Fußball-Shots: Das Risiko Zidane

Die Franzosen können ziemliche Nostalgiker sein, vorallem wenn es um eigene Errungenschaften geht. Und so zeigt der Franzose (man verzeihe die Verallgemeinerung) immer noch diesen glückseligen Blick, wenn er an die große Équipe von 98-2000 denkt.

Jeder der später in der Nationalmannschaft agierte, musste daher mit dem Schatten der großen Vorbilder kämpfen. Vieles wird verdrängt. Auch dass die Rahmenbedingungen im Laufe der Zeit wechselten. Das Scheitern der Franzosen bei der WM 2002 und der EM 2004 hat nicht soviel mit dem Personal selber zu tun (das auf dem Platz nicht soooo unterschiedlich war), sondern mehr mit dem Drumherum. Das Zidane und Co. Stars waren, schlug voll durch. Bei der WM 2002 litt die gesamte Vorbereitung an den Verpflichtungen der Spieler links und rechts vom Spielfeld sowie der langen Leine von Roger Lemerre. Auch Trainer Santini rasseltge zur EM mit den Stars aneinander, die zu dem in schlechter körperlicher Verfassung waren.

Richtig runter ging es für die französische Nationalmannschaft in der aktuellen Ägide Domenech. Frankreich ist bei der WM-Qualifikation mitten in einem “4-way-race” und hat bei Heimspielen gegen die Konkurrenz schon wertvolle Punkte abgegeben. Domenechs Umstellungen fruchteten nicht, die Mannschaft wirkte größtenteils unharmonisch, als ob der Umbruch noch nicht völlig vollzogen wäre. Spieler wie Treizeguet, Henry und Viera wirken noch wie “Altlasten” aus der großen alten Zeit, während hinten blutjunge Spieler unstrukturiert vor sich hin wurschteln.

Während Klinsmann und Konsorten den Bruch mit der Vergangenheit propagieren und offensiv anpacken, geht Frankreich nun genau den umgekehrten Weg und holt drei glorreiche Namen aus vergangenen Zeiten zurück: Zidane, Thuram und Makelele werden heute wieder für Frankreich auftreten.

Sollbruchstellen damit das schief geht, gibt es hinreichend viele.

Ein Zidane hat seine Ehre und in Interviews betont er immer wieder: die Rückkehr ging nicht von ihm aus. Es war Domenech der über den Sommer Zidane dreimal besucht hat und um Rückkehr bat. Alle Trainer nach Jacquet taten sich schwer sich gegen die lichtreichen Erscheinungen der französischen Stars durchzusetzen. Lemerre konnte sich nicht gegen die PR-Aktivitäten der Stars durchsetzen. Santini sprach im Nachinein davon dass die Spieler im Vorfeld der EM aufeinander losgegangen wären und nur mit Widerwillen am Turnier teilgenommen hätten.

Domenech schien zu Beginn seiner Zeit seine Autorität betonen zu wollen. Suchte und fand die Konfrontation mit Pires und vergrätzte Leute wie Henry mit vermeidlich kleinlichen Anweisungen. Und dieser Domenech macht nun den Gang nach Madrid und kniet von Zidane nieder? Was richtet dies für die Autorität des kauzigen Domenech an?

Mit Zidane kommt nicht einfach nur ein Spieler zurück, sondern eine ganze Vermarktungsmaschine. Bereits am Tage der Zidanes Rückkehrerklärung plakatierte der Mobilfunk-Provider Orange großflächig “Du hast uns so sehr gefehlt” und gab Adidas neue Trikolore-Trikots mit dem Namenszug von Zidane aus (NZZ).

Der Hype der Sponsoren und der Werbung hat mit der Rückkehr von Zidane alles andere niedergeschlagen. Binnen Tagen nach Bekanntwerden der Rückkehr waren alle Werbeinseln beim Broadcaster TF1 verkauft. Die Eintrittskarten in Montpellier haben sich binnen zwei Tage verkauft. Der französische Verband notiert eine um 50% höhere Nachfrage der Karten, sogar bei solchen Reißern wie das Heimspiel gegen die Faröer Inseln.

Die Medien ergießen sich jedenfalls heute in Wiederauferstehungs-Metaphern. Ob der Wirbel der Nationalmannschaft ähnlich schlecht tun wird, wie im Vorfelde der WM 2002?

Wichtich is aufn Platz. Zidane, Makele und Thuram sind keine Garanten für das erfolgreiche Spiel. Frankreich ist auch 2002 und 2004 mit diesem Trio untergegangen.

Thierry Henry hat in Interviews einen kleinen Einblick gegeben, was schiefgegangen ist: Wenn Zidane im Ballbesitz ist, möchte er den Ball so schnell wie möglich abgeben. Während Trezeguet recht zentral vor dem Tor wartet, kommt Henry nach Selbsteinschätzung “zu 80%” vom linken Flügel. Im Zweifel wird daher immer Trezeguet den Ball bekommen, während Henry leer ausgeht.

Zumindest heute sollte alles für Henry angerichtet sein, denn er spielt den zentralen Stürmer. Domenech hat ein 4-2-3-1 angekündigt. Dafür spielt er auf der linken Seite mit Gallas und Dhorasoo mit zwei Rechtsfüßlern. Im Mittelfeld kann man mit Makelele und Viera zumindest nominell nichts besseres Defensives in Europa finden. Mit Thuram und Boumsong wird eine neue Innenverteidigung aufs Feld geschickt. Squillaci und Givet müssen auf die Bank.

Der Härtetest folgt erst Anfang September, beim Auswärtsspiel in Irland.

Short Shots

Die L’Équipe meldet das Olympique Lyon derzeit schwer am überlegen ist, was man mit den Essien-Millionen anfangen kann und nicht nur über die Option Michael Owens nachdenkt, sondern auch Tomas Rosicky unter der Lupe nimmt. L’Équipe redet von 20 Mio für Rosicky. Sollte der BVB diese Transfersumme realisieren, steigen Watzke und Rauball für zwei Tage in den Weinkeller und saufen sich die Hucke voll.

Ebenfalls in der L’Équipe hat Steve Marlet ein Interview gegeben, bevor er heute seinen Vertrag beim VfL Wolfsburg unterschreibt. Er hat sich für Wolfsburg entschieden, weil Lizarazu von der Bundesliga schwärmt und die Verantwortlichen des VfL entschlossen wirkten, während die anderen großen Konkurrenten, Auxerre und Manchester City zauderten (oder nicht spontan soviel Geld hinlegten wie Thomas Strunz).

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp