Sportjournalismuskonferenz 2011 in Köln

Diese Woche fand in Köln ein sportpolitischer/sportjournalistischer Doppelpack statt. Von Montag bis zum gestrigen Donnerstag wurde die “Play the Game“-Konferenz veranstaltet, die ich in einem anderen Blogeintrag zusammenfassen werde.

Zum Aufwärmen veranstaltete der Deutschlandfunk am Sonntag eine eintägige Konferenz zum Sportjournalismus: Diktat Gefälligkeits-Journalismus? – Der Sport, die Medien und die deutschen Verhältnisse. Der Deutschlandfunk hat mich zu einer Diskussionsrunde eingeladen*, so dass ich am Sonntag vor Ort war.

Sportjournalismuskonferenz

Die Hamburger Teilnehmer durften um kurz nach vier Uhr morgens aufstehen, um einen der ersten Züge nach Köln zu bekommen und schließlich kurz nach 10h beim DLF in Köln aufzuschlagen. Gerade rechtzeitig für eine Reihe von Eröffnungsreden und Grundsatzreferaten.

Michael Vesper
“Sportland Deutschland”

Michael Vesper vom DOSB wartete in “Sportland Deutschland” mit einer über weite Strecken (17 von 20 Minuten) belanglosen Rede auf.

Positiv überrascht war ich vom Sportphilosoph Gunter Gebauer von der FU Berlin. “Sportphilosoph” hört sich nach einer Phrasendreschmaschine an, aber tatsächlich waren in seinem Vortrag “Deutschland, dein Sport” eine interessante Gedanken drin, ausgehen von der These, dass der Sport längst nicht mehr die Gesellschaft repräsentiert. Der Vortrag von Gunter Gebauer war so komprimiert, dass es sinnlos ist, eine Zusammenfassung zu versuchen. Daher einfach hier seinen 26minütigen Vortrag hören.

Immenses Tennis mal wieder von Jens Weinreich, abgesehen vom, äh, etwas arg groß geratenen Titel des Vortrages “Ein aussterbendes Modell? Wie kann sportpolitischer Journalismus im dritten Jahrtausend aussehen?” (“Drittes Jahrtausend”??). Es war letztendlich ein Überblick über seine aktuelle Arbeit, wobei es nicht nur um Themen, sondern auch Methoden ging. Lässig mit der Rückhand mit der Rückhand serviert “Open Data“, “Kommunikation zwischen Journalist und Konsument geht in beide Richtungen” und “ich verzichte inzwischen nahezu komplett auf Agenturmaterial und habe mir meine eigenen Feeds zusammengestellt.

Er zeigt sich entsetzt über das was Presseagenturen aus der Sitzung des Sportausschusses vom Deutschen Bundestag letzter Woche gemacht habe – bessere Arbeit sei z.B. im Blog von Daniel Drepper (und in den Kommentaren) gemacht worden.

Die WM-Vergabe 2018 und 2022 wird nach Ansicht von Jens Weinreich zum größten Korruptionsskandal der Sportgeschichte werden. U.a. sei er von einem Whistleblower kontaktiert worden, der aber für Belastungsmaterial 5 Millionen (Euro?) im Voraus und fünf weitere Millionen im Erfolgsfall sehen will. Der Katar agiert mit einer “Kriegskasse” von 1 Mrd (Euro?) und Dunkelmänner aus Russland, die u.a. in Thailand, kontrollieren ob irgend jemand zu auffällige Spuren hinterlassen hat. Die WM-Vergabe 2018 und 2022 habe immens viele Leute verstört und sauer gemacht, wie Jens Weinreich es noch nie im Fußball-Umfeld erlebt hat. Gleichzeitig ist der Einsatz erhöht worden und agieren interessierte Seiten mit Detekteien und Geheimdiensten.

In Sachen Korruption sei auf einen Artikel im neuen Economist über einen Korruptionsskandal rund um den brasilianischen Fußballfunktionär Teixeira hingewiesen: “Own goals from Senhor Futebol”.


Am späten Vormittag folgte eine Diskussionsrunde der vier Referenten (ganz am Anfang, wir bogen vermutlich gerade mit dem Taxi auf den leeren Raderberggürtel ein, sprach der DRadio-Programmdirektor Andreas-Peter Weber) von der mir nicht viel haften blieb. Die Diskussionsrunde litt unter dem gleichen Problem wie die Vorträge: es wirkte wie mit der Schrotflinte geschossen. In sich waren die Vorträge von Jens Weinreich und Gunter Gebauer gut, aber es gab quer durch die vier Vorträge keinen roten Faden und das machte sich dann in einer wenig fokussierten Diskussionsrunde bemerkbar. Was bleibt waren die kleinen Frotzeleien und augenzwinkernden Sympathiebekundungen zwischen Jens Weinreich und Michael Vesper. Zwei mit allen Wassern Gewaschene.


Um 12h ging es dann in mehrere parallel stattfindenden Workshops. Thomas Kistner/SZ über Korruption in der FIFA und Anno Hecker/FAZ über die Chancen einer deutschen Olympiabewerbung.

Meine Wahl war Anno Hecker, der eingangs eine Analyse der letzten fehlgeschlagenen Olympiabewerbungen Deutschlands lieferte.

Berlin und Leipzig scheiterten an handwerklichen Problemen und am Fehlen von sportpolitischer Macht auf der Weltbühne. Berchtesgaden und München hatten gute Bewerbungen abgegeben, scheiterten aber an “den Umständen”. Berchtesgaden fiel einem Deal zwischen Paris/Albertville und Barcelona zum Opfer und München wurde Opfer von der dritten Teilnahme Pyeongchangs.

Hecker lieferte auch einen interessanten Einblick in das Binnenleben einer Sportredaktion. Zu Beginn der Münchner Bewerbung versammelte sich die Sportredaktion und diskutierte eine Stunde ihre Haltung zur Bewerbung aus. Am Ende stand ein, wenig überraschendes, “kritischer Begleiter einer Bewerbung der man gutes Gelingen wünscht“.

Anno Hecker tritt für eine neuerliche Bewerbung Münchens statt einer Bewerbung für Olympische Sommerspiele in Hamburg oder Berlin ein: die Erfahrung zeigt, wie wichtig die bei Bewerbungen bereits aufgebauten Strukturen und Verbindungen sind, die man alle aufgeben würde, wenn man nun Hamburg oder Berlin statt München kandidieren ließe.

Der Meinung schloss sich auch der anwesende Michael Vesper/DOSB, der im lockeren Plauderton anfing über die Bewerbung und das Drumherum im IOC zu plaudern. Er bezeichnete es als Fehler, dass die Bewerbung anfangs versprochen habe, dass die Bewerbung ausschließlich privat finanziert wird, betont wie ergebnisoffen letztendlich die Wahl zwischen München und Pyeongchang war (“Auch Thomas Bach kannte den Ausgang vorher nicht“) – ehe Vesper nach fünf Minuten in die Runde guckte und entsetzt fragte: “Das ist doch hier alles nicht-öffentlich, oder?” … ungefähr nachdem ich den dritten Tweet aus der Veranstaltung abgesetzt hatte.

Womit er sich gerne zitieren ließ, war sein Eintreten für ein Bürgerbegehren vor einer Olympiabewerbung, um die kontroversen Diskussionen schon früher zu starten und die Bürger in die Thematik einzubinden. Das ist eine neue Position des DOSBs.


Nach der Mittagspause ging es mit drei Workshops parallel weiter, u.a. mit “Sport-Trends und mediale Tendenzen: Wo tun sich neue Märkte auf?” auf der Oliver Fritsch, Jürgen Kalwa und meiner Wenigkeit. Das Thema war natürlich falsch gestellt: wenn wir drei Klugscheißer gewusst hätten, wo die neuen Märkte sind, hätten wir diese Märkte belegt und uns einen goldenen Bauchnabel verdient, statt das Blog aufzugeben (Kalwa), zu überlegen das/die Blogs abzugeben (Fritsch) oder mal kurz für vier Monate durch einen de-facto Fulltime-Job die Bloggerei nur noch auf kleiner Flamme weiterköcheln zu lassen.

So wurde die Diskussionen schnell zu einem schulterzuckenden Lamento über die strukturellen Probleme (Deutschland) und mangelnde Risikobereitschaft z.B. der Verlage/Medienhäuser. So smooth ich die Diskussion als Teilnehmer fand: nach einer Nacht drüberschlafen und dem Einholen von Feedback, war es zuviel Konsens und zu wenig Widerstand bzw. intellektuelle Herausforderung.

Interessant ist im Zusammenhang mit der Diskussion, dass die Runde in fast der gleichen Zusammenstellung 2008 bei einer Veranstaltung in Dortmund sprach. Damals jeder vorweg mit einem Präsentatiönchen (meine Präsentation siehe das PDF hier, ja, diese Buzzword-Dichte würde ich heute so nicht mehr bringen).

Es hat sich seitdem auf Ebene der großen Medienhäuser wenig getan was mich interessieren würde. Am ehesten konstatiere ich der ZEIT, dass sie versucht mit zeit.de einen eigenen und sehr progressiven Weg zu gehen. Schade dass der Sport dort nicht im Fokus ist und in der Quantität etwas hinten runterfällt.


Um 15h ging es wieder in der großen Runde im Kammersaal weiter. Zuerst mit einer relativ banalen Präsentation einer Untersuchung zur Medienresonanz (Zeitungen) der Münchner Olympiabewerbung. Zu kurz und damit zu oberflächlich in der Präsentation.


Die anschließende Podiumsdiskusion zu “Zwischen Eventmarketing und journalistischer Recherche: Was ist öffentlich-rechtlicher Sportjournalismus?” glich leider einem Schattenboxen, nachdem Fritz Pleitgen, Ex-WDR, Ex-EBU, kurzfristig absagte und deshalb auf der Bühne drei Diskutanten mit nahezu deckungsgleicher Meinung vertreten waren.

Statt der Abschlussdiskussion “Deutsch-deutsche Sportgeschichte. Was war und was ist noch zu tun?” gab es für mich ein längeres, unterhaltsames Gespräch über Sportblogs mit John Hennig von der Universität Leipzig.


Ein kleines Highlight war für mich der Abend im Innenhof des Deutschlandfunks, wo ich länger mit den ansonsten über ganz Deutschland verteilten Jens Weinreich, Oliver Fritsch, Jonathan Sachse, Anja Perkuhn, Daniel Drepper und Jürgen Kalwa (mit ihm leider zu kurz) quatschen konnte.

Deutschlandradio

Die Konferenz ist ein Anlaß mal wieder auf das On-Demand-Sportportal von Deutschlandradio und Deutschlandfunk zu verlinken.

Hier legen DLF/DRadio-Redakteure händisch(!) Audiobeiträge aus dem Sportbereich ab, die meist eine Woche lang als On-Demand abgerufen werden können. Die Beiträge enthalten teilweise auch Transkriptionen.

Wer Hörstoff abseits des Mainstreams oder auch längere Wortbeiträge und Interviews sucht: voila.

www.dradio.de/portale/sport/

An dieser Stelle Danke an den Deutschlandfunk für die Organisation der Konferenz. Ich denke der sehr lässige Abend hat gezeigt, dass es den meisten Teilnehmern gefallen hat. In zwei Jahren könnte es die nächste Sportjournalismuskonferenz in Köln geben. Dann vielleicht mit etwas längere Workshops, etwas spitzeren Themen und Audio on Demand für die Vorträge und Workshops.

Der Dank gebührt insbesondere den Organisatoren, u.a. Moritz Küpper, Heinz Peter Kreuzer, Philipp May und Astrid Rawohl.


* Disclosure: Der Deutschlandfunk hat das Hotel und die Verpflegung gestellt und wird, wenn mich nicht alles täuscht, auch die Reisekosten übernehmen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Sehr interessant, danke fürs Berichten!

  3. Dem schließe ich mich an, danke schön.

  4. Danke für den Einblick.

  5. ….und für den Hinweis auf die Angebote des Deutschlandfunks.

  6. War eine wirklich schöne Konferenz, besonders der Abend. Danke für den Bericht! Was dogfood nicht gesagt hat: Er traut sich nicht zu kickern und ich habe 3 Siege in 3 Spielen eingefahren. Öffne seit Sonntag täglich min. eine Flasche Sekt ;)

  7. Danke sehr für die Zusammenfassung.

    Glückwunsch jsachse. :)

  8. Schöne Nacherzählung. Danke für den Link. Der Abend war wirklich gut. Wäre super, wenn der DLF das tatsächlich regelmäßig machen würde. So etwas fehlt sonst wirklich. Mit John Hennig hätte ich mich auch gern unterhalten. Gutes Diplomarbeitsthema von ihm.