NFL-Offseason 2004: Spielerkarussell vor der Draft

Die Offseason ist für die NFL-Teams der Zeitraum sich neu aufzustellen. Der Trainerstab wird verändert und der um die 60Personen umfassende Spielerkader ein erstes Mal durchgekämmt.

Dies geschieht mit Augenmerk auf zwei Faktoren: zum einen sind das erste Vorbereitungen für die “Salary Cap“, der Gehaltsobergrenze. Man überprüft bei den Spielern das “Preis-/Leistungs-Verhältnis” und bietet bei negativer Entscheidung den Spieler anderen Teams an.

Der zweite Faktor ist die Draft. Bei Spielerwechsel gehen für die Vereine mitunter auch “Draft-Picks” über den Tisch, also der Anspruch eines Verein einen College-Spieler auswählen zu können.

Das größte Theater im Vorfeld gab es mit WR Terrell Owens. Es war klar dass Owens raus aus San Francisco wollte, und es war klar dass die 49ers den Unruheherd und teuren Owens nicht behalten wollte. Und so wartete man auf die Kündigung von Owens. Owens flirtete mit Philadelphia, aber versäumte die Kündigungsfrist die dieses Jahr ausnahmsweise vorverlegt wurde. Die 49ers baten Owens doch selbst einen Deal mit einem anderen Club auszuhandeln. Und kaum hatten Owens und sein Manager einen Deal mit Philly fertig, verkündeten die 49ers dass Owens nach Baltimore verhökert wurde.

Worauf der bislang nicht gerade mit dem Gestus des bescheidenen Leisetreters auftretenden Owens vor die Mikrophone ging und jedem der es hören wollte, in die Aufnahmegeräte sprach, er würde nicht nach Baltimore gehen, er will nur nach Philadelphia. Er wies sein Manager an sämtliche Verhandlungen mit Baltimore einzustellen.

Und dann schaltete sich auch noch die Spielergewerkschaft ein und drohte den Deal der 49ers mit Baltimore für ungültig zu erklären und Owens Kündigung für rechtsgültig zu erklären. Denn zum einen gab es offensichtlich Kommunikationsfehler bei der Mitteilung der Kündigungsfrist, zum anderen sei es “unethisch” von den 49ers gewesen, Owens zu bitten selbst einen Trade auszuhandeln um hinterrücks andernweitig aktiv zu werden.

Am Ende wurde ein Kompromiß gefunden. Owens geht zu Philadelphia, die Eagles geben den Ravens und den 49ers eine Entschädigung und die 49ers geben den Ravens einen Spieler zurück.

Philadelphia Eagles

Apropos Philadelphia. Da hat sich wirklich vieles getan, nach einer anämischen Saison, geprägt durch Verletzungsprobleme u.a. bei QB McNabb.

RB Duce Staley verlor letzte Saison nach Auseinandersetzungen bezüglich der Vertragsverlängerung, seinen Startplatz an das Duo Westbrook und Buckhalter. Als “drittes Rad am Wagen” zieht er nun von dannen und geht zu den Pittsburgh Steelers. Die Steelers sind offensichtlich nicht zufrieden mit Zeroue als Nachfolger von Bettis als Franchise-Runningback und haben, ungewöhnlich für sie, einen richtig fetten Scheck ausgeschrieben.

Die Defense wird bei den Eagles verjüngt. Die Cornerback-Veteranen Vincent und Taylor sind gegangen, bzw. werden gehen, LB Carlos Emmons zieht es zu den Giants. WR Thrash geht zu den Redksins. Verpflichtet wurde Titans DE Jevon Kearse.

Washington Redskins

Die Nachbarn aus Washington haben im ersten Jahr des Comeback von Coack Joe Gibbs ihren Kader richtig durchgerührt. Anscheinend wir ein völlig neues Teamskellet aufgebaut: QB Mark Brunell (aus Jacksonville), RB Clinton Portis (Denver) und WR James Thrash (Philly).

Tampa Bay Buccaneers

Nach der absolut enttäuschenden letzten Saison, setzen die Buccs zum harten Schnitt an. Die Kämpen der legendären Defense S John Lynch, DE Warren Sapp, LB Dwayne Rudd und Nate Webster wurden aussortiert.

Keyshawn Johnson wurde zu seinem Wunschverein Dallas im Tausch mit Galloway abgegeben. Namhafter Zugang ist u.a. QB Brian Griese, der nach Denver und Miami nun versucht in Tampa Bay dem Ruf seines Vaters (QB-Legende in Miami) gerecht zu werden.

Oakland Raiders

Großreinemachen hatte ich eigentlich von den nicht minder enttäuschenden Raiders nach der Saison erwartet. Selten das ein Team mit derartigen internen Streitigkeiten so kollabierte. Nun soll es der neue Coach Norv Turner richten, der exzellente Offenses kreiert, aber dessen Defense eher mau waren.

Das Großreinemachen hat stattgefunden. Gannon, Rice und Brown bleiben der Nukleus, die ganz großen Transfers sind ausgeblieben.

Cincinnati Bengals

Generell erwarte ich, dass die AFC North mit Pittsburgh, Cleveland, Cincinnati und Baltimore es 2004 richtig krachen läßt. Das Wiedererstarken der Bengals, die Stagnation bei den Steelers und Browns hat für mächtig Wirbel in der Division gesorgt.

Die Bengals gelten in der US-Sporthistorie als eine der schlechtesten Teams überhaupt. Jahrelanges Siechtum, ein Management welches sich eher unter familiären Gesichtspunkten als nach Qualifikation zusammenstellt. Auftritt Marvin Lewis.

Lewis hat sich im Laufe der letzten Jahre ein Renomme als exzellenter Defense-Spezialist erworben und jedermann erwartete Jahr um Jahr das Lewis ein Headcoach-Posten angeboten bekommt, zumal die NFL unter enormen öffentlich Druck steht, mehr Farbige als Chefcoach zu beschäftigen.

Irgendwann kam das Angebot. Ausgerechnet vom schlechtesten Team, ausgerechnet von einem Club ohne erfahrenen Management. Ein Team ohne Perspektive und nur einem guten Spieler: RB Corey Dillon der zudem die Schnauze von den Bengals voll hatte.

Und dann beginnt die Geschichte des häßlichen Entleins 2003… Lewis kam, verwies Dillon in seinen Schranken, der RB-Ersatz wuchs über seine Grenzen raus und die Bengals rauschten knapp an den Playoffs vorbei. Ungekannte Euphorie in Cincinnati.

Es kommt besser. Durch geschicktes Management haben die Bengals für die diesjährige Draft Zillionen von Draft-Picks gehortet. Gut möglich, dass Lewis da binnen drei Jahren einen SuperBowl-Champ schnitzt.

In der Offseason selber, tat sich Lewis nicht durch Trades hervor. Dillon wurde nun an New England abgegeben. Stattdessen hat er sich bereits im Vorfeld auf den jungen Carson Palmer als Starting-QB festgelegt, der damit den blassen “Arbeiter” QB Jon Kitna ablöst.

Und damit die gesamte Saison rund läuft, haben die Bengals sich sogar ein neues Logo und neue Trikots gegönnt. Zu den weißen und schwarzen gesellt sich ein oranges Trikots. Die Tigerstreifen sind nun zusätzlich auch seitlich an der Hose zu finden. Neben der weißen Hose wird es nun auch eine schwarze Hose geben.

Das Logo, früher ein Tiger, ist nun ein großes fettes “B” mit orange-schwarzen Tigerstreifen.

Pittsburgh Steelers

Es riecht nach einer Umbruchsaison, es schmeckt wie eine Umbruchsaison. Letztes Jahr sind die Pläne von Coach Cowher an zwei entscheidenden Punkten nicht aufgegangen: QB Tommy Maddox erwies sich als “One-Year-Wonder” und konnte keine Offense initiieren. RB Zeroue, der Bettis als primärer Ballträger ablösen sollte, stürzte in seinen Leistungen ebenfalls ab. Der Rest waren fallende Dominosteine: grottenschlechte Defense, miserbale Offense-Line.

In Sachen Laufspiel bereinigt man das Manko durch die Entlassung von Zeroue und die Verpflichtung von Duce Staley.

Für die Quarterback-Position wird allgemein gemunkelt, will man ein junges Talent draften. Aber an elfter Position in der ersten Runde stehend, werden nicht mehr die Top-Talente vorhanden sein. Wie dem auch sei: es droht ein weiteres Jahr mit dem eher durchschnittlichen Maddox.

Cleveland Browns

Die letzte Saison war für die Browns verheerender als es das nackte Ergebnis aussagt. Nach einem Leistungssprung vor zwei Jahren, bis in die Playoffs hinein, kam letztes Jahr der Rückschritt. Überwunden geglaubte Probleme in Defense und auf der QB-Position traten wieder auf und hinterliessen eine ratlose Stadt.

Dabei macht das Management der Browns keine gute Figur. Mal scheint man alle seine Jetons auf Coach Butch Davis zu setzen und ihm mit mehr Macht auszustatten, dann nimmt man einen namhaften Berater wie Ron Wolf hinzu, der dann wiederum nach drei Monaten das Handtuch wirft, nachdem der Teampräsident Policy zurückgetreten ist, möglicherweise als Konsequenz aus Kompetenzstreitigkeiten zwischen ihm, Coach Davis und Teambesitzer Lerner Jr..

Zusätzliche Unruhe hat die QB-Situation geschaffen. Nach drei Jahren Herumgeeiere zwischen dem hochbezahlten, talentierten Tim Couch und dem effektiveren Holcomb hat man sich nun für… QB Jeff Garcia entschieden, frisch bei den 49ers entlassen. Es gibt aber nicht wenige die bezweifeln dass der sensible Garcia der richtige Man für die derberen Browns und ihrem harten Coach Davis sind.

San Francisco 49ers

Umbruchjahr auch bei den 49ers. Die Probleme beim Salary-Cap nutzt man um unbequeme Spieler loszuwerden: QB Jeff Garcia und WR Terrell Owens. Zudem wurde RB Garrisson Hearst entlassen. Bereits bei der Verpflichtung von Coach Ericksson wurde letztes Jahr spekuliert, die 49ers würden ein Billigteam fahren wollen.

Keiner weiß so recht wie sich die neue Offense machen wird. Nachfolger wird wohl der junge Tim Rattay werden. Kein Ausnahmetalent, aber hinreichend Talent um ein Team weiterzubringen.

Dallas Cowboys
Jahr Zwei der Ära Bill Parcells. Parcells ist ein Meister im Aufbau von Franchises, hat völlig überraschend mit No-Name-Spielern bereits letztes Jahr die Playoffs erreicht. Jetzt der nächste Step? Viel hat sich nicht getan, Parcells setzt weiter auf QB Carter, zusätzlich ist Talent Drew Henson verpflichtet worden.

Galloway wurde mit WR Keyshawn Johnson getauscht. Er mag nicht populär sein, aber Johnson ist ein Ausnahmetalent als WR. Keiner mit den sensationellen Catches eines Owens oder Moss, aber immer mehr zum Arbeitstier geworden.

Green Bay Packers

Wenig Änderungen. Man setzt trotz zahlreicher Fehler weiter auf QB Favre in seinem möglicherweise letztem Jahr.

Denver Broncos

Es gab kaum ein Team mit einer besserer Ausgangsposition für den SuperBowl-Gewinn, als die Broncos vor 1-2 Jahre. Guter QB, exzellentes und tiefes Laufspiel. Doch man versiebte seine Chancen. Vernachlässigte die Defense und hatte mentale Probleme.

Letztes Jahr setzte man einen Schnitt an, entließ QB-Hoffnung Griese, holte Dauertalent Plummer. Dieses Jahr muss man nun das Laufspiel umstellen. Innerhalb von zwei Jahren ist Terell Davis zurückgetreten, Clinton Portis an Washington abgegeben worden und Mike Anderson will auch weg. Niemand mehr vom fantastischen Triumpvirat übergeblieben.

Viele Baustellen in Denver.

Miami Dolphins

Richtig viel Verkehr gab es bei den Dolphins. Nach den Verpassen der Playoffs erwartete jeder die Entlassung von Coach Wannstedt. Stattdessen wurde sein Vertrag verlängert, aber seine Kompetenzen beschnitten. QB-Ikone Dan Marino sollte Manager-Aufgaben übernehmen, aber schmiß wg. gefühlter eigener Inkomptenz nach 22 Tagen den Brocken wieder hin.

Auf der QB-Position konnte man sich wieder nicht für einen Neuaufbau entscheiden. Zum blaßen Jay Fiedler gesellt sich nun Talent AJ Feeley hinzu. Griese wurde zu den Buccs abgeschoben. Beide bekommen aber mit WR David Boston eine Anspielstation wie es sie seit einiger Jahren in dieser Qualität nicht gegeben hat.

Tennessee Titans

Obwohl der Kader weiter vor sich hin altert und verletzungsanfällig ist, hat es bei den Titans bislang noch keine gravierende Änderungen gegeben.

New England Patriots

Ganz anders beim Titelverteidiger, der ein recht rundes Team hat. Wenn es denn so etwas wie eine Schwachstelle gab, dann wurde es beseitigt: Corey Dillon verstärkt das Laufspiel. Eine nicht uninteressante Konstellation: der notorische Troublemaker Dillon beim Disziplin-Guru Belichick.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp