HSV – Hertha BSC Berlin 1:1

Das fragile Gebilde HSV. 54 Minuten lang lief es gegen Hertha in Maßen einigermaßen anständig. Dann verletzte sich Van der Vaart und der HSV fiel in sich zusammen.

Der dritte Spieltag sah den ersten Einsatz von Joris Mathijsen, knapp vier Tage nach seiner Verpflichtung als Boulahrouz-Nachfolger aus Alkmaar. Ansonsten lief der HSV “Osasuna-bewährt” auf. Benjamin, Mathijsen, Reinhardt und Mahdevikia in der Abwehr, De Jong, Wicky, van der Vaart und Jarolim in der Raute, Sanogo und Lauth im Sturm.

Mathijsen hielt sich anfangs noch zurück, war teilweise zu zögerlich im Ergreifen von Initiative, aber für ein Debüt war das ganz okay. Problematischer war die Defensive auf der linken Seite. Colin Benjamin bot in Osasuna mit seiner Rückkehr nach einem Jahr Exil und Verletzung eine Feel-Good-Story, war aber heute in der Verteidigung überfordert. Über seine Seite kamen zu viele Flanken und Benjamin stand meistens zu weit weg oder war schon ausgespielt. Teil des Problems war auch Wicky. Wo war Wicky? Wieso kam soviel Druck so ungebremst auf Benjamin zu? Wicky schien immer wieder mit seiner Lieblingsposition im zentralen defensiven Mittelfeld zu liebäugeln und gab links zuviel Platz ab.

18te Minute. Freistoß van der Vaart auf den langen Pfosten, Benjamin legte per Kopf zentral in den Strafraum ab, Sanogo schenkt ein. Ganz die Osasuna-Blaupause. Sein dritter Treffer in der Saison.

Danach ein dezenter Filmriß beim HSV. Hertha kam besser ins Spiel und immer wieder über rechts, immer wieder über Ebert und Bastürk. Der HSV ließ sich hinten zu schnell einschnüren und hatte Probleme mit dem schnellen Umschalten von Defensive aus Offensive. Man war bemüht, aber die Mannschaftsteile harmonierten nicht. Hertha verschwendete diese 20 Minuten der Überlegenheit durch teilweise unmotivierte Fernschüsse. Am stärksten war der HSV bei Standards, die van der Vaart gleich im Dutzend gefährlich in den Strafraum reinbrachte.

Der HSV versuchte in der zweiten Halbzeit ins Spiel zu kommen, doch in der 54te Minute erlitt van der Vaart beim Ausführen eines Freistoßes eine Verletzung (Adduktoren?). Für ihn kam Trochowski rein, aber der HSV fiel auseinander. Es stimmte in der Ordnung überhaupt nichts mehr. Trochowski, Wicky, Jarolim, ein zurückhängender Lauth, ein unkonzentrierter Sanogo, Mahedevikia und Benjamin liefen sich permanent übern Haufen, spielten ins Leere oder liefen in der falschen Richtung. Hertha übernahm die Kontrolle des Spiels. Der Ausgleich für Hertha fiel in der 64te Minute nach einem Eckball und Chaos in der Hamburger Abwehr (Gimenez schiebt ein).

Das Spiel war längst in seiner schwächsten Phase. Erst in der Schlußviertelstunde wurde das Spiel wieder unterhaltsam, weil beide Mannschaften sich einen offenen Schlagabtausch lieferten. Beim HSV lag das Mannschaftsspiel immer noch komplett in Trümmern. Zusätzliche Auswechslungen von Jarolim und Wicky und Einwechselungen von Guerrero und Berisha taten ihr übrigens, dass die Spieler nicht zueinanderfanden. Aber immer wieder kam dann doch noch der eine oder andere Ball an oder wurde es durch eine individuelle Leistung gefährlich. Beispielsweise ein von Fiedler abgelenkter 30m-Trochowski-Freistoß, dessen Konsenstreifen noch Stunden später zu sehen waren.

Auflösungserscheinungen beim HSV nicht nur nach vorne. Man war hinten längst völlig offen. De Jong gab das Ein-Mann-Mittelfeld und räumte in einer 40m breiten Zone um die Mittellinie herum, im Alleingang auf. Hertha versuchte es immer wieder mit Konter. Zwei Platzverweise taten ihr übriges um das Spiel anzuheizen. Sofian Chahed musste nach 85 Minuten mit Gelb-Rot raus und beim einem Konter an der Seitenlinie entlang, rauschte Colin Benjamin von hinten in Bastürk rein. Er hat zwar Bastürk nicht getroffen und das ganze war schon jenseits des Seitenaus, aber für dieses versuchte Hochgeschwindigkeitstackling von hinten gab es zurecht blank Rot. Zudem noch Gelb für Pantelic der in der 86ten Minute aus seiner Auswechslung ein keckes Theaterstück machte. Trainer Falko Götz kündigte im Interview auch bereits eine Geldstrafe für Pantelic an.

Die allerletzte Chance hatte der HSV, als Lauth zur Seite ablegte und Guerrero aus 10m freistehend den Ball übers Tor schlenzt.

Van der Vaart hat in der letzten Saison häufig genug gefehlt, so dass der HSV eigentlich die Situation hätte kennen müssen. Aber im Spiel zwischen Mittelfeld und Angriff stimmte es schon die ganze Saison nicht und van der Vaarts Ausfall gab dem HSV den Rest. So gesehen kommt die Länderspielpause zur Unzeit. Die Mannschaft braucht Spielpraxis.

Lauth so bissig und engagiert wie seit längerem nicht mehr. Bei Sanogo schien der Akku nach 60 Minuten sehr leer zu sein, leistete sich zahlreiche Unkonzentriertheiten. Jarolims und Mahdevikias Spiel sehr ineffizient.

Nach Atouba (Leiste) und Demel (Rot) hat sich nun auch Benjamin (Rot) aus der Linksverteidiger-Position verabschiedet. Das gibt der Personalie Sorin nochmal einen gewissen Druck. Als Alternative würde Doll ansonsten zu Klingbeil oder Wicky greifen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ich sehe das mit der Länderspel-Pause genau anders. Diese kommt für den HSV ideal. Im Laufe der nächsten Woche sollte er Kader sein entgültiges Bild bekommen, dann hat Doll genug Zeit die Mannschaft ordentlich einzustellen. Es ist sozusagen die Vorbereitungszeit die dem HSV aufgrund der Rotationen im Kader und der schwierigen Marktsituation fehlte. Müsste man diesen Findungsprozess während des vollen Bundesligaspielbetriebs durchmachen, wäre in 3 Wochen der Zug “Champions-League Platz” vielleicht bereits abgefahren. So gibt es nächste Woche ein Pokalspiel, dann mit Sichereit noch ein oder zwei kleine Testspiele und in drei Wochen kann die Saison für den HSV richig losgehen.

  3. Also für mich war das ein Rückfall in ganz dunkle Zeiten.
    Super Start und ich dachte, hey, jetzt geht die Saison los, CL-Bremse raus aus dem Köpfen und Anschlussfähigkeit an die Leistungen der letzten Saison gezeigt.
    Das ging ja auch gut bis zum 1:0.
    Für mich riss der Faden danach und wurde erst wieder einigermaßen aufgenommen nach dem Ausgleich. Wie kann eine Mannschaft quasi um den Ausgleich betteln. Wenn ich immer alles kriegen würde, was ich mir erbettele… aber das ist eine andere Geschichte.
    Ich vermute, die wollten das 1:0 über die Zeit retten im Stile einer großen Mannschaft – kein Kommentar dazu, das war schon Thema genug in unserem (Kuchen)Block.
    Pantelic war ne Show, Fandel fand ich auch mal wieder richtig schlecht, wie er die Karten zückt, ziemlich cäsarisch, aber schön, dass er sich dann auch noch mal in den Vordergrund drängeln konnte.
    Schwächster Mannschaftsteil war das Mittelfeld, erst recht als RvdV raus musste, wie die Berliner teilweise durch die Hamburger Hälfte spazieren durften, das würde ich trainieren…
    Aber insgesamt darf man sich nicht beschweren, es hätte auch noch eins setzen können…
    Und Guerrero stand bei seinem Schlenzer im Abseits, macht als nix, dass er verzogen hat::-P

  4. Auf den HSV kommen schwere Zeiten zu. Sie werden am Ende der Saison mit leeren Händen dastehen. Die Doppelbelastung in der CL. wird dafür sorgen, dass Mannschaften, z.B. BVB, Stuttgart, am Ende der Saison vor dem HSV stehen werden. Auch konnte man gestern erkennen, dass Hertha ein Tick besser war, leider nicht clever genung. Was auf jeden Fall auffällt ist, dass Hertha endlich die Ernte einfährt (siehe Ebert, Boateng, Chahed, Fahti). Zu Pantelic: das Affentheater war doch ganz witzig – nur soll der Schiedsrichter dann eben 2 Min. mehr draufpacken.

  5. Das “Affentheater” von Pantelich war vielleicht witzig, aber auch total unangebracht. Geht sein Erstaunen über die Auswechselung vielleicht noch als cleveres Zeitschinden durch, so waren die nachfolgenden Aktionen dicht an einer Zuschauerprovokation dran.

    Emotionen gehören zum Fußball, aber Provokationen eben nicht. Beim Football wäre er für solch eine Aktion zurecht gleich vom Platz geflogen, denn provozierte Zuschauer neigen schnell zu unkalkulierbaren Ausbrüchen und die will wohl niemand riskieren.

  6. Der Hertha Berliner Sport Club Berlin wird ganz sicher wieder einbrechen wenn das Wetter schlechter wird. Ein schönes 0:0 bei 4 C und Nieselregen in Oslo oder Chisinau, dazu drei sieglose Spiele in der Liga und im Pokal gegen VfL Osnabrück per Elfmeterschießen ausgeschieden… schon wird die Ansammlung talentierter Diven erst über den Schiedsrichter und dann übereinander herziehen (bevorzugt über die Medien), wird Wurst-Ulis unfähiger Bruder versuchen, so etwas wie Krisen-Managment aufzuziehen (eine Situation, bei der mir immer wieder auffällt, welch schöne alte Sprichworte das Deutsche kennt, das mit dem Bock und dem Gärtner bspw.), und die lustige Berliner Zeitungslandschaft (Weltmetropole und so) wird sich die Seiten nur so vollkübeln lassen.
    Lustig in dem Zusammenhang: der Giminez-Marcelinho-Transfer. Sportlich wohl nicht unklug (der Sturm Pantelic/ Giminez dürfte der erste ligataugliche der Hertha seit langem sein, und Bastürk plus je ein Spieler, der gerade gut in Form ist, scheint Marcelinho durchaus ersetzen zu können), jedoch tönt Dieter H. seit längerem, er wolle nur noch Spieler haben, die charakterlich passen. Und diesbezüglich hat er
    – einen mind. 30j. Brasilianer, der schwere Probleme mit einem Mindestmaß an Realitätsbezug und Lebenstüchtigkeit zu haben scheint, aber zumindest immer loyal dem Verein gegenüber wirkte, gegen
    – einen mind. 30j. Argentinier, der sich in zwei Jahren bei zwei Vereinen die Freigabe erstänkerte, getauscht.
    Das dürfte noch interessant werden.

  7. sternburg@ Man kann dir schwer widersprechen. Hertha fliegt diesmal gegen die Lilien raus – das denke ich auch. Man sollte aber eines nicht unterschätzen! Das ganze Spiel war auf Marcellino abgestimmt. Das hemmt ein Spiel und macht abhängig. Übrigens: wer ist der 30j. Brasilianer, der….(habe ich da was verpasst) – kann doch nur Gilberto sein. Der gehörte doch bisher zur Marke “Leisetreter”. Da ich gerne Tippe, tippe ich das Hertha sich direkt für den Uefa-Cup qualifiziert.

  8. @patsHerrmann: Nein, ich meine Marcelinho (wie geschrieben?). Der ist doch 30?

  9. sternburg@
    Habe das Wort “getauscht” überlesen.
    Wichtig ist in “JEDER” Mannschaft das die Hirachie stimmt! Für mich scheint es so, dass die Mischung bei Hertha stimmt. Da muss es nicht unbedingt Ärger geben. Für Unruhe werden die Vertragsverhandlungen mit Bastürk sorgen. Der Vertrag läuft aus und Hertha will ihn sicherlich unbedingt halten und dafür wird wohl die Schmerzgrenze überschritten.
    Gruss