WM2010-Heft: FourFourTwo-WM 2010-Heft, Ze German Edition

FourFourTwo-WM-2010-Heft (deutsch)

3,95 EUR, 76 Seiten DIN A4

Die “Kopie” zum “Original”, heißt in diesem Fall: eines der bekanntesten englischsprachigen Fußballmagazin ist “FourFourTwo“. Der bpa sportpresse GmbH-Verlag in Hannover schnappte sich einst die Lizenz um eine deutsche Ausgabe zu produzieren, die aber nur begrenzten Wiedererkennungswert mit dem englischen Original hatte und als monatliches Magazin nicht unverdienterweise inzwischen das Zeitliche gesegnet hat.

Anscheinend liegt die Lizenz noch beim Verlag und man sah anlässlich der WM eine Chance die Lizenz wieder zu verwerten: man schnappte sich die 68-seitige Beilage der englischen Juni-Ausgabe von FourFourTwo und machte daraus ein” Analyse-Special“. In der deutschen Ausgabe sind 76 Seiten daraus geworden, weil man acht zusätzliche Seiten produzierte. Und tatsächlich schafft man es in diesen 8 Seiten zu zeigen, dass man so gar nichts vom Geist der englischen Ausgabe begriffen hat. Eine unsägliche, weil der Tonalität von FourFourTwo nicht angemessene Bildunterschrift zu einem Ronaldo-Foto (“Gibt es für den teuersten Spieler der Welt bei dieser WM etwas zu jubeln? Nach einer mehr als durchwachsenen Saison mit Real Madrid wird die Motivation sicherlich stimmen.“), wird durch ein atemberaubendes Interview mit Mike Krüger (ja, richtig gelesen: Mike Krüger. In FourFourTwo.) getoppt, bei der der Komiker seine Traumelf vorstellen darf. Hihi. Reiner Calmund … hihi … im Tor.

Nachdem man die ersten sechs Seiten und Mike Krüger unfallfrei durchgeblättert hat, fängt die übersetzte englische Ausgabe mit dem schwarzen Originalcover an. Dieser Part ist fast inhaltsgleich. Eine Doppelseite mit “Celebrity Pundits” wurde in der deutschen Version durch ein Interview mit Nike-Mann Franck Ribéry ersetzt.
Weitere Änderungen ergeben sich durch das unterschiedliche Heftformat – siehe die nebenstehenden Bilder, bei denen oben bzw. links das englische Original zu sehen ist. Die deutsche Ausgabe ist knapp zwei Zentimeter weniger lang und ein Zentimeter weniger breit. Folglich wurde das Layout etwas umgestellt und einige Textinformationen des englischen Originals entfielen und einige Fotos wurden anders beschnitten.

Andere Änderungen sind kurios. Warum hat man für die Headline im Cannavaro-Interview nicht wie im englischen Original, den dünnen Schriftschnitt genommen? Wollte man den nicht nachkaufen? Warum hat man bei den Gruppenübersichten teilweise zu schwarzen statt weißen Headlines gegriffen? Warum ist es nicht gelungen, bei der taktischen Aufstellung die Schrift horizontal zu zentrieren, wie im englischen Original? Warum wurde für die “Popularität-Box” ein anderer Font als im englischen Original genommen? Das ist einfach nicht der Standard der der Marke “FourFourTwo” gerecht wird.

Auch die Übersetzungen sind diskutabel. Die Veränderungen am Text sind möglicherweise dem geringeren Platz durch das kleinere Format geschuldet. Aber der Text ist, mit Verlaub, kastriert. Hier ein Textvergleich aus dem Portrait Griechenlands:

Weaknesses
It’s hard to see much subtlety in Greece’s gameplan, and if they come up against a team comfortable at dealing with their aerial presence it’s hard to see where goals will come from. The midfield is industrious, and wing-backs Giourkas Seitaridis and Vasilis Torosidis work the flanks relentlessly, but it’s hard to see how Greece could control possession or come up with a moment of inspiration to unlock resolute opposition.

aus “FourFourTwo”, englische Ausgabe, Juni 2010

Griechenlands Kopfballstärke könnte sich gegen starke Gegner in Luft auflösen. Längerer Ballbesitz oder zündende Ideen aus dem Mittelfeld sind gegen die Top-Mannschaften nicht zu erwarten.

aus “FourFourTwo”, deutsche Ausgabe, WM-Heft 2010

Angesichts dieser Textkastration empfehle ich von der deutschen Lizenz Abstand zu nehmen und stattdessen zum englischen Original zu greifen oder sich auf der FourFourTwo-Website umzusehen – im dortigen Blogbereich kann man anscheinend einige/alle Teamanalyse nachlesen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Müssen die länderspezifischen Ausgaben von FourFourTwo eigentlich alle dasselbe Format gebrauchen? Die italienische Ausgabe ist in dieser Hinsicht zumindest bei den Teamvorstellungen komplett deckungsgleich mit der englischen Version. Sogar mit Bildbeschriftungen am exakt gleichen Ort.

    Nur die Texte sind noch magerer. Schade. FourFourTwo hatte ich um einiges besser in Erinnerung.

  3. Auch bemerkenswert am Original: In zwei Sätzen verwendet man drei mal “it’s hard to see”.

  4. bei der kritik der layout-veränderungen merkt man aber schon deinen beruflichen hintergrund, dogfood. mich würde das nicht sonderlich stören.

    interessanter finde ich, daß die kleine nike-werbung am oberen rand (write the future) in der dt. ausgabe fehlt. gibts da presserechtliche vorschriften?

  5. Der Gag ist ja, dass die Layout-Veränderungen eigentlich Mehraufwand bedeuten, denn man sonst gescheut hat. Ich geh mal naiverweise davon aus, dass der Verlag einen Haufen DTP-Dateien zum Bearbeiten bekommen hat (InDesign o.ä.) und nichts anderes machen musste, als die Vorlagen für das andere Format verschieben und neuen Text einfliessen lassen.

    Warum die Font-Änderungen? Hat das Geld gefehlt um fehlende Fonts nachzukaufen?

    Fragen die letztendlich auch Konsequenzen für die Inhalte haben. Was bedeutet es für die Inhalte, wenn der deutschen Lizenznehmer sogar nicht genügend Geld für die fehlenden Schriften hätte?

  6. die finanzen (bzw. auflagen) würden mich bei so manchen wm-heften interessieren. ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß der normale fußballfan mehr als ein oder zwei sonderhefte kauft, und da wird der löwenanteil auf kicker und sportbild entfallen.

  7. Jo. Ich kann es auch nicht nachvollziehen. Richtig prall mit Anzeigenseiten waren nur 11 Freunde und FourFourTwo. KICKER und SportBILD können es über die Auflage wieder rausreissen – der deutsche FourFourTwo-Ableger möglicherweise mit NIKE-Sponsoring.

    Aber die anderen Kleinsthefte? Keine Ahnung.

  8. Um die Änderungen zu verteidigen: es ist beileibe nicht so einfach ein Heft 1 zu 1 ins deutsche zu übersetzen, weder layouterisch, noch textlich, noch produktionstechnisch. Englische Texte sind per se immer kürzer als eine deutsche Übersetzung (es sei denn amerikanische, da ist der inhaltliche Gehalt deutlich geringer). Eine Übertragung eines Layouts ist, auch wenn Originaldateien vorliegen meist ein kompletter Neuaufbau und es wird immer Anpassungen geben müssen (auch im Design, und sei es eine andere Type – klar kann das dann auch geschmacklerisch daneben liegen, oder schlecht gemacht sein). Ein Heft-Format ist in der Regel eine reine wirtschaftliche Entscheidung, wird mit der Hausdruckerei (man geht ja nicht einfach zu einer anderen) abgestimmt, da kommt es auf die Druckart und die verwendeten Bogengrössen an, die von Druckmaschine zu Druckmaschine differieren.

  9. Die Typen sind ja aber nicht immer unterschiedlich. Die eine Type wo sie die Schrift wirklich gewechselt haben, ist ca 12pt groß. Beim anderen Wechsel (siehe oben das Cannavaro-Interview) hat man sich dem Light-Schriftschnitt verweigert. Gleicher Font, anderer Schnitt. Das ist schlampig oder geizig.

    Mir als zahlender Leser ist es aber wumpe, ob die Drucker nur solche oder solchen Bogen über hat, wenn dadurch der Wert des Heftes sinkt – und mit Verlaub: durch solche Textkürzungen werden die Texte einfach schlechter.

    Natürlich werden deutsche Texte länger und der Platz dadurch knapper. Warum macht man dann aber die Bilder größer (s.o. Neuseeland)?

    Ein Teil der Änderungen können in sich logische/stimmige Gründe haben. Für den Verbraucher ändert es aber nichts, dass die deutsche Version des Heftes schlechter als die englische Ausgabe ist.

    @linksaussen Die NIKE-Kennung ist auch in den deutschen Heften vorhanden, fehlt aber bei den Doppelseiten auf denen zwei statt nur ein Team vorgestellt wird.

  10. Hat jemande eine grobe Ahnung, wie hoch die (verkauften) Auflagen der KICKER- und SPORTBILD-Sonderhefte sind? Auch in Bezug auf die Bundesliga-Sonderhefte?

    Ich hab ja seit Jahren irgendwie die Vorstellung, dass der Kicker mit den Sonderheften den Löwenanteil seines Jahresumsatzes oder Gewinns macht. Aber vielleicht schließe ich da zu sehr von mir auf andere, denn den regulären Kicker kaufe ich NIE, das BL-Sonderheft dagegen IMMER.

  11. Verkaufte Auflage KICKER (normal) ca. 203.000 bzw 177.000 (Mo bzw Do-Ausgabe)
    Verkaufte Auflage SportBILD 454.000

    Druckauflage KICKER-Sonderheft 600.000
    Druckauflage SportBILD 450.000

  12. Ah, danke :-)

  13. Mir als zahlender Leser ist es aber wumpe, ob die Drucker nur solche oder solchen Bogen über hat, wenn dadurch der Wert des Heftes sinkt – und mit Verlaub: durch solche Textkürzungen werden die Texte einfach schlechter.

    Ich glaube nicht, dass es dem Verlag um den Leser, oder die Qualität dieses Heftes geht.

    Das Format hat ja im Vorfeld nichts mit der Textlänge zu tun (auch wenn es diese später bestimmen kann, aber auch da kann ja gegengewirkt werden, durch Typogrösse etc). Das Format ist eine Grundsatzentscheidung und hat direkt mit den Produktionskosten zu tun.

    Wenn ich auf einen Druckbogen mehr Seiten bekomme, indem ich das Format 4mm kleiner mache, somit die Produktionskosten senken kann, weil ich entweder einen besseren Nutzen habe, oder/und eben Papier spare, dann diktiert dieser Umstand. Der Leser, oder der Wert des Heftes wird Nebensache. Der Leser bezahlt zwar das Heft am Kiosk, aber eben nie in der Höhe der Produktionskosten. Die werden durch die Anzeigenkunden bezahlt (bei dem zählt dann die verkaufte Auflage, aber das ist ja bekanntlich eine weiche Währung und bei einem One-Shot zur WM völlig wurst).

    Ich weiss nicht wieviele Anzeigen in dem englischen Heft stecken und ob das deutsche Pendant ebensoviele aufweisen kann. Dadurch wird das Heft aber letzten Endes finanziert.

    Auch wenn der Inhalt übernommen wird und lediglich (gut, oder schlecht) übersetzt und layoutet wird. Wenn bei den Produktionskosten (Papier ist ein riesen Anteil daran) gespart werden kann, dann wird das gemacht (wir reden da schnell über 100k Euro).

  14. Also die These, daß 1-2 sonderhefte mehr einbringen als 52*2 wöchentliche Ausgaben, halte ich auch für äusserst gewagt…

  15. Ich weiss nicht wieviele Anzeigen in dem englischen Heft stecken und ob das deutsche Pendant ebensoviele aufweisen kann. Dadurch wird das Heft aber letzten Endes finanziert.

    Im Falle der deutschen FFT-Ausgabe: zwei Anzeigenseiten: eine von Nike und Bifi. Im Falle der englischen: eine Anzeigenseite, allerdings war das Heft auch nur ein Beileger. Und wie gesagt: der Heftinhalt legt nahe, dass Nike für mehr als nur eine Anzeigenseite gezahlt hat.

    Ich glaube nicht, dass es dem Verlag um den Leser, oder die Qualität dieses Heftes geht.

    Meine Rede.

  16. Schade eigentlich…

    Das nike-Logo prangt beim englischen Heft sogar auf dem Titel, schätzungsweise ein komplett verkaufter Beileger. Aber ob nike-Deutschland da noch viel Geld reinschiesst…?

  17. Den Hinweis gibt es auch im deutschen Heft, der ist dort auch auf dem schwarzen Cover gedruckt (sogar fetter als in der englischen Ausgabe: “Dieser GUIDE wurde produziert in Zusammenarbeit mit SCHREIB ZUKUNFT [Swoosh]”) – das schwarze Cover ist aber in der deutschen Ausgabe Seite 7.

  18. Oh, na dann. Ob das allerdings als Hinweis reicht damit man sich keine Rüge vom Presserat einhandelt…