Fußball-TV in Frankreich: die ersten drei Monate des 600Mio-Vertrags

Im französischen Sport-Portal “sport24” hat der Programmchef für Sport bei Canal+ ein Interview über die ersten drei Monate des neuen TV-Deals gegeben. Die Erwartungen und Ergebnisse sind vielleicht nicht uninteressant für die deutsche Diskussion rund um PREMIERE.

Zur Erinnerung: Mitte Dezember (siehe aas) schloß der französische Ligaverband einen überraschend lukrativen Exklusivvertrag mit Canal+ ab. Sensationelle 600 Millionen Euro pro Jahr zahlte der Pay-TV-Sender Canal+ um seinen Konkurrenten TPS vom französischen Kick fernzuhalten. Vielen, mich eingeschlossen, war es ein Rätsel wie sich der Vertrag refinanzieren sollte.

Laut Selbstdarstellung besitzt Canal+ die größte Sportredaktion in Europa. Vier Programme werden gefüttert. Neben dem Hauptprogramm Canal Plus, sowie den beiden Sportsendern Canal Plus Sport und Sport Plus auch NBA+, ein 24h-Basketball-Kanal. 6000h Stunden Sport werden pro Jahr live übertragen. An den Wochenenden sind alleine für die Ligue 1-Berichterstattung 600 Menschen im Auftrage von Canal+ unterwegs.

Im Sommer trat der Vertrag in Kraft und Alexandre Bompard zieht nach drei Monaten nun eine erste Bilanz aus Sicht des Senders.

Canal+ glaubt dass sich der Vertrag gelohnt hat. Ihre Spekulation dass die völlige Exklusivität diesen horrenden Betrag wert ist, soll aufgegangen sein. Seit Bekanntgabe des Vertrages im Dezember hat Canal+ Monat um Monat so gute Zahlen geschrieben, wie seit 15 Jahren nicht mehr (Canal+ ist 1984 gegründet worden).

Der Pay-per-View-Service Foot+ hat die Zahl seiner Abkäufe an Einzeltickets, Tagestickets oder Saisonkarten verdoppelt. Die Vermarktung und das Branding sind sehr viel besser geworden, seitdem die Produktion komplett in eigener Hand liegen und nicht mehr mit TPS geteilt werden müssen. Entsprechend wurde auch mehr in die Produktion investiert. Es wurden mehr Kameras eingesetzt, mehr Statistiken eingebaut und mehr und bessere Analysten verpflichtet. Es wurde ein zusätzlicher Kanal aufgebaut “Zap Foot”, vergleichbar mit der PREMIERE-Bundesliga-Konferenz. Einige Sendezeiten haben Quotenzuwächse von 10% gesehen (Anm dogfood: was ich eher dünn finde…)

Es wurde durch Preispolitik versucht, die Leute die sonst nur das Samstag-Abend-Ticket (Hauptspielzeit für die Ligue 1) kaufen, auf die Jahreskarte zu ziehen.

Problemkind ist das “Spiel der Woche” am Sonntag abend, das anscheinend kaum Zuwächse verzeichnet. Hier versucht Canal+ einige absoluten Sahnespiele bereits Tage vorher zu hypen und am Sonntag bereits eine Stunde vor Anpfiff mit der Vorberichterstattung zu beginnen.

Frage von sport24 nach der Rentabilität. Antwort von Canal+: Analysen sehen den Wert der Ligue 1 irgendwo bei 450-500 Mio Euro und veranschlagen den strategischen Wert der Exklusivität auf 100-150Mio Euro. Zudem war die Ausschreibung hinreichend kompliziert, da sie nur eine Vorschlagsrunde für vier TV-Rechte-Pakete vorsah. Es wäre gar nicht auszumalen gewesen, wenn Canal+ die Fußballrechte verloren hätten.

Die französischen Vereine agierten trotz des Geldsegens bislang eher vorsichtig auf dem europäischen Transfermarkt. Alexandre Bompard macht unverhohlen deutlich, dass Canal+ erwartet, dass das Geld von den Vereinen dahingehend investiert wird, dass die Liga im europäischen Vergleich auf Platz 3 oder 4 kommt. Sei es durch Investitionen in die Infrastruktur, z.B. den Stadien oder sei es durch Investitionen in großen, guten Spielern. Canal+ stellt fest das bislang das Geld vorallem in Steine investiert wurde. Man begrüßt es, denn dadurch wird auch die Show um die Partie herum besser. Deutlich unzufrieden ist man aber mit der Situation der Spielertransfers. Man erwartet von den Vereinen dass in den nächsten Monaten und Jahren vermehrt internationale Spitzenspieler geholt werden.

Was der französischen Liga auch fehlt, sind zugkräftige Vereine. Die dominierende Mannschaft Olympique Lyon gilt als blass. Alexandre Bompard konstatiert dass die “großen” europäischen Ligen “Kopflastig” sind, also gute, namhafte Mannschaften an der Tabellenspitze haben, aber dafür ein schwaches Mittelfeld besitzen. Es braucht in der Liga 3-4 große Städte die mit Teams permanent an der Tabellenspitze vertreten sind.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Nur mal so als Vergleich eine Zahl aus der NZZ über die anstehenden TV-Rechte-Verhandlungen in der Schweiz. Dort zahlen die Fernsehsender 6,6 Mio p.a.. Der Schweizer Verband hofft beim nächsten 5-Jahres-Vertrag 10-14 Mio pro Jahr zu erreichen.