#20, der Bundesliga-Samstag

Das könnte eine interessantere Rückrunde werden, als es der fulminante 5:1-Sieg des FC Bayern im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart oder das Massenstolpern der Konkurrenz am letzten Wochenende befürchten ließt. Fünf Mannschaften bis auf 4 Punkte an der Tabellenspitze ran. Wenn der HSV morgen gewinnt, gibt es für das nächste Wochenende vier Tabellenführer-Kandidaten.

Ich habe mich auf die beiden Spiele Hertha BSC – Bayern und Werder – Mönchengladbach konzentriert.

Erstmal muss ich Hertha Abbitte leisten. Das ist zwar sehr defensiv eingestellt, aber nicht hirnlos. Mit viel Laufarbeit steht man hinten kompakt, verengt um den Ball herum die Räume. Für einige Spieler wie Ribéry gab es was auf die Socken, umgekehrt gab man zugunsten der Kompaktheit im Zentrum auch Räume auf den Außenpositionen frei.

Was aber die Hertha sehr geschickt macht, ist das schnelle Umschalten nach vorne. Entweder in der Variante des langen Anspiels auf Voronin, der den Ball dann solange hält, bis die Nachrücker eintreffen, oder des kurzen Zuspiels auf Raffael, der in der Lage ist, sich auf engstem Raum durch ein kompaktes Mittelfeld zu fräsen und wenn er wieder Licht sieht, dann wohltemperierte Pässe zu machen.

Gefährlich wird diese Taktik erst dadurch, dass die Berliner sehr schnell und auf breiter Front nachrücken und eine sehr gute Antizipation der Laufwege haben. Die Pässe kommen schnell, die Pässe kommen präzise. Da muss nicht lange überlegt werden.

Zumindest die ersten 75 Minuten im Spiel gegen die Bayern, war das zum Zungeschnalzen. Prototypisch dafür der 2:1-Siegtreffer der Hertha (77te), als Raffael bei einem Konter einen Pass spielt, so leicht und locker, dass er sogar in Milch schwimmt, in den Lauf von Voronin, der nicht mehr viel machen muss als an Rensing vorbeizuschieben.

Anders dagegen die 1:0-Führung der Hertha (38te). Ebert schlägt eine Christian-Ziege-Gedächnisflanke, der Ball zirka siebeneinhalb Minuten in der Luft. Voronin und Lell laufen in den Strafraum rein. Voronin schlägt plötzlich einen Haken und schneidet rein, Lell macht ebenfalls einen Haken – nach außen. Voronin köpft freistehend an Rensing vorbei ins Tor. 80% Schuld an Lell, der nicht an Voronin kleben blieb, 15% für den genial getimten Haken von Voronin, 5% an Rensing, der da eine Position weder Fisch noch Fleisch hatte und auf halben Weg stehenblieb. Wäre Kahn noch im Tor, hätte sich Voronin neuen Zahnersatz suchen dürfen.

Die Bayern waren fast das komplette Spiel feldüberlegen. 62% Ballbesitz. Aber auch enorm langsam. In dieser Partie konnte man die Kontraste gut beobachten. Auf der einen Zeit die Berliner Hertha mit schnellem Spiel, mit Antizipation. Auf der anderen Seite die Bayern, sehr behäbig, sehr langsam, keine Antizipation für freien Raum. Jeder Flügelwechsel lief über mindestens 4-5 Stationen.

Wenn der Gegner so kompakt steht wie die Hertha, ist das von den Bayern an den Tag gelegte Tempo zu gering und das Spiel zu berechenbar. Ribery oder Schweinsteiger kommen häufig in Nähe der Mittellinie an den Ball und sind die einzigen Scharniere im Spiel zu den Sturmspitzen. Ze Roberto, Van Bommel und Lahm schalten sich zu selten oder zu tief ein.

Gefährlich wurden die Bayern vorallem dann, wenn dieses sehr starre Schema durchbrochen wurde und aus der Abwehr durch Lahm oder Lucio nachgerückt wurde. Bezeichnend war der Ausgleich der Bayern (61te). Lucio mit einem Sturmlauf und hämmert den Ball hitzlsperger-esk aus 25m aufs Tor. Drobny muss nach vorne prallen lassen, Schweinsteiger in Abstauberposition, scheitert an Drobny, der den Ball nach oben prallen lässt und beim Runterkommen Schweinsteiger vom einschußbereiten Füßchen patscht… auf das Köpfchen von Klose. Klose schafft es irgendwie durch die Extremitäten des Gummimenschen Drobny hindurch zu köpfen. Gefühlte zwei Minuten später trifft der erste Hertha-Verteidiger im Strafraum ein – ungewöhnlich angesichts der sonst hohen Laufbereitschaft.

In den letzten 15 Minuten war es eine Abwehrschlacht von Hertha.

Die Bayern-Mannschaft ist derzeit in ihrer Anlage eine ziemlich berechenbare, weil überraschungsfreie Mannschaft. Impulse kommen allenfalls durch individuelle Geistesblitze und wenn die ausbleiben, weil Ribéry grad kein Bock hat, Schweinsteiger sich eine Auszeit nimmt und Klose wenig brauchbare Anspiele bekommt, die er an Toni weiterreichen kann, dann reicht es nicht mehr, einen schwierigeren Gegner aus dem Weg zu räumen.

Das dürfen sich auch Uli Hoeneß und Jürgen Klinsmann ans Revers heften, die keine Tiefe im Kader aufgebaut haben. So verwundert es nicht, dass die Einwechslungen von Klinsmann meistens schon einer Viertelstunde vorher durchtelegraphiert werden können. Einer der Faktoren weswegen ich die Bayern Jahr für Jahr als Meister tippe, ist der Kader, mit dem sie Verletzungen und Leistungsschwankungen kompensieren können. Nun schaue ich aber auf die Bank und man hat das Gefühl, dass es sich dabei nicht um taktische Alternativen handelt, sondern um verbrannte Spieler, die nicht das Zeug zur Startelf haben. Bei aller schlechten Leistungen die er in dieser Saison gebracht hat: das Fehlen von Podolski scheint den Bayern eine Reihe von Optionen zu rauben. Das ist nicht der Klinsmann, den man (zusammen mit Löw) aus Nationalmannschaftszeiten kannte, wo mit “Joker” wie Neuville oder Odonkor es auch einen Plan B gab.

Aber Respekt vor der Hertha. Das heutige Spiel hat gut gezeigt wie die Mannschaft tickt.

Werder Bremen – Borussia Mönchengladbach

Einiges was man zum FC Bayern geschrieben hat, kann man auch auf Werder anwenden. Aber erstmal grundsätzliches zum 1:1 gegen den Tabellenletzten: 35:5 Torschüsse von Werder, davon geschätzt zehn Dinger, aus denen man normalerweise eine Bude macht. Das ist unglücklich gewesen, kann aber auch nicht verbergen, das Werder weiterhin mit strukturellen Problemen zu kämpfen hat.

Gladbach spielte mit einem 3-3-3-1 und war nicht so negativ eingestellt, wie ich es noch vor zwei Wochen in Stuttgart gesehen habe. In den ersten 15-30 Minuten konnten sie mithalten, fuhren ernstzunehmende Entlastungsangriffe, ehe sich die Borussia immer mehr hinten reindrängen ließ und das Wohl und Wehe von Mönchengladbach nur noch an Torwart Logan Bailly hing. Das belgische Pummelchen hatte nicht nur Hüftgold (90kg auf 1m89? My ass!), sondern auch goldene Hände.

Werder biß sich die Zähne aus, abgesehen von einem Eckball auf Pizarro, Kopfball, Tor (77te). Gladbach kam zwei Minuten später zurück, als Marin von links außen einen Freistoß in den Strafraum schlug, der sich irgendwie durch Freund und Feind kämpfte und am zweiten Pfosten auf dem Schlappen von Bradley kam.

In der Werder-Mannschaft harmoniert es nicht. Es erinnert an ein Ruderboot, in der jeder am Riehmen einen anderen Takt einlegt. Das fängt mit den Außenverteidigern an. Boenisch bemüht sich – das ehrt ihn – aber bei 10 Aktionen hat er zwei lichte Momente dabei und sieben komplette Gurken, wie sie noch nicht mal in der A-Jugend passieren. Wenn man es nicht sieht, glaubt man es eigentlich nicht.

Bei Fritz ist es umgekehrt: was er macht hat schon eher Hand und Fuß. Dummerweise klinkt sich Fritz 80 von 90 Minuten aus dem Spielaufbau aus.

Özil spielt sehr agil, kommt aber häufig über halb links und ist auch keiner der sich die Bälle von hinten holt. Im Mittelfeld klafft dann immer ein Loch, weil Boenisch nicht kann, Fritz nicht will und Baumann als Sechser mehr mit Zerstören als Aufbauen beschäftigt ist. In dieser Lücke versucht Frings den Ballverteiler zu geben. Aber Frings ist nicht in der Lage das Spiel schnell zu machen. Er gibt eher den Beckenbauer: Ballannahme, aufschauen, das Feld in all seiner Breite sondieren, nach unten schauen ob der Ball noch am Fuß ist, nach oben schauen, ob die Mitspieler noch alle da sind, nach unten schauen und den Ball in die abgespeicherte Richtung abspielen. Im heutigen Fußball bedeutet das, dass die halbe gegnerische Mannschaft längst wieder zurückgelaufen ist.

Und da sich Frings in die Mitte verschoben hat und Fritz nur selten nach vorne kommt, ist die rechte Seite häufig verwaist.

Die Rehhagel-Empfehlung Alexandros Tziolis spielte heute als linker Mittelfeld-Spieler und in einer komplett anderen Mannschaft, sowenig eingebunden war er im Bremer Spiel.

Die Bremer haben im Spielaufbau nicht nur ein Problem mit der Raumaufteilung und dem Tempo. Es scheint auch kein Verständnis für die anderen Laufwege zu geben. Werder wirkt in dieser Beziehung wie der Antipode von Hertha.

Mit diesen Problemen an der Backe, kann Werder die Bundesligasaison abschenken und sich komplett auf die Spiele im UEFA- und DFB-Pokal konzentrieren.

Gladbach scheint sich Schritt für Schritt zu verbessern, aber nach vorne ist es immer noch zu wenig. Den Gladbachern rennt die Zeit davon.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Tja, Sebastian Boenisch hat bei 10 Versuchen über die linke Seite 7 absolute Gurken dabei, Dusko Tosic schafft aber 100% mit 10 von 10. Und Boenisch hat immerhin einen Vorteil. Er hat zumindest ein bisschen den Ansatz von Torgefahr und einen guten Schuss (wenn er den Ball richtig trifft). Sonst geht der Ball auch mal in die Weser, keine Frage. Aber bei Boenisch steckt noch sehr viel Potential.

    Was die Zahlen aber deutlich machen. Werder hat ein großes Problem auf der linken Seite. Und das müssen Allofs und Schaaf auch sehen. Und das man da nicht einen Neuzugang geholt hat, ist ein Fehler der sportlichen Leitung. Ich lese immer nur Gerüchte über Neuzugänge für die Offensive. Es muss endlich etwas defensiv getan werden. Heute war der Gegner zwar nur Gladbach, aber jeder andere Verein hätte Werder stärker defensiv gefordert. Dass man vorne derzeit nicht so glücklich agiert, sehe ich gar nicht so schlimm. Irgendwann platz der Knoten da auch wieder. Nur, was nützt es dann, wenn man dann schon 0:2 hintenliegt. Und jede andere Mannschaft außer Gladbach hätte das heute schaffen können.

  3. Zu Bremen: Ich bin auch veblüfft, was die gemutmassten Neuzugänge anbelangt, und das schon seit gefühlten drei Jahren. Es wird (auch von Fans) immer nach einem neuen Stürmer geschrien. Man sollte Allofs ein Stürmer-Kaufverbot auferlegen. Erstmal im Mittelfeld anpacken, zumindest was die Tiefe / den Variantenreichtum angeht. Bremen hat keinen Spieler, der auf Kommando eine gute und verwertbare Flanke schlägt, den einzigen Spieler der das konnte hat man nach München gehen lassen (zu Recht). Sind Boenisch oder Tosic erstmal verunsichert und Fritz immer noch nicht in Form, dann kann man diese Form der Torvorbereitung schonmal als erledigt betrachten.
    Ich find es an sich gut, dass man Boenisch und Tosic hat, beide können noch ihren Weg machen. Ihre Unerfahrenheit muss man dann allerdings einkalkulieren und entsprechend nach Spielern suchen, die solche Schwächen wett machen. Wie geil wäre bspw. ein 4-5-1 mit Diego und Özil vor Frings oder Baumann (je nachdem wer mal weniger außer Form ist :P) und dann flankiert von zwei schnellen Flügelspielern. Im Sturm kann dann stehen wer will, mit Stürmern hatte Werder schon ewig kein Problem mehr (auch wenn das heutige Spiel anderes nahe legt).
    Ich denke es läuft auf einen zweistelligen Platz und eine Trennung von Schaaf im Sommer hinaus. Was diese Mannschaft alles nicht kann ist teils so schockierend… Allein die Unfähigkeit bei eigenen Ecken!

  4. Wie immer sehr treffende Analyse von Hertha-Bayern. Ich darf noch den Moment ergänzen, in dem ich mich innerlich echt erschrocken habe und mir klar wurde, dass Bayern inklusive diesem Jahr nun schon mindestens drei verlorene Spielzeiten auf der Rechnung hat: Als der erste Chip-Pass aus dem Halbfeld in die Spitze auf einen Stürmer gespielt wurde, der mit dem Rücken zum Tor stand. Das muss so irgendwann in der zweiten Halbzeit gewesen sein.

    Genau so sah unter dem späten Magath und durchgängig unter Hitzfeld immer aus: Schweini rennt sich auf dem Flügel fest, zumal er keinen Doppelpasspartner hat, spielt einen kurzen Pass zurück auf Lell/Sagnol/Younamehim, und dann kommt der Chip-Pass auf die Strafraumecke (wahlweise: die Halbfeldflanke). Ergebnis: Geschwindigkeitsverlust, meist auch Raumverlust wegen folgendem Rückwärtspass, oft sogar Ballverlust, wenn der Verteidiger bei der Passannahme entschlossen stört.

    Es war so schlimm. Nach Stuttgart und auch noch nach Hamburg dachte ich, Klinsmann ist vielleicht endlich angekommen. Jetzt aber weiß ich: Ich bin in einer Zeitschleife.

  5. Hertha hatte den eindeutigen Vorteil, dass die verschiedenen Mannschaftsteile immer eng miteinander verbunden waren. Hingegen herrschte bei den Bayern sehr große Abstände insbesondere zwischen Mittelfeld und Sturm. Somit fehlten die Möglichkeiten für einen Doppelpass in die Spitze hinein. Somit gab es immer wieder die berühmten Halbfeldflanken. Da Hertha auch eine kopfballstarke INnenverteidigung hat, verpufften diese umso mehr.

    Ribery war dieses Mal auch ausgeschaltet worden, weil er mal einen Gegenspieler hatte, der läuferisch mithalten. Ich habe überhaupt nicht verstanden, warum Ribery und schweinsteiger mal die Seiten gewechselt haben. Da liegt meines Erachtens auch ein Trainerfehler vor. Sowas muss auch mal von außen reingebracht werden.

    Habe jetzt schon mehrfach die Kritik an Rensing verbunden mit einem Vergleich mit Kahn gehört/gelesen. Wenn ich mich richtig an die Qualitäten von Kahn bezüglich des Rauslaufen erinnere, insbesondere in den letzen zwei, drei Jahren, wäre Kahn rausgekommen, hätte die Flanke unterlaufen und Voronin ins leere Tor köpfen können.

  6. ich erlaube mir auch einige kommentare zum angeblichen spitzenspiel hertha gegen bayern. ich hatte gestern das zweifelhafte vergnügen, das spiel live im stadion zu sehen. gleich mal vorneweg: das spiel war 60 minuten lang grausam. es standen sich 2 mannschaften gegenüber, die größtenteils fussball aus der fussballideologischen antike offenbarten: zum einen eine knallhart defensiv agierende heimmannschaft, die sich zumeist mit 10 spielern am eigenen strafraum verbarrikadierte, während ein einzelner voronin alibimässig ca. 25 m weiter vorne rumturnte. ich muss mir vor lauter lachen jetzt noch die schocktränen aus meinen augen reiben, dass so eine mannschaft nun tabellenführer der bundesliga sein kann. unglaublich. meines erachtens zeigt sich in dieser tatsache die unsägliche gesamtschwäche der liga. ich kann dogfood auch beim besten willen nicht zustimmen, dass irgendetwas – ausser der uralten, angeblich deutschen tugend des rennens bis zum kotzen – an der hertha-spielweise positiv zu nennen ist (ich lasse höchstens gelten, dass ein paar spieler fehlten – allerdings spielen sie auch mit denen einen recht un-unterhaltsamen fussball). die hertha-pässe in die spitze kamen nicht regelmässig an, sondern eher sehr selten. beiden toren gehen bayerische slapstickeinlagen voraus, beim 1. lell plus rensing, beim 2. der vollkommen desorientierte lucio. die anzahl der fehlpässe und sinnlos nach vorne gebolzten bälle war kaum auszuhalten. undundund…

    zum anderen sah ich eine unglaublich überheblich agierende mannschaft, die meilenweit von ihren selbstformulierten ansprüchen entfernt ist: bayern spielte die meiste zeit einfallslosen verwaltungs- & stehfussball, seit magath/hitzfeld hat sich also überhaupt nix geändert. man sah schon in den ersten spielminuten, dass einstellung, leidenschaft und aggressivität (im gesamten spiel keine einzige gelbe, nicht mal van bommel) fehlten. dass ribéry ein eher schlechtes spiel lieferte, lag nicht an den minderbemittelten herthanern, sondern an seiner sehr offensichtlichen unlust, die ihn daran hinderte, “ins spiel zu kommen”. man erkennt das m.e. bei ihm daran, dass ihm schon die ersten bälle bei der annahme vom fuss springen. surfguard hat die brachliegende rechte seite der bayern sehr gut beschrieben. es ist unglaublich und als kritischer bayern-anhänger sehr schmerzhaft, wenn man diese geballte einfallslosigkeit & inkompetenz ertragen muss. meine these: lell würde bei keinem anderen bundesligisten stammspieler sein. querpässe & unglaublich schlecht, aus purer verzweiflung nach vorne gebolzte chip-bälle. wahnsinn… warum klinsmann den immer wieder rumstümpern lässt, ist mir das allergrösste rätsel & zeigt, dass das leistungsprinzip schon lange ausser kraft gesetzt wurde (wieso spielt dort hinten nicht altintop, der das aus der nationalelf kennt? warum wurde eigentlich jansen verkauft?)

    und dann noch 2 weitere kommentare: van bommel bestätigte gestern mit nahezu jeder aktion – wie so oft -, wieso er eigentlich auf der bank sitzen müsste. dass das nicht geschieht, zeigt wohl, wie sehr klinsmann vor der bayern-chefs und der boulevard-presse eingeknickt ist. die szene in der nachspielzeit, als er aus dem mittelfeld einen freistoss in den strafraum “chippen” wollte & dabei den einzigen, weit & breit rumstehenden berliner anschoss, kann ich immer noch nicht glauben, wenn sie nicht so folgerichtig gewesen wäre.
    und schliesslich noch zu lahm, der ja so gerne auf rechts spielen möchte. gestern hat er gezeigt, warum er das nicht tun sollte: er beginnt dann nämlich viel zu früh, gerne auch aus dem halbfeld zu flanken. insofern ist es ein segen, dass er das mit seinem linken fuss nicht kann & er deshalb immer wieder dynamisch nach innen ziehen muss – da ihm das auf rechts nicht gelingen wird, wäre sein potential auf dieser position verschenkt…

    alles in allem hoffe ich, dass das spiel nicht in allzu viele länder übertragen wurde, weil dadurch ein weiteres mal offenbart wurde, wie minderbemittelt der deutsche ligafussball ist.

  7. HarHar das Spiel war das Topspiel in Europa/Afrika/Asien und da hingen bestimmt 30 Sender dran^^

  8. Also ich habe gestern auch keine sonderlich starke Hertha gesehen. Sie beschränkt sich aber nur auf das, was sie kann. Hinten gut stehen (mit möglichst vielen Spielern) und dann kontern und hoffen, dass es pro Partie ein- oder vielleicht zweimal reicht.
    Die Bayern waren (mal wieder) zu behäbig und selbstsicher. Es hat erneut die Laufbereitschaft gefehlt. Wie sonst kann man erklären, dass eine Mannschaft im 20. Spiel bereits zum 11. Mal in Rückstand gerät? Nur mit individuellen Fehlern wie gestern bei Lell?
    M. E. fehlt dem Team vor allem der Wille (und somit der Charakter), denn wie ist es sonst zu erklären, dass z. B. van Bommel mal Spiele hat, in denen er erstklassige Diagonalpässe auf die andere Spielfeldseite präzise bringt und dann in einem anderen Spiel sogar Freistöße direkt in die Mauer schlägt, obwohl es ein Zuspiel werden sollte? Da hilft es auch nichts, wenn etliche Partien noch gedreht wurden und dann davon zu sprechen, das es charakterlich stimmt. Mit der korrekten Einstellung wäre man in vielen Partien gar nicht erst in Rückstand geraten.
    Neben der Einstellung ist das Problem vor allem die rechte Seite (Lell) und – wie dogfood erwähnte – die Tiefe des Kaders. Da ist halt (mit Ausnahme von Altintop sowie van Buyten und vielleicht noch Borowski) niemand mehr, der auch in der ersten Elf spielen könnte. Aber kein guter Stürmer mehr (nein, auch nicht bocklos-Poldi) und erst recht kein Antreiber. Dazu kommen miese Standards und eine Chancenverwertung, die ihresgleichen scheut. Das sind eigentlich zu viele Baustellen auf einmal.
    Hertha, Hoffenheim und Bayer 04 können sich freuen, denn solange die Bayern noch die CL im Kopf haben, werden sie genug Chancen bekommen, die Bayern zu bedrängen und sich ggf. auch noch etwas abzusetzen. Zumal diese Teams keine internationalen Verpflichtungen haben. Und mal schauen, was der HSV noch so macht.
    P.S.: Gegenüber der Hinrunde sind es bis jetzt sogar 2 Punkte weniger.

  9. Auch ich habe das Hertha-Bayern Spiel im Stadion gesehen und sehe die Einschätzung der Leistungen ähnlich wie dogfood. Hertha hat sich beileibe nicht am eigenen Strafraum massiert, da hätten sie wohl gegen Bayern irgenwann wie üblich die Tore gefangen. Sie haben einen effizienten, aber zugegeben nicht unbedingt schön anzusehenden, Defensivriegel ab der Mittellinie aufgebaut. Darin haben sich die Bayern immer wieder verfangen, da von deren Mittelfeld keinerlei zwingende Aktionen ausgingen. Schweinsteiger und vBommel fast Totalausfälle und ZeRoberto und Ribery nicht in der Lage, sich durchzusetzen. Dadurch das Hertha nicht nur am eigenen Strafraum stand, konnten ja auch einige Konter sehr gut eingeleitet werden, bei einem 40m Loch zu Voronin wäre das kaum möglich gewesen.

    Herthas Stärke ist in dieser Saison ganz klar die Defensive, vorne kann man über jedes Tor froh sein. Ich sehe nichts Verwerfliches darin, daß ein immer noch recht neuer Trainer auf diesen Stärken aufbaut, die Offensive zu stärken wird ungleich schwieriger werden, da man dafür auch einiges an Geld investieren muß. Beklagenswerter erscheint mir die Bayern-Leistung, insbesondere wenn man das hohe Potential der meisten Spieler berücksichtigt. Ob diese laxe Haltung sich auf Knopfdruck in der CL umstellen läßt, wage ich mal zu bezweifeln.

  10. dass die hertha es ab & an mit einigen entlastungsangriffen versuchte, unbenommen, stimmt. die passage zum zweiten tor war sogar recht ansehnlich, wenngleich sicherlich durch lucios krasse orientierungslosigkeit begünstigt. aber die spielausrichtung der hertha war brutalst defensiv, bis mitte der 2. halbzeit standen sie mit 10 mann am eigenen strafraum. bayern ging nur wieder einmal sehr fahrlässig mit den dann doch vorhandenen chancen um, bzw. scheiterte am phantastischen drobny.

    das spiel erinnerte bzgl. raumaufteilung und ballstafetten zeitweilig an ein handballspiel. gleichwohl ist es sicherlich auch legitim, so defensiv zu spielen – und es entspricht wohl sowohl dem potential als auch der taktischen ausrichtung. nur: einer angeblichen spitzenmannschaft, die zurzeit sogar auf platz 1 steht, ist so eine spielauffassung unwürdig, noch dazu im eigenen stadion. die hertha schaffte es doch tatsächlich, im gesamten spiel 3mal aufs tor zu schiessen. alle 30 minuten einmal. das halte ich, wie gesagt, für fussball aus der fussballideologischen antike. und bayern verlor das gestrige spiel sicherlich nicht, weil die hertha so spielte wie sie spielte. die bayerische hochnäsigkeit, leidenschaftslosigkeit und das gesamtphlegma waren nur allzu offensichtlich. in der 2. halbzeit konnte man immerhin sporadisch erkennen, dass bayern jedesmal dann zu guten chancen kam, wenn sie schnell und direkt spielten…

  11. Das Etikett “Spitzenmannschaft” hat sich Hertha sicher nicht angehängt. Und welche “würdige” Spielauffassung muß denn eigentlich ein Spitzenreiter haben? Wenn ich mich da an den CL-Sieger von 2001 erinnere, dann fallen mir auch recht wenige spielerische Leckerbissen ein ;-)

    Die Bundesliga leidet eben nicht erst seit dieser Saison unter einem Mangel an kreativen Spielern. Wenn eine ersatzgeschwächte gut durchschnittliche Mannschaft wie Hertha einem angeblichen Spitzenteam durch taktische Disziplin und Laufbereitschaft so leicht beikommen kann, dann sieht man in der Tat wo die Bundesliga steht.

  12. das etikett “spitzenmannschaft” ergibt sich aus der tatsache, dass sie den “platz an der sonne” innehaben. eine “würdige spielauffassung” haben etwa hoffenheim & leverkusen: das spiel aktiv (mit-)gestalten, prioritär versuchen, ein tor zu schiessen & nicht, eines zu verhindern. das heißt ganz allgemein: als “würdiger” spielgegner am spiel teilnehmen, vielleicht sogar mit dem ziel, das spiel auch zu gewinnen (sind alles keine sensationen, aber irgendwie auch nicht selbstverständlich, wenn man sich so umschaut)… ich könnte noch sehr viel mehr eigenschaften auszählen, die einen spitzenreiter oder eine weiter vorne platzierte mannschaft auszeichnen sollten, möchte aber nicht weiter langweilen. die kardinalfrage lautet dann wohl: welches (fussball-)spiel wollen wir eigentlich?
    ps.: ein paar spielerische leckerbissen fallen mir hinsichtlich des CL-sieger 2001 im übrigen schon ein. Dein vergleich hinkt ein bissl.

  13. Dass die anderen Spitzenmannschaften gegen Hertha, bis auf Bayern vor 17 Spieltagen, in Schönheit gestorben sind, macht sie aber auch nicht würdiger – komisches Wort für solch einen Sachverhalt – an einem Spieltag einmal an der Tabellenspitze zu stehen.
    Warum soll ein Trainer seine ersatzgeschwächte Mannschaft ins offene Messer laufen lassen, das Spiel von vornherein herschenken, nur damit die Mannschaft “würdig” ist oben mitzuspielen?
    Warum sind dann die “würdigeren” Mannschaften nicht vorne?

  14. ich spreche von “würdiger spielauffassung”, nicht von würdiger mannschaft. jede mannschaft ist hoffentlich irgendwie würdig, zumindest im anblick ihrer anhänger. mir geht es um den zusammenhang zwischen einer bestimmten tabellenposition & der art & weise, wie in abhängigkeit davon gespielt wird. und da gibt es eine ganz grosse diskrepanz zwischen der spielweise von hertha & ihrer tabellenposition…

  15. @franzferdl

    Also mich würdest Du nicht langweilen, wenn Du die anderen “Eigenschaften, die eine Spitzenmannschaft auszeichnen” auch noch aufzählen würdest…

  16. weil ich es grad wieder sehen muss: gibt es irgendeine offizielle Verlautbarung des DSF, warum man, nach durchaus sichtbaren Fortschritten in den letzten Monaten, ausgerechnet den Bundesliga-Content nicht in 16:9 produziert? Meine einzige Erklärung bislang ist, dass Grafiken, Inserts und Betrailerung der Sendungen noch auf 4:3 ausgelegt sind.

  17. @ franzferdl:

    Entweder du hast wirklich einen ganz extremen Sinn für Ungerechtigkeiten, oder du hast das Wesen des Fußballs nicht ganz durchstiegen bzw. hast da eine ganz andere Auffassung als der große Teil hier in der Runde.

    Wenn soviel Wert auf “Ästhetik des Spiels” gelegt wird, mit Teams die es aufgrund ihrer Spielauffassung würdig sind, oben zu stehen, empfehle ich dir mal beim Kunstturnen, Wasserspringen oder Eiskunstlauf vorbeizuschauen. Dort zählt Qualität wirklich noch! (Naja zumindest meistens…)

    Fußball hingegen ist IMMER ein ergebnisorientierter Sport gewesen und wird es auch bleiben. Wer die meisten Punkte sammelt steht oben und, das ist nach 20 Spieltagen eben Hertha BSC Berlin. Für Schönspielerei gibt es hier keine Punkte.

  18. Wenn man an der Hertha Probleme festmachen will, dann nicht wegen des defensiven, opportunistischen Kicks – den ich aufgrund der schnell und gut choreographierten Gegenstöße trotzdem ansehnlich & gut fand. Wie es schon etliche andere Vorschreiber notierten: mit der B-Note hat noch nie jemand die Meisterschaft gewonnen. Man frage aus den letzten Jahrzehnten Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen oder Werder Bremen, wo jedesmal der “effiziente” FC Bayern sich gegen Spielkultur durchsetzen konnte.

    Interessant ist aber die Frage nach der “Spiel-Autorität”. Das Hertha-Konzept kann so nur eine Saison funktionieren. Dann hat Hertha vielleicht einen CL-Platz und in der Bundesliga werden 14 von 18 Vereinen sich mit 20 Mann hinten reinstellen und die Hertha kommen lassen. Hertha würde mit der gleichen Taktik nächste Saison verhungern.

    Aber das ist die Zukunft. Das “Jetzt” ist nunmal die Saison 2008/09. Favre hat einen bestimmten Kader und eine Taktik gefunden, die gut auf dem Kader passt (oder vice versa). Das hat dann nichts mit “Steinzeit” zu tun, sondern gutem Coaching. Da ist mehr bewusste Spielgestaltung drin, als beim FCB.

    Kurz zum HSV-Spiel, das ich nebenbei gesehen habe:
    Der HSV hat auch ein Problem mit der “Autorität”. Zügig und druckvoll begonnen. Als es nach einigen Minuten immer noch 0:0 stand, ward man schnell verstört und ergab sich immer mehr in Wurschtelei.

    Das ist für europäischen Standard zu wenig, da muss man länger dranbleiben, um das dicke Brett zu bohren.

    Viele Spieler neben der Spur: Jarolim, Alex Silva, Mathijsen, Olic. Besonders bei Mathijsen ist es besorgniserregend, da sich seine Probleme schon die ganze Saison durchziehen.

    Verdienter Sieg unter allerdings glücklichen Umständen (1:0 hätte wg. Foul am Torwart durch Alex Silva auch unterbunden werden können. Wenn die Arminia den Elfer gemacht hätte, hätte das Spiel ne andere Chemie bekommen)

  19. Was mich erstaunt hat, war, wie gleichmütig die Bayern bis auf die Schlussphase aufgetreten sind. Auch danach: Uns doch egal, dass wir nicht Tabellenführer sind, das wird schon noch.
    Wenn sie sich da mal nicht täuschen. Erschreckend, dass außer Ribery niemand Ideen hat, wenn es gegen eine gutsortierte Defensive geht. Überhaupt nicht verstehe ich, dass Klinsmann freiwillig auf Podolski verzichtet und lieber nur mit drei Stürmern nach Berlin fährt. Mag sein, dass er es in München nicht geschafft hat, aber für ein Tor ist er doch eigentlich immer gut und, entschuldigung, so gut wie Donovan, nichts gegen ihn, ist er auch.

    @Hertha: Langsam wird es unheimlich. Man sieht, dass der Trainer eine klare Linie fährt, seine Spieler verstehen offenbar, was er will und können das Gewollte gut umsetzen. Da spielt es auch keine Rolle, dass ein halbes Dutzend extrem wichtiger Spieler ausfallen. Und die Chancenverwertung ist schon die gesamte Saison außerordentlich. Prunkstück ist natürlich die Abwehr mit Simunic und Friedrich (vielleicht sollte er auch mal in der Nati in der Innenverteidigung seine Chance bekommen) sowie dem großartigen Torwart Drobny. Jetzt kommt ein echtes Knackspiel: Wenn Hertha auch in Wolfsburg gewinnt, will ich gar nichts mehr ausschließen.

  20. gemach, gemach, maxl, alter technokrat. Dein wahrnehmungsfehler scheint bereits darin zu bestehen, dass sich “schöner” fussballstil und erfolgreicher fussball gegenseitig ausschliessen müssen, als sei es geradezu ein naturgesetz, dass sich hässlicher maschinen- & effizienzfussball am ende der saison durchsetzen muss. das möchte ich gerne auch an dogfood richten, weil er ähnliches impliziert: erinnert euch nochmals an die em, die faszinierenden spiele der spanier & russen – und vergleicht das mit dem deutschen gerumpel (portugal-spiel ausgenommen). wäre die deutsche mannschaft ein ebenso würdiger euro-meister gewesen? und noch ein, das beste beispiel des zusammenspiels von ästhetik & erfolg: barca. oder: das beste spiel auf clubebene letztes jahr war m.e. das CL-rückspiel liverpool gegen arsenal (4:2). die intensität, die ruhelosigkeit, die technische finesse, die leidenschaft, u.a. – all das war atemberaubend, fesselnd. gestern im stadion hingegen, dritter gegen zweiter, also angeblich spitzenspiel: 60 minuten langeweile, später als taktisches gleichgewicht euphemisiert. es war qualvoll.

    ich gebe ja zu: wenn eine mannschaft aus 11+ grattlern besteht, dann muss ich meine strategie entsprechend ausrichten. stimmt schon. alles eine frage der perspektive. und ich gebe ja auch zu, dass es legitim war, so brutalst defensiv zu spielen wie berlin, wenn man der meinung ist, dass das entsprechende personal keine inspirierendere spielweise draufhat. das stimmt ja alles. genauso legitim war die griechische spielweise 2004. mein hauptargument bleibt davon allerdings unberührt: mit so einer spielweise sollte man nicht tabellenführer werden können. dass das so ist, scheint mir, wie gesagt, ausdruck der gesamtschwäche & inkonsistenz der liga zu sein. ansonsten gelten die waisen worte von l. c. menotti: “Der rechte Fußball denkt an Gewinnmaximierung, der linke an die Vermittlung von Lebensfreude.”

    ach ja, noch was, lieber dogfood: die hertha glänzte gestern ja anscheinend durch recht viel; aber mit sicherheit nicht durch eine “Spiel-Autorität”. hertha spielte nicht autoritär oder gar dirigistisch (dominierend, was auch immer), sondern reaktiv, teilweise ängstlich, lediglich auf fehler des gegners & entsprechend weite konter-räume hoffend (dass das so kam, liegt sicherlich auch an den von dir insinuierten strategisch-systemischen mängeln von mcklinsi). und das in einem heimspiel! insofern möchte ich nochmals betonen: der gestrige hertha-sieg lag mit sicherheit nicht primär an ihrer taktischen ausrichtung, sondern an den unfassbar vielen defiziten der bayern und einem überragenden torhüter. gerade weil sie über keine “spiel-autorität” verfügen, die ihnen erlauben würde, das spiel aktiv zu gestalten, sind sie auch kein würdiger tabellenführer. das beste beispiel einer “spiel-autorität” lieferte im übrigen hoffenheim gegen bayern als bayern sein eigenes spiel am gegner hoffenheim ausrichtete, und hoffenheim selbstbewusst dem eigene spielkonzept folgte…

  21. @ franzferdl:

    So ganz bin ich mir nicht sicher, ob du uns hier nicht auf den Arm nimmst, so versponnene Gedanken kann eigentlich keiner haben. Für denn Fall dass doch, zähle mich zu der ignoranten und technokratischen Mehrheit:

    Neben der Tabelle auch noch eine Wertung nach “Würdigkeit” – offenbar eine Lieblingswort von dir; mir ist es viel zu moralisch aufgeladen, um damit Sport bewerten zu wollen – herlaufen zu lassen ist schon deshalb problematisch, weil es ja durchaus Leute geben kann, die es schlichtweg anders sehen.
    Ich zum Beispiel sehe wie dogfood eine konzentrierte, krege Defensivleistung mit gestochenen Kontern sehr gerne; lieber als manchen brotlosen Offensivdruck mit irgendwelchen Kabinettstückchen für die Galerie. Jetzt scheinen unsere Würdigkeitskriterien auseinanderzufallen – wer hat da die Deutungshoheit? Sollten wir uns nicht einigen, Erfolg und Scheitern anhand der Tabelle nach Sieg, Niederlage und Unentschieden zu beurteilen. Dann haben wir zumindest einen gemeinsamen Referenzrahmen.

    Und

    ansonsten gelten die waisen worte von l. c. menotti: “Der rechte Fußball denkt an Gewinnmaximierung, der linke an die Vermittlung von Lebensfreude.”

    Waise Worte in der Tat. Verwaist nämlich vom gesunden Menschenverstand. Fußball als Holzschnittmetapher für die Politik, dazu ist der Sport zu schade.

  22. @franzferdl:
    Das ist ein Mißverständnis. Ich habe Hertha eben gerade die *Abwesenheit* von Spielautorität unterstellt, weswegen das aktuelle Hertha-Konzept nur eine Saison funktionieren kann und sie nächste Saison damit auflaufen würden.

    Re: Menotti.
    Menotti ist ein Kaffeehaustrainer. Mit dem WM-Sieg als Trumpfkarte, hat er einige schöne Thesen vom rechten und linken Fußball herbeiphantasiert, die aber komplett an der reelen Weltpolitik vorbeigehen (und auch in den 70er, 80er und 90er vorbeigingen). Sehr viel mehr hat Menotti dann auch nicht mehr auf der Pfanne. Seine Bio insbesondere als Vereinstrainer spricht Bände.

    Re: EM/Deutschland
    Bei einem Turnier kann man viel über Losglück und Tagesform diskutieren. Da braucht man auch nicht Deutschland oder Griechenland zu nennen, sondern kann auch Frankreich und Italien bei der WM2006 nehmen, auch wenn es nicht so ganz dem Klischee der leichtfüßigen Südländern entspricht (siehe auch oben: Menotti. Ein WM-Sieg und lustige, pfannenfertige Thesen, fertig ist der SPIEGEL-kompatible Fußballphilosoph).

    Wenn aber nach 34 oder 38 Spieltagen Mannschaft XYZ oben steht, dann kann man ihr schlecht Qualität absprechen. Da ist nicht mehr “Losglück” oder “Tagesform”.

  23. Feine Abenderheiterung. Musste herzlich lachen. Ich streite ja keinesfalls ab dass “schöner Fußball” eine feine Sache ist, aber die B-Note existiert einfach nicht und somit ist es auch sinnlos wenn man seine Strategie auf Schönspielerei ausrichtet.

    Und der Spruch von Menotti hat mir auch viel Freude bereitet. Gerne bin ich bereitet nun den rechten Fussball zu unterstützen. Und zwar rechts im Sinne von “Recht” weil wer am Ende oben steht hat wohl Recht gehabt mit seiner Taktik.

  24. @ franzferdl: Wollte Dir nur mal meine moralische Unterstützung übermitteln. Ich habe das Spiel Hertha vs Hoffenheim live gesehen, weil ich Hoffenheim sehen wollte. Und war ähnlich schockiert wie Du. Kann fast jeden Deiner Sätze unterstreichen. Natürlich sagt es viel über die Liga, wenn ein Team, das mit zehn Mann verteidigt, Tabellenführer ist. Ich dachte immer, dogfood sei ein Feinschmecker :) – nun ja, vielleicht ist er das ja auch immer noch, er hat nur halt das Coaching als Kategorie entdeckt.

    Ich finde es auch immer wieder faszinierend, wie ein Coach ein Team über ein Jahr – länger geht das nicht, und das sage ich nicht aus mangelndem Respekt vor Hertha BSG, sondern weil die Mechanismen und Fliehkräfte so wirken, wie sie wirken – über die Verhältnisse der Einzelspieler coachen kann (ich hätte es hübscher formulieren können, sorry). Habe echt Respekt davor, zumal Favre damit das seit Jahren dominierende Gequatsche (“Geld schießt Tore”; Zwanziger: wenn das Kartellamt nicht mitspielt, werden wir lange Jahre nicht erfolgreich im Nachwuchsfußball sein… etc. pp.) ad absurdum führt.

    Dennoch, ich bin gelangweilt von derartigem Fußball. Das ist doch eher Leichtathletik.

  25. @ adonis
    weit gefehlt, ich möchte hier niemanden verarschen, im gegenteil. ich setze sogar noch eins drauf: ich glaube nämlich, dass Du nicht genau genug gelesen hast. 1) wer redet bitte schön von”brotlose(r) Offensivdruck mit irgendwelchen Kabinettstückchen für die Galerie”? ich auf jeden fall nicht, ich nehme schon für mich in anspruch, dass ich etwas komplexer argumentierte, & eben nicht mit platten oppositionen. 2) mein verdikt “unwürdig” bezieht sich auf den tabellen-1. insofern verbirgt sich hierin schon eine anerkennung des symbolischen referenzrahmens “tabelle”. so weit, so schlecht. nun möchte ich nicht allzu weit aushohlen, fest steht allerdings, dass solche konstrukte wie “tabelle” in erster linie mal dafür da sind, komplexe wirklichkeiten auf einen gemeinsamen nenner zu reduzieren, damit wir fröhlich messen & vergleichen können. deshalb stellt sich aber auch die frage, ob wir solchen tabellen die alleinige wirkkraft darüber zuschreiben wollen, was wir als erfolg anerkennen & was nicht. also, ganz konkret: ist die meisterschaft eines fc bayern ein größerer erfolg als platz 15 für cottbus? nach deiner diktion wohl “ja”, weil cottbus weniger siege, aber mehr niederlagen aufweist. ich meine: angesichts der möglichkeiten & bedingungen ist cottbus erfolgreich, also “nein”. und in relation dazu hat ein knallhartes defensivsystem, das dem gegner die tränen der verzweiflung in die augen treibt, absolute daseinsberechtigung. find ich auch reizvoll. aber, & ich wiederhole mich: von einem spitzenteam, gar tabellenführer sollte man mehr erwarten, weil ansonsten die differenz zwischen platz 1 & platz 16 verschwimmt. und das kann eigentlich auch nicht in deinem sinne sein, adonis…

    schliesslich noch dazu: “Fußball als Holzschnittmetapher für die Politik, dazu ist der Sport zu schade.” selbstverständlich ist fussball, wie der sport insgesamt, auch politik. der sport ist keine romantische, politikfreie idylle, in der alle ringel-ringel-reihe tanzen. deswegen kann man auch nichts rauslassen, weil politik von beginn an mittendrin, statt nur dabei ist & umgekehrt. wer das nicht sieht, scheint mir einer eher naiven weltsicht zu frönen & irgendwelchen reinigungsphantasien anzuhängen.

  26. @jw: unterstützung ist gut, danke, treiben ja schliesslich mannschaftssport hier.

    @dogfood: Deine einschätzungen zu menotti stimmen natürlich. man muss sich ja nur die überdeterminationen der “fohlen-elf” anschauen: erst lange haare haben & antiautoritär aufmucken, dann für “blöd” kolumnen schreiben & werbung für banken machen.

    aber knackig & verteidigungswürdig hört er sich trotzdem an;-)

  27. @dogfood: ach ja, sorry, in der tat: ein missverständnis. streichen wir diese passage also. allerdings würde ich favre zutrauen, dass er sein system entsprechend weiterentwickeln kann (so zumindest in zürich), weshalb man möglicherweise etwas länger mit der alten dame rechnen muss.

  28. Na, war die Zeigler-Absetzung auch nur “Verarschung”? Habe ich da was versäumt?

  29. Also ich meinte natürlich nicht von Dir Kai, sondern von den Medien … inkl. WDR.

  30. Ah ok, doch was überlesen… passt schon.

  31. Als Hertha-Fan wird meine Meinung ohnehin kaum jemand ernst nehmen, aber ich frage mich, wie in Zeiten von modernem Fußball Kritik daran geübt werden kann, wenn eine Mannschaft mit 10 Mann verteidigt? Nicht umsonst sterben Stürmer der Art Toni Polster (die sich nie weiter als 20 Meter vom gegnerischen Strafraum entfernen und wenn sie dann im Abseits stehen, ist der Schiedsrichter schuld) aus: Stürmer sind in der Defensive die ersten Verteidiger und nur weil Luca Toni das nicht interessiert, ist das trotzdem die Zukunft.

    Nichtsdestotrotz kann ich natürlich die bockige Kritik von Klinsmann (“Wir haben sie schon ein wenig offensiver erwartet, das war ja meistens ein Spiel in eine Richtung”) verstehen, weil der arme Mann ja mit diesem schwachen Kader und der ohnehin schwierigen Situation in München quasi keine Möglichkeiten hat, gegen so etwas anzukommen.

    Hertha musste – um das vielleicht nochmal zu betonen – im Mittelfeld auf DIE wichtigen Spieler dieser Saison verzichten, also Kacar und Cicero, dass Pantelic im Angriff ebenfalls verletzt fehlte, wird den meisten ja bekannt sein. Man raube den Bayern also einmal bitte ihre zentralen Mittelfeldspieler (ich würde jetzt mal Ribery und vielleicht Ze Roberto nennen) incl. Luca Toni und lasse sie in der Champions League gegen Inter Mailand antreten (was ich als vergleichbares Duell nennen würde). Dann möchte ich mal sehen, wie der große FCB das Spiel von sich aus macht.

    Dass Hertha in dieser Saison eine grundsätzlich defensive Ausrichtung hat, will ich gar nicht abstreiten. Dass hier (bis auf wenige Ausnahmen) und in der breiten Öffentlichkeit so getan wird, als spiele Hertha mit einer quasi griechischen EM-Taktik (also mit Libero und zwei Vorstoppern), dass die moderne Ausrichtung – nach der Balleroberung schnell in die Spitze zu spielen und dann im Block nachzurücken – derart verkannt wird, dass überhaupt nicht gesehen wird, aus welchem Spielermaterial Favre eine Mannschaft geformt hat, die allen Bundesliga-Teams gefährlich werden kann, kann ich einfach nicht nachvollziehen.

    Bayern ist jahrelang mit glücklichen 1:0-Siegen Meister geworden, während die Schönspieler aus Leverkusen und Bremen reihenweise (mit der einen wunderbaren Ausnahme 2004) an ihnen gescheitert sind. Ich würde mir schon allein deswegen – und eben nicht weil ich persönlich daran meinen Spaß hätte – wünschen, dass es Hertha gelingt, da oben drin zu bleiben und am Ende vielleicht die ganz große Sensation zu schaffen (Ihr könnt jetzt alle aufhören, zu schmunzeln und mit dem Kopf zu schütteln). Es würde allerdings schon reichen, wenn Hertha nicht Meister würde, sondern “nur” in die Champions League vorstieße. Denn dann wäre Geld da, damit Favre all die Spieler holen könnte, die seine grundsätzlich defensive Ausrichtung in eine grundsätzlich offensive ummodeln könnte. Und dann bekommt ihr auch den Fußball, den ihr von einem Spitzenteam erwartet.

  32. Wie schon Franz´l Beckenbauer nach der Niederlage so schön bemerkt hat, Bayern dürfte so langsam kein Titelfavorit mehr sein. Wie schade auch…

  33. @Fan Wer benutz da meine Nickname ;-)