Tennis: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren

Die “Internationalen Deutschen Tennis-Meisterschaften” zu Hamburg sind längst zum Mahnmal eines heruntergewirtschafteten Sports geworden. Während anderen Ortes der New-Economy-Wahn tobte, gab der Deutsche Tennis Bund die in Boom-Zeiten verdiente Kohle mit vollen Händen und ohne Sinn und Verstand aus.

Für Heidengeld renovierte man die Anlage in Hamburg-Rotherbaum, inmitten einer Mittelklasse-Wohngegend im Herzen der Stadt. Um dann festzustellen, dass nach dem Tennisboom kaum noch jemand zum Tennis will und kaum jemand Tennis übertragen will. Am Ende eines fünfjährigen Absturzes steht das ATP-Turnier in Hamburg in Frage, eine Streichung aus dem Kalender droht.

Der DTB ist blank und hat mit der Anlage am Rotherbaum einen Geldfresser erster Güte an der Backe. So schön die Anlage ist: außerhalb des Turniers kann sie kaum benutzt werden. Konzerte in der 12.000 Zuschauer fassenden, überdachten Arena, sind aus Lärmschutzgründen im Wohngebiet nicht möglich. gerade einmal vier Tennisveranstaltungen werden pro Jahr genehmigt. Soviel kann Boris Becker nicht mit anderen ausgelutschten Ex-Tennis-Profikasper in indiskutablen Showveranstaltungen spielen, um den Kaviarhäppchenfressern die Kohle aus der Tasche zu ziehen.

Und wie es so ist, wenn man blank ist: nachdem man jahrelang nichts von Stadt und Staat wissen wollte, man auch öfters mit dem Wegzug nach Berlin drohte, sollen nun Hamburger Steuerzahler Solidarität zeigen und die Kohlen aus dem Feuer bringen. “Ja, aber der Standort Hamburg…”

Und so kommt es, dass nun ein Plan Formen annimmt, der sich so anhört, als wäre er von Jürgen Huhnke (ja, Ex-HSV-Präsident Huhnke!) und Bürgermeister Von Beust auf einer Drogenparty ersonnen worden: die Tennisanlage soll 6km westwärts in den Volkspark ziehen, eingekeilt zwischen AOL-Arena, ColorLine-Arena, Trabrennbahn und Altonaer Friedhof.

Weil die Kassen derart leer sind, weil die Hamburger Bürger derart sparen müssen, reicht das bloße Standort-Argument nicht mehr aus. Von Beust hat wieder Visionen bekommen: der Volkspark soll ein “Spitzensportzentrum“, oder im Neudeutsch der Schwadronierer, “Sport-Cluster” werden, Und man raunt sich gegenseitig “Olympia 2016” zu.

Visionen bis der Arzt kommt. Die braucht es auch um davon abzulenken, dass hier ein Sportverband eigenmächtig zweistellige Summen in den Grund gesetzt hat und nun Kohle für ein neues Gelände, den Neubau auf dem Gelände und den Umzug haben will. Ach ja, die Stadt soll auch noch für das ATP-Turnier bürgen. Schließlich macht es derzeit Jahr für Jahr eine halbe Million Miese. Und Hamburg hat keine dringlicheren Probleme.

(Quelle: Hamburger Abendblatt -1-, -2-, -3-)

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp