Was der 8te Spieltag brachte

Der achte Spieltag brachte erst mal Spitzenspiele mit angezogener Handbremse. Wer Spektakel wollte, musste sich bei PREMIERE nach Mainz oder Hamburg zappen.

In Hamburg entwickelte sich HSV – Bielefeld in der ersten Halbzeit zu einem munteren Schlagabtausch. Der HSV verletzungbedingt (Reinhard, Wicky) mit ungewöhnlicher Verteidigung: Barbarez als Mann vor der Abwehr. In Ansätzen zeigte sich der HSV stabilisiert. Van Buyten gewinnt von Woche zu Woche an Wichtigkeit und Autorität und vorne mühte man sich redlich.

Trotzdem gab es immer wieder Ausfälle und Fragezeichen. Seit seiner Ankunft in Hamburg wirbelt ein Jarolim völlig ohne Bindung zur restlichen Mannschaft sich einen Wolf und dürfte nicht nur der meistgefoulteste, sondern auch der ineffektivste Spieler der Liga sein.

Spielerisch macht der HSV Minifortschritte. Bedenklich ist aber die völlig am Bodne liegende Moral. Nach dem eiskalten Konter von Arminia zum 0:2 nach knapp 60 Minuten hat der HSV schlichtweg das Spiel aufgegeben. Dem Konter voraus ging eine hanebüche Aktion von Moreira, der sich als Lucio-Double versuchte und bei einem überstürzten und nicht abgesicherten Vorstoß hängen blieb und somit die Vorlage zum Konter gab.

Die Journalisten-Spatzen pfeifen es von ihren Reporterstühlen: diese Niederlage soll Toppmöllers Rübe kosten, Amateurtrainer Doll als (vorläufiger?) Nachfolger inthronisiert werden. Möglicherweise ist eine Trainerentlassung doch nicht DIE populäre Maßnahme für den HSV-Vorstand, denn gestern gab es lt. diverser Reporter im Stadion Sprechchöre zugunsten von Toppmöller (“Außer Toppmöller könnt ihr alle gehn“).

Ich persönlich würde nach der gestrigen Leistungen noch 1-2 Wochen mit Toppmöller arbeiten, ich habe nicht das Gefühl, dass eine Mannschaft die soviele Umstellungen und Umbrüche in den letzten Monaten mitgemacht hat, nun einen Trainerwechsel braucht.

Mainz – Werder war ganz großes Theater. Werder fehlte das letzte Feuer, der letzte Biß. Aber großartige Leistung von Mainz, die als Aufsteiger(!) gegen den Meister(!) das Spiel noch in den letzten sieben Minuten umdrehen. Das macht Spaß, das macht Laune und in Frankfurt und Köln kotzen sie sich derweil in der zweiten Liga die Seele aus dem Leib.

Die nächsten Wochen könnten bei Werder etwas unruhiger werden, je nachdem auf welcher Flamme das “Problem Micoud” gekocht wird. Bislang in dieser Saison mäßige Leistungen, das eine oder andere Interview zuviel und nun das 1:2 eingeleitet durch sein “Stehenbleiben und Abwinken” nach Ballverlust.

Stuttgart – Dortmund brauchte etwas Anlaufzeit um zum Spitzenspiel zu werden. Sobald die Stuttgarter aber anfingen ernst zu machen, wurde zumindest all sportlicher Elend des BVBs sichtbar. So schlecht sind die Einzelspieler bei Borussia nicht, haben, Position für Position, mit ihren schwäbischen Pendants mithalten können, oder waren ihnen überlegen. Aber der große Unterschied war der Spielfluß. Dort wo der VfB mit gepflegten Paß-Spiel das Spiel nach vorne brachte, gab es beim BVB nur Stückwerk zu sehen. Phasenweise spielte der VfB den BVB an die Wand.

Über all dem schwebten natürlich die außersportlichen BVB-Probleme. Der SPIEGEL bringt am Montag eine Story über zwei weitere “Vergehen” von Niebaum. Das gab es Ende der Neunziger eine völlig verunglückte “BVB-Eis-am-Stiel”-Aktion, die gestoppt werden musste, weil man übersehen hatte, das man Exklusivverträge mit Mövenpick hatte. Mittendrin: Niebaum und ein Bruder von Michael Meier.

Und schließlich gibt es eine verschwundene Steuerrückzahlung aus dem Riedle-Transfer von Lazio aus den Jahren 93/94. Die italienischen Steuerbehörden haben die Umsatzsteuer des Transfers irgendwann zurückgezahlt. Die Rückzahlung ist aber bei keinem BVB-Konto aufgeschlagen, sondern auf einem italienischen Konto mit Niebaums persönlicher Anschrift. Niebaum bestreitet die Vorwürfe und spricht davon, dass die Umsatzsteuer damals an Lazio abgetreten worden ist, kann aber dafür keine völlig koscheren Belege liefern.

Die SPIEGEL-Story wirkt wie “schaun’mer mal was wir finden“, zwei Ereignisse die etwas mühsam durch den “Klebstoff Niebaum” zusammengehalten werden. Die Vorwürfe sind durchaus gravierend und möglicherweise justiziable, aber sollten wg. der mühsamen Beweislage Niebaum zumindest kurzfristig schaden. Am interessantesten finde ich aber, dass möglicherweise Meier in dem Finanzgebahren erheblich tiefer drinsteckt als ich dachte. Meier machte bislang immer den Eindruck, ein von Niebaum angetriebener gewesen zu sein.

Natürlich betrieb der BVB gestern auch Öffentlichkeitsarbeit. Gleich drei PR-Arbeiter für die Causa Niebaum traten auf PREMIERE auf. Zuerst Stefan Reuter der für den verspäteten Meier einspringen musste und fünf Minuten lang stotternd und haspelnd immer Variationen des Satzes “Die Mannschaft muss jetzt sportliche Erfolge liefern, um Niebaum und dem Verein zu helfen” lieferte.

Dann ein Michael Meier, diesmal nicht mehr in seinem roa Anzug, der nicht so verbissen und aggressiv wie sonst auftrat, müde und abgekämpft wirkte. Argumentationslinie: Niebaums Lüge war ein Kavaliersdelikt, inzwischen zugegeben und damit vergeben.

Der energischste Fighter für “Dr. Lügenbaum” (BILD) war aber Matthias Sammer nach dem Spiel, der in seinen Statements die ihm eigene Prise Cholerik reinbrachte. Das Sammer wie weiland HB-Männchen hochging, liegt auf der Hand, denn die Schuldensituation des BVBs ist nicht zuletzt auch einem von ihm zusammengestellten Kader zu verdanken. Argumentationslinie hier: Röckenhaus und Hennecke machen die Drecksarbeit für Oppositionelle die nicht die Eier haben, sich aus der Deckung zu trauen. Niebaum, Ehre, bla.

Was einzig an der Glaubwürdigkeit am Sammer’schen Diskurs fehlte, waren Namen. Sammer sagte zwar dass er die Namen die dahinterstecken, wüsste, weigerte sich aber diese Namen zu nennen und betrieb damit das gleiche Spiel, dessen er Sekunden vorher Röckenhaus und Hennecke beschuldigte.

Und während sich Sammer in rage redete, stand Van Marwijk am Tisch, mit Händen in den Hosentasche, starrte betroffen auf den Boden und sah irgendwie so aus, als wäre er die ärmste Sau.

Unterdessen werden anderen Ortes die geschütze in Stellung gebracht oder schon abgefeuert. Großmogul Homm feuert wohl in der BamS eine Salven auf Niebaum ab, sinngemäß: “mit seinem Verhalten schaden er dem Verein und ist daher nicht mehr zu halten“.

SPIEGELonline berichtet von einem Plan, der vorsieht dass Niebaum auf der Vollversammlung im November als Präsident des Vereines Platz für Rauball macht, aber bis 2006 Geschäftsführer der KGaA bleibt, ebenso wie Meier.

Bayern – Schalke war ein richtig enttäuschend schwaches Spiel. Die erste Halbzeit war unerträglich, kein Pass weiter als 5Meter der ankam, Probleme bei der Ballbehandlung etc… Eigentlich hätte der Schiedsrichter jede zweite Aktion abpfeiffen müssen: “Kommt Jungs, so geht das nicht, das machen wir nochmal, ich weiß dass ihr das besser könnt!“. Von wegen Verpflichtung für den zahlenden Zuschauer.

Im Laufe der Zeit “groovte” sich Schalke besser ins Spiel ein, Bayern hatte dem nichts entgegenzusetzen. Asamoah blühte auf und machte folgerichtig den einzigen Treffer. Das war ein richtig bedenkliches Spiel für die Bayern. Da hat überhaupt nix geklappt.

Damit setzt sich ein Trend der letzten Saison fort: die Abschaffung wirklich “großer” Spitzenspiele. Meistens nur lahme Rohrkrepierer. Ausnahme aus der letzten Saison: VfB – Werder und ich meine auch Werder – Bayer.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Und inzwischen wurde pünktlich zum DSF-Doppelpaß Toppmöller entlassen.

  3. Was Sammer sich im Interview auf Premiere leistete, war beschämend. Seine zwei Kernthesen waren:

    1. Was die Situation beim BVB schwierig macht, sei nur, dass die Diskussion in der Öffentlichkeit ausgtragen werde. Als wenn die öffentliche Diskussion nicht gerade das Heilmittel der schrecklichen Krankheit “selbstherrliche Wirtschaften ohne Verantwortungsgefühl den Mitgliedern und Aktionären gegenüber” wäre, die den BVB befallen hat.

    2. Es sei unredlich von Röckenhaus und Hennecke, ohne Nennung ihrer Quellen zu berichten. Schon mal was von Quellenschutz gehört, Matze? Macht das die Berichte in SZ und kicker auch nur einen Deut weniger wahr? Und völlig richtig bemerkt: Selbst wolte er dann auch die Quellen nicht benennen, die er angeblich kennt.

    Tut mir leid, aber gestern war Sammer ein cholerischer Wichtigtuer ohne Fachkompetenz. Geh wieder Fußballer trainieren und Nicole hören!

    Viele Grüße,
    SurfGuard

    P.S.: Kann eigentlich nicht mal jemand eine Bürgerinitiative für ein besseres Bild bei den Premiere-Übertragungen starten? Die Bildqualität ist mittlerweile so stark runter komprimiert, dass die klassichen Artefakte deutlich sichtbar werden, insbesondere die Glorienscheine um die Spieler und den Ball herum sind unerträglich.

  4. This just in: Niebaum tritt zurück! Er schlägt selbst Rauball als Nachfolger vor, der ab sofort schon mal die Verantwortung für den Profibereich übernimmt.

    Viele Grüße,
    SurfGuard

  5. Mal zu den Bayern:
    Habe mir das Spiel live – vor Ort – mit ca. 59000 anderen enttäuschten Zuschauern angesehen. Die weiteren 4000 aus Schalke waren zum Schluß verständlicherweise überglücklich. Aber das Niveau war tatsächlich unterste Kategorie, sowohl auf dem Platz als auch auf den Rängen. Von Stimmung und Anfeuern keine Spur. Bis auf idiotisches “Ihr seid nur Ruhrpott-Kanaken” war nix zu hören von den Bayern-Fans um mich herum. Herzlichen Glückwunsch! Ach doch, zweimal kurzes “Steht auf, wenn ihr Bayern seid” war noch. Gääähn! Nun weiß ich, was eine prima Gegengerade wert ist und gehe mit Spaß weiterhin zum FC St. Pauli. Und komme mir da keiner mit: “Die spielen doch scheiße”…