Es ist vor der WM

Dass wir uns nun langsam auch in den zeitlichen Dunstkreis der WM 2006 reinbewegen, wird nicht nur an der morgigen WM-Auslosung oder dem nicht enden wollenden Geschwätz vom Blatter-Sepp deutlich oder dass jeder mittelmäßige Zwischenfall nun in Relation zur WM gesetzt wird und deren Austragung zu bedrohen scheint.

Es macht sich auch in der Inbox meines eMail-Clients bemerkbar. Wer und was inzwischen nicht alles Interesse an Fußball zeigt und sein Projekt vorgestellt sehen möchte… Da habe ich als Blogger so meine Probleme. Abgesehen von den zeitlichen Limits die mir gesetzt sind (vor Weihnachten ist für Freiberufler die Hölle), habe ich meistens auch keinen Ansatz um über die Projekte irgendwas zu schreiben. “Hier habt ihr einen Link: http://bla.xyz” ist mir zu billig.

Ein solches Projekte das mir kürzlich reingeschneit ist, ist das Online-Fußball-Magazin “fussballperspektiven.de – Magazin für Fußball in Medien und Gesellschaft“. Inhaltlich gibt es nicht viel auszusetzen, auch wenn man anhand der Umbrüche und der Textformatierung das Gefühl hat, dass die Artikel eher für Word als für den Browser gemacht worden sind. Strukturell machen mich solche “Online-Magazinen” nicht besonders an. Es fehlt der Reiz des häufigen Besuchs der Website, wenn die Inhalte nur quartalsweise aufgefrischt werden. Und zum Offline-lesen als ausgedrucktes PDF gibt das Layout zuwenig her. Da kommt so etwas wie “The Global Game” ungleich lebendiger daher.

Ein weiteres Projekt das mich per Mail um Aufmerksamkeit bat, ist “Fans for Football“. Es handelt sich dabei um eine Initiative der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Im Hintergrund werkelt die PR-Agentur “Menotti“, die ihrerseits viel im Umfeld von Fußball und Kultur macht, wie z.B. “Footage“, ein weiteres Fußball-Online-Magazin.

Das Projekt “Fans for Football” kann nicht unwitzig werden. Man versucht zu einer Art Anlaufstelle für jedwedes “Grassroot-Projekt” rund um die Fußball-WM zu werden. Fans for Football bietet dazu eine Projektdatenbank an, die nach Orten sortiert anstehende Projekte ausspuckt. Dazu hat es z.B. quer über die Republik bereits diverse vorbereitende Treffen (“Hearings”) gegeben. Die Protokolle der Hearings sind auf der Website veröffentlicht. Zu den Teilnehmern gehören auch die Fanbetreuer der lokalen Bundesliga-Klubs und die Protokolle der Hearings geben einen Einblick wie Fankultur organisiert wird, wie Stadtoberhäupter und Behörden eingebunden werden müssen etc…

Der für mich erstaunlichste Umstand der Vor-WM-Zeit ist der relative Mangel an hochgehypten Blogprojekten. Mit schäbigen Grinsen erwarte ich die Trittbrettblogger deren WM-Begeisterung proportional mit der Berichterstattung in den Medien wächst und die ihre Blogs mit Google-Ads et. al. zupflastern. So mancher Blogleiche ist seit dem Confed-Cup nix mehr eingefallen.

Es erstaunt mich auch, dass keine der großen Medienhäusern bislang wirklich ein profiliertes WM-Blog gestartet hat. Spätestens nach der Begeisterung des Confed-Cups hatte ich erwartet, dass Burda, T-Online, Axel Springer, Holtzbrinck, AOL und die anderen üblichen Verdächtigen schnell irgendein Nationalmannschaftsblog aus dem Boden kloppen. Aber nix. Fast nix. Die ARD hat eines aufgemacht, aber “Boris’ Blog” ist keine Luftnummer, sondern wirklich gut gemacht. So wie ich es von einem Journalisten-Blog erwarte: gib mir die kleinen Geschichten, gib mir deinen persönlichen Eindruck. Übrigens hat Boris Inanici anläßlich der Auslosung gerade wieder mit dem Bloggen angefangen.

Je länger sich die Branchengrößen wie die Zeitungsverlage noch die Zeit mit WM-Blogs lassen, desto künstlicher wirkt ihr dann plötzlich erwachtes Interesse.

In den Büschen tut sich aber was. BILD und Tagesspiegel berichten von einem geplanten Blog. Ich empfehle den ausführlichen Tagesspiegel-Artikel “Vorsicht Berater“. Oliver Trust ist freier Journalist mit Schwerpunkt Stuttgart und Pfalz. Er berichtet über die Machenschaften des Spielerberaters Roger Wittmann und seiner Agentur Rogon. Die Blog-Geschichte ist dabei nur ein “Nebenschauplatz”:

[Rogon spielt oft eine seltsame Rolle.] Zum Beispiel im Fall des Nationalspielers und Rogon-Kunden Kevin Kuranyi. Mit stolzem Unterton verkündete die Sportrechte-Agentur Sportfive in diesen Tagen den Abschluss eines Vertrages zwischen Kuranyi und Microsoft. Es geht um ein Internet-Tagebuch des Profis während der WM 2006. Von 300 000 bis 400 000 US-Dollar Honorar ist die Rede. Ausdrücklich wird dabei Rogon und Wittmann gedankt. Der Deal aber kollidiert direkt mit den Interessen des DFB-Generalsponsors Deutsche Telekom und dessen Tochterfirma T-Com. „Wir sind sicher, dass der DFB unsere Interessen schützt“, sagte ein Sprecher.

Der Vertrag war schon den Nationalspielern Michael Ballack, Oliver Kahn und Lukas Podolski angeboten worden. Deren Berater aber nahmen nach Rücksprache mit dem DFB und der Telekom von einem Abschluss Abstand. Microsoft hatte die englische Agentur “sfx” mit der Suche von sieben Nationalspielern aus verschiedenen Ländern für das Tagebuch beauftragt. Nach den ersten Absagen wurde Sportfive bei Kuranyi und Rogon fündig. „Wir haben ohne Nachfrage Abstand genommen, weil es ein eindeutiger Interessenskonflikt ist. Zudem ist es immer suspekt, während einer WM ein Tagebuch zu schreiben“, sagte Kon Schramm von Podolskis Agentur “ans“. DFB-Pressechef Harald Stenger teilt mit: „Die sportliche Leitung hat beschlossen, dass während der WM von Spielern keine Kolumnen geschrieben werden dürfen.“ Roger Wittmann hält dagegen: „Wir machen nichts, was die Exklusivrechte verletzt. Gehen Sie davon aus, dass wir Rücksprache mit den Verantwortlichen gehalten haben.“

(Links im Zitat von mir ergänzt)

Eine Sparte der WM-Organisation findet heute in den Zeitungen (Hamburger Abendblatt und FAZ) gebührende Beachtung: die der Zimmervermittlung für WM-Gäste, die anscheinend in letzter Zeit wie Pilze aus dem Boden gewachsen sind. Entsprechende URLs sind in den Zeitungsartikeln. Der Vorstand des Rings europäischer Mitwohnzentralen will eine Goldgräberstimmung ausgemacht haben, dämpft aber das Frohlocken. Seiner Erfahrung nach, wird es erst vier Wochen vor der WM richtig mit den gesuchen losgehen.

Zweifelos, die WM kommt. Fehlt jetzt nur noch eine WM-Sendung mit Reinhold Beckmann und Heidi Klum.

Ach so, ja, stimmt.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Rogon – die sitzen bei mir im zu Hause im Erdgeschoss in einem Büro. Ob das natürlich ihr einziges Büro ist, weiß ich nicht. Viel los ist da jedenfalls nicht, zumindest nicht, wenn ich es mal mitbekommen könnte. Über ein oder zwei Ecken kannte ich auch mal einen der Mitarbeiter dort – aber ich glaube, der ist nicht mehr da.

  3. Kuranyi und Podolski wegen schriftlicher Werke ansprechen klingt irgendwie absurd. Achja, es geht ja nur um die Namen…

  4. danke für den link. die informationen zu kuranyi hat allerdings schon der gestrige express gebracht, auch über den m.e. wesentlich interessanteren fall timm wurde berichtet. demnach hat timm 2,2 mio. in immobilienfonds eines rogon-mitgründers verloren und ist finanziell am ende. kann man sich eigentlich auch denken, da er zwar bei kaiserslautern sicher einen guten vertrag gehabt, vom verein selbst jedoch aufgrund der dauernden verletzungen sicher nicht die vollen summen erhalten hat. wäre mal interessant zu erfahren, ob es hier auch ein procedere wie bei nowotny gegebene hat oder eben nicht.

    kleine korrektur zum trust-artikel: die vertragsprovision beim timm-wechsel ist doch wohl für die gesamte vertragsdauer (2002-2005) geflossen, nicht für ein jahr. die spekulation mit den 10 mio. ist also extrem suggestiver bullshit. bei der von jäggi genannten summe von 30 mio. für rogon-spieler wüsste man zudem gerne die spieler-namen und die vertragsdauern (wenigstens im ansatz, da man nur so weiß, ob überbezahlt, ausgenommen etc pp).

  5. georg koch hat sein geld aus dem fonds übrigens wiedererhalten und seine geschäftsbeziehung mit rogon beendet. bin ich eigentlich der einzige, der bei der frage nach dem WIE gleich an
    “liquide”
    denken musste?

  6. Fansforfootball.org koordiniert Fußballfans aus aller Welt

    Um Fans, Fanprojekte und Faninitiativen aus aller Welt zu koordinieren bietet die Friedrich-Ebert-Stiftung unter FansforFootball.org eine Internetplattform an, die helfen soll, dies zu tun. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, die vielen Ideen, die …