    Nachdem Klitschko sich in der 5ten mit dem rechten Ellbogen aufstützte hatte ich schon sehr damit gerechnet, dass er kurz darauf verlieren würde … dass er aber dann in Runde 6 wiederum der deutlich bessere war, damit hätte ich nicht gerechnet.
    Seine Zukunft sehe ich nicht schlecht. Ich denke er hat das Zeug Byrd/Williamson zu schlagen. Dennoch wirkte er in der Tat ab und an unsicher. Nunja, wenn er die nächsten Kämpfe gut übersteht denke ich dass er noch etwas reifen kann und vielleicht in 5 Jahren doch mal wieder so stark ist wie mancher es vor 5 Jahren prognostizieren mochte.
    Vielleicht kommt aber auch mal wieder ein Puncher daher und haut ihn um.

    Peter: Der Junge hat sicher letzte Nacht dazu gelernt.
    Nebenbei kann er sich nun gewiss sein, exzellente Nehmerqualitäten zu haben … den möcht ich gern mal gegen Tua sehen. Ob sein können jedoch ausreicht um mal ein Großer zu werden darf bezweifelt werden. Noch ist er noch zu unpräzise. Wums in den Fäusten hat er … auch wenn man erwartet hätte, dass ein Wladimir Klitschko nach einem Niederschlag nicht mehr aufsteht und über die 12 geht.
    Ich kann mir gut vorstellen dass er noch andere namhafte Gegner zu Boden schickt, aber ebenso gut kann ich mir auch vorstellen dass er auch mal wieder ausgepunktet wird (wie z.B. Tua).

    Stewart:
    Ich weiß nicht was ich von dem halten soll. Ich habe nicht das Gefühl dass er Klitschko voran bringt. Es ist eher ein bisserl wie bei Lewis, dass er sich daneben stellt in den Konfettiregen und lächelt.
    Vielleicht ist es das was Klitschko braucht, jemand der in den Ringpausen ihm ruhig etwas erzählt … ich hätte Wladimir angebrüllt warum er nach den ersten beiden Runden auf einmal aufhört den Jab gut zu bringen und in 5 den Kampf beinahe aus der Hand gibt.
    “Box dein System, bring den Jab” … das hätte ihm auch Timo Hoffmann erzählen können.

    Noch erwähnt:
    Cotto-Torres war wirklich ein super Kampf … das hatte dem Torres wohl kaum einer zugetraut. Sicher der Niederschlag gegen Cotto war ne kleine Wrestling-Einlage, dennoch eine neue Sache für Cotto. Und dass Torres, nachdem er schon zu schwächeln begann, in der 6ten noch mal auftrumpfte … das war schon bemerkenswert.
    Bemerkenswert schlecht war in der Tat Cottos Deckung … macht er so weiter ist der den Titel schneller los als ihm lieb ist.

    Übetragung:
    Sven Ottke macht einen nicht glücklich, lieber lasse ich mir drei stockend übersetzte interviews mit Foreman servieren.
    Rieck ist ein Kapitel für sich, wenn man den Namen liest denkt man schon mit Grausen an Klitschko-Moli und seinen Kommentar damals (“Eins ist sicher, ausgestiegen ist der nicht!”). Auch wenn Andreas Witte nicht unbedingt das gelbe vom Ei ist, bringt jener doch immerhin hin und wieder eine gute Leistung.

    Wie dem auch zwei. Zwei tolle Kämpfe, ein “prospect” dem ich keine große Zukunft bescheinige (Marrone). Und Spannung vor während und nach den Mainfights … toll.
    Hat sich mehr gelohnt in der Nacht vor der Mattscheibe zu hocken als bei Rahman-Barrett (gähn).

  3. Landed 204 (Klitschko) 100 (Peter)
    Thrown 523 vs 440
    Percentage 39% vs 23%

  4. Re: Halbes Dutzend Cotto Tiefschläge
    Da war einiges bei, aber halbes Dutzend? Ich fand Torres hatte seine Hose auch arg weit hoch gezogen

    Re: Stewart
    Für mich ist es immer noch eines der Mysterien warum Wladimir den Fritz Sdunek abgesägt hat. Wenn Wladimir einen diametral entgegengesetzten Typen genommen hätte, einen Schreihals, einen Super-Motivator, hätte ich es noch verstanden. Aber Stewart macht auf mich eher den Eindruck einer Sdunek Light-Version. Ruhig Ansprache minus taktische Flexibilität.

    Re: Zukunft Klitschko
    Das eine ist was Klitschko boxen kann, das andere ist wie es derzeit um seine Gegner bestellt ist. Im Prinzip sehe ich keine große Zukunft für Wladimir, weil Stewart seine boxerischen Fähigkeiten auf Führungshand, Klammern und ab und zu einer Rechten kastriert. Wenn er damit auf einen gut aufgelegten Chris Byrd trifft, sieht er gegen Byrd kein Land… Nur das Byrd derzeit zu schwächeln scheint und damit das Duell relativ offen ist. Und solange eine Pfeife wie Ruiz…

    Ich weiß nicht was mich am Klitschko-Kampf mehr gestört hat. Das Resultat oder der Umstand dass Klitschko sein Potential nicht abgerufen hat. Der Jab ist ein schönes Beispiel. Jeder hat aus der Frühphase von Klitschko gesehen, dass er mit seinem Jab jeden Gegner von der einen Ringecke in die andere treiben kann. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, war der Jab gestern nicht mehr als ein getupfter Abstandhalter für Peter. Von daher habe ich auch meine Probleme wenn jetzt Schlagstatistiken bemüht werden, um die Überlegenheit von Klitschko zu demonstrieren. Es ist schließlich Profiboxen und nicht Amateurboxen.

    Bei Cotto war anzumerken wie er mit Schlagvariabilität den Gegner bearbeitet hat. Bei Kliscthko war das Schlagen Beschäftigungstherapie für die Punktrichter, ohne Effekt.

    Wenn Aktivitäten und ähnliches zur Bewertung herangezogen wird, dann muss man Klitschko auch über weiten Strecken einen destruktiven Stil bescheinigen. Sobald Peter bis auf die Halbdistanz herankam, hat sich Klitschko wie ein nasser Sack auf ihn geworfen und geklammert. Die Reaktion der Zuschauer war ja dann auch entsprechend.

    Ich streite nicht ab dass die 114:111 korrekt zu Stande gekommen sind, warne aber davor die Klarheit des Ergebnisse (berücksichtigt man die Niederschläge, 9 zu 3 Runden für Klitschko) als Maßstab für die Leistung von Klitschko zu nehmen. Immerhin überwiegt in den Zeitungsberichten vom Montag auch die Skepsis.

    BTW: Spannend wird es natürlich am Mittwoch. Bei aller Wertschätzung die Krasniqi bei mir inzwischen gewonnen hat, Brewster sieht mir nach einer Nummer zu groß aus, aber wer weiß…

  5. Mittwoch ja … wie groß ist Brewster wohl. Ist er überhaupt eine große Nummer?
    Ich bin mir nicht sicher.
    Den Meehan-Kamf hab ich nicht gesehen. Bei Golota hat ersterer einfach geschlafen.

    Ich denke Krasniqi hat gute Chancen. Dass er Potential hat ließ er gegen Whitaker vermuten … ob er übermäßig stark war oder Whitaker einfach nicht zu mehr fähig … wer weiß.
    Jedenfalls hat er einen ordentlichen Jab, einen Größenvorteil und ich denke auch ein besseres Kinn als z.B. Wladimir.
    Vielleicht wird er aber auch von Brewster ausgeknockt …