Vorschau Arsenal – ManU

(21h00, live auf PREMIERE, Kommentator: Wolff Fuss)

Es ist vermutlich nicht wirklich die wichtigste Partie der Saison. Arsenal und ManU hinken 10 bzw. 11 Punkte hinter den enteilten Emporkömmlingen aus Chelsea hinterher und 6 bzw. 7 Punkte vor den anderen Blauen aus London-Everton. Selbst der Sieger dürfte kaum noch kaum noch an ZSKA Chelsea herankommen.

Aber so ein Sieg würde einiges zum körperlichen und psychischen Wohlbefinden der beiden Trainer Arsène Wenger und Sir Alex Ferguson beitragen, die sich beide, und an dieser Stelle ist das Wort ausnahmsweise wirklich angebracht, hassen wie die Pest.

Wenn wir ehrlich sind, glauben wir kaum daran, dass es ein gutes, torreiches Spiel wird. Wir lechzen eher das irgendwas spektakuläres passiert, das Wenger vielleicht mit Mullbinden nach Ferguson wirft oder so.

Das Spiel

Arsenal und ManU passierten die Klippe “FA Cup” am Wochenende souverän und holen für die Partie des 25ten Spieltages einige angeschlagene Spieler von der Bank. Grosso modo wird man mit dem Besten antreten können, was man zur Zeit zur Verfügung hat.

ManU hat mich in letzter Zeit stärker überrascht. Man ist seit Ende Oktober in 13 Liga-Spielen ungeschlagen und hat dabei gerade zuletzt durchaus überzeugende Spiele geliefert, während Arsenal derzeit vom Flair der Wehleidigkeit und des Beleidigtsein umgeben ist, trotz mitunter guter Siege (z.B. gg. Newcastle). Man redet einfach mehr über Arsenals Schwächen als Stärken.

Obwohl ManU die zweitbeste Abwehr der Liga hat, hat mich zuletzt eher die Offensive beeindruckt, bei der die Spieler ins Rollen gekommen sind: Rooney, Ronaldo, Giggs, Smith, Scholes. Insbesondere Ronaldo erstaunt mich immer wieder, angesichts des Tempos mit dem er sich in den letzten 18 Monaten weiterentwickelt hat. Hätte ich nicht gedacht, dass er sein gutes Niveau von der EM wird halten können.

Arsenal hat die meisten Tore in dieser Saison geschossen und trotzdem steht immer wieder eher die Defensive zur Diskussion, auch abseits der Lehmann/Almunia-Debatte. Die Schwächen bei ruhenden Bällen und ein Patrick Viera bei dem sich manche fragen, ob er seinen Zenit schon überschritten hat.

Hinter dem Spiel

Derweil werden vor dem Spiel zahlreiche Nebenkriegsschauplätze eröffnet: ist die Wahl von Referee Graham Poll eine gute oder nicht, hat Chelsea verbotenerweise Arsenals Cole Avancen gemacht oder nicht (Mourinho: “Ich habe ein Alibi, ich war in Mailand und habe mit Adriano gesprochen”). Möglicherweise macht gerade die Cole-Affäre die Meisterschaft noch spannend. Sollte sich der Artikel des Bluevardblatts “News of the World” bewahrheiten, hätte sich Chelsea einem Spieler während einer “Sperrzeit” angenähert und die FA könnte einen Punkteabzug verhängen.

Die eigentliche Geschichte des Spiels ist nicht wer wie mit der Pille umgeht, sondern das Grätschen, die Tacklings, das Verhalten auf und außerhalb des Spielfeldes.

Seit Jahren schaukelte sich die Partie der Erzrivalen immer höher. Ohne rote Karten, frappierende Schwalben, Tätlichkeiten und wüste Beschimpfungen geht es nicht mehr ab. Und zuletzt auch außerhalb des Spielfeldes, als aus Arsenal-Kreisen nach Ferguson mit Lebensmitteln geschmissen wurde. Insbesondere Arsenal scheint sich vom Gift des Spiels leichter vom Konzept abbringen zu lassen, als die “Reds”.

Beide Trainer taten im Vorfeld alles um die Gemüter noch mehr zu erhitzen. So sehr, dass sich Verband und Polizei genötigt sahen einzuschreiten und den beiden mit einem Maulkorb drohten. Beide weigern sich beharrlich die Qualitäten des Gegners anzuerkennen.

Eine Sache des Stolzes

Die Schuld für die schlechte Laune von Ferguson und Wenger trägt ein Dritter: Mourinho, der junge Emporkömmling der mit Chelsea und viel Geld alles wegrasiert und aus einer Fußball-Liga einen berechenbaren Businessplan gemacht hat.

Indirekt unterminiert Mourinho mit der “mit Geld kann man Erfolg kaufen“-Maxime die Aufbauarbeit von Ferguson und Wenger, die immer wieder versuchen junge Talente aus Europa heranzuziehen und den nächste großen Spieler zu finden.

Mit einem Schlag und vielen Schecks scheint ein Mourinho mehr Erfolg zu haben, als Ferguson und Wenger mit ihren jahrzehntelangen Erfahrungen. Mourinhos Siege sind nicht nur einfach Siege, sondern meistens für den Gegner vernichtende Niederlagen. Diese Unnahbarkeit, Makelosigkeit Chelseas zeigt einen Qualitätsunterschied der Arsenal und ManU zu schaffen macht.

All die Sonne für Mourinho und Wenger und Ferguson müssen sich nun auf einmal wie die pickeligen Jungen beim Abschlußball fühlen, die von all den schönen Schnitten dieser Welt ignoriert wird. Binnen eines halben Jahres heißt der Maßstab der Liga Mourinho.

Im Falle von Wenger kommt erschwerend hinzu, dass wahrscheinlich ein großer Batzen Minderwertigkeitsgefühl mitschwingt. Wenger ist der aristokratische Einzelgänger, der unnahbare Intellektuelle, der Fußballprofessor aus Frankreich. Man vergleiche das mit dem jovialen, schottischen Alex Ferguson, ausgerüstet mit einer Säufernase die förmlich zum nächsten Kneipenbesuch einlädt, der, stellvertretend für uns alle, ab und zu neureichen Fußballspielern einen Schuh an den Kopf wirft.

Beide haben annähernd gleich viel Erfolg, haben einen Club auf annähernd gleich solidem Fundament gestellt. Aber dreimal darf man raten, wer in der englischen Fußball-Öffentlichkeit besser wegkommt. Der Schunkel-Schotte oder der kühle Egghead von der anderen Seite des Ärmelkanals…

Dem perfektionistischen Franzose war das wurscht, solange Arsenals Name in die Pokale eingraviert wird, aber nun fehlt ihm diese Ersatzbefriedigung und er muss fürchten langfristig nur in der dritten Reihe der Liga zu stehen. Auch wenn man dieses Jahr gut mithalten konnte, das was Chelsea (135 Mio Pfund) und ManU (105 Mio) dieses Jahr an Geld in das Team reinpumpten, war 2-3 mal so viel wie Arsenal (46,75 Mio).

Das macht sich am Kader bemerkbar, denn Pires, Viera und Henry sind auf ihrem Zenit oder schon darüber hinaus. Alles was dahinter kommt, ist aber nicht mehr die ganz große europäische Spitzenklasse. Wenger versucht europäische “No-Name”-Spieler wie Fabregas, Van Persie, Flamini, Clichy oder Reyes einzubauen, die noch Jahre weg vom europäischen Top-Format sind, während Mourinho sich in der Fertigkost-Abteilung bedient und einen Adriano einzukaufen trachtet.

Das eigentliche Spektakel wird deswegen heute eher am Seitenrand stattfinden, in den Mimen von Wenger und Ferguson.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ein absolutes Hammerspiel war das heute, selten so viele Torchancen u so viele 2Kämpfe gesehen. Der Schiri war hervorragend, hat auch mal laufen lassen, nicht so wie in der dts. Buli wo dauernd gepfiffen wird.
    So muss das sein, Fußball ist nämlich ein KAMPFspiel und nichts anderes.
    Wie der O’Shea, der ja meines Wissens nach eigentlich kein Torjäger ist, das Ding zum 4-2 reingemacht hat, war erste Sahne. Möchte mal stark bezweifeln ob ein Kovac oder Babbel oder sonstwer den auch so cool u technisch gut eingelocht hätte.