Tminus8: die Post-WM-Saison

Die Frage ist nicht ob die WM-Euphorie anhält, sondern wie lange sie vorhält. Mein Tipp: zwei Spieltage.

Der Rahmenterminkalender ist eben nicht mehr so gestrickt, dass die Bundesligisten allesamt vom ersten Spieltag an Vollgas geben. Teams wie Hertha, vielleicht auch der HSV, müssen früh aufs Pedal treten, da sie vorzeitig wichtig Spiele haben. UIcup bzw. CL-Quali. Andere Vereine können sich den Luxus leisten und sich erst allmählich zusammenfinden, ehe sie im Herbst einen ersten Saisonhöhepunkt setzen müssen, wenn es in die Schlußphase der Hinrunde geht und die Gruppenphase der Champions League sich dem Ende entgegenneigt.

Die Frage ist, wie die Zuschauer reagieren, wenn sie nur Hausmannskost statt Klinsmannsches Vier-Gänge-Menü mit Feuerwerk und Zirkusnummer vorgesetzt bekommen.

Besser, und hier liegt ein Reiz der Saison: wie werden die Fans reagieren, wenn die Trainer einen Odonkor auf der Bank verschimmeln lassen und die Spaßzwillinge Schweini und Poldi wg. Formschwankungen wieder Medizinbälle in denBus tragen dürfen. Die Saison 2006/07 könnte die “Arschkarten-Saison” werden. Arschkarten für die Trainer. Klinsmann hat nicht eine, sondern gleich 22 Meßlatten aufgelegt. Wenn die Trainer der Nationallieblinge diese nicht konstant in die Startelf bringen können, wird das eher auf die Trainer als auf die Spieler zurückfallen. Magath und van Marwijk sollten schon mal an ihren Textbausteinen feilen, die dank IP-TV-Broadcaster ja nun noch einmal häufiger abgefragt werden.

Dabei sind die Ausgangspositionen der Trainer bemerkenswert unterschiedlich und das macht den Reiz dieser Saison aus. Bei Werder bleiben vielleicht die ganz spektakulären Neuzugänge aus, aber an der Weser hat man so enorm an der Tiefe des Kaders gearbeitet, das zwei “Fast”-Nationalspieler wie Christian Schulz und Owomoyela nicht für ihre Positionen gesetzt sind und möglicherweise auch Zeit für die Ko-Kommentierung der BBL-Finals finden.

Anders die Lage bei den Bayern. Der Weggang von Ballack, der Wegbruch der letzten Restbestände Autorität von Kahn durch die WM-Entmachtung, andererseits die Reinnahme des machtgeilen van Buyten und der Drei-Wörter-Ein-Satz-Maschine Podolski, wirken wie der Beginn der Evolution according Charles Darwin: Felix Magath hat eine Ursuppe vor sich und muss neue Strukturen wachsen lassen.

Es fällt auf: selten hat es eine Saison gegeben, bei dem soviele Topmannschaften in der Liga solche Umbrüche und Generationswechseln veranstalten mussten. Mit Abstrichen ging es bei Schalke und Dortmund (Platz 4 & 7) am ruhigsten zu, der erste ganz solide Kandidat ist das achtplatzierte Nürnberg (das erste Mal in der Menschheitsgeschichte dass Michael A. Roth in die Nähe des Wortes “solide” gerückt wird).

Die Saison kann daher so oder so verlaufen. Entweder zocken die Bayern den Rest der Liga ab und legen eine recht geruhsame Meisterschaft hin, während die Konkurrenz sich erst noch neu sortieren muss. Oder diese Saison wird der Auftakt zu 2-3 Jahren heftiger Machtkämpfe um die Vorherrschaft in der Bundesliga sein, weil die Konkurrenz offensiver und aggressiver als die Bayern eingekauft haben. Wenn es gut geht, haben wie einige Jahre lang 3-4 Mannschaften auf gleicher Augenhöhe. Wenn es schief geht, wieder eine verschenkte Saison.

Im oberen Tabellendrittel hat es bei jeder Mannschaft gravierende Veränderungen und Richtungswechsel gegeben. Im Mittelfeld eine Ansammlung von Vereinen wie Gladbach, Stuttgart, Hannover oder Wolfsburg, deren Hoch-Lohn-Politik diese Saison Früchte zeigen muss, sonst kommt der Schatzmeister mit der Sense.

Und unten stoßen zu den Teams “Wie haben die denn das geschafft?” (Mainz & Bielefeld) interessante Aufsteiger. Erdiger, brennender Fußball mit einem Heimstadion Marke “uneinnehmbare Festung, sonst gibts aufs Maul” (Aachen) und hirnlastiger Konzeptfußball mit Langzeitwirkung (Bochum mit Marcel Koller).

18 Vereine, genügend um sich darüber in den nächsten Tagen das Maul zu zerreißen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Hoffe daß die Saison spannend wird und glaube an den HSV und Werder.

    Zu Hannover wollte ich nur anmerken daß 96 etwa 1 Million für Neuzugänge ausgegeben hat, Wolfsburg beispielsweise hat allein für Madlung mehr bezahlt. Insofern stimmt daß nicht ganz mit “Hoch-Lohn-Politik”. Unabhängig davon glaube ich aber trotzdem daß es bei Hannover früher oder später Zoff geben wird – Hannover halt ;)

  3. Flo: Lohn und Ablöse sind zweierlei. Da können wir in Köln ein Lied von singen. Wir haben die ablösefreien Spieler in den letzten Jahren im Dutzend verpflichtet.

  4. Sehr schnell kann es auch für Andreas Müller als nun alleiniger Schalke-Manager ungemütlich werden. Zum einen sind die von ihm ausgerufenen Saison-Ziele mit Platz 1-3 für diese Truppe nicht gerade im Schongang zu erreichen, zum anderen wird auch Laberholic Rudi Assauer mit seiner Meinung nicht hinterm Berg halten, wenn ein Mikrophon in Rufweite auftauchen sollte, Ziehsohn Müller hin oder her.
    Dazu kommt der arbeitslose Daum, der in Fankreisen schon jetzt als Wunschalternative genannt wird, wenn Slomka mit der Mannschaft nicht direkt in die Spur findet. Auch der immer mächtigere Aufsichtsrat-Vorsitzende Tönnies wollte Christoph Daum bereits in der letzten Winterpause holen, scheiterte damals noch an Intimfeind Assauer.
    Wo die Manschaft jetzt steht, läßt sich aus dem Liga-Pokal nicht ablesen, dort fehlten absolute Stammkräfte wie Lincoln, Kuranyi, Ernst, Rafinha und Krstajic, also fast eine halbe Mannschaft. Dafür hat die zweite Garde die Sache ganz okay gelöst. Lövenkrands und Alitintop II. scheinen solide Verstärkungen zu sein, Mathias Abel ist wohl eher ein Allround-Backup für die Viererkette. Gespannt bin ich auch, ob und wie Abräumer Poulsen zu ersetzen sein wird.

  5. Die Gladbacher Hochlohnpolitik soll ja angeblich seit Jahr und Tag zu schwarzen Zahlen führen.. Der Borusse an sich schimpft übrigens schon länger darüber, dass die Verantwortlichen nicht endlich mal ein wenig Risikobereitschaft an den Tag legen und in den Kader in anständigen Größenordnungen investieren, statt den “Gewinn der Steuer zu schenken” (hihi, was deppen). Ich bin ja mal gespannt, welche Option eintrifft: a) mit Osram endlich wieder ein Trainer, der langfristig junge Spieler und eine Mannschaft mit Struktur aufbaut, Insua schenkt uns vermissten Spielwitz und Spaß und mit Platz 6 ist am Ende der erste schritt getan, die Entwicklung von Werder Bremen nachzuschreiten; b) Insua gewöhnt sich ans Grau in der Mannschaft und am Ende, wie immer Platz 11 oder so. Evtl auch mal 1 Auswärtssieg.