Rummenigge und Sexappeal des Geldes

Die FAZ befasst sich mit der Lage des deutschen Fußball. Nein, damit ist nicht so sehr das Abschneiden im Europacup oder “Uns Jürgen” gemeint, sondern die Finanzen. Einerseits ist es deutlich hörbar wie es im Gebälk der ersten und zweiten Liga knirscht, die Vereine immer gewagtere Finanzkonstrukte entwickeln und die DFL recht naiv allenfalls die Zahlungsfähigkeit überprüft.

Andererseits merkt man dass man kurz vor dem gewaltigsten Paradigmenwechsel im deutschen Fußball seit 40 Jahren steht: dem Aus des “zeitnahen” Fußballs im Free-TV. Leute wie Rummenige verströmen aus jeder Pore den Odeur der Geldgeilheit. Nicht zuletzt weil, ,siehe oben, und damit schließt sich der Kreis, höhere Einnahmen auch eine Frage der Existenz sind.

Nun kann man zu diesen Entwicklungen geteilter Meinung sein, aber so oder so hat man ein Problem, dass Michael Ashelm in der FAZ auf den Punkt bringt: “Ohne erkennbare Strategien und Reformkraft kämpft die Bundesliga gegen den Negativtrend.“.

Waren die Veränderungen im deutschen Fußball in den letzten 24 Monaten gekennzeichnet durch: 1/ Finanzierungsmodelle und 2/ TV-Einnahmen, hat “Kalle” Rummenigge in der letzten Woche offensichtlich mit Absicht eine dritte Front aufgemacht und versucht das Prinzip der gleichmäßigen Geldverteilung auszuhebeln.

Die Chancen sind gut, denn die Finanzierungsmodelle von Hertha, HSV, Schalke, Dortmund, Gladbach und nun auch der Bayern (dank des Stadions) erhöhen den Leidensdruck. Die Frage nach der Sinnigkeit der Rummeniggeschen Vorschläge scheint sich schon gar nicht mehr zu stellen.

[Was] ist fair? “Große Klubs wie die Bayern, Schalke, Hertha BSC oder Stuttgart müssen für ihre Verdienste belohnt werden”, findet Rummenigge. Und das Beispiel der englischen Premier League, die sich ebenfalls einer zentralen TV-Vermarktung verpflichtet, zeigt, daß ein stärker an Leistung, Fernsehpräsenz und Attraktivität einzelner Klubs ausgerichtetes Verteilungssystem funktioniert.

Das englische System “funktioniert”? Was funktioniert daran, wenn es offensichtlich ist, dass die Meisterschaft nur noch mit finanzieller Hochrüstung zu erreichen ist? Das englische System “funktioniert” nicht. Zahlreiche kleine Clubs brechen weg und andere fangen nun an, gegen das System aufzubegehren, dass die erfolgreichen Clubs, die eh schon Mehreinnahmen durch europäische Wettbewerbe besitzen, auch national bevorteilt. Man kann, so wie es die FAZ tut, mit den 18 Meisterschaften der Bayern argumentieren, man kann aber auch mit der Meisterschaft des 1FCK und der letztjährigen Leistungen von Stuttgart und Werder argumentieren.

Wie schief ist eigentlich die Argumentation von Rummenigge, wenn der Erfolg in den europäischen Wettbewerben als initiale Argumentation herhalten muss, und nicht mehr der Erfolg in den nationalen Wettbewerben? Weil es den Bayern inzwischen wurscht ist, ob sie Meister oder Tabellendritter werden, solange sie sich für die Championsleague qualifizieren?

Ist es jetzt soweit, dass die Championsleague nicht mehr eine “Belohnung”, sondern die “raison d’être” geworden ist und sich damit direkt gegen die heimischen Meisterschaften stellt?

So gesehen, ist all die Diskussion um Sportschau und DFL-Lizenz nur ein Nebenkriegsschauplatz. Karl-Heinz Rummenige hat vielmehr die Brechstange angesetzt um langfristig die Bedeutung der Bundesliga auf nahe Null runterzuschrauben. Die logische Konsequenz von Rummenigges Tun ist eine europäische Liga, die sich immer mehr von der Basis abkoppelt. Ein Auf- und Abstieg würde in einer “G14-Liga” keinen Sinn machen und wäre darüberhinaus für jeden Verein existenzgefährdend. Die heimischen Fans rücken völlig in den Hintergrund, wie man mit eigenen Augen sehen kann, wenn man sich die Zuschauerzahlen des FC Bayerns oder der italienischen Vereine am Dienstag und Mittwoch abend betrachtet.

Ich mag Uli Hoeneß. Ich werde es bedauern, wenn er in absehbarer Zeit seinen Posten aufgibt. Man muß nicht mit allem übereinstimmen, was Uli Hoeneß von sich gegeben hat. Aber es graut mir, wenn der Fußball von solch kühlen Killern wie Karl-Heinz Rummenigge beherrscht wird.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Naja, ganz so streng würde ich das nicht sehen. Uli Hoeneß ist mir zwar auch deutlich sympathischer als Kalle Rummenigge, aber so ganz unrecht hat der auch nicht.

    Du hattest neulich ja mal aufgeführt, dass Geld keine Tore schießt und die reichen Ligen in den letzten Jahren nicht gut in den UEFA-Wettbewerben abgeschnitten haben. Die UEFA-5-Jahres-Rangliste mit den Länderkoeefizienten spricht da eine andere Sprache:

    1. Spain: 79.851
    2. England: 62.153
    3. Italy: 59.186
    4. Germany: 49.489
    5. France: 48.326
    6. Protugal: 42.333

    Da ist das Geld-Gefälle doch schon deutlich erkennbar. Man könnte sogar noch eher sagen, dass die Bundesliga für ihre finanziellen Möglichkeiten im Vergleich zu Frankreich und Portugal zu schlecht abgeschnitten hat. Aber der deutliche Abstand nach oben zu Spanien, England und Italien, den “Geldligen”, überrascht nicht wirklich.

    Insbesondere war auch der relative Abstieg der italienischen Clubs markant, nachdem die in den 90ern noch das Geld mit vollen Händen rausgeworfen hatten und Top of the Pops waren, rangieren sie jetzt nur noch auf Rang 3.

    Das Geld ist natürlich nicht der einzige Grund für dieses Ranking, aber er lässt sich nicht wegdiskutieren.

    Viele Grüße,
    SurfGuard

  3. Es ist richtig dass in der Grundtendenz die 5-Jahres-Wertung Ähnlichkeiten mit der Einnahmesituation aufweist. Aber es gibt immer wieder Ausnahmen. Gestern zeigte PREMIERE ein 3-Jahres-UEFA-Ranking in dem Deutschland auf Platz 6 abgerutscht ist, von Frankreich und Portugal überholt und bald (Eindhoven, Alkmaar) von Holland eingeholt.

    Zumindest Holland und Portugal hätten, wenn es nach der Geldrangliste geht, Deutschland nicht überholen dürfen.

    Das Reinpumpen von Geld in einen Club ist ein bißchen wie Aktienspekulation: die Hoffnung in die CL zu kommen und dort zumindest ein Jahr lang gut mitmachen, um dort dann eine Art Geldkreislauf in Gang zu setzen.

    Viele Clubs sind dabei gescheitert und sind nach den Geldspritzen 1, 2, 3 Jahre später abgestürzt, wie z.B. Newcastle, Lazlo, AS Roma etc… Andere haben es geschafft, namentlich Chelsea.

    Geld ist nicht der einzige Faktor, siehe Ranieri vs. Mourinho, aber ohne Geld ist es inzwischen anscheinend unmöglich konstant oben mitzuspielen.

    Anderer Ansatz, ich hole etwas aus:
    Es gibt seit der Jahrtausendwende im Baseball eine interessante Bewegung, die versucht sportlichen Erfolg mit Mittel der Wirtschaftstheorie zu erreichen. Es wurden, zuerst von Billy Beane bei den Oakland A’s, effiziente und kostengünstige Spieler gesucht. Hauptwerkzeug waren dabei durch Wirtschaftsmathematik inspirierte Statistiken. Die entsprechenden Wirtschaftstheorien führten Beane zu der Überzeugung, dass ein bis dato völlig unterschätzter statistischer Wert (on base percentage) der Hauptindikator für Effizienz eines Spielers war.

    Beane gelang es mit diesen statistsichen Hilfsmitteln über 2-3 Jahre hinweg kostengünstige Mannschaften mit hohem sportlichem Erfolg zu basteln. Das ganze Prozedere inkl. der dahintersteckenden Theorien ist in einem Buch “Moneyball” von Michael Lewis beschrieben.

    Der Knackpunkt der nun für unsere Diskussion hier wichtig ist: nach 2-3 Jahren hatten sich die Methoden herumgesprochen und die reichen Teams rüsteten “intelletuell” nach. Der konzeptionelle Vorsprung von Oakland war dahin.

    Der Autor Michael Lewis sagte gestern in einer Fragestunde, dass die Möglichkeiten kleinerer Teams durch bessere Konzepte den Mangel an Geld auszugleichen, immer stärker zurückgehen werden, weil die “reichen” Teams durch Resourcen dazulernen und “effizienter” arbeiten.

    I think that the theoretical problem envisioned by M.L.B. more than a decade ago — that when you have rich and poor teams, the rich teams would always beat the poor ones — will become more of a real problem the more efficient the market becomes. The Oakland A’s — and other poor teams — can compete with a small payroll because they can find ways to make that money go further. But once they lose their intellectual advantage, they are doomed. The Los Angeles Angels spending twice as much on baseball players as Oakland matters more in 2005 than the Texas Rangers spending nearly three times as them in 2002.

    Mir fällt dazu das Beispiel des SC Freiburgs ein. Vor 5-6 Jahren waren sie noch heißer als Frittenfett, jedermann bewunderte den Finke-Style. Heute ist das Gerenne und Kurzpaßspiel inzwischen auf breiter Front adaptiert, der konzeptionelle Vorteil von Freiburg ist dahin und man ist zur grauen Maus, zur Fahrstuhlmannschaft geworden.

    Langer und längster Rede kurzer Sinn: auch ohne Geld kann man punktuell zu Erfolg kommen, aber das Niveau kann ohne die Resourcen nicht dauerhaft gehalten werden. Insofern spiegelt in der Tat die Geldeinnahmeliste auch eine Rangliste des europäischen Fußball ab.