dogfood on Tour: dicke Eier in der Bodega

Auf meiner Erkundungstour durch die Kneipen der näheren Umgebung, hatte ich mir für den heutigen Champions League-Abend die (das?) “Bodega” in der Weidenallee zu Hamburg ausgeguckt. Zum Glück gab es das Werder-Spiel als Einzeloption, so wie ich auch an zwei weiteren Kneipen vorbeigegangen bin, die jeweils Werder als Einzeloption laufen hatten. Soviel zur “Feindschaft” zwischen den beiden Hansestädtern.

Ich kam wenige Minuten nach Anpfiff und konnte mich auf den letzten noch verfügbaren Sitzplatz quetschen, in der ansonsten proppevollen Bodega. Neben mir ein Werder-Fan. Merkmal: Werder-Feuerzeug und ein irrsinnig schneller Griff zum Glas auf dem Tisch um nur kurz am Bier zu nippen und dann das Glas wieder zurückzustellen. So ging das im Minutentakt. Zack, wieder der Griff. Und Zack. Und Zack… Noch zwei solche Champions League-Spieltage und er hat einen rechten Bizeps wie einst Arnold Schwarzenegger.

Levski Sofia – Werder Bremen 0:3

Das war ein lässig heruntergespielter Auftritt von Werder Bremen, die von der Abwehr bis ins offensive Mittelfeld rein, so selbstbewusst den Ball spielten, dass den Weiß-Grünen fast die Hose geplatzt ist. Da gab es, von wenigen Momenten abgesehen, fast keinen Augenblick wo der Ball aus der Abwehr heraus einfach nur weggedroschen wurde. Selbst an der Eckfahne haben sie noch mit Hacke-Spitze den Ball über drei Stationen zu Diego, Klose oder Hunt gebracht. Sehr ballsicher, sehr gute Laufwege, sehr gute Antizipation, sehr viel Laufbereitschaft, sehr eingespielt.

Wenn man denn etwas sucht, um Trübsal zu blasen, dann ist es was an Tormöglichkeiten dabei rumgekommen ist. Drei Tore (33te, 35te, 37te), drei Geschenke. Erst wird der junge bulgarische Torwart von seinem Abwehrkollegen mit einem diffizileren Rückpass an die Wand genagelt. Torwart will Ball stoppen, der nasse Ball glischt übern Schuh ins Tor. Danach öffentliche Demütigung durch ein entfesseltes Heimpublikum.

Der Knacks der Levski-Mannschaft nach dem Treffer war ebenso zu spüren wie die Witterung des waidwunden Gegners die Werder aufgenommen hatte und nun nachsetzte. Eckball, scharfer Ball auf Baumann, der völlig vereinsamt zum Kopfball kommt und ihn bilderbuchmäßig ins Tor prügelt. Wieder zwei Minuten später, Sofia rennt wie ein Hühnerhaufen durcheinander, Werder kann ohne Fremdstörung den Ball passen. Scharfer Flachpass, zentral verpasst ein Werderaner, aber am rechten Flügel steht mutterseelenallein Frings, der noch in den Strafraum reinlaufen darf und dann radarpistolenkompatibel ins lange Ecke hämmert.

Werder bekam die Geschenke gegen einen phasenweise überforderten Gegner und Werder hat die Geschenke genommen. Aber so einen Hühnerhaufen werden die Werderaner nicht in Barcelona und nicht gegen Chelsea vorfinden und so viele zwingende Chancen hat Werder heute abend auch nicht herausgespielt.

Aber erstmal darf man sich an dem 3:0 berauschen. Das war teilweise eine extrem feiste Leistung von Werder.

Theoretisch hat Werder es nach dem Unentschieden zwischen Barca und Chelsea nun selber in der Hand als Tabellenzweiter in die nächste Runde zu kommen (7 Punkte). Aber praktisch dürften Barca (5 Punkte) und Chelsea (10 Punkte) die drei Punkte aus ihren noch ausstehenden Levski-Spielen schon gebucht haben und Barca damit virtuell einen Punkt vor Werder stehen. Bedeutet: Werder muss noch minimum einmal gewinnen.

Bodega

Der Werder-Fan neben mir, hat jedenfalls genässt: er ist Dauerkarteninhaber und hat ein Ticket für das Chelsea-Spiel.

War ich am letzten Samstag überrascht, wieviele Kneipen während der Bundesliga voll waren, bin ich noch überraschter, dass auch an einem HSVlosen Champions League-Abend, die Butzen richtig voll waren. Entweder ist das Phänomen als einstiger PREMIERE/ARENA-Seher völlig an mir vorbeigegangen, oder ich laufe zufällig durch zwei extreme Hamburger Szenestadtviertel oder die WM zeitigt Nachwirkung was das “inner Kneipe Fußball-sehen”-Erlebnis angeht.

(Meine Beurteilung der Bodega bei Qype)

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ich hab keine Ahnung wie das sonst in Hamburg ist oder war, aber hier in Bayern (namentlich Regensburg, München und Augsburg) ist das Champions League schauen in diversen Kneipen schon seit ein paar Jährchen seeeehr beliebt. Zu den Bayernspielen muss man (zumindest hier in Regensburg, wo ich seit einem Jahr wohne) in einigen der beliebteren Pinten schon ne halbe Stunde vor Öffnung da sein, um überhaupt noch reinzukommen. Dafür lohnt es sich aber, denn die Stimmung ist grandios und das Bier trinkt sich in Gesellschaft doch wesentlich besser. Überrascht hab ich dann letzte Saison auch bei den Bremenspielen eine radikal volle Hütte festgestellt. Da stapeln sich die Leute direkt, ist wirklich lustig.

    Das ist also nicht erst seit der Wm so, liegt womöglich aber auch an dem hohen Studentenanteil in der Stadt…

  3. “Entweder ist das Phänomen als einstiger PREMIERE/ARENA-Seher völlig an mir vorbeigegangen, ”

    sic! Die nicht-autistische Variante des Fussballschauens. ;) Vorreiter waren imho die diversen Irish Pubs in den Großstädten …

  4. Hallo zusammen,

    @dogfood
    schön, dass du dir wieder die Zeit nimmst aas mit neuen Infos zu versorgen.

    Schaue heute mal in Bremen City, wie gefüllt die Sportsbars sind, wenn der HSV spielt.

  5. @Dogfood
    Fussi in Kneipen gucken ist der Tat zumindest in den meisten Großstädten mit Buli-Vereinen schon lange etabliert und viel genutzt, egal ob Bundesliga, Champions League oder Länderspiele. Irgendwo süss deine immer wieder überraschten Berichte darüber zu lesen. Überhaupt schön das hier wieder etwas leben Einzug hält!

  6. Das Ausmaß von “Fussi gucken inner Kneipe” war mir nicht klar, sprich:
    sechs Kneipen am Rande eines Szeneviertels auf einer Strecke von 1km, vier davon sogar voll, wenn NICHT der HSV gezeigt wird. Nichts gegen Werder, aber Levski – Werder oder Mainz – Werder würde ich nicht per se als “Straßenfeger” einstufen. Gestern war ab acht abends beschissenes Wetter. Hielt die Leute trotzdem nicht ab, in die Kneipe zu gehen.

    Nicht zu vergessen: all das Gehassle mit dem Wechsel der Liga zu ARENA.

    Doch, vom Ausmaß bin ich überrascht.

  7. Die wollten doch alle Barca-Chelsea und nicht Werder sehen! ;)

  8. Muss sagen mir gehts gerade ähnlich wie dogfood, mich hat es auch überrascht als ich in letzter Zeit mal wieder in Kneipen Sport geschaut habe.

    @dogfood: Schön dass das beste Sportblog wieder in Aktion ist!!

  9. Schön, dass Du wieder schreibst und schön, dass die Kommentare wieder auf sind.
    Vielleicht bist Du auch im Bodega mitten in einer Werder-Exilanten-Kneipe gelandet? In Köln treffen sich die Bremer gerne im Müller-Lüdenscheid auf der Zülpicherstraße. Das ist dann samstags fest in grünweißer Hand und proppevoll.
    Aber generell ist Fußballgucken in der Kneipe seit Premierestart vor einigen Jahren schon sehr populär. In dem Zusammenhang würde ich Deine beiden Texte zur Bodega übrigens gerne in meine Auswärtsspiel-Rubrik reinpacken.