Brähmer – Thysse: Aufbaukampf und Arbeitssieg

Es ging um den WBC International Super Middleweight Title und Jürgen Brehmer gewann einstimmig mit 117:112 (bzw. einmal 117:111). Und den Kampf konnte man genauso auch werten.

Das was sich nach einem eindeutigen Kampf anhörte, dürfte aber einigen Stoff zum Nachdenken im Lager von Brähmer geben.

Jürgen Brähmer hatte in den Interviews immerhin noch soviel Bodenkontakt, dass er zugab, dass der Kampf nicht das Optimale von ihm gewesen sein. Seiner Ansicht nach weil seine angeschlagene linke Schulter nach der fünften Runde zumachte und er Thysse daher nicht mit seiner Linken niederstrecken konnte.

Von Hiepen ungefragt und von Brähmer unkommentiert blieb die fragwürdige Deckungsarbeit. Thysse landete unnötig viele Schläge. Keine Ahnung was für ein Punch Thysse hat (19 Siege, 11 KOs) und ob man Brähmer daher Nehmerqualitäten attestieren kann.

Thysse hat diese Nehmerqualitäten auf jeden Fall. Thysse überraschte. Nicht nur weil er wirklich eher wie ein Spielzeugverkäufer aussieht und in den ersten Runden etwas täppisch wirkte, sondern auch weil er mit seinen sehr limitierten Mitteln und noch limitierteren Offensivgeist es verstand gut über die Runden zu kommen. Es gab 1-2 Momente wo er offensichtlich wackelig auf den Beinen war und kurz davor von Brähmer gefällt zu werden, aber ansonsten lieferte er saubere und ehrliche Arbeit ab. Ein idealer Aufbaugegner für Boxer die taktisch reifen sollen und nicht einfach einen Happen für den Kampfrekord.

Thysse arbeitet zwar häufig aus der Deckung heraus, kassiert aber trotzdem sehr viele Schläge, ohne allerdings sonderlich beeindruckt von denen zu sein. Konditionell kann er sogar in einer 12 Runde noch Schläge mit Pfeffer anbringen.

Brähmer mag enttäuscht haben, weil er den vollmundigen Ankündigungen (“schneller KO”) nicht gerecht wurde, aber aus dem Kampf kann er einiges an Lektionen mitnehmen.

So offen wie Brähmer boxte und so schlecht wie er auch seine eigenen Kräfte einteilte (die 12te Runde war eine Katastrophe), reicht es noch nicht für die Weltspitze (obwohl, wenn ein Valuev…). Aber im Vergleich zu den anderen Karussellbremserattraktionen die ansonsten beim Boxen im Fernsehen gezeigt werden, ist da ungleich mehr ausbaufähige Substanz da, vorallem was die Schnelligkeit in den Fäusten und Oberkörpern angeht.

Ein Wort zu Michel Trabant, an dessen ersten Kämpfe (ich glaub u.a. im DSF oder PREMIERE) ich mich erinnern kann. Mein Gott, wie kann man mit 27 so verbraucht aussehen wie Trabant nach zehn Profi-Jahren? Erinnert mich irgendwie an die Porno-Clique in “Boogie Nights”.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Ein verdienter Sieg Brähmers, er war klar der bessere Mann. Aber der Kampf hat doch die ein oder andere Schwäche aufgezeigt. Da war er schon mal zu ungestüm und unpräzise und hat mehr Schläge als nötig eingesteckt … was ihn in der 12ten so aussehen lies, als sei er selbst kurz vor dem Niederschlag … da musste er sich schonmal hinsetzen nach dem Kampf.
    Naja, Thysse war ein gut gewählter Gegner, aus dem Kampf mag Brähmer einige Lehren ziehen. Seinen Ansprüchen ist er nicht ganz gerecht geworden. OK, dass der erwünschte KO-Erfolg nichts wurde ist nicht schlimm, ne, aber man hat doch gesehen, dass Brähmer noch zu lernen hat, da mag man wohl Grübeln ob ein erwünschter WM-Kampf dieses Jahr nicht zu früh wäre. Wenn er aus dem Kampf nicht lernt und sich bei Top10-Gegnern mit ähnlichen Schwächen (Defensive, Kondition) präsentiert, dann wird nichts aus dem WM-Traum.
    Wie dem auch sei, das Potential ist da, nu muss nur was draus gemacht werden … ich hoff mal, dass man die Sache vorsichtig angeht und Brähmer nicht verheizt wird.

    P.S.: Der Gegner von Roth war ja schrecklicher als erwartet. Ein ordentlicher Griff in die Kloschüssel in Sachen Matchmaking seitens UBP.

  3. Hoffentlich war die Leistung Brähmers tatsächlich nur auf seine verletzte Schulter zurückzuführen. Er stand sich bisher immer selbst im Weg. Wir wollen hoffen, daß jetzt nicht der Körper anfängt. Manche Menschen gehen nicht den Weg von Fame und Glory; was ihn nicht unsymphatischer machen würde. Trotz allem ist das Potential da. Der Sieg gegen Thysse war bis auf die letzte Runde eigentlich so ungefährdet, daß man sich keine Sorgen machen muss. Kämpfe gegen die besten stehen ja noch nicht an. Bis dahin ist (sollte) noch Zeit (sein). Was mich bei ihm hoffnungsvoll stimmt, ist, daß er ein natutal born fighter ist.
    Zugegeben, ziemlich viel Hoffnung, aber Fans leben nun mal auch davon.
    Was demnächst jedoch ansteht, ist ein Kampf zwischen den besten im Super-Mittelgewicht: Calzaghe-Lacy. Mikkel Kessler ist schließlich auch noch da.
    Bis Brähmer sein Potential (hoffentlich) ausgeschöpft hat, wird noch etwas Zeit vergehen. So lange werden andere möglicherweise die Spitze klären.