WM-Shots: Resteverwertung

Kurz und schmerzlos

Englische Zeitungen künden vom Wiederauferstehen des Heilands Wayne Rooney, der gestern im Training wieder einen Schuß gewagt haben soll.

Rätselhaft ist die Lage bei den Holländern. EUROSPORT widersprach sich binnen fünf Minuten um den Zustand der verletzten Spieler Cocu und Snijder (Kezman ist wieder im Training). Bei De Telegraaf heißt es: ” Cocu en Sneijder hebben nog veel pijn Phillip Cocu en Wesley Sneijder, […] klaagden maandag nog steeds over erg veel pijn.”

Ohne Flämisch zu können, interpretiere ich das einfach mal als: Cocu und Snijder haben noch große Schmerzen, aber die Lage ist nicht ernst (” Blessures Oranje niet ernstig”).

Die EUROSPORT WM-Show

Keine Ahnung ob die Sendung wirklich so heißt, aber ich bin jetzt gerade zu faul auf der unerträglich lang ladenden EUROSPORT-Website nachzuschauen… Mit dem gestrigen Montag debüttierte eine tägliche WM-Sendung von EUROSPORT. Aus dem Sendezentrum in Paris ausgestrahlt, in Englisch produziert und in Deutsch wird rübergequatscht. Entweder ist die Sendung aufgezeichnet, oder die Freddies im Pariser Studios sind kleine Sprechroboter die nur vom Teleprompter ablesen und daher so gut und flüssig von den deutschen Journalisten simultangedolmetscht werden.

Pluspunkte gibt es für EUROSPORT, weil man auf einen Fernsehkoch verzichtete, Minuspunkte weil man nichtsdestotrotz eine Hupenträgerin zur Auflockerung präsentierte: das deutsche EUROSPORT-Girl durfte in 90 Sekunden (oder so) eine deutsche Stadt präsentieren. Als erstes kam Hamburg dran. Ich fand es faszinierend, wieviel Mühe man sich mit der Produktion gemacht hat: einen Aufsager vor dem Südsteg des Hauptbahnhofs, eine Straßenumfrage in der Spitalerstraße, knappe 100m entfernt, einen Aufsager an der Binnenalter, 300m entfernt und dann noch einen Dreh auf dem Heiligengeistfeld. Um die WM-Vorbereitungen der Stadt zu dokumentieren, wurde die Kameras auf einige Schaufenster gehalten. Dort gab es zum Beispiel – Shocking! – Fußballtrikots zu sehen! Da hat Hamburg doch klar was den anderen Städten voraus. Fußballtrikots in Schaufenstern. Erleben Sie morgen, wenn das EUROSPORT-Girl in Hannover vor dem Rathaus eine Frankreich-Flagge als Highlight niedersächsischer WM-Ekstase verkauft.

Das Gequatsche zwischen dem englischen Moderator und dem Experten (diesmal Ian Rush) ging nur selten auf ein Niveau nördlich von Jauch/Völler (“Brasilien gehört zu den Favoriten”) und selbst dann mochte man es argumentativ lieber simpel: “Abidal und Malouda haben gegen Dänemark sehr gut zusammengespielt. Das hat gut zusammengepasst. Beide spielen sogar zusammen bei Lyon”…

Ansonsten war man ob der Nachrichtenlage etwas verunsichert. Diskutierte man anfangs noch darüber, dass Snijder voraussichtlich für die ganze WM ausfallen wird, sprach der zweite Mann im Studio später davon, dass Snijders Verletzung nicht gravierend ist und er bei der ersten Partie wieder dabei sein könnte.

Dieser zweite Mann, und damit kommen wir zu einem weiteren negativen Punkt, ist “Der Insider” und spielt den Oberchecker beim EUROSPORT-eigenen WM-Manager-Spiel. Schnaaaaaaaaarrrrccchhh… Schon wieder hält ein Sender sein Rahmenprogramm für so wichtig, dass er daraus ein substantielles Element der Berichterstattung macht… Bei einer zweistündigen Sendung von mir aus, aber nicht bei 30 Minuten!

Zusammenfassung: die EUROSPORT-WM-Show gehört in dieser Verfassung nicht zu den Pflichtveranstaltung und der mangelnde Zweikanal-Ton bzw. das permanente Hören von zwei Sprachen führt bei mir zu erhöhter Ohrschmalzproduktion.

PREMIERE WM-Studio

Gestern gab es auch das erste PREMIERE-WM-Studio (mittags 12h15–14h) u.a. mit den Schriftinserts wie sie auch die Produktionsfirma HBS für die Fußballübertragung verwendet (PDF, danke Reality Check). Damit wissen wir schon mal was uns optisch erwartet.

Patrick Wasserziehr führte gewohnt markig durch die Sendung, an seiner Schokoladenseite, rechts vom Nußknacker-Unterkiefer, der PREMIERE-WM-Experte Ottmar Hitzfeld (“Brasilien ist einer der Favoriten”). Im Zentrum stand die Übertragung der offiziellen Nationalmannschaftspressekonferenz. Klinsmann wirkte weiterhin nicht frisch wie gewohnt, spielte fahrig mit seinen Händen und führte sich mit einem offensichtlich von langer Hand vorbereiteten Scherz ein (“Wir freuen uns, in unserer Hauptstadt angekommen zu sein. Ich hoffe, ihr habt alle bis zum 10. Juli gebucht.“), der ebenso elendig in der Journalisten-Meute versackte, wie er sich jetzt hier anhört.

Knallharte Reporter aus aller Herren Länder versuchten Klinsmann zu entlocken, ob er nun Ballack und Frings auf einer Linie spielen läßt und wie seine Taktik gegen Costa Rica aussähe. Ich hoffe es ist nicht irgendjemand in der Pressekonferenz verblüfft gewesen, dass Klinsmann der Beantwortung dieser Fragen ausgewichen ist.

Was ich übrigens auf solchen Pressekonferenzen überhaupt nicht ab kann, ist das elendige, hinterfotzige Geduze. “Ich und der Jürgen, wir sind per du”.

Nach Klinsmann gesellte sich Arne Friedrich in die Fragerunde und die Journalisten legten das Niveau noch einmal eine Etage tiefer, bis hin zur Frage vom “Spreeradio”: was für eine Halskette Friedrich da tragen würde, ob er abergläubig wäre und wer ihm die Kette geschenkt hätte.

Zurück zu PREMIERE. Dort kam noch einmal der Arne Friedrich vorbei und musste sich prompt teilweise die gleichen Fragen wie auf der PK anhören (Wie ist das Hotel?) und um das ganze abzurunden, haben sie den Reporter-Mutanten Becker nach Grünewald geschickt, damit er mit den Kameras brabbelnderweise einmal quer durch die Hotel-Lobby laufen und die Wichtigkeit von weichen Hotelbetten betonen kann. Und wir dachten bislang, dass Besenkammern Beckers weapon of choice ist.

Wer wirklich etwas Substantielles zum Hotel lesen will, den verweise ich auf ein Interview der Hotel-Managerin in der FAZ.

Und das war es dann eigentlich auch schon von der PREMIERE-Sendung, die sich anfühlte wie 120 Minuten “Alle Spiele, alle Tore”, nur ohne Spiele und ohne Tore, kurz: ohne Sinn.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Und Ferguson soll gar nicht gluecklich darueber sein dass Rooney schon solche Showeinlagen produziert.

  3. Was mir gestern besonders auffiel war die komische Lichtstimmung im Studio bei der Nachbetrachtung, insbesondere Hitzfelds fleckig-buntes Gesicht in Nahaufnahme.

    Wird das WM-Studio in HD produziert? Vielleicht würde das das ‘andere’ Aussehen erklären.

  4. “Hupenträgerin” – eine ausgesprochen witzige Bezeichnung ;-)
    Aber mal ganz im Ernst: mir ist die Bezeichnung der weiblichen Brüste als “Hupen” vor ca. zwei Wochen das erste Mal begegnet und der Terminus verbreitet sich scheinbar wie ein Lauffeuer, weiß jemand mehr zu dieser sprachwissenschaftlich bedeutsamen Entwicklung?

  5. Also “Hupen” sind mir erstmals im BILDblog über den Weg gelaufen, und wenn man in deren BILDwörterbuch schaut, so war das schon im Oktober 2004.

    http://www.bildblog.de/woerterbuch.html
    (leider funktioniert der verlinkte “Hupen”-Artikel nicht mehr, nachdem BILD.t-online.de vor einiger Zeit die Seite überarbeitet hat)

    Was die weitere Herkunft dieses Terminus angeht kann ich leider auch nicht helfen.

  6. Danke!

  7. Ich meine den Begriff auch schon länger zu kennen. Vor Jahrzehnten hat Rudi Carell richtig aufs Maul bekommen, weil er in einem Interview über Humor einer Journalistin die Brustwarzen gedrückt hat und dabei Autohupen nachgemacht hat (so wurde es zumindest in den 80ern kolportiert).

    Der Begriff ist wieder in dem Fokus meines Sprachzentrums letzten Sommer gerückt worden, als ein Kommentar die neuen Mäuse von Apple mit “Geil, Hupen!” kommentierte.

  8. Ich bin ja schon etwas älter und dieses Interview oder die Reaktionen darauf habe ich noch in Erinnerung. Carell wurde von der Dame um einen Witz gebeten, darauf sagte er: “Sagen Sie mal ‘Auto'”. Sie: “Auto”. Darauf kniff er ihr in eine Brust und machte “Tuut, tuut!” Ich in richtig erschüttert, weil ich mich daran jetzt noch bis in der Wortlaut erinnere; liegt wohl daran, daß ich damals mitten in der Pubertät war. ;-)

  9. Gibt es eigtl. irgendwo einen Vergleich, wie im Ausland in Sachen Fussball berichtet wird? In Deutschland stellt man ja fast nur oberflächliche Fragen, selbst die Kicker-Redakteure fragen seicht: “Wie kann man Costa-Rica knacken?”

    Würde da gerne mal eine Abgrenzung zur asiatischen oder überhaupt ausländischen Berichterstattung lesen.

  10. In Südkalifornien schaut man besonders aufs Äußere, und über einen Mann, dem die Nasenhaare wuchern, würde man denken der ist garstig, wahrscheinlich Unterklasse oder ein Psych -Serienmörder gerade entlassen. Tja die Gegend ist gnadenlos. Verstehe also nicht das Bild jüngst in der AZ München , Nasenhaareebüschel, mit dem Gesicht Klinsmanns dran – beim Flug darf er die nicht mehr abscheneiden, Schere verboten.
    Also trägt er die in Southern California auch. Na ja, er redet ja manchmal von sich in der Mehrzahl, vielleicht stimmt das ja mit Psycho.: wir wissen wer unsere Feinde sind, AUWEIA

  11. Ich weiß von keinem wissenschaftlichen Vergleich. Es dürfte auch relativ schwer sein, die “Oberflächlichkeit” von Fragen objektiv zu messen.

    Ein Beispiel: ich echauffierte mich vor einigen Wochen, als das ZDF im Rahmen seiner Übertragung Schalke – Sevilla vor dem Spiel den Andreas Müller nicht zu der an jenem Morgen erschienenen SZ-Story befragte, in der gesagt wurde, die Staatsanwaltschaft habe Ermittlungen wg. dem Verdacht der Onsolvenverschleppung (oder war es Bilanzfälschung?) aufgenommen.

    Zirka 2 Wochen später war ich in eine Journalistenrunde eingeladen und brachte es dort zur Sprache. Unisono das Kopfschütteln: nein, das ZDF habe richtig gehandelt. Man gibt in solchen Fällen dem FC Schalke keine Plattform für ein Dementi, wenn man als Fragesteller keine Chance hat nachzuhaken. Also ignoriert man die Thematik ganz. Das wäre journalistisch sauberes Verhalten.

    Ich halte es noch bis heute für falsch: ein Thema liegt auf dem Tisch und da kann man nicht so tun, als existiere es nicht.

    Das ist aber ein Beispiel für mich, wie sich innerhalb des Journalismus eine eigene “Ethik” und eigene Mechanismen gebildet haben, die für Außenstehende nicht nachvollziehbar ist.

    Kommen wir zur Pressekonferenz heute: ich fand die Frage des KICKERs nicht seicht, sondern dem Rahmen angemessen. Es gibt dort keine Hardcore-Fragen. Jeder weiß es. Wenn man etwas hat, was einen eigenen Artikel zu etwa Exklusiven macht, dann fragt man das nicht in einer per Fernseh übertragenen PK, sondern versucht Klinsmann/Löw/Ballack irgendwann unter vier Augen abzufangen.

    Die Journalisten haben in so einer Runde auch kaum die Möglichkeit nachzufragen und Klinsmann/Löw sind wiederum nicht gewillt, in aller Öffentlichkeit bestimmte Dinge hinauszublasen. Und Dinge wie die Taktik gegen Costa Rica bestimmt nicht.

    Ich wüsste nicht was ich in so einer Runde fragen sollte. Aber bevor ich mich dazu herablasse und nach der Halskette von Spieler XYZ frage, gehe ich lieber zum Supermarkt Besorgungen machen…

    Ich würde im Übrigen, um das kurz anzusprechen, keine Pauschalisierungen zwischen deutscher und ausländischer Berichterstattung machen, weil das Thema zuviele Facetten hat, die einfach mit unterschiedlichen Medienschwerpunkte zu tun hat. In Frankreich hast du die L’Équipe, dem in Deutschland nichts gegenübersteht (der KICKER ist meilenweit von entfernt). Dafür kann man weite Teile des sonstiges Sportjournalismus in den franz. Tageszeitungen knicken. In Deutschland ist es tendenziell umgekehrt. Wer Edelfedern des deutschen Sportjournalismus sucht, wird eher in den Tageszeitungen fündig. Usw,Usf…

  12. @dogfood,
    das habe ich nicht ganz verstanden mit deinem Beispiel.

    “Unisono das Kopfschütteln: nein, das ZDF habe richtig gehandelt. Man gibt in solchen Fällen dem FC Schalke keine Plattform für ein Dementi, wenn man als Fragesteller keine Chance hat nachzuhaken.”

    Wenn doch das ganze in der SZ steht, eine Zeitung, die morgens früh erscheint und der Journalist am Abend Andi Müller im Interview hat, muss er doch sowieso eine Vorbereitung auf das Spiel machen. In dem Zusammenhang informiere ich mich doch auch, was es an wissenswertem Neuen gibt, berichte angemessen darüber und stelle Fragen.
    Und meine Möglichkeiten abends bei Müller (der aller Wahrscheinlichkeit nach dementieren wird) bei entsprechender Vorbereitung nachzuhaken, ist doch vorhanden.

    Würde ich mir als Laie jedenfalls denken. Oder bin ich naiv?

  13. Ich denke, man meinte die zeitliche Beschränkung. Du kannst in einem Vorlauf oder Halbzeitinterview ein solch komplexes Thema nicht abschließend oder auch nur annähernd befriedigend abhandeln.

    Zum Vergleich deutsche / ausländische Sportjournalie:

    Ich stimme dogfood absolut zu, was den Qualitätsvorsprung der Tageszeitungen betrifft. Mir persönlich gefällt die Schreibe der SZ am besten, auch wenn in letzter Zeit leider auch der ein oder andere Agenturartikel darin auftaucht (der Bericht über das Ausscheiden der U21 war z.B. aus zwei Agenturartikeln zusammengeschrieben).

    Über die englische Sportjournalie kann ich etwas sagen:

    Nonplusultra in der tagesaktuellen Presse ist meiner Meinung nach der Guardian.

    Die Tabloids sind im Sportteil meiner Meinung nach niveauvoller (weil nicht ganz zu deutlich parteiisch an Eigeninteressen ausgerichtet) als BILD, hier ist der Marktführer “The Sun” auch qualitativ (wenn man dieses Wort hier verwenden darf…) führend.

    Im Fernsehen macht Sky Sports einen hervorragenden Job, dicht gefolgt von der BBC, die leider zu oft unter mangelnder Sendezeit leidet. “Match Of The Day”, die “Sportschau” der BBC ist meiner Meinung nach das absolute Optimum, wie eine Fußballhighlightsendung auszusehen hat.

    Danach kommen ITV und five, die deutlich abfallen, aber immer noch deutlich über den deutschen Privatsendern liegen.

    Das Niveaudesaster schlecht hin im britischen Fernsehen ist – surprise, surprise – British Eurosport. An Seichtheit kaum zu unterbieten, schlecht informierte Kommentatoren, die durch “markante Betonung” Schwächen zu verdecken versuchen.

    Während Eurosport Deutschland (trotz des deutlichen Frankreich-Einschlages ;) und der furchbaren WM-Show, die auf englisch übrigens auch nicht besser wird) die positive Speerspitze im deutschen Privat-Free-TV darstellt, bildet British Eurosport auf der Insel das genaue Gegenteil.

    PREMIERE würde sich in diesem Vergleich in etwa zwischen BBC und ITV einordnen, mit zeitweisen Ausschlägen in beide Richtungen.

  14. Vorbereitungen im eigentlichen Sinne waren wohl nicht möglich weil:
    1.) schwieriges/komplexes Thema (Wirtschaft, Bilanzen etc…)
    2.) nur eine Quelle: die SZ. Mehr als Zeitunglsesen war als Recherche nicht drin.

    Indirektes Argument ist wohl auch: man will keinem Konkurrenzmedium die Bühne geben.

    Ich persönlich finde derartige journalistische Umgangsformen auch sehr kleinlich. Aber vielleicht bin ich da auch zu sehr Blogger. Während die großen elektronischen Medien meistens nur 1, 2x die Woche Gelegenheit haben sich zu melden und Stories anzuschieben, ist dass hier natürlich ein Medium, dass zur jeder Tages- und Nachtzeit gefüttert werden kann.

    Ich könnte es mir also vorstellen, entsprechend “uninformiert” einfach mal den Müller zu fragen: “Sach, wie ist es?” umd dann ggf. Stunden oder Tage später etwas Fundierteres nachzuschieben. Hat das ZDF diese Möglichkeiten? Kann man sich ernsthaft vorstellen, dass das ZDF am Donnerstag abend eine Geschichte anschiebt um am Samstag nachzufüttern? Ist außerhalb meiner Phantasie. Würde zwar gehen, aber bei dem Zustand der Sportredaktionen in den meisten deutschsprachigen elektronischen Medien…

  15. @realityCheck/schalke-ZDF: ich hätte auch keine komplexe Abhandlung im Vorlauf erwartet, aber man kann auch nicht so tun, als gäbe es das Thema nicht.

    Die ZDF-Redaktion führt so oder so eine Wertung der Nachricht durch, egal ob sie sie ignoriert oder sie nur kurz abhandelt und sich ein flaches Dementi einfängt. Und da finde ich es ehrlicher zu sagen: es gibt dieses Thema, was sagt Schalke dazu, wir werden am Wochenende nachfassen. Besser als ignorieren.

    re: Qualität der Berichterstattung
    Zumindest was den Guardian angeht (oder auch den Independent) bin ich sehr d’accord mit RealityCheck.

    Nicht zu vergessen auch die Qualitätsunterschiede in den Sportarten. Wieder am Fall Frankreich: alles was richtig bodenständig verwurzelte Sportarten sind, wie z.B. Radsport oder Rugby, erfreut sich auch einer detaillierten und umfangreichen Berichterstattung, bei der genügend Nahrhaftes überbleibt, trotz vielen Phrasensdreschens. Anderthalb Stunden Tour-Liveberichterstattung auf France Inter? Göttlich.

    Anders beim Fußball. Ich kenne nun die franz. Fußballberichterstattung der großen Sender seit Jahrzehnten, mit Abstrichen habe ich auch einiges von Canal+ mitbekommen. Die Kommentierungen gehen (mit einer Ausnahme) gar nicht. Alles was TF1 (größte Privatsender, Übertragungen der Länderspiele, Ligazusammenfassungen) noch bis kurzem übern Äther gejagt hat, war von einem derart beängstigenden Niveau und so abgrundtief chauvinistisch, das kann man sich nicht vorstellen. Wo der Franzos im Radio auf wunderbarste übers Radfahren fabulieren kann, sobald das Thema Fußball ist, muss man meistens den Kopf auf den Tisch schlagen, um den Schmerz des Gehörten aus der Birne zu bekommen.

  16. Na ja, wenn die Quelle SZ eine Schrift über Bilanzfälschung, Untreueverdacht und Staatsanwaltschaften in ihre Ausgabe nimmt, fiele mir sofort ein, wo ich als ZDF Mann nachhake. Dann hätte ich abends eine wie auch immer geartete Stellungnahme der Staatsanwaltschaft in der Tasche. Behaupte ich einfach mal so.
    Bei einem solchen Thema kann mir doch nichts besseres passieren, als wenn ich abends als Fernsehsender den Manager da mal ein bißchen zu befragen kann.
    So bleibt der Gedanke, das ZDF wäre nicht interessiert an Journalismus in seiner Form als Aufkläre – oder Infomedium.

  17. Wie gesagt: so ist auch meine Denke, aber drei Journalisten aus dem Bereich Zeitungen/Zeitschriften und ein Fernsehjournalist waren anderer Meinung.

  18. Ich finde es extrem wichtig, daß Sportjournalismus unabhängig und kritisch (natürlich auch begeistert und engagiert) rüberkommt. Wenn Journalisten um das Gesamtprodukt Sport nicht im Wert zu mindern, unkritisch werden oder auch nur dieser Eindruck entsteht, langweilt mich das Ganze nur noch.

  19. Vielleicht sage ich noch kurz etwas zur japanischen Herangehensweise, da ich dort gelebt habe. Kurz und knapp: Es geht in der dortigen Presse weniger um das eigentliche Spiel, als vielmehr um das drumherum. Bei der WM 2002 war es das leidige Thema “Troussier gegen Nakata”. Nakata machte provokative Äusserungen a la “Egal ob ich im Verein spiele, ich fahre eh zur WM!” und Troussier reagierte mit “Ich wäre mir da nicht so sicher!”. Das ganze führte so weit, dass Troussier als “Ordnungsfanat” beschrieben wurde und sogar den Kleidungsstil Nakatas kritisierte, weil der vom Fussball ablenken würde.

    2006 ist es das Duell “Nakamura gegen Nakata”. Der eine (Nakata) bekommt nicht mehr GANZ so viel Aufmerksamkeit wie der andere (Nakamura) und ist daher bemüht, das zu ändern. So bemängelte Nakata kürzlich, dass die Stimmung im Team zu entspannt sei. Nakamura erwiderte in einem anderen Interview, dass jeder sich so vorbereiten solle, wie er es für richtig hielte. Und da das Team nunmal gerne Scherze mache, sei das nicht verwerflich.

    Die Live-Reporter entsprechen denen Südamerikas, mit wildem Gekreische und so weiter. In den Fachmagazinen steht viel Zeug aus Europa, von Beckham oder Nakamura. Selbst Frauenmagazine berichten über Fussball, pardon, über das drumherum (Beckhams Mode z.B.). In Sachen Nationalelf konzentriert sich die Fachpresse SEHR auf das eigene Team, wodurch oftmals starke Kritik an die Trainer gerät. Zico wäre um ein Haar geflogen, nachdem die Quali-Spiele zwar erfolgreich, aber spielerisch unterirdisch verliefen. Mit Gegner wie Australien setzt man sich zumeist erst auseinander, wenn Nakamura wie in dieser Woche warnt, dass die Australier ja vielleicht doch stärker als erwartet seien.