TV-Gelder-Wahnsinn in Frankreich

Wenn Uli Hoeneß das hört, läuft der puterrot an. In Frankreich hat der dortige Ligafußball einen TV-Vertrag abgeschlossen, der abseits allem Erdenklichen ist. Die französische Liga hat seit Freitag den bestdotierten TV-Vertrag Europas!

Anders als in Deutschland oder England üblich, ist Ligafußball in Frankreich seit Dekaden eine Pay-TV-Geschichte gewesen. Im freien Fernsehen gab es nur eine erbärmliche einstündige Fußball-Sendung am Sonntag vormittag (“Téléfoot“), die natürlich die Sonntagsspiele nicht berücksichtigte.

Die Spiele liefen vorallem auf Canal+, einem der ältesten Pay-TV-Sender Eruopas, der zudem, auch das zwei Besonderheiten, landesweit via Antenne zu empfangen ist und bis vor zirka 5 Jahren piepeinfach zu cracken war.

Canal+ konnte sich zur einer französischen Fernsehgroßmacht etablieren. Ihr großer kommerzieller Gegenpart ist TF1, das erste Programm, seit knapp 25 Jahren oder so, privatisiert.

TF1 wagt sich seit 4-5 Jahren in die Domäne des Pay-TVs und setzt Canal+ TPS entgegen. TPS wird allerdings nur via Satellit und Kabel verbreitet. Derzeit hat Canal+ viermal soviele Abonnenten: 4,5Mio.

Aus diesem Konkurrenzkampf heraus haben sich beide Pay-TV-Anbieter schon mit der Einrichtung von Nachrichtenkanälen u.ä. auszustechen versucht.

Nun ging es um einen neuen Vertrag. TPS ließ im Vorfelde streuen, dass sie Canal+ in Grund und Boden bieten werden. Kurz vor Abgabe wurde dann gestreut, man würde gar kein Angebot abgeben. Folge: Canal+ glaubte an einem Bluff, wurde von Panik ergriffen und legte ein Angebot über 600 Mio EUR hin! Fast doppelt soviel als der Konkurrent TPS letztendlich bot (337 Mio EUR). Binnen drei jahre gibt Canal+ 1,8 Milliarden Euro aus.

Zum Vergleich: die Premier League bekommt aus Free- und Pay-TV 550 Mio EUR, die Serie A 530 Mio EUR und die Bundesliga knapp über 285 Mio EUR (Quelle: NZZ).

Nach Rechnung von Analysten gibt Canal+ damit quasi 11,–EUR pro Abonnent pro Monat alleine für den Sport aus, das günstigste Abopaket kostet aber derzeit bereits 15,– EUR.

Dieser Deal kann üble Folgen zeitigen. Canal+ war einer der größten Produzenten für französische Kinofilme. Nun gibt es für den Sport fünfmal so viel wie für die Kinoproduktion aus. Die Geldsumme ist so horrend, dass manch einer um die finanzielle Gesundheit des nicht mehr unbedingt “pumperlgesunden” Unternehmens bangt. Neue Abonnenten werden sie kaum dazu gewinnen können, denn die zurückgehenden Abozahlen deuten daraufhin, dass Canal+ alles an Potential bereits abgegriffen hat. Und Fußball-Fans werden nicht in Massen neu zu Canal+ strömen, denn Canal+ besaß schon bis dato die TV-Rechte (wenn auch nicht exklusiv).

Wie sieht es mit den französischen Clubs aus, die sich nun im finanziellen Schlaraffenland wähnen können? Die Hälfte ihres Budgets werden aus TV-Gelder beigesteuert und wenn diese sich eben mal verdoppeln, dann werden französische Clubs in den nächsten Monaten und Jahren anders mit Geld um sich schmeißen können.

Das Beispiel England zeigt wie TV-Gelder dazu beitragen können, das Gleichgewicht innerhalb Europas zu verschieben. Und hier rückt Deutschland in den Focus, dass gemessen an TV-Gelder oder der UEFA-5-Jahreswertung mehr oder weniger auf gleicher Augenhöhe mit den Franzosen war. Statt möglicherweise die angeschlagene italienische Liga anzugreifen, könnte nun von “unten” ein Neureicher an Deutschland vorbeiziehen.

Übrigens zeigt Canal+ die Liga nach folgendem Schema:
Spiel der Woche live (So/Fr 20h45), 2 weitere Spiele live (Sa 17h, So 18h), ein Magazin mit Zusammenfassung (Sa, 22h15) sowie die anderen 7 Spiele als PPV (Sa, 20h).

(Quellen: Libération, Samstags-Ausgabe -1-, -2-, Le Monde -1-, -2-)

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Was passiert, wenn Neureiche mit Geld um sich schmeißen, haben wir zuletzt ja verschiedentlich gesehen: Sie gehen nach ein paar Jahren Pleite, oder wenigstens fast. Real Madrid (nur durch kaum versteckte Millionensubvention der Stadt gerettet) oder der BVB seien ein mahnendes Beispiel.

    Man kann nur hoffen, dass es den französischen Vereinen eine Lehre ist, dass noch jeder reichen Liga irgendwann das Geld ausging. Die Premier League könnte da das einzige Gegenbeispiel sein, weil man dort die wenigen reichen Vereine nachhaltig zu wirtschaften scheinen – und wenn auch “nur” mit russischem Geld.

    Aber vor allem scheint in Frankreich ja noch lange nicht sicher, dass das angekündigte Geld auch tatsächlich wird gezahlt werden können. Wahrscheinlich reibt sich Her Schechter schon die Hände…

    Viele Grüße,
    SurfGuard

  3. Re: England

    Es gab vor sechs Wochen oder so, eine Studie der UEFA, unbeachtet in Deutschland, hie und da in England durch die Medien gegangen, die den Zustand des europäischen Klub-Fußball beklagte. Die Championsleague-Gelder würden den nationalen Wettbewerb verzerren und in vielen Ligen für eine langweilige Saison sorgen, da die Meisterschaft nur noch unter den selben 2-3 Mannschaften ausgespielt wird. Als Negativ-Beispiel wurde auch die Premier-League genannt.

    Wenn ich mich richtig entsinne schrammt Leeds derzeit am Bankrott vorbei. Und wenn ich meine gestern servierten Zahlen zu den Rangers und Celtic durchlese… Der Wahnsinn ist nicht nur in Spanien oder Italien.

    Re: “Aber vor allem scheint in Frankreich ja noch lange nicht sicher, dass das angekündigte Geld auch tatsächlich wird gezahlt werden können.”

    Theoretisch wird es Canal+ heben können, daran habe ich keinen Zweifel (hinter Canal+ steckt Vivendi Universal) und ich bin mir sicher dass sie das auch 1-2 Jahre tun werden.

    Die Frage ist aber wie lange sie zahlen werden. Für mich sieht der Deal wie betriebswirtschaftlicher Wahnsinn aus, wie der Versuch den Konkurrenten TPS zu vernichten. Nun hat es bei Canal+ im Laufe der letzten 3-4 Jahre hinreichend viele Wechsel in der Führungsetage gegeben und ich kann mir vorstellen, dass ein Nachfolger des derzeitigen Vorstandsvorsitzenden bzgl. diesen Deals zu einer anderen Erkenntnis kommt und versucht im 3ten Jahr den Preis zu drücken oder Lizenzen weiterzugeben…

    Ein Kollateralschaden der sich aus dem TV-Vertrag ergeben könnte, ist Paris St.Germain. Ich weiß nicht ob sie komplett im Besitz von Canal+ sind, zumindest sitzt Canal+ an wichtigen Positionen des Vorstands (was für sich betrachtet auch eine unschöne Mischung ist). Wird Canal+ bei PSG sein finanzielles Engagement soweit aufrecht erhalten können?

    Ich finde den französischen TV-Vertrag fatal, weil Frankreich kein Fußball-Land ist, und die Infrastruktur zu ländlich ist. Zur Erinnerung: es gibt nur eine einzige Millionenstadt in Frankreich: Paris. Mit Lyon, Marseille und Bordeaux gibt es nur vier Metropolen die ein Einzugsgebiet von mehr als 1 Mio Einwohner haben…

    Die großen Clubs überleben nur dank Mäzenen oder enge Verbindungen zu Unternehmen. PSG mit Canal+, Marseille mit dem Adidas-Besitzer Dreyfus, Lyon hat auch irgendeinen Millionär an der Angel und Monaco hätte fast die Pforten dicht machen müssen.

    Das TV-Geld erlaubt es hier eine “künstliche” Fußball-Landschaft hinzupflanzen, die keine wirkliche Wurzeln hat und die förmlich danach schreit, irgendwann zu kollabieren.

  4. Inzwischen ist der Chef von Canal+ Bertrand Meheut an die Presse gegangen und machte ein unverhohlenes Übernahmeangebot an TPS. Sinngemäß: in Frankreich gibt es kein Platz für zwei Pay-TV-Anbieter. Eine Ansicht die Analysten durchaus zustimmen würden.

    Vivendi Universal soll inzwischen wieder soweit gesund sein, dass sie eine Übernahme von TPS wuppen können soll, allein ob ein solcher Deal vor der EU-Kommission bestehen kann, steht auf einem anderen Tablett.

    Nach Aussage von Meheut, würden bereits 300.000 hinzugewonnene Abonnenten ausreichen um die Investition zu amortisieren. Analysten erwarten eher, dass Canal+ 700-800.000 Abonnenten bräuchte, was der halbe Abo-Stamm von TPS wäre.

    Meheut kündigte außerdem an, dass die Summe nur eine einmalige Investition ist, und der nächste Vertrag mit Sicherheit wieder gesündere Proportionen annehmen wird.

  5. Ein weiterer Nebeneffekt des Deals:

    Die EU-Kommission hat dem Deal bereits grünes Licht gegeben. Sehr zum Erstaunen einiger Beobachter. Denn als die EU-Kommission für Wettbewerbsfragen noch Mario Monti unterstand, opponierter jener Exklusiv-Deals. Infolge dessen mussten die TV-Rechtevergabe der Bundesliga und der Championsleague geändert werden um in Brüssel durchgewunken zu werden.

    Nun steht Nelly Kroes der Wettbewerbskommission vor und hat nichts am Canal+-Deal zu monieren… Dies könnte für die nächsten Jahre die gesamte Vertragslandschaft für TV-Rechte verändern…

    (Quelle: Guardian)