Tour 2007: warum ich doch die Tour verfolgen werde

Ja, sorry, ich bin etwas spät dran… Auch hier ein Meta-Beitrag von jemanden der von seinem Verhältnis zur Tour kündet…

Warum ich die Tour ignoriert hätte

Die Tour 2006 sbrachte das Faß zum Überlaufen. Die Operation Puerto, die Geschichte mit Landis…

Es kann nur dann einen sauberen Radsport geben, wenn alle Beteiligten sich in diesem Ziel einig sind. Solange aber die Radsportler und die Teams Doping nicht ächten, sondern als notwendiges Hilfsmittel ansehen, werden alle Anti-Doping-Maßnahmen nur Kosmetik sein.

Was die Zeit nach der Tour 2006 mir deutlich machten, war das es im Peloton an dieser Einstellung fehlte. Doper waren keine Aussätzige, sondern allenfalls Idioten die es leider erwischt hatte. Dagegen Omerta für alle die über das System redeten. Viele Teams – nicht nur, aber vorallem italienische und spanische – bezogen eine ekelige Position, indem sie hinter den Kulissen Doping klein zu reden. Der Radsport war offensichtlich nicht bereit sich zu ändern.

Seit dem letzten Herbst beobachtete ich, ob sich etwas an dieser Einstellung ztum Besseren änderte. Der Lakmustest wurde nicht bestanden und ich habe daher bis dato bewusst die bisherigen Rennen der Saison ignoriert. Ich hatte den Radsport weiterhin auf den Radar um zu beobachten ob und wie er sich ändert, aber es betraf mehr die Ereignisse abseits der Straße.

Warum ich sie doch nicht ignoriere

Der Anstoß meine Einstellung für die Tour zu ändern, ist ein rein sentimentaler gewesen. Als ich die letzten Tage die Nachmittage vor dem Audiostream der BBC hing und Wimbledon verfolgte, kam die Erinnerung an die Tournachmittage oder auch die Tage der Fußball-WM wieder auf. Wenn Sportereignisse nicht kurze 2-Stunden-Häppchen sind, sondern den ganzen Tag beherrschen. Wenn sich kleine Geschichten aufbauen, der Sport im Laufe des Nachmittags intensiver wird und schließlich in einem Match oder Zielankunft kulminiert.

Es interessiert mich nicht ob die Tour mit 40kmh eine Bergankunft raufgondelt. Das können sie von mir aus auch mit 35kmh machen. Sie müssen auch nicht drei Berge der HC-Klasse raufkraxeln. Ich mag einfach dieses Gefühl wenn ein Sportereignis den ganzen Tag in Beschlag nimmt, den roten Faden für einen Tagesablauf darstellt.

Als ich in dieser Woche den wohligen Schauer der Wimbledon-Übertragungen bemerkte, wusste ich was ich vermisse. Ich hatte mich schon in den Wochen zuvor immer gefragt ob und wie ich mich mit der Tour befassen würde. Es waren allerdings erst diese Sentimentalitäten die mich dazu brachten, meine Meinung zu ändern. Am Mittwoch, vor meinem Kundentermin in Bremen, stand ich am Bahnhofskiosk und griff zu einem Tour-Sonderheft.

Die eigentliche Herausforderung

Ich weiß nicht ob ich die drei Wochen durchhalten werde. Ich weiß nicht wie es sich anfühlen wird und vielleicht werde ich aus Bocklosigkeit bereits nach einer Woche wieder aufhören. Mir ist bei der Libére Dauphine förmlich schlecht geworden, als im Fernseher meines Onkels Vinokurouv & Co. vorneweg fuhren.

Das Dopinggeständnis von Zabel und Aldag erweisen sich für mich immer mehr als die gravierendste Kehrtwende für meine Wahrnehmung des Radsports. Nicht dass die Jungs nun sehr ausgiebig bereut hätten, aber…

Natürlich wusste auch ich nicht erst seit Aldag/Zabel von Doping auf der Tour. Pedro Delgado raubte “meiner” Tour 1988 die Unschuld. Doping danach war anfangs ein singuläres Ereignis, aber man bekam immer mehr ein dumpfes Gefühl dass nicht jedes Tier am Berg sich nur von Nudeln und Milch ernährt. Wenn man mich aber vor 5 oder 10 Jahren gefragt hätte, wieviele Prozent des Pelontons dopen, ich hätte keine Antwort darauf geben können. Sind es nur die Spitzenfahrer? Sind es die Sprinter? Auch die Wasserträger?

Immer mehr begann sich bei mir daher so etwas wie ein eigenes Wertesystem herauszukristallisieren. Man beobachtete die Radfahrer. Man versuchte aus Siegen, aus Rennverläufen aber auch aus dem Verhalten in Interviews und aus ihrem Charakter zu schließen: der dopt und der andere dopt nicht. Mit jedem Doper der dann auch wirklich aufflog oder mit jedem “sicheren” Indiz räumte ich die Unschuldsvermutung zugunsten eines Generalverdachts weg.

Lance Armstrong war für mich ein sicherer Dopingkandidat. Riis war es ebenso. Eine Frage des Charakters. Beide waren zu sehr zerfressen vom Ehrgeiz. Bei Jan Ullrich war ich mir lange Zeit nicht sicher. Für mich als Laie schien es durchaus möglich zu sein, dass Ullrich einen derart überragenden Körper hatte (Körpergröße, Hebel, Lunge). Aber je penetranter Armstrong nach Doping roch und je wachsweicher Ullrichs Aussagen wurden…

Es gab für mich zur Beurteilung der Fahrer also neben den Dopingtests der UCI auch meinen persönlichen “Charaktertest”. Ich habe den Fahrern im Fernsehen in den Augen geschaut, wenn sie sich zu Doping-Gegner erklärt haben. Ich habe auf ihre Worte hingehört, wieviele Hintertürchen sie sich offengelassen haben. Insofern waren Zabel und Aldag für mich am ehesten die Protagonisten von sauberen Radsport. Ich fand sie sympathisch und ehrlich. Es waren meine einzigen Indikatoren um wirklich ein Gefühl zu bekommen, wer sauber fuhr und wer betrog.

Und genau deswegen sind für mich die Geständnisse eines Aldags und Zabels die Bankrotterklärung meiner eigenen persönlichen Einschätzungen. Das macht die Tour 2007 für mich als Zuschauer so schwierig. Ich bin im luftleeren raum. Ich habe keine Mittel, keine Faktoren, keine Indizien um die Leistung der Fahrer irgendwie beurteilen zu können. Wer fährt denn nun sauber? Wer dopt?

Ich halte mich im Alltag an die Rahmenbedingungen die von Gesetzen, Verordnungen, Ethik und Anstand gegeben werden. Ich gehe zwar auch bei Rot über die Straße, aber dabei handelt es sich um Petitessen, vergleichbar mit Mario Cipollinis Macke häufiger nicht-regelkonforme Trikots anzuziehen. Ich möchte mich als Zuschauer mit Radsportler identifizieren können. Ich möchte Sportler haben, die in gewisser Weise meine Werte wiederspiegeln.

Nach Zabel und Aldag ist es aber bis auf weiteres nicht mehr möglich irgendwelchen Aussagen von Radsportlern zu glauben. Nicht nur weil jahrelang rotzfrech ins Gesicht gelogen wurde, sondern auch die Geständnisse harmloses Gewäsch in rotziger Tonlage war. War ich anfangs noch nicht sicher ob ich die nun einsetzende “Ehrlichkeit” beider begrüßen sollte, setzte sich in den nächsten Tagen immer mehr bitterer Nachgeschmack durch. Insofern war das Geständnis von Jaksche glaubwürdiger. Jaksche schilderte ein System. Aldags Doping soll eine individuelle tat gewesen sein, die aber nicht funktionieren kann, wenn sich Aldag nicht auf bereits existente Infrastrukturen zurückziehen konnte. Und hat jemand Stellungnahmen der Freiburger Ärzte über ihre Tätigkeiten beim Team Telekom gehört? Offensichtlich kennt die Reue und Ehrlichkeit, kennt das Interesse zur Aufklärung immer noch Grenzen.

Ich weiß nicht wie sich diese Tour anfühlen wird, ohne Identifikationsmöglichkeit. Mit dem permanenten Verdacht das man von den Fahrern auf der Straße und vor dem Mikro verarscht wird. Soll ich jetzt Gerolsteiners Michael Holzcer seinen Antidoping-Kurs glauben, nur weil 2-3 Journalisten ihn loben?

Ich weiß nicht wie es sich anfühlt, wenn die Jungs die Berge rauffahren und einer von ihnen das Tempo anzieht und die anderen in Grund und Boden fährt. Muss jetzt jede starke Leistung nach einem Hungerast mit einem Landis-Gedächnis-Sternchen versehen werden?

Ich weiß es nicht und vielleicht macht das auch einen Teil des Reizes aus, doch wieder bei der Tour einzusteigen.

Man kann über die Tour denken wie man will. Es ist eine außergewöhnliche Tour und vielleicht eine Tour die Geschichte machen wird. Nicht weil es keine Favoriten gibt. Nicht weil möglicherweise ein neuer Radsportstar entstehen wird, sondern weil sich die Sportart in einem ganz merkwürdigen Schwebezustand befindet. Alles und jedes wird hinterfragt, auch die Journalisten und Zuschauer.

Der Zoff wenige Tage vor der Tour, zwischen französisch/deutschen Teams und den anderen Mannschaften ist vielleicht das beste Zeichen der Besserung. Ein Zeichen das einige zu schmerzhaften Einschnitten bereit sind. Auch das macht die Tour dieses Jahr interessant und es wäre vielleicht ein Fehler diese Weichenstellung für die Zukunft des Radsports zu ignorieren.

Wie es die anderen machen

Wenn ich es richtig sehe, geht die Berliner Zeitung am rigorosesten mit dem Thema um. Ressortleiter Jens Weinreich erklärte in einem Artikel in der Samstagsausgabe, dass man zwar einen Journalisten zur Tour schicken werde, aber:

Im Prinzip könnten wir uns hinter dem Allerwelts-Argument verstecken, Journalisten hätten Chronisten zu sein, im Auftrag ihrer Leser. Das stimmt selbstverständlich, aber es wäre zu billig. Denn es gibt Grenzen. Für das, was sich Radsport nennt, wäre ein täglicher Gerichtsreport die angemessene Form […]

Wahrscheinlich wäre nur das konsequent gewesen: Einfach einmal zu schweigen und die Branche mit Nichtachtung zu strafen. Aber Ausblenden ist auch kein journalistisches Kriterium, und deshalb haben wir uns für einen Kompromiss entschieden: Christian Schwager, der bereits acht Mal auf der großen Schleife war, wird zwar in diesem Jahr erneut bei der Frankreichrundfahrt vor Ort sein, aber die übliche Berichterstattung wird es nicht geben. Also: Keine Etappenberichte, keine Fotoserien, keine der üblichen Grafiken über die Schwierigkeitsgrade der Strecken, keine Folklore, die den Blick vernebelt auf das Wesentliche.

Im Prinzip werden wir uns auf diese Kolumne konzentrieren. An dieser Stelle wird Christian Schwager von Montag an täglich versuchen, das Ringen der Radsport-Branche mit ihrem fundamentalen Problem in Form eines Tagebuchs zu beschreiben: Die Tour und die Drogen, der Radsport und die organisierte Kriminalität, das und nichts anderes sind die Themen […]

Im Prinzip ist es so: Wer in Gelb fährt, ist völlig unerheblich.

Die ARD wird ein umfangreiches Berichtserstattungspaket zum Thema Doping in petto haben. Letzte Woche erzählte ein Redakteur des HR in der HR-Sendung “Der Tag” das ARD-Kommentator Florian Nass sich einige Telefonnummern von Sportmedizinern zurechtlegen wird um diese anzurufen, falls an den Bergen wieder irgendein Fahrer einen Husarenritt hinlegen wird. Diese sollen dann live auf dem Sender das Geschehen einordnen. (BTW: der HR-Redakteur überraschte in der Sendung auch mit der Aussage, dass die HR-Sportredaktion die Geständnis-PK von Riis im Fernsehen verfolgt habe aber nichts verstanden weil sie kein dänisch konnten. Die HR-Sportredaktion hat sich nicht allen Ernstes den Originalfeed angesehen statt auf n-tv mit Simultandolmetscher zu gucken? OMG…)

Die deutsche Frage

All diese Zweifel und Metadiskussion über die Tour wird nirgendwo so heftig geführt wie in Deutschland. Die Tour-Übertragungen abbrechen? In Frankreich kein Thema. Doping ist dort kein Thema mit denen sich das Öffentlich-Rechtliche France 2 in seinen Übertragungen beschäftigt und so bleibt der Zuschauer auch von jedem Zweifel unbehelligt. Und so kann sich der Franzose im Vorfeld (mal wieder) auf eine neue Generation junger französischer Fahrer freuen, die in der Tour zu Ruhm und Reichtum kommen soll.

Alles was Dreck ist, ist in der Tour eher Aufgabe der Presse. Dabei scheuen sich die Medien nicht vor jeglicher Form der Bewusstseinsspaltung. Es findet eine recht scharfe Trennung zwischen dem Sportlichen und dem Doping statt. Selbst die L’Équipe vermischt beides eher selten. Beides gehört zwar zum gleichen Ressort und wird auf den gleichen Seiten abgehandelt und die L’Équipe scheut sich nicht die richtigen Fragen zu stellen, aber die sportliche Berichterstattung ist frei von Generalverdacht oder Dopingvermutungen.

Fragt man normale Leute wie sie Doping im Radsport sehen, so sind es für sie ausnahmslos singuläre Ereignisse. Wird ein Fahrer erwischt, kann von ihm nicht auf das gesamte Team geschlossen werden. Steht ein komplettes Team unter Verdacht, kann vom Team nicht auf das gesamte Peloton geschlossen werden. Monsieur Normalverbraucher ist geprägt vorrangig von der Berichterstattung in den elektronischen Medien. So bekannt im Ausland französische Zeitungen sein mögen, sind die Qualitätszeitungen in Frankreich eher ein Minderheitenvergnügen für Eggheads.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Das hab ich neulich bei mir im Blog zum Thema geschrieben:

    Ich habe mir extra wegen der Tour vor ein paar Jahren noch einen zusätzlichen kleinen Fernseher gekauft, den ich mir in mein Büro gestellt habe um wirklich jede Etappe live sehen zu können, wenn es der Terminplan zuläßt. Aber dieses Jahr? Die Tour geht am Wochenende los und ich verspüre nicht mal den Hauch eines Interesses in diesem Jahr. Schuld sind daran nicht mal die Dopingaffären. Das die meisten Sportler irgendwas nehmen um die Leistungen erbringen zu können, daran hat man sich in den letzten Jahren ja schon dran gewöhnt. Man war halt froh, dass, wenn sie schon dopen müssen, sie es so geschickt gemacht hatten, das sie wenigstens nicht während der Veranstaltung erwischt wurden. Das kannte man ja schon aus der Leichtathletik. Damit kann ich leben, auch wenn ich bei Armstrong immer noch ein sehr schlechtes Gefühl habe. Aber, wie erwähnt, im Grunde kann ich damit leben.

    Was mich aber nun ankotzt ist die Art und Weise, wie nun mit Doping umgegangen wird. Man behauptet weiterhin, dass es ja nur “die anderen” waren, die meisten wollen nichts gewußt haben und geben sich unschuldig. Das nervt nicht nur, das macht den Sport weitaus mehr kaputt, als es noch eine weitere Dopingbeichte machen könnte. Man muss sich nur vor Augen halten, dass fast alle Radrennprofis der Spitzenklasse aus den letzten Jahren des Dopings überführt sind. Das ist so, als würde man Ferrari, Mercedes, Honda, Renault und BMW beim gemeinschaftlichen Schummeln entdecken und die Teams dann alles auf einen untergeordneten Mitarbeiter schieben und behaupten würden, man habe davon ja nicht mitbekommen.

    Es ist schlimm genug, dass die Fahrer dopen müssen, um bei einem Team angestellt bleiben zu können. Das Teamverantwortlichen angeblich nichts mitbekommen haben wollen, wo doch die Gesundheit und Leistungsfähigkeit eines jeden Fahrers lückenlos überwacht wird, ist die mieseste Lüge überhaupt, die mir jeden Spaß am Sport nimmt, weil sie zeigt, wie tief das Doping in diesem Sport verankert ist.

    Es ist nicht nur lächerlich, wenn Teamchefs behaupten, ihre Fahrer würden nur “Medizin” nehmen. Es ist nicht nur lächerlich, wenn das halbe Feld Ausnahmegenehmigungen in der Tasche hat, weil man angeblich an Asthma leidet. Es ist viel mehr: es ist eine Verarschung der Zuschauer, eine plumpe Lüge, ein Zeichen dafür, dass man nichts, aber auch gar nichts verstanden hat. Meiner Meinung nach hätte man die Tour absagen müssen, denn der Sieger wird am Ende sein Leben lang auch damit leben müssen, dass man ihn skeptisch ansehen wird. Und ich mag keinen Sport sehen, bei dem ich mir Gedanken habe, das derjenige, der gerade de Berg hochklettert, wohl eine gute Apotheke hat. Und ich schon gar nicht einen TV Kommentators hören: “So, genug vom Doping, jetzt wenden wir uns dem Sport zu” weil ich dann nämlich kotzen müsste.

  3. Ich stimme dir größtenteils zu. Auch ich bin lange vor einem Tour-Sonderheft stehen geblieben. Wenn ich das nächste Mal an dem Kiosk vorbei komme, kann ich für nichts garantieren. Das Schlimme an der Tour ist einfach, dass bei mir die Begeisterung trotzallem immer noch vorhanden ist und ich glaube, dass dies bei vielen so ist. Unbewusst spielt der Radsport mit dieser Leidenschaft der Zuschauer für die Tour.Doch irgendwann ist auch bei diesen Zuschauer das Fass voll und der Zustand ist spätestens erreicht, wenn es nur eine positive Dopingprobe bei der diesjährigen Tour gibt. Und sei es die von einem “unwichtigen” Helfer eines schwächeren Teams Klar fragt man sich, warum man bei den schönsten Sommertagen drinnen gesessen hat, um vollgepumpten Fahrern zuzusehen wie sie sich den Berg hoch quälen. Wahrscheinlich war es ja in den meisten Fällen so.Aber: Begeisterung für die Tour > Verbitterung. Die Tour jetzt gar nicht mehr zu verfolgen? Ich weiß nicht. Selbst als Laie sollte man noch kritischer umgehen, mit dem, was man sieht, aber nicht weggucken. Ich glaube die Tour wird in diesem Jahr nicht nur sportlich äußerst spannend (auch wenn natürlich bei jedem Fahrer immer ein Fragezeichen “Ist der jetzt sauber” mit den Berg hoch fährt), sondern vor allem auch das Drumherum. Daher finde ich den Plan der Berliner Zeitung auch sehr interessant. In meinen Augen wird die Tour für mich in diesem Jahr nicht die Chance, dem Zuschauer einen sauberen Sport glaubhaft machen zu können, aber immerhin eine Chance für den Radsport von innen heraus aufzuräumen. Einen Anfang zu machen. Natürlich ist der Codex, den ja inzwischen alle Fahrer unterschrieben haben rechtlich zweilfelhaft. Was ist mit den Teamleitern und Betreuern? Einige offene Fragen. Trotzdem: Ich werde die Tour verfolgen, weil ich die Hoffnung habe, dass die Beteiligten so langsam aufwachen und versuchen werden das Parallelleben zu beenden.Im Prinzip darf bei der Tour absolut nichts in Richtung Doping ans Tageslicht kommen, natürlich besser noch wirklich nichts passieren, denn es ist quasi die letzte Chance für den Sport. Nicht nur, was das Interesse der Zuschauer angeht, sondern vor allem das Vertrauen der Sponsoren. Man darf auch gespannt, was Jörg Jaksche noch schönes zu berichten weiß. Wie ich gelesen habe, hat er ja absprachegemäß im Spiegel-Interview bei weitem noch nicht alles gesagt. Ich hoffe nur, dass es nicht so läuft: Fahrer X gewinnt eine Etappe und am nächsten Tag kommt Jaksche dann mit Informationen über genau diesen Fahrer. Ich hoffe eher, dass Jaksche anderen Fahrern die Kraft gegeben hat, auch aus diesem Sumpf heraus zu stapfen und an die Öffentlichkeit zu gehen. Und wenn sie es nur für viel Geld machen. Die Tour ist und bleibt das Wichtigste im Radsport. Natürlich kann man sich fragen, warum sollte ausgerechnet dieses Jahr etwas passieren? Man muss es einfach hoffen. Wer so viel Begeisterung für den Sport entwickeln kann, wie ich, dem fällt das nicht schwer.

  4. Um es kurz zu machen: Ich werde mir die Tour nicht (d.h. maximal die 2 Minuten im Nachrichtenblock) antun. Die Veranstaltung hat für mich was von Gewichtheben: Auf den nächsten Dopingfall warten und zwischendurch die Gestalten betrachten. Drum werde ich auch um Doping-Brennpunkte einen Umweg machen – es interessiert mich dieses Jahr noch weniger als sonst die ersten 130km von Sprintetappen.
    Ne, da kann ich die Nachmittage auch sinnvoller vertrödeln.

    Aber evtl fehlt mir gerade durch die Nähe zur Grenze der französische Einschlag.

  5. […] Eine sehr detaillierten Bericht über seine Beziehung zur Tour hat dogfood geschrieben. Sehr lehsenswert. […]

  6. Lesenswerter EPO-Selbstversuch von Zeit-Journalist Tobias Hürter:
    http://www.zeit.de/2007/28/M-Epo?page=1

  7. Ich werde die Tour etwa genauso verfolgen, wie die Berliner Zeitung: Nicht auf die sportlichen Ergebnisse schauend. Es geht dieses Jahr mehr darum, den Sport reinzuwaschen, als einen Sieger zu ermitteln.

    Keiner soll so tun, als wäre mit den Geständnissen von Zabel, Aldag oder Jaksche ein großer Schritt getan. Wie du richtig schreibst, ist das fast nirgendwo angekommen außer in Deutschland. Der internationale Druck ist noch viel zu gering.Und auch richtig: Jeder, der eine überragende Leistung bringt, wird unter Verdacht stehen.

    Ich kann keinen verstehen, der sich das ganze als sportlichen Wettbewerb anschaut. Wer das macht, lässt sich gerne und bewusst verarschen. Remember Landis? Das ist gerade ein Jahr her.

    Bevor er nicht so läuft, wie es ein Norman Stadler im Alleingang erledigt, dass ständig und nicht nur punktuell Proben sämtlicher Körpersäfte irgendwo hinterlegt werden, glaub ich gar nix mehr.

  8. http://forum.tour-magazin.de/showthread.php?t=112040

    Da ist eine Diskussion zu dem Zeit-Artikel, in der der Autor offensichtlich mitschreibt.

  9. Vielen Dank Dogfood für die differenzierte Begründung pro Tour verfolgen. Bei mir ist es a) auch sentimental, wenn ich daran denke, wie zum ersten mal wegen Sport geweint habe, als Laurent Fignon 1989 die Tour verlor. b) hat es, das muss ich ich in emigscher manier widergeben, eben mit dem Kampf Mann gegen Natur zu tun. Das könnte aber, wie beriets angemerkt, mit dem ersten positiven Befund fallen, oder, wenn Vino und klöden und Valverde alles dominieren.

  10. Schön geschrieben. Persönlich geht es mir da etwas anders.

    Eine Absage der Rad-WM und ein Ausschluss der UCI bei Olympia sind Dinge auf die ich hoffe — weil ich irgendwann mal wieder Radsport sehen will. Der Laden muss erstmal in sich zusammenkrachen, bevor ich das wieder kann. Den Prolog habe ich keine fünf Minuten ausgehalten. Schade.

  11. Gewichtheben. Autsch.

    Ach, der Sportteil der “Berliner”. Für den ein ganz klein wenig umfassender interessierten Leser ja immer wieder ein beständiges Ärgerniss.
    Aber was dort mittlerweile so in Richtung Sportethik, politisch-kommerzieller Komplex und so passiert ist ganz einfach groß…, quatsch, ist schlichtweg Journalismus. Nicht mehr und nicht weniger.

    Aber bei der Konkurrenz halt vor allem nicht weniger.

  12. […] Nach diesen ersten Anstiegen geht es für die Fahrer weiter in die Pyrenäen, die im Gegensatz zu den Anstiegen in den Alpen meist gleichförmiger sind und somit Fahrern entgegenkommen, die in einem gleichmässigen Tempo die Anstiege hochfahren und Probleme mit ständigen Tempowechseln haben. In den nächsten Tagen werde ich mir einmal genauere Gedanken zu diesen Etappen und dem abschliessenden Zeitfahren am vorletzten Tag machen. Für die Zwischenzeit vielleicht einmal den Eintrag vom Allesaussersport Blogger durchlesen, interessant und unterhaltsam. […]

  13. Ich persönlich versuche mich jetzt seit ein paar Tagen in Stimmung für die tagelang erscheinenden Bergetappenübertragungen zu bringen, scheitere aber bisher grandios.

    Dann doch lieber mal ein Stündchen oder zwei selbst gestrampelt.

  14. Ich jedenfalls bin sehr froh, dass ich mich fürs Wimbledonfinale entschieden habe. Absolut brillantes Tennis mit zwei bärenstarken Spielern und dem dem am Ende glücklicheren Federer. Man muss allerdings kein Prophet sein um vorherzusehen, dass auch Nadal irgendwann einmal in good old Wimbledon siegen wird (von mir aus lieber später als früher, denn ich liebe Federers leichtes Spiel).

    Apropos: War nicht auch mal Nadal genannt im zumindest weiteren Gunstkreis um Senor Puerto? Und wie sieht es eigentlich mit dem Fußballern von Barca und Real aus? Es ist zZ echt nicht leicht, Sportfan zu sein.

  15. Für mich ist die Tour gestorben. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich froh, dass es mir mein Arbeitsalltag normalerweise nicht erlaubt, überhaupt rechtzeitig zum Finish vor den Fernseher zu kommen.

    Klar, der Sentimentalitäts-Faktor ist hoch, aber alles hat seine Grenzen. Dafür ist für mich in den letzten Monaten einfach zu viel kaputt gegangen.

    Bis die nicht das “gläserne” Team einführen, können die mich mal.

  16. Vielleicht bin ich zu naiv. Aber ich denke, die diesjährige Tour ist die sauberste seit ewigen Zeiten. Gefühltermaßen ist es für Doper schwieriger geworden unentdeckt zu bleiben. Zudem haben einige Teams auch glaubwürdige Testprogamme aufgelegt, andere allerdings noch nicht. Aber das die Franzosen ernst machen, ist im Fahrerfeld mittlerweile angekommen. Sollte in den Bergen aber ein Astana-Zug dem Feld wegfahren, wäre das wohl eine harte Belastungsprobe für meine Begeisterung. Alleine Klöden fällt ja durch jeden Interview-Doping-Test. Andererseits würde ich mich sogar freuen, wenn es bei der Tour Doping-Fälle gibt. So schlimm das ist, aber effektive Kontrollen sind mir lieber, als eine scheinbar dopingfreie Tour.

    Irgendwo hat ich einen Zeitungskommentar gelesen, da stand, dass so eine Bergankunft in seiner Emotionalität einem Kunstwerk ähnelt. Und bei Künstlern würde man ansonsten auch nicht kritisieren, wenn die bei malen eines Bildes zugedröhnt waren. Der Kopf sagt nein zum Radsport aber der Bauch will das Spektakel.

  17. Die L’Équipe hat im Vorfeld die Dopingkontrollen bei der Tour kritisiert, u.a. weil die UCI nicht alles kontrolliert was möglich wäre (wenn ich mich nicht täusche, wird bei der Tour wohl nicht auf Wachstumshormone getestet, aber es kann sein das mich mein gedächnis trügt).

    Es gibt in Sachen Doping im Vorfeld abgesteckte Grenzen was erlaubt ist und was nicht. Allen Radfahrern sind diese Rahmenbedingungen bekannt und wenn sie sich “der Kunst wegen” nicht dran halten wollen, dann können sie ihre eigene Veranstaltung aufziehen. Anders als Künstler ist es Teil des Jobs als Radfahrer sich im Vergleich zu anderen Radfahrern zu bewegen. Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich oder Toulouse-Lautrec.

    BTW: Auch wenn Kunst von Emotionen wie Depressionen, Liebe u.ä. lebt, dürfte der Anteil der dopenden Radfahrer größer sein als derjenigen Künstler die Drogen jenseits der legalen Mengen einnehmen.

  18. @dogfood: Meinetwegen. Mir ging es nur darum, dass nach meiner Ansicht der Anteil dopender Radfahrer in diesem Jahr geringer ist, als in den Vorjahren. Und zum anderen die Tour als Ereignis mehr ist, als wer als Erster über den Zielstrich fährt.

  19. Am Ende der Tour sollte das Klassment umgedreht werden und der letze gewinnen – ich denke dann hätten wir einen sauberen Sieger. (oder auch nicht)

    Ich habe meiner Freundin die ausdrückliche Anweisung gegeben, dass sie mich (nötigenfalls mit Gewalt) davon abhalten muss, wenn ich die TdF einschalten sollte. Denn rein emotional bin ich anfällig zum Zuschauen. In der Woche ist es nicht wirklich problematisch, da ich das selbe Problem (eher “Glück”) habe wie B.Schuss mit meinen Arbeitszeiten. Aber am WE hoffe ich auf meine Freundin.

    Gestern hat sie es schon geschafft.

  20. Deine Forderung nach einer Verlinkung des Doping-Bereichs von sport.ard.de hat beim WDR in Köln wohl Gehör gefunden. Nun auf jeder Seite zwischen “Mehr Sport” und “Ergebnisse/Tabellen” Ich weiß zwar nicht genau, wann das geändert wurde, vermute aber mal, dass es nicht besonders alt sein kann, da ich die Seite nahezu täglich nutze.