Allesaußersportliche Zwischenbilanz Bundesliga 2010/11, Teil 2: war weder-noch

Sportblogger-Beitrag des Jahres 2010

Bei Trainer Baade findet derzeit eine Abstimmung für den Sportblogger-Beitrag des Jahres 2010 statt (wo u.a. meine Bundesligavorschau nominiert wurde)

Die elf nominierten Beiträge sind mitsamt kleinerer Anmerkungen vom Trainer höchstpersönlich, bei Trainer Baade gelistet “Sportblogger-Beitrag des Jahres 2010”. Gehet hin und kürt euren Lieblingsbeitrag.

Was bisher geschah: Im August gab es eine Bundesliga-Vorschau in drei Teilen: Teil 1 (Platz 18 bis 13), Teil 2 (Platz 12 bis 8), Teil 3 (Platz 7 bis 1). Rechtzeitig(?) vor der Rückrunde werfe ich noch einmal ein Blick auf die Vorschau und versuche mich an Re-Justierung einiger Einschätzungen.

Kleingedrucktes: Im folgenden arbeite ich mich an den Platzierungen meiner Vorschau ab – auch wenn es schon beim ersten Team sehr schmerzt. Die angegebenen Kader stellen eine Art “Depth Charts” dar, die sich einerseits aus den 17 Spielen der Hinrunde entwickelt hat, andererseits auch schon einige Neuzugänge berücksichtigt. Es geht aber nicht darum wirklich jeden Spieler aus dem Kader zu berücksichtigen. Deswegen fehlen einige Spieler.

12. Bor. Mönchengladbach

Bor. Mönchengladbach

  • Ist: Platz 18
  • Taktik: 4-2-2-2, 4-3-2-1, 4-2-3-1
  • Tor: #1 Heimeroth/#30 Bailly
  • RV: #22 Levels
  • IV: #4 Brouwers/#31 Dante/#5 Anderson/(neu: Stranzl)/(neu: Nordtveit)
  • LV: #3 Daems/#2 Schachten/#27 Wissing
  • DM: #26 Bradley/#14 Marx
  • OM: #15 Herrmann/#11 Reus/#18 Arango
  • Angriff: #11 Reus/#25 Idrissou/#10 De Camargo/#9 Bobadilla (darf gehen)/(neu: Hanke)

Auf besonderen Wunsch wurde der Verein unkenntlich gemacht.

Wer sucht, der wird schon in der Vorschau Probleme finden:

Gemessen an diesem Profil [viele Gegentore, vorallem auswärts], fällt die Transferpolitik im Sommer überraschend aus. Erstens wurde nicht viel getan, zweitens wurden unterm Strich eher mehr Bundesliga-taugliche Spieler abgegeben als dazu geholt und drittens hielten sich die Investitionen in die Defensive in Grenzen.

Und so ganz daneben lag ich auch damit nicht:

Gladbach hat großes Potential: wenn kein Spieler sich eine Formkrise nimmt, wenn keine Verletzungen passieren, ist die individuelle Klasse da um bis auf Platz 8 zu rauschen. Sorgen macht mir aber die Qualität hinter den ersten Elf. Quantitativ hat Gladbach da gewaltig mit der eigenen Jugend nachgerüstet, die aber bzgl. Bundesliga weitgehend ungetestet ist.

… um dann abzuschließen …

Gladbach bräuchte schon eine Seuchensaison um etwas mit dem Abstieg zu tun zu bekommen.

Ich attestierte in der Vorschau einen recht dünnen Kader und genau das wurde auch zu einem Problem. Die gesetzte Innenverteidigung Brouwers/Dante spielte nur an den ersten vier Spieltagen zusammen. Danach verabschiedete sich Dante mit Fußbruch und Kniebändern. Brouwers verabschiedete sich Ende Oktober aus dem Kader mit roter Karte, Knieproblemen, Muskelfaserriss, Sprunggelenksverletzung und nun einem Meniskusschaden. Er wird nicht vor Februar zurückkehren.

Dante konnte noch durch Anderson kompensiert werden. Als Brouwser fehlt, musste Daems von links außen nach innen einrücken und damit öffnete man die Baustelle Linksverteidigung, bei der die Backups Schachten und Wissing verbrannt wurden.

Nicht alles wird man an der Verletzung von Brouwers/Dante festmachen können. Das 0:4 zuhause gegen Frankfurt und danach das 0:7 in Stuttgart kassierte man mit diesem Innenverteidiger. Torwart Bailly bekam so schnell die Nervenflatter, dass er bei den Gladbach-Fans zügig unten durch war. Heimeroth hatte auch einen eher schwachen Dezember.

Bailly ist prototypisch für eine Gladbacher Mannschaft, die in der Hinrunde unglaublich fragil und labil war. Ein an der Seitenlinie umgefallener Sack Reis führte schon zum nervlichen Totalkollaps der halben Mannschaft und es gab zu wenige Spieler, die dem was entgegenzusetzen hatten.

Auch das Sechser-Duo Bradley/Marx (wo Bradley nicht an seine gute WM-Form anknüpfen konnte) widersetzte sich dem Kollaps nicht. Am Ende der Hinrunde stehen 47 Gegentore (fast drei Gegentore pro Spiel!) Gegen Ende der Hinrunde versuchte Trainer Frontzeck die lecke Defensive mit einer Dreifach-Sechs abzudichten, in dem er noch Neustädter zu Bradley und Marx reinbrachte. Das defensive Mittelfeld schaffte es in der Hinrunde nicht, seiner Scharnierfunktion zwischen Abwehr und Offensive gerecht zu werden und ließ sich zu häufig “out of position” erwischen.

Auch wenn die Zahl der geschossenen Tore (26) in der Bundesligatabelle guten Durchschnitt verkörpern, macht auch die Offensive nicht den Eindruck, als hätte Frontzeck da schon seine Formation gefunden. Bobadilla soll angeblich gehen dürfen, Arango zieht es weg. Mit Idrissou hatte man sich zwischenzeitlich so verkracht, dass auch hier ein Weggang nicht ausgeschlossen war. Abseits der Puzzleteile Reus und Herrmann war da wenig gefestigt.

Gladbach versucht sich an Noteinkäufen. Für die Innenverteidigung kommt von Spartak Moskau Martin Stranzl (Ex-VfB). Der junge Defensiv-Allrounder Havard Nordtveit kommt ablösefrei von Arsenal (2009/10 für Nürnberg spielend, einige Male als Sechser, von Frontzeck aber zuerst als Innenverteidiger ausgetestet). Dieses Nachrüsten im Defensivzentrum sollte den Vorteil haben, das Daems wieder auf die Linksverteidigerposition zurückrücken kann.

Und in Sachen Sturm hat das Management rund um Max Eberl Neueinkauf Mike Hanke ganz fest in seine Gebete eingeschlossen.

Neue Spieler alleine werden Gladbach nicht weiter helfen. Vordringlichstes Problem wird die psychologische Arbeit sein, damit die Mannschaft nicht wieder in sich zusammenklappt, wie sie es in der ganzen Saison gemacht hat. Außerdem müssen die Sechser, egal ob als Doppel- oder Dreifach-Variante muss ihrer Funktion als erste Abwehrreihe und erste Offensivreihe gerecht werden.

Sieben Punkte bis zum Strich sind zwar einholbar, aber wenn die zu überholenden Kandidaten Stuttgart, Werder und Wolfsburg heißen, sehen die Aussichten ungleich trüber aus. Relegationsplatz ist das allerhöchste der Gefühle, aber …

Re-Tipp: Abstieg, denn mich überzeugt der Sturm nicht.

11. FSV Mainz 05

FSV Mainz 05

  • Ist: Platz 2
  • Taktik: 4-2-2-2, 4-2-3-1, 4-4-2/Raute
  • Tor: #29 Wetklo/#33 Müller
  • RV: #8 Zabavnik/#26 Bungert
  • IV: #26 Bungert/#4 Noveski/#2 Svensson
  • LV: #22 Fuchs/#3 Fathi
  • DM:#19 Soto/#7 Polanski/#6 Caligiuri/#21 Karhan
  • OM: #23 Risse/#18 Holtby/#22 Ivanschitz/#14 Schürrle/#19 Soto
  • Angriff: #28 Szalai/#14 Schürrle/#9 Allagui/#11 Rasmussen

Nach dem Hinrunden-Hype um die Mainzer muss man nicht viel zu sagen. Platz 11 getippt. Platz 2 isses geworden. Wie konnte ich nur so daneben liegen.

Mögliche Probleme wie die Abgänge von Bancé und Hoogland, wurden problemlos überbrückt (Allagui aus Fürth: 6 Tore)

Die Mainzer lieferten ihr Gesellenstück mit dem 2:1-Sieg bei Bayern München ab. Das aggressive Pressing, sehr weit vorne und mit höchsten läuferischen Einsatz, war aus dem Bilderbuch. Dazu war die Mannschaft so gefestigt, dass sie den unglücklichen Verlauf (Ausgleich durch ein Eigentor kurz vor Halbzeit) verkraftete und noch den Sieg holte.

Es gibt in der Defensive eine feste zentrale Achse rund um die Innenverteidigung mit Bungert/Noveski/Svensson und im defensiven Mittelfeld mit Polanski. Dazu zwei gesetzte Außenverteidiger mit Fuchs (links) und Zabavnik (rechts). Außerhalb dieses festen Nukleus’ lösen sich aber die Strukturen derart auf, dass auch eine Beschreibung als taktische Formation eigentlich nicht mehr das wahre Bild auf dem Spielfeld wiedergibt, so variabel, so wechselhaft ist das Positionsspiel und sind die Laufwege der Mainzer. In dieser derart krassen, von einem Schema losgelösten Form, sieht man es bei keinem anderen Bundesligisten.

Großartige Hinrunde. 11 von 17 Spielen gewonnen. Ich erlaube mir aber Zweifel anzubringen, dass es es in der Rückrunde so weiter geht. Ich habe nach der 09/10er-Saison große Stücke auf Thomas Tuchel gehalten. Eine seiner Stärken war es zu verhindern, das Mainz in ein Loch fiel.

Diese Saison habe ich das Gefühl das Tuchel einige Umdrehungen hochtouriger läuft und dabei einiges überjazzt. Er sucht mir zu sehr den Sieg auf dem Papier und lässt zu wenig das Wachsen von Strukturen in der Mannschaft zu – was sich bei einem negativen Lauf auf die Stimmung auswirkt. Nicht jeder Spieler ist begeistert davon, ein austauschbares Steinchen auf dem Taktikbrett des Trainers zu sein. In Maßen gab es unzufriedene Signale von Karhan, Wetklo und Ivanschitz. Sollte der negative Lauf der Mainzer diesmal eher als erst nach zehn Spielen kommen, zweifle ich, ob Tuchel dann die ganzen Spieler-Brandherde schnell genug ausgetreten bekommt.

Ein konkretes Problem in der zweiten Hälfte der Hinrunde, war die mangelnde Torgefährlichkeit, bzw. zu große Umständlichkeit vor dem Tor. Das Thema erinnert an den FC St. Pauli, bei dem die Spieler ebenfalls eigentlich über die technische Klasse verfügen, aber sich vor dem Torabschluß lieber beide Beine brechen.

Re-Tipp: die Mainzer werden von ihrer Punkteausbeute aus der Hinrunde zehren und um Europa League-Plätze spielen.

10. Eintracht Frankfurt

Eintracht Frankfurt

  • Ist: Platz 7
  • Taktik: 4-2-3-1, 4-2-2-2
  • Tor: #1 Nikolov/#22 Fährmann
  • RV: #24 Jung/#2 Ochs
  • IV: #4 Franz/#5 Vasocki/#23 Russ/#13 Clark/#29 Chris
  • LV: #31 Tzavellas/#7 Köhler
  • DM: #27 Schwegler/#7 Köhler/#29 Chris/#14 Maier/#13 Clark
  • OM: #2 Ochs – #10 Altintop/#14 Meier/#30 Caio – #7 Köhler
  • Angriff: #21 Gekas/#18 Amanatidis

Während Trainer Michael Skibbe versucht Träume von einer Perspektive im Europalande zu verkaufen, gibt Geschäftsführer Bruchhagen die Spaßbremse, den Realo unter den Frankfurtern. Und so einigte man sich im Vorfelde der Saison auf die “50 Punkte”-Marke, die eine Verbesserung um 4 Punkte darstellen würde.

Gute Nachricht nach der Hinrunde: es sind 26 Punkte und damit liegt man knapp oberhalb der angepeilten Marke. Ein Traum für Bruchhagen, der wilde Ausschläge in den Formkurven hassen dürfte.

Und so erreichte die Eintracht Platz 7 in der Hinrunde ohne das sie großartig Aufmerksamkeit erregte. Spiele wurden gewonnen, Spiele verloren. Gegen die Bayern setzte es (ersatzgeschwächt) die standesgemäße Prügel. Das Leben Eintracht Frankfurts ist ein ruhiger langer Fluss.

Die Defensive hat sich gut gesetzt. Skibbe hat den Ausfall von Chris kompensieren können und auf allen Positionen minimum eine Alternative. Es muss schon so heftig kommen wie gegen die Bayern, als durch Sperren und Verletzungen die Aufstellung nichts mit der normalen Startelf zu tun hatte. Das Szenario könnte Frankfurt zu Saisonbeginn wieder drohen, denn mit Tzavellas, Vasocki, Franz, Russ und Chris brechen Skibbe drei der vier Positionen der Abwehrkette weg. In der Innenverteidigung wird er vermutlich auf die “vierte Wahl” Clark setzen müssen. Aber abgesehen von solch einer unvorhersehbaren Seuchenperiode, hat Skibbe in der Defensive eine gute Arbeit geleistet.

Problematischer sieht es in der Offensive aus. Auf der Plusseite stehen zwei starke Flügel mit Ochs und Köhler – die entsprechende Unterstützung ihrer Hintermänner Jung und Tzavellas bekommen. Gekas schlug atemberaubend gut ein (17 Spiele, 14 Tore). Aber dahinter werden die Grenzen offensichtlich. Etliche Kandidaten sind im zentralen Mittelfeld oder als Gekas-Unterstützung/-Alternative gescheitert und da scheint mit diesem Kader das Ende der Fahnenstange erreicht zu sein:

Fenin (8 Spiele, 0 Tore, 1 Torvorlage), Altintop (17 Spiele, 0 Tore, 2 Vorlagen), Amanatidis (10 Spiele, 0 Tore, 1 Vorlage), Caio (15 Spiele, 1 Tor, keine Vorlagen) und Meier (11 Spiele, 1 Tor, 1 Vorlage).

Genau an diesem Punkt kommt die Fantasie was Frankfurt in dieser Saison alles anstellen kann, an ihre Grenzen. Zumindest für diese Saison.

Re-Tipp: Die Saison ist ein langer ruhiger Fluß. Keine Europa League, aber trotzdem in der oberen Tabellenhälfte bleibend. Weiter Kurs auf die 50-Punkte-Marke.

9. 1899 Hoffenheim

1899 Hoffenheim

  • Ist: Platz 8
  • Taktik: 4-2-3-1, 4-3-2-1, 4-2-2-2, 4-3-3
  • Tor: #33 Starke/#1 Haas
  • RV: #2 Beck
  • IV: #25 Vorsah/#14 Simunic/#5 Compper/#3 Jaissle
  • LV: #26 Ibertsberger/#5 Compper
  • DM: #17 Weis/#6 Rudy/#23 Salihovic
  • OM: #9 Ba/#7 Vukcevic/#15 Mlapa/#20 Obasi/#11 Sigurdsson/#23 Salihovic
  • Angriff: #19 Ibisevic/#9 Ba/#15 Mlapa

Aus der Vorschau:

Ein 9ter Platz wirkt wie eine Verschwendung des Potentials des Kaders, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Versuche von Rangnick zur Entgiftung der Atmosphäre wirken – dazu scheint mir Rangnick zu sehr Teil des Problems zu sein, wie die dauerhaften Reibereien mit Hopp zu bestätigen scheinen.

Aber bei keiner Mannschaft fehlt mir derart der Glaube dass sie das mentale Rüstzeug dafür hat, ihre individuelle Klasse einzubringen.

So kann man daneben liegen. Und dann doch nicht. Ja, Rangnick hat es geschafft, die Mannschaft zu entgiften. Hätte ich ihm so nie zugetraut. Hat er geschafft und das ist eine große Leistung von Rangnick. Allerdings kann auch der Teil bzgl. der Reibereien mit Dietmar Hopp nicht völlig negiert werden, gell?

Meine Vorschau in Sachen Hoffenheim klang ziemlich negativ. Daran gemessen hat Hoffenheim eine sehr gute Saison absolviert – und ist trotzdem nur einen Platz besser als ich es erwartet hatte und immer noch ein Platz schlechter als in der Vorsaison.

Das haben sie sich selbst zuzuschreiben, denn zu häufig haben sie ihr Potential nicht über die vollen 90 Minuten auf den Rasen gebracht.

Kernstück der Mannschaft war das Mittelfeldzentrum rund um Gustavo, Rudy, Weis bzw Salihovic. Pressing. Giftigkeit, schnelles Umschalten.

Aus diesem Mittelfeldkern wurde Gustavo herausgerissen. Der alte Trainer hat hingeschmissen, ein neuer Trainer – im Profiligabetrieb noch ungestestet – ist sein Nachfolger. Der beste Hoffenheimer Stürmer spielt Diva und will nicht mehr zurückkehren. Die anderen Spieler im Kader haben aus dem Munde des Obermufti einen Kurswechsel in Sachen europäischer Ambitionen gehört. Mit dem Verkauf von Gustavo und Eichner hat man die #2 und #3 auf der Linksverteidiger-Position verkauft.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen, wäre es ein sehr guter Einstand, wenn Trainer Pezzaiuoli genauso viele Siege holt, wie er Vokale im Nachnamen hat – und damit das Hinrundenergebnis halten würde.

Re-Tipp: Um Platz 10 herum, plus/minus zwei Plätze.

8. Hamburger SV

Hamburger SV

  • Ist: Platz 9
  • Taktik: 4-2-2-2, 4-4-2/Raute, 4-2-3-1
  • Tor: #1 Rost
  • RV: #20 Demel/#30 Benjamin/#25 Rincon
  • IV: #4 Westermann/#5 Mathijsen/#44 Kacar/#20 Demel/#34 Besic
  • LV: #6 Aogo/#7 Jansen
  • DM: #14 Jarolim/#8 Ze Roberto/#44 Kacar/#15 Trochowski
  • OM: #21 Pitroipa/#11 Elia/#7 Jansen/#15 Trochowski/#17 Choupo-Moting/#40 Son/#8 Ze Roberto
  • Angriff: #10 Petric/#22 van Nistelrooy/#9 Guerrero

“Konzeptioneller Trümmerhaufen” lautete die Zwei-Wort-Zusammenfassung zu meiner Einschätzung des HSVs vor der Saison.

Der Misserfolg hat einige Ursachen wie z.B. Verletztenmisere (mal wieder) oder auch eine grottige Kaderzusammenstellung. Aber was den Kader angeht: wenn ich mich nicht verguckt habe, sind Veh und Reinhardt vom HSV in ihre Positionen Ende Mai inthronisiert worden. Da darf man dann auch gerne ein Stückchen Teilverantwortung für die Mannschaftzusammenstellung übernehmen…

Es ist kein Geheimnis das ich nicht der weltgrößte Fan von Armin Veh bin. Nach sieben Monaten Veh weiß ich viel über sein beabsichtigtes Karriereende, über seine Lust als Sportdirektor zu agieren und über seine Sympathien zum HSV und der Stadt. Und ich bin mir sicher, das Veh auch viel zu erzählen weiß, welche Schuhmarke er benützt und was seine Lieblingsurlaubsorte sind. Was Veh aber bis heute noch nicht kommunizieren hat, ist seine Vision des HSVs. Es ist schlichtweg keine Handschrift erkennbar.

Doch, eine Handschrift ist erkennbar: jeder Spieler (mit Ausnahme von Pitroipa) ist in der Hinrunde sukzessive schlechter geworden als in der Vorsaison. Armin Veh hat in der Mannschaftsaufstellungen einen Kreislauf des “Immer-schlechter-werdens” losgetreten. Im 2-Wochen-Rhythmus wird von Veh ein neuer Hoffnungsträger auf die Bühne geschoben, um dann nach 2-3 Spielen wieder komplett in der Versenkung zu verschwinden. Besic. Choupo-Moting. Son. Torun. Kacar. Guerrero. Petric. Van Nistelrooy. Trochowski. Neuester Gag: Ben-Hatira, den Veh zuerst verkaufen wollte und dann in die zweite Mannschaft verbannt hat. Jetzt plötzlich Kandidat für die Startelf.

Natürlich kann es eine solche Ben-Hatira’sche Leistungsexplosion gegeben haben. Aber diese Muster wiederholen sich mir beim HSV unter Veh zu häufig. Veh scheint seine Startelf dadurch zu finden, dass er die elf Spieler nimmt, die grad am wenigsten bei ihm verschissen haben.

Der Kader war an einigen Positionen dünn besetzt (Rechtsverteidiger) und Verletzungen/Sperren rissen weitere Lücken an anderen Positionen auf.

Auf einer Position verzockte sich Armin Veh und fand in der gesamten Hinrunde keine Lösung – mit Konsequenzen für die Offensive: die des zentralen offensiven Spielers. An den ersten sechs Spieltagen setzte Veh auf eine einzige Sturmspitze 4-2-3-1 und testete abwechselnd Petric, Guerrero, Elia und Trochowski auf der Zehner-Position. Ja, richtig gelesen: vier unterschiedliche Zehner in sieben Spielen (inkl. DFB-Pokal). Kein einziger Zehner durfte sich zwei Spiele in Folge auf der Position versuchen.

Ab dem 8ten Spieltag versuchte Veh es mit dem Spielsystem, dem er auf seiner Antrittspressekonferenz Ende Mai noch eine strenge Abfuhr erteilte (“Wenn ich diese Mannschaft sehe, da kannst du keine Raute spielen“). Trochowski als Zehner (mit Zé auf links rochierend) und Rincon (bzw. gg Köln Kacar) als Sechser. Vier Spiele, ein Sieg (Mainz), zwei Niederlagen. Danach lebte das 4-2-3-1 wieder für zwei Spiele auf. Zum Saisonende hin wurde dann dreimal das alte HSV-System des 4-2-2-2 gespielt. Mit drei unterschiedlichen Sturm-Formationen und zwei unterschiedlichen Doppel-Sechs-Formationen (u.a. Trochowski als Sechser). Gegen Leverkusen folgte die Rückkehr zur Raute und gegen Gladbach mal wieder das 4-2-3-1. Egal was Veh versuchte – solange es nicht Pitroipa hieß, hatte es keinen Bestand.

Trotz der Tendenz von Veh gegen Ende der Hinrunde auf Trochowski als einer der Sechser zu setzen, soll nun das alte Duo Jarolim und Zé Roberto gesetzt sein. Im Mittelfeld vorne sind wohl Elia und Pitroipa bis auf weiteres die Starter. Wer vorne im Sturm steht? Keine Ahnung (Guerrero ist angeschlagen, Achillessehne). Ein oder zwei Sturmspitzen? Oder Raute? Keine Ahnung. In der Abwehr sind Aogo, Mathijsen, Westermann und Demel gesetzt. Mathijsen muss wegen Verletzung noch passen. Für ihn wird gegen Schalke Kacar sich auf dieser Position versuchen.

Re-Tipp: Mit etwas weniger Verletzungen sollte der HSV ein bisschen an Boden gut machen können. Gleichzeitig glaube ich dass von hinten Schalke und Wolfsburg noch heranrauschen werden werden. Unterm Strich bleibt es bei Platz 9, plus minus zwei Plätze. Aber spannender ist die Frage wann Vehs Nachfolger kommen wird.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. “Auf besonderen Wunsch wurde der Verein unkenntlich gemacht.”
    Und ich hab mich schon gewundert ob mein Browser kaputt ist… ;-)

  3. haha, sehr schön mit xxxx. bei denen nicht nur die abwehrschwäche das große problem ist, sondern die punkteausbeute: der namenlose verein müßte in der rückrunde wohl so 24, 25 punkte schaffen. damit wäre man in der hinrunde auf platz 8 gelandet (hoffenheim). eine stabilisierung traue ich dem tabellenletzten durchaus zu, aber eine rückrunde, die diese 10 punkte-hinserie ausgleichen kann: keine chance.

  4. Kein Konzept, kein Plan, so ist er, der HSV in dieser Saison.

    Wie war das unter Veh in WOB, wurden da die Spieler auch wie blöd durchrochiert?

    Ich bin leider kein gnadenloser Optimist, muß dir bei deiner Prognose leider recht geben.

  5. Für Beiträge wie diesen gabs auch meine Stimme bei Trainer Baade ;)

    Betrüblicherweise sehe ich ebenso dunkelgrau wie Sie für den FCSP, Stand jetzt. Aber lasse mich gerne überraschen, wenn es irgendwie gelingt, entweder Ebbers zu entknoten oder Asamoah zu zünden. What ever comes first…

  6. Danke für [Balken schwazz].

  7. An ein wildes durchrotieren von Veh kann ich mir hier nicht erinnern, allerdings hab ich mich dann gerade im Endstadium tlw. doch gefragt, ob der gute Mann noch nen Puls hat. Ausserdem war ihm dann auch das Wort “Motivation” ab und an ein Fremdwort und solche Dinge wie “Spieler stark reden” waren in seinem Vokabular nicht vorhanden. Vielleicht wars auch einfach Amtsmüdigkeit.

  8. Moin,

    @Borussia schwarzer Balken
    Sehr viel Phantasie gibt die Personalie Mike Hanke nicht mehr her, allerdings bleibt zu berücksichtigen, das A) man auf ihn setzt und über Selbstvertrauen definiert sich meist die Leistung und B) Mike Hanke in seinen bisherigen Vereinen sich nicht gerade als Spätzünder präsentierte. Die Offensive wird nicht das Problem von Gladbach sein, aber reichen kann es eigentlich nicht.

    @Mainz 05
    Die aktuelle zentrale Achse im Mittelfeld wurde zum Ende der Rückrunde geändert, dies bestätigte auch die Entwicklung in der kurzen Winterpause, eine Doppel 6 mit Caligiuri & Fathi hat Polanski auf dieser Position abgelöst. Gerade Fathi scheint der neue Hoffnungsträger zu sein, die sportliche Führung versuchte ihn laut eigenen Aussagen auf Grund seiner überdurchschnittlichen Spielübersicht in der ersten Elf zu installieren, mit Fuchs auf der linken Seite hat es nicht wie gewünscht funktioniert. Fathi soll von der zentralen Position spielerische Impulse einbringen und die Gesamtordnung organisieren. Auch Caligiuri ist gesetzt, beim 3er Mittelfeld entscheidet es sich zwischen Soto und Polanski.

    @HSV / @dogfood
    Sehr gut die Wankelmütigkeit auf den verschiedenen Positionen dargestellt, gutes Beispiel mit dem zuletzt konstanten Trochowski. Allerdings gibt es auf dieser Position auch ein Hauen & Stechen. 4 gute Spieler für 2 Positionen, ein motivierte Zé scheint gesetzt, kämpferisches kommt von Jarolim, Troche mit leichtem Rückstand wegen Grippe. Die eigentliche Überraschung könnte aber Kacar heißen, dem im Umfeld Fitness & positiver Wille attestiert wird. Als Profi eigentlich selbstverständlich.. Kacar´s Kopfballstärke und Vielseitigkeit sowie Offensivpower könnte ihn zum wertvollsten 6er werden lassen.
    Leider ist bekannt, das der Kader so schlecht zusammengestellt ist, das es ein Van Nistelrooy / Petric, ein Jansen / Elia und Zé & Jarolim / Kacar & Trochowski um eine Position kämpfen, dagegen spielt ein Demel Stamm ohne Alternative.

    @Wolfsburg / @dogfood
    Bin gespannt, Du schreibst Wolfsburg könnt durchaus den HSV überholen, das sehe ich beim besten Willen nicht. Wolfsburg hat über die Außen so große Probleme, das sie mom. nicht im Stande sind mit dem vorhandenen Spielermaterial Torgefahr zu entwickeln. Der Dzeko zuletzt nie motiviert war und sein Zusammenspiel mit Diego überhaupt nicht funktioniert, wird das kein Problem für die Wölfe.

    gruss
    @BlatterSepp

  9. Bundesligavorschau ohne Nennung von Gladbach: Also genau so, wie es auch in der nächsten Saison sein wird.

  10. Lalalalalala, ich höre garnicht was du sahagst …

  11. Der nicht zum Herumlavieren neigende Michael Heinen schreibt heute Abend übrigens im nun wirklich nicht zu Ausreden neigenden Seitenwahl-Magazin:

    Es war noch lange nicht alles perfekt im Spiel der Mannschaft von Lucien Favre, die in mancher Situation den Ball zu leicht herschenkte und unnötige Fehler beging. Dennoch zeigte sich, wie unnötig ein Tabellenplatz 18 für diese Mannschaft ist, die mit etwas mehr Engagement und Disziplin im bisherigen Saisonverlauf mindestens im gesicherten Mittelfeld stehen sollte.

    Ist doch schön, wenigstens nicht ganz allein zu sein.

  12. Ist das jetzt eine bahnbrechende Erkenntnis? Welche der unteren Mannschaften würde denn mit “etwas mehr Engagement und Disziplin” jetzt nicht deutlich höher in der Tabelle stehen?

  13. Ich schätze, das bezieht sich vornehmlich auf die Tatsache, daß Gladbach so viele Platzverweise kassiert, das Engagement also bisher vornehmlich darin mündete, das Team zu schwächen.
    7 sind übel.

  14. @ dogfood: Gab es eigentlich noch den dritten Teil der Vorschau auf die Rückrunde oder hat dich dieses eine Mal das Zeit-Raum-Kontinuum besiegt;-)?

  15. Voila, Teil 3

  16. Danke sehr!
    Ist irgendwie komplett an mir vorbeigegangen…..