Advocaat. Und Celtic. Und Rangers. Und Gladbach.

Vor drei Tagen verwechselte ich in einem Lapsus Carmen Thomas’sche Dimensionen (“Schalke 05”) Celtic und Rangers miteinander. Kein Tippfehler, keine Freud’sche Fehlleistung, ich habe es nicht besser gewusst. Advocaat, Glasgow, viel Geld, also Celtic und abgehakt. Armin machte mich darauf aufmerksam und es gilt zur Buße den Lehrstoff zu pauken.

Der Stoff ist sofern interessant, weil er, und da ist die schlußfolgerung vom Donnerstag dann doch korrekt, Schlußfolgerungen für Advocaats Zeit bei Gladbach erlaubt.

Historisches

Die blauen Rangers und grünen Celtics gehören zu den geschichtsträchtigsten Fußballvereinen der Welt. Beide in Glasgow beheimatet, wurden ausgangs des 19ten Jh. (1872 bzw. 1888) gegründet. Die Blauen wurden zum Club der Protestanten und hatten bis 1989 ein selbstauferlegtes Verbot nicht-protestantische Spieler zu verpflichten.

Die grünen Celtics gilt als katholischer Verein. Die Farbe “grün” und der “Nickname” Celtic verweisen auf die irische Abstammung. Während der Hungersnot in Irland (Mitte 19tes Jh.) flohen viele Iren nicht nur nach Amerika (siehe “Gangs of New York”), sondern auch nach Schottland. Celtic wurde “ihr” Verein und damit ein katholischer Verein. Im Gegensatz zu den Rangers nahm man aber auch nicht-katholische Spieler auf.

Grün

In den 90er-Jahren kam Celtic, damals im Besitz von Familien-Dynastien, in immer größere finanzielle Kalamitäten und nur Minuten bevor der Verein bankrott erklärt werden musste, wurde der Verein 1994 von Fergus McCann übernommen. McCann machte schnell Klar Schiff. Neuer Trainer, ein Scouting-System um an junge, billige und willige Spieler ranzukommen, Ausgabe von Aktien und nicht zuletzt ein neues Stadion.

Ende der Neunziger öffnete sich Celtic dem Ausland. Anstatt den Abwanderungen schottischer Talente ins Ausland nachzutrauern, wurden ausländische Spieler geholt.

Diese Politik setzte der jetzige Trainer Martin O’Neill, 2000 zum Klub gekommen, konsequent fort. Die Folge: viele ausländische Spieler bei Celtic. Auch wenn sich Martin O’Neil grämt, weil er glaubt mit den finanziellen Mitteln Celtics auf absehbarer Zeit der europäischen Spitze unterlegen zu sein, es ist nicht so, dass Celtic ein Low-Cost-Truppe und finanziell konservativen Sparkurs fährt.

Die Truppe kostet derzeit roundabout 60 Mio EUR Gehalt pro Jahr. Zum Vergleich: der Posten “Spielergehälter” ist beim BVB dieses Jahr zirka 35 Mio, letzte Saison 45Mio EUR groß gewesen.

Celtic schleppt seit Äonen Schulden mit sich herum und die sind auch auf die Personalkosten zurückzuführen. In Martin O’Neills erstem Jahr stiegen die Schulden von 22Mio auf knapp 45 Mio EUR an. Der Schuldenstand von Celtic steigt und sinkt mit dem jeweiligen Weiterkommen in der Championsleague. Selbst im Jahr des UEFAcup-Finales hat man einen Verlust von 7Mio EUR geschrieben. Aktuell liegt der Schuldenstand wieder bei 22 Mio EUR.

Blau

Die Rangers wurden in den Neunziger von einem Industriellen übernommen. David Murray fuhr eine Politik der teuren Expansion. Den Erfolg mit Geld kaufen. Weit über 200 Mio EUR hat Murray in Stadion und Mannschaft reingepumpt.

Wen man schon das finanzielle Gebaren von Celtic für fragwürdig hält, verschlagen einem die Rangers jegliche Sprache. Mit dem Bruch der “nur Protestanten”-Politik 1989 holte man an Spielern alles was nicht niet- und nagelfest war und hatte bis Ende der Neunziger Erfolg. Dann kamen aber die Celtics wieder auf und sind derzeit den Rangers haushoch überlegen.

Wo die Celtics sich noch bemühen zumindest eine schwarze Null zu schreiben, holen die Rangers Jahr um Jahr eine größere Brechstange raus. Aktueller Schuldenstand: über 100 Mio EUR. Man erklärt es mit dem “Pech” ausgerechnet zu einem Zeitpunkt in Spieler investiert zu haben, als der europäische Markt erhitzt und damit überteuert war. Die Rangers hatten phasenweise die drittteuerste Mannschaft der britischen Insel.

Murray, gerade als Vorstandsvorsitzender der Rangers zurückgekehrt, hat mit der Ausgabe von Aktien einen Großteil der Schulden getilgt und ein finanzielles Umstrukturierungsprogramm gestartet. Er erklärte dass man fortan an Transfers nur noch soviel ausgeben will, wie man an Transfers einnimmt. Es erinnert alles ein bißchen an den BVB.

Der Sieg der Blauen vor einigen Wochen gegen die Grün-Weißen von Celtic könnte vielleicht eine Zeitenwende einläuten, das Ende der Dominanz von Celtic. In der Tabelle gibt es ein Kopf an Kopf-Rennen und die Finanzen sind von Murray jetzt vielleicht wieder auf die richtigen Gleise geschickt worden.

Aber beide Vereine stecken in einem schottischen Dilemma: die Liga ist zu klein um ertragsreich zu sein. Daher wird in jährlichen Abständen an die Premier-League angeklopft und um Einlaß gebeten, ins Land der hohen Fernsehgelder und der ruhmreichen Gegner, finanziell und sportlich lukrativ.

Money-man Advocaat

Advocaat, inzwischen von mir hundertmal auf die hauseigene Kreidetafel geschrieben, ist Coach bei den Rangers gewesen. Zu einem Zeitpunkt als Murray und Co. noch mit der Schaufel das Geld ausgaben.

Je nach Quellen haute Advocaat in seinen vier Jahren (1997-2001) 120 Mio EUR für 39 neue Spielern raus (durch Transfers von 56 Spielern wurden 60 Mio eingenommen), obwohl man Abonnementmeister war.

So gerne sich Advocaat mit Stars anlegt und auf Namen keine Rücksicht kennt, so scheint er, schaut man sich die Transferpolitik an, doch der Kraft des großen Geldes zu vertrauen. Damit geht er konform mit der derzeitigen Politik der Vereinsführung. Ziege, Heinz, Neuville und nun Jörg Böhme. Das sieht nicht nach Erfolg aus, sondern nach Brechstange. Schneller Erfolg um das Stadion zu füllen, koste was es wolle.

Vielen ist diese Politik nicht bekommen und zwei Punkte bis zu den Abstiegsplätzen lassen nicht viel Raum zum Experimentieren und Umbau einer Mannschaft. Nach der nächsten Niederlage und einem Sieg von Bochum, kommt die medial Nassrasur von Advocaat. Advocaat wirkte in der Schlußphase seiner letzten Amtszeit als Bondcoach in Sachen Taktik wankelmütig und rastlos.

Das alles zusammengenommen ergibt für Gladbach eine sehr, sehr kitzlige Mischung. Das Premierenjahr im neuen Stadion könnte mit neuerlichem Abstieg enden, mit allen Konsequenzen für das dort beschäftigte Personal, vulgo: Massenabgänge zugunsten eines “schlanken” Zweitliga-Kaders.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ojehmihneh… dunkle Wolken sieht allesaussersport am Adventshimmel über dem Gladbacher Stadion aufziehen.
    Was sagte gestern nach dem Spiel Mijnherr Advokat: 3 oder 4 neue Spieler sollen kommen… na, die Einkaufspolitik der Gladbacher macht einem ja regelrecht Sorgen.
    Wenn´s dann nur mit Abstieg enden würde, wäre das ja noch erträglich.
    Ich habe den Eindruck, da wird am kompletten Desaster gearbeitet. Herr Hochstätter, Herr Hochstätter, wenn das man gut geht. Sie erinnern mit ihrem Club an die Jahre des Niedergangs von Hannover 96. Als einer schlampige und unmotivierte Altstartruppe den Fans in Hannover das interesse am Fußball regelrecht austrieb…

  3. Vielleicht sollte man noch erwaehnen dass Celtic Park auch als “Paradise” bekannt ist (ueber den Grund gibt’s verschiedene Geschichten), waehrend Ibrox durchaus auch “Castle Greyskull” genannt wird.

    Und das Celtic als erster Verein von der Insel die Champions League (na ja, damals hiess sie noch nicht so) gewonnen hat (1967 mit den Lisbon Lions unter Jock Stein).