Ruud van Nistelrooy – Käsekopp zu den Fischköppen?

Obacht: ungelegtes Ei. Aber immerhin schon so weit ausgebrütet, dass sich der Hamburger SV und Ruud van Nistelrooy laut mehreren Medienberichten handelseinig geworden sind und “nur noch” zwei Schritte von einer Vertragsunterzeichnung entfernt sind: angeblich verhandelt van Nistelrooy noch mit Real Madrid über eine Abfindung wegen der vorzeitigen Vertragsauflösung und dem geringeren Gehalt dass er beim HSV in Kauf nehmen soll. Außerdem steht noch der medizinische Check aus, bei dem vorallem, aber nicht nur das rechte Knie von van Nistelrooy im Blickpunkt stehen dürfte.

Brüten wir das ungelegte Ei weiter aus und tun für die nächsten Zeilen mal so, als wären die letzten Hürden genommen und die Unterschrift van Nistelrooys gesetzt und getrocknet.

Warum ausgerechnet der HSV? Glaubt man der internationalen Presse, buhlten zuletzt Stoke City, Tottenham und vor allem West Ham um van Nistelrooy. West Ham wollte ein Angebot nicht expressis verbis bestätigen, ging aber an die Presse mit den Aussagen, dass einem internationalen, ablösefreien Topstürmer ein Vertragsangebot mit 6 Mio EUR (£100k/Woche) gemacht worden ist. West Ham hat taufrische, neue Besitzer und das öffentlich verlautbarte Angebot ist vielleicht nur eine reine Luftnummer um sich zu profilieren.

In den Hamburger Medien ist die Rede von einem Jahressalär von 2 Mio EUR – was mir eine suspekt niedrige Summe erscheint. Wenn die Summe stimmt, dürften diverse Bonizahlungen daran gekoppelt sein, damit sich auch ein van Nistelrooy noch zwei warme Mahlzeiten pro Tag leisten kann.

Für den HSV und gegen West Ham spricht die Tabelle, die van Nistelrooy Hoffnungen auf Einsätze in Europapokalen lässt. Gegen den HSV und für West Ham dürfte die weltweite Medienpräsenz der Premier League sprechen.

Für den HSV spricht der Umstand dass van Nistelrooy bereits jetzt in europäische Wettbewerbe einsteigen kann (van Nistelrooy ist durch seinen Champions League-Einsatz für Real anscheinend nicht für die Europa League verbrannt, siehe UEFA-Europa League-Regularien (PDF)). Für jemanden der noch um eine Chance zur WM2010-Nominierung kämpft, nicht ganz unwesentlich.

Das Hamburger Abendblatt schreibt das van Nistelrooy ablösefrei und mit einem Vertrag bis Sommer 2011 kommt/kommen will/kommen soll/kommen dürfte.

Bis Sommer 2011? Es erscheint kaum glaubhaft, dass der HSV in die nächste Saison mit Petric und Berg und van Nistelrooy und Guerrero geht. Entweder verabschiedet man sich von Guerrero, dessen Vertrag ausläuft, oder man gibt das Projekt Berg auf und verkauft ihn weiter.

Apropos Berg: im Rückrunden-Vorschauer wurde die Problematik schon mal andiskutiert: Marcus Berg passt als Stürmertypus nicht so recht zu den beiden bisherigen Stammspielern Petric und Guerrero. Berg hat viel Zug zum Tor, schließt schnell ab, ist aber nicht der Arbeiter, der die Bälle von hinten anschleppt und braucht die Bälle pfannenfertig serviert. Das erklärt seine Blässe in der Hinrunde.

Van Nistelrooy würde ich näher am Typus Berg als Petric/Guerrero sehen – hat allerdings in seiner Madrider Zeit überproportional mehr Vorlagen geliefert als bei Man Utd. Vielleicht hat er seine Spielweise im Alter umgestellt, vielleicht hat er es wegen der Spielweise Reals umgestellt.

Trotzdem stellt sich die Frage wie schnell der HSV seine Offensive auf van Nistelrooy umstellen kann oder wie schnell “Van the man” sich umstellt. Stellt der HSV seine Spielweise um, dürfte das Berg entgegenkommen und gegen eine Vertragsverlängerung von Guerrero sprechen, sofern der nach seinem Kreubandschaden sich nicht mit stark reduzierten Ansprüchen begnügt.

Vorausgesetzt van Nistelrooy schlägt ein. Seit 2008 wird van Nistelrooy immer wieder von Verletzungsproblemen geplagt. Im März 2008 fiel er wg. Knöchelprobleme zwei Monate aus, im November 2008 musste wegen Meniskusschaden am rechten Knie unters Messer und kam erst im Sommer 2009 zurück. In seinem ersten Primera Division-Spiel der Saison zog er sich eine Oberschenkelverletzung zu, mit der er sechs Wochen bis Oktober 2009 ausfiel. Der HSV hat ja durchaus einen Hang zu verletzungsanfällige Spieler wie z.B. Sorin, Kompany oder Jansen.

Ein Urteil inwieweit der Transfer gut ist, kann man zu diesem Zeitpunkt nicht treffen. Wie hoch ist sein Gehalt, wie fügt er sich in der Mannschaft ein, kann er Dienste als Stürmer-Pate für Berg leisten? Nicht zu vergessen: der PR-Effekt mit dem sich der HSV durch so einen Namen auch auf der internationalen Landkarte präsentieren kann – ein Punkt den ja auch Bayern München bei Ribéry gerne herausstreicht. Den passenden Podcast gibt es dazu beim Guardian, wo am Donnerstag in Football Weekly Extra ein bißchen über den Status der Bundesliga im Vergleich zu England diskutiert wurde: wie kann es sein, dass die Bundesliga soviele Ressourcen hat, so solide arbeitet, im Binnenverhältnis so erfolgreich ist, aber europaweit in Popularität und Erfolg so hinter England, Spanien und Italien hinterherhinkt (die sich abzeichnende Antwort aus dem Podcast: es fehlt neben den Bayern an konstanten, international bekannten Protagonisten die den Bayern das Leben schwer machen).

Da darf man auch schon mal darüber nachdenken, inwieweit Transfers wie Ribéry, Robben, Pogrebnyak oder van Nistelrooy erste Ausläufer der wackeligen finanziellen Lage von Premier League- und Serie A-Vereinen ist.

Aber das sind alles erst einmal nur knapp 900 Wörter umfassende hypothetische Überlegungen. Der Vertrag ist zur Stunde noch nicht abgeschlossen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. trifft (und erweitert) meine gedanken dazu.

    interessant ja auch, daß das ganze ohne sportdirektor eingetütet zu werden scheint. gier nach großen namen gewisser führungspersonen, die darauf hoffen, daß es ähnlich läuft wie bei ze roberto? inwieweit durfte/konnte labbadia mitsprechen?

    sollte es klappen, würde das aber ja durchaus nicht nur eine duftmarke international setzen, sondern auch intern an all die ehrgeizigen spieler, die weitere verstärkungen und big player eingefordert haben.

  3. Ist RvN nicht zu sehr über seinen Zenit hinaus, als dass er in eine Reihe mit Ribéry oder Progrebnyak gestellt werden könnte? Ich hab da eher so Assoziationen wie Katar oder so, sprich der finanzielle Reiz vor dem sportlichen.
    Wäre ja sicher auch schon mal ein Fingerzeig, aber sagt imho noch nichts über ein auzustrebendes gewachsenes standing der Bundesliga, eher darüber, dass der HSV bereit war, das finanzielle Risiko zu gehen und andere Interessenten halt nicht.
    Allerdings wäre er vor zwei Jahren unter selben Voraussetzungen wahrscheinlich tatsächlich in der Premier League gelandet, das ist nicht von der Hand zu weisen.

  4. Re: Zenit
    Das ist die Frage die ja auch mit der Verletzungsproblematik einher geht. Schau ich auf die Torschützen-Top10 der Premier League, sehe ich mit Drogba, Saha und Lampard drei 31jährige. In Spanien mit Forlan einen 31jährigen, in Italien mit Maccarone (30), Totti (33), di Natale (32) und Milito (30) vier Spieler mit 30 und mehr Lenzen.

  5. Egal ob RvN in dieser Saison 4 oder 15 Spiel für den HSV absolvieren wird, es ist ein geiles Ausrufezeichen, das der HSV da setzt.
    Es zeigt, dass der HSV investieren und int. angreifen will. Ich denke auch weitere junge Spieler ala deJong, Elia, Castelen, Berg, Kompany etc. werden das als Anreiz sehen und werden von solchen 30+ Spielern eine Menge lernen können.
    Und ein Teil des Geldes, die ein RvN an Gehalt kostet, wird der HSV sich über Trikots wieder reinholen können. Wobei hier eine Menge verkauft werden muss, wenn 8-9 € pro Trikot hängen bleiben.
    Wollen wir wünschen, dass er a.) wirklich unterschreibt b.) gesund bleibt/wird und c.) ordentlich knipsen wird.

  6. Das mit dem Alter der Torschützen ist sicher ein valider Punkt. Nennen wir es vielleicht Bedeutungszenit und lassen damit die Möglichkeit eines zweiten Frühlings noch etwas wahrscheinlicher erscheinen.
    Zweifelsohne offeriert der HSV ja auch eher mehr sportliche Anreize als dass er jetzt das wohlverdiente finanzielle Ruhekissen wäre, aber irgendwie kann ich sowohl von Spielersicht als auch aus Vereinssicht irgendwie nicht mehr als einen Schuss ins Blaue sehen. Lediglich die angesprochene Signalwirkung für den HSV an die Bundesliga und sicher auch nach Europa ist auf jeden Fall auf der Habenseite zu verbuchen, der Rest ist (ganz neutral) Risiko.

  7. Der Berater von Ruud van Nistelrooy ist nicht uninteressant.

    SP International hat auch Mathijsen, De Jong, Guerrero, Boulahrouz und Castelen unter Vertrag.

    Man kennt sich also, man schätzt sich…

  8. Ein Aspekt “großer” Transfers wird gerne übersehen (neben den richtig benannten Effekten für Popularität etc):

    Wenn die international erfahrenen alten Jungs in eine Mannschaft kommen, kann das die Trainingsqualität enorm steigern. Gerade für Markus Berg ist der direkte Kontakt zu einem Stürmer ähnlicher Prägung von Weltformat mit Geld kaum aufzuwiegen.

    Warum hat Hyypiä wohl so schnell den Leitwolf in Leverkusen markiert? Doch sicherlich auch, weil er schon im Training deutlich macht, wo es seiner Meinung nach lang geht. Daher kommt dann die Ruhe im Spiel, die sich so offensichtlich auf seine Nebenleute überträgt.

    So lange man das Händchen hat, alternde Stars mit professioneller Einstellung statt müder Egozocker zu holen, ist so eine punktuelle Verstärkung genau das Mittel, eine ambitionierte Truppe auf ein neues Niveau zu hieven. Und wo doch so gern auf Labbadias Menschenführung geschimpft wird – Gruppendynamik gezielt mit Personal zu beeinflussen hat er in Leverkusen schon versucht (und musste gehen, bevor “sein” Transfer einschlug) mal sehen, wie das in Hamburg läuft.

  9. erz spricht mir aus der Seele:
    Petric hat es mal mit sich und Chapuisat erklärt: Er fühlte sich gleich viel sicherer auf dem Platz, weil der Druck nicht auf ihm, sondern auf Chapuisat lag. Und wenn Berg schlau ist, dann kettet er sich an RvN im Training an und macht alles was er macht. Ich hoffe Marcus Berg ist lernwillig genug von solch einem großen Stürmer zu lernen.

    Zum “Zeichen setzen” ist auch wichtig: Es wurde aufgrund der Verletzung von Paolo Guerrero nicht ein Nachwuchstalent gekauft, sondern nachgelegt. Der Bundesliga gezeigt: Wir geben uns mit dem bisher erreichtem nicht zufrieden, wir wollen mehr! (Leverkusen leiht 2 Stürmer aus, hat nur noch 3 im Kader)

    Und der Name RvN zieht doch auch bei dem Gegner: mal ehrlich, natürlich stellt ein Trainer die Abwehrspieler auf die gegnerischen Stürmer ein (Jungs, auf den Torun, da müßt ihr aufpassen) aber wie bitte klingt der Satz: … bei Ecken nimmst du den van Nistelrooy. Autsch, denkt sich der zugeordnete, warum ich? Und die Konzentration geht weg von Petric, man muß sich plötzlich um zwei Topleute kümmern (Wie die ersten 4 Spiele mit Paolo/Mladen)

    Die Verletzungsanfälligkeit ist ein großes Fragezeichen. Sollte es aber tatsächlich (Quelle abendblatt.de) um einen stark leistungsbezogenen Vertrag handeln, ist das Risiko nicht sehr groß. nach 6 Wochen übernimmt doch auch bei Ausländern die Krankenkasse die Lohnzahlung, oder ;-)

  10. 33 Jahre ist zwar nicht taufrisch, aber man muss bedenken, dass er zuletzt wenig gespielt hat, positiv gesehen also wenige Kräfte gelassen hat.
    Der Transfer ware ein echtes Zeichen, dass man angreifen will. Wenn Van the Man auch nur halb so gut einschlägt wie Hyppiä (auch da haben sich viele an die Stirn getippt, was Bayer mit dem alten Finnen will), dann wird der HSV ganz vorn mitmischen. Wenn van Nistelrooy gesund bleibt, wird er seine Tore machen, da bin ich mir relativ sicher. Ich könnte mir übrigens gut vorstellen, dass man wg. dem van der Vaart Wechsel noch gute Kontakte u Real hat, und vielleicht hat vdV himself dem Ruud erzählt, wie schön es in Hamburg und beim HSV ist
    Zu Berg: Natürlich hat er nicht voll eingeschlagen, aber in der Europa League hat der Schwede angedeutet, was für einen fantastischen Torriecher er hat. Wenn ich das recht sehe, wurde Berg eher als Ergänzung zu Petric/Guerrero verpflichtet und sollte langsam an die Bundesliga herangeführt werden. Nur wegen der Verletzungen musste er dann als letzter Notnagel ran, und als Einzelkämpfer da vorn war er natürlich überfordert.
    Wie erz geschrieben hat: Er könnte sehr von der Verpflichtung vN profitieren, weil er sicher viel lernen und abschauen kann. Na ja, warten wir es einfach ab.

  11. Zu Berg und dem lernen:
    Er ist der teuerste Transfer des HSV. Ich hoffe er ist nicht so arrogant und will noch dazu lernen.

  12. “Ich hoffe er ist nicht so arrogant und will noch dazu lernen.”

    Das habe ich bisher irgendwie immer nur genau andersherum gehört :-)

    Nee, nee – stimmt schon, was der Löwe schreibt:
    Berg hat man als “Talent” und Investition in die Zukunft (sportlich und finanziell) gesehen und er hätte normalerweise gar nicht so im Fokus gestanden, wo er nun aufgrund seiner geringen aktiven Beteiligung am Spiel arg ins Schußfeld der Medien geraten ist.

    Das Argument “die Holländer haben van Nistelroy erzählt wie toll es beim HSV ist” wird ja in den Hamburger Zeitungen heute ganz groß herausgestellt, während es bei dogfoods Pro & Contra – Aufstellung nicht genannt wird. Ist natürlich die Frage wie ernst man sowas, bei den Summen die hier im Spiel sind, nehmen darf. Aber zumindest der Effekt mit dem vertrauten Berater ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen.

  13. Den Vergleich mit dem Innenverteidiger aus Finnland finde ich schon wegen der Spielposition eher weniger zwingend.

  14. Rein aufs Spiel bezogen mag der weniger zwingend sein, aber hinsichtlich der Stellung im Team und im Bezug aufs Training, ist der Vergleich mit dem Innenverteidiger aus Finnland nicht von der Hand zu weisen. Erfahrene (ehemalige) Weltklassespieler vom Standing eines RvN tun prinzipiell erstmal jeder Mannschaft gut in die sie kommen, wenn sie sich denn entsprechend verhalten und nicht nur den Welttorjäger raushängen lassen und auf dicke Hose machen.

  15. 1.) Ja, wenn.

    2.) “aber hinsichtlich der Stellung im Team und im Bezug aufs Training” ist dann schon ein wenig enger gefasst, oder?
    Ich möchte mich gar nicht dazu äußern, ob das jetzt ein schlauer Transfer ist.

    Nur die Geschichte Hyppiäs als Argument dafür zu nehmen, dass er der Mannschaft sportlich (also: “auffem platz”) wird weiter helfen können, finde ich etwas weit hergeholt.
    Mag ja von mir aus trotzdem so sein.

  16. @sternburg Wie du anderen Ortes schriebst, bist du ja hier, um dazuzulernen ;-)
    Es geht mir ja gerade darum, dass Fußball nicht nur auf dem Platz gespielt wird, sondern auch im Training (je besser deine Gegner da, desto besser wirst du als Spieler) und obendrein im Kopf. Eine Fußballmannschaft ist ein hochkomplexes System von individuellen Eitelkeiten und Hierarchien. Da kann ein neuer Spieler mit natürlicher Autorität die Gruppendynamik erheblich beeinflussen. Und wenn daraus ein stärkerer Mannschaftsgeist erwächst, spielen alle Spieler plötzlich besser.

    Pech kann man mit Transfers immer haben, wenn Spieler einen negativen Einfluss auf diese Dynamik haben zum Beispiel. (Rivaldo in seinen späten Jahren) Umgekehrt sieht man, wie ohne Diego die Hierarchien in Bremen neu geordnet werden. Oder wie Arsenal aufspielte, als ihr Superstar Henry nicht mehr vorne rumstand und jeden Ball forderte.