Bundesliga-Unschau: 2011/12: FC Augsburg. Sorry das wir aufgestiegen sind.

Ich müsste lügen, wenn ich behaupten sollte, dass ich in der Zweiten Liga ein aufmerksamer Verfolger des Augsburger Oeuvres gewesen wäre, zumal das Führungspersonal nicht gerade empathieheischend ist. Andreas Rettig ist Synonym für prophylaktische Stutenbissigkeit gegen Journalisten, den Rest der Welt und überhaupt. Er ist in der Lage sogar Bambi eine Agenda gegen ihn und den Klub zu unterstellen. Auch bei Jos Luhukay hat man das Gefühl dass Kommunikation für ihn vorallem die Kunst der gepflegten Defensive ist.

Apropos Jos Luhukay: der hat Erfahrung mit dem Abstieg und Bundesliga: im Sommer 2008 stieg er mit Borussia M‘gladbach in die Bundesliga auf und wurde bereits im Oktober gefeuert. Die Gladbacher Probleme wurden damals zum einen an dem schlechte zusammengestellten Kader des Sportdirektors Christian Ziege festgemacht, zum anderen an Jos Luhukay, der mit Wechselspielen die Mannschaft nachhaltig verunsicherte.

Insofern reagiere ich hellhörig wenn aus Augsburg die Kunde dringt, das Stürmer Michael Thurk kurz vor dem ersten Spieltag abgesägt wird und das System von Luhukay auf eine Sturmspitze umgestellt wird. Man will in der Bundesliga defensiver und kompakter als in Liga Zwei stehen (wo man eigentlich bzgl. der Gegentore über die beste Abwehr verfügte). Notwendige Anpassung oder erste Anzeichen des “Mad Scientist-Syndrom“, der aus Angst an Schrauben dreht, die nicht gedreht werden müssen?

Kaderänderungen

Eine Auswahl an Zu- und Abgängen

  • Abgänge: IV Sinkiewicz, OM Traore
  • Neuzugänge: IV Langkamp, DM Davids, DM Peitz, OM Gogia (Leihe), ST Mölders

Thurk ist ein Kollateralschaden der Luhukay‘schen Umstellung auf ein defensiveres Augsburg. Gegen Freiburg erinnerte Augsburg an… Freiburg. Das war zwar ein 4-2-3-1, aber ansonsten bemühte man sich um Freiburg’sche Kompaktheit. Bei gegnerischen Ballbesitz stand man recht tief und nahm in der Horizontale nur die halbe Spielfeldbreite an, um dafür schön nach dem Ball zu verschieben.

Vorne steht #33 Sascha Mölders als einzige Spieler weit in Feindesland. Er wird mit langen Bällen – nicht nur zentral, sondern auch auf die Halbpositionen raus – gefüttert. Mölders legt die Bälle hurtig ab, gerne nach außen, wo sie von fix nachrückenden Spielern weiterverarbeitet werden.

Der 26jährige Mölders gefiel mir gegen Freiburg: sehr fleißig, technisch beschlagen und spielintelligent. Allerdings ist er in dieser Stürmerrolle von der Mitarbeit seiner Mannschaftskollegen abhängig. Gegen Freiburg wurde es in der zweiten Halbzeit deutlich besser, als der Ex-Lauterer #8 Axel Bellinghausen im linken Mittelfeld für #13 Tobias Werner kam. Bellinghausen war eine zweite Anspielstation und -option zugleich, hatte gute Flankenläufe.

Auf der rechten Seite stand gegen Freiburg #20 Marcel Ndjeng, dem nachhängt, dass er sich weder in Gladbach, noch Bielefeld noch Hamburg auf Bundesliga-Niveau etablieren konnte und gegen Freiburg auch eine eher dezente Leistung zeigte. Mit #28 Akaki Gogia wurde ein völlig anderer Spielertyp eingewechselt: die eins-zu-eins-Situation suchend um den Gegner dann in Grund und Boden zu dribbeln.

Die B-Story

Die große „B wie Ballack“-Story der Augsburger war das fröhliche Absägen von Michael Thurk, bei dem viele Beobachter es schafften, einerseits Thurk komplette Ersatzbank-Allergie zu attestieren, aber andererseits Verständnislosigkeit für seine Rasur zeigen.

Aber irgendwie zieht es sich durch die Manager-Karriere von Andreas Rettig in den Momenten öffentlicher Aufregung völlig erstaunt zu fragen: “Wieso? Warum die Aufregung? Ist doch alles rational nachvollziehbar!?” statt vorausschauend solche Brandherde leise und unauffällig auszutreten.

Apropos Ndjeng. Freund Stutenbiss Rettig macht keinen Hehl daraus, dass dies eher ein Kader für den schmalen Geldbeutel ist. So finden sich neben Ndjeng weitere Spieler die sich anderenortes nicht mehr in der Bundesliga halten konnten, wie z.B. Torwart #1 Simon Jentzsch oder “Sechser” #18 Jan-Ingwer Callsen-Bracker. Callsen-Bracker agierte auf der Sechs neben #26 Lorenzo Davids, der allgemein als “Königstransfer” bezeichnet wurde – schließlich lassen sich wegen seines Cousins Edgar putzige Béla Réthy-Fact Sheets vollkritzeln. Eine Alternative auf der Sechs ist der im Winter verpflichtete Japaner #7 Hajime Hosogai, der sich in der Vorbereitung von Callsen-Bracker hat überholen lassen.

Zu beobachten: die Innenverteidigung hat gegen Freiburg zwei Tore durch hohe Bälle kassiert. Beim 0:1 schlug Innenverteidiger #5 Uwe Möhrle über einen hohen, langen Pass und Cissé konnte durchmarschieren. Beim 1:2 kassierte man ein Kopfballtor nach Flanke. Der Freiburger Makiadi kam zwischen Innenverteidiger Möhrle und Rechtsverteidiger #2 Paul Verhaegh zum Ball. Mit #3 Gibril Sankoh und #15 Sebastian Langkamp hat Luhukay zwei Alternativen auf der IV-Position.

Die Augsburger boten bis auf Bellinghausen und Mölders in ihrem ersten Spiel wenig Flair. Der Saisoneinstand als defensivorientierte Mannschaft mit zwei zuhause kassierten Gegentoren war auch nicht brillant. Dazu meinerseits ein Misstrauen gegen Rettig und Luhukay. Augsburg fühlt sich von Anfang an irgendwie so an, als würden sie eigentlich nur aus Versehen in der ersten Liga mitspielen und die Zweite Liga für ihr natürliches Biotop halten. Für mich gehört Augsburg zu den Abstiegskandidaten.

Depth-Chart Augsburg

  • Jentzsch
  • Verhaegh – Sankoh/Möhrle/Langkamp/De Roeck/Callsen-Bracker – de Jong
  • Hosogai/Davids/Callsen-Bracker
  • Ndjeng/Gogia – Baier – Bellinghausen/Werner
  • Mölders/Rafael/Oehrl/Hain

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Der Vorstandsvorsitzende Walther Seinsch hat Jos Luhukay im Vorfeld der Bundesliga einen Freifahrtschein für den etwaigen sofortigen Abstieg in die Niederungen der 2. Bundesliga gegeben. 34 Spiele könne der Trainer verlieren und der Verein hält an ihm fest. Nun mit den 34 Niederlagen klappt es ja jetzt mit dem Remis gegen Freiburg nicht mehr. Seinsch sein Ziel ist in fünf Jahren zum festen bestandteil der Bundesliga zu gehören. Rückschläge sind laut Seinsch dabei einkalkuliert.

    Die Trennungsgeschichte mit Thurk wurde letztendlich von Luhukay, Rettig und Seinsch gemeinsam getragen. Teitpunkt suboptimal. Bei Thurk bin ich immer etwas hin und hergerissen. Einerseits kann er an guten Tagen vielen Abwehrreihen weh tun, seine Torquote in Augsburg – 51 Tore in 104 Spielen ist beredtetes Arbeitszeugnis, doch ein echter Teamplayer sieht anders aus. Ich erinnere mich noch gut an das Theater bei seinem Wechsel von Mainz nach Frankfurt. Nervte ein wenig. Seine abfälligen Worte zur Motivationskunst von Jürgen Klopp war auch nicht die feine englische Art.

    Insgesamt sehe ich Augsburg auch stark abstiegsgefährdet. Nach 10 Spielen wird man ein erstes Zwischenfazit ziehen können.

  3. Bei Augsburg fehlt im Moment noch der vielleicht wichtigste Mann und zwar Sankoh, der letzte Saison ein Grund für die gute Defensivreihe war. Außerdem sucht man noch nach mindestens einem oder zwei Leuten in der Offensive, dann wird der Kader erst endgültig komplett sein.

    Bei Thurk ist es so eine Sache. In der zweiten Liga genau wie ein Ebbers oder Auer sehr gut, in der ersten Liga eher Mitläufer. Das Problem von ihm ist allerdings, dass er sowohl bei Mainz, Cottbus und Frankfurt nicht unbedingt im Guten gegangen ist. Er ist einfach ein schwieriger Charakter und nach dem er im ersten Spiel der Saison in Oberhausen nicht im Kader war, konnte man den Montag danach im kicker schon einen Artikel lesen in der er sich über den Trainer beschwerte. Eigentlich müsste man in dem Alter und der Vergangenheit doch etwas dazu lernen. Vielleicht ist es über die ganze Saison besser man hat jetzt den Schnitt gemacht, anstatt nach jedem Spieltag die gleiche Diskussion zu führen.

  4. Augsburg wird absteigen. Als letzter. Hoffe ich…

  5. Aus welchem Grund ?

  6. Um es kurz zu sagen: oder.

    Obwohl ich es meinem Lieblingsradiergummibärtchen wirklich gönnen würde. Den Mann fand ich – nichtsdestotrotz – immer sympathisch und integer. Aber das ist ein Zweitligateam auf und neben dem Rasen. Mein einziger wirklich feststehender Absteiger (wobei: nachdem ich vor zwölf Monaten Hannover genau das gleiche attestiert habe, ist das wahrscheinlich ein ausnehmend gutes Omen für die Augsburger).

  7. Interessant übrigens, dass Luhukay und Torwart Jentzsch schon zusammen mal im selben Kader standen. Was es nicht alles gab.

    http://sport-dienst.fussball.de/fussballvereine/kfcuerdingen05/1996/

  8. @adonis:
    das ist mal ein béla rethy-fact!