Wasserstandsmeldungen vom TV-Poker

In der FAZ vom Freitag war ein längerer Artikel über die TV-Rechte-Verhandlungen in der Bundesliga: “Die alte Schlachtordnung ist auseinandergebrochen

Der Artikel gibt einen guten Überblick über den Stand der Dinge. Aber auch wenn der Autor Roland Zorn ist, ein anerkannt guter Mann und Ressortleiter beim FAZ Sport, hmm… ich weiß nicht…

Es gibt für den Artikel eigentlich keinen besonderen Anlaß, denn die Ausschreibungen der DFL gehen erst am 1ten November raus. Warum wurde also der Artikel geschrieben? Die Neuigkeit die in dem Artikel steckt, ist die Aussage von Kabel Deutschland sich die Option “Bundesliga” doch offen zu halten:

„Wir schließen keine Option aus”, sagt Carsten Tilger, Unternehmenssprecher der Kabel Deutschland GmbH (KDG), zum Stand der Dinge. Sein Unternehmen, hinter dem potente Beteiligungsgesellschaften stehen, werde auf jeden Fall die „Ausschreibungsunterlagen anfordern” und sich im Kreis der potentiellen Bieter „registrieren lassen”.

Das wäre ein frappierender Strategiewechsel, denn noch im Juli sagte Kabel Deutschland:

“Wir haben nicht vor, irgendwelche Bundesliga-Rechte zu kaufen. Wir stellen keinen eigenen Content her. Wir sind kein Sender wie Premiere, wir verbreiten nur die Programme anderer”, sagte Unternehmenssprecherin Kerstin Reichersporner am Mittwoch.

Damals nicht nur eine Absage an die Bundesliga, sondern an der Strategie eigenen Content zu produzieren. Und jetzt die vermeidliche Kehrtwende im Artikel von Roland Zorn.

Hmm. Qui bono? Wem nutzt eine solche Nachricht? Der DFL. Denn nun hätte die DFL einen vermeidlichen Konkurrenten zum Pay-TV-Monopolisten PREMIERE. Wo sitzt die DFL? In Frankfurt. Wo sitzt die FAZ? In Frankfurt.

Ist diese Neuigkeit möglicherweise von der DFL bewusst lanciert worden und die FAZ hat sich als dankbarer Empfänger erwiesen? Dem gegenüber steht der gute Ruf von Roland Zorn.

Puzzleteile

Hat Kabel Deutschland einen Strategiewechsel vor und will eigenen Content produzieren? So ganz glasklar ist die Position von Kabel Deutschland nicht. Bereits jetzt übt sie als “Plattformbetreiber” laut KEK (Kommission zur Ermittlung von Konzentration im Medienbereich) wesentlichen Einfluß auf sieben Sender aus (Games TV, History Channel, Kinowelt, Wein TV, TV Gusto, Gute Laune TV, XXP – Spiegel TV)

Wieviel Sinn macht es für die DFL Bundesliga-Rechte an Kabel Deutschland abzugeben? Die Aufgeregtheiten die vor einigen Wochen anläßlich der Vergabe der NFL-Rechte an NASN entstanden sind, haben eines gelehrt: man überschätze nicht die Reichweite von Kabel Deutschland.

Kabel Deutschland können NICHT sehen:
– 43% aller deutschen Haushalte die Fernsehen via Satellit empfangen (Tendenz stark steigend)
– 9,7% aller deutschen Haushalte die Fernsehen via Antenne empfangen
– 17% aller deutschen Haushalte die Fernsehen via Kabel, aber nicht via Kabel Deutschland sehen
(Zahlen via “Digitalisierungsbericht” (PDF) der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten)

Kurz: Senderechte die an Kabel Deutschland gingen, würden erst einmal von knapp 70% aller Fernseher in Deutschland nicht gesehen werden können.

Hmmm. Alle die jetzt noch glauben das Kabel Deutschland ein ernsthafter Kandidat für ein großes Rechtepaket der Bundesliga ist, möge bitte die Hand heben. Danke.

Das Schlüsselwort ist “großes” Rechtepaket und genau da liegt die Subtilität und Nutzlosigkeit der Aussage von Kabel Deutschland evtl. am Rechte-Poker teilzunehmen. Es werden wohl knapp zehn Rechtepakete ausgeschrieben und die KDG kann sich ebenso gut für die Internet-Rechte interessieren. Mit keinem Wort positioniert sich die KDG als PREMIERE-Konkurrent und ohne enormen Aufwand kann sie es mangels Reichweite gar nicht sein. Die KDG ist höchstens ein Konkurrent für RTL oder SAT.1 für ein etwaiges Live-Spiel der Woche. Aus Sicht der DFL wäre das sogar wünsachenswert, könnte man sich damit bei der Wettbewerbskommision der EU lieb Kind machen und würde einen Minikonkurrenten von PREMIERE ein bißchen aufpäppeln.

Das heißt DFL-Geschäftsführer Christians Seiferts feuchter Traum von der 1 Milliarde ist immer noch mangels Pay-TV-Konkurrent in lichtjahreweiter Ferne.

Roland Zorn fasst die Situation und die Marktlage zusammen und kommt zum Schluß, dass die Rechte für insgesamt 400 Mio EUR weggehen werden. Insofern interessant, weil es mit meiner Schätzung von 400 – 450 Mio übereinstimmt.

In England

Auch in England sind die TV-Rechte der ersten Liga in den Schlagzeilen, allerdings mit Hilfe der EU-Kommission, der die herausragende Stellung von SKY ein Dorn im Auge ist. SKY besitzt seit 13 Jahren Rechte an der Ausstrahlung von Premier League-Spielen.

Die EU-Kommission droht unverhohlen damit die Premier League vor dem Kadi zu zerren, sollte nicht minimum ein attraktives Rechtepaket an einem Mitbewerber von SKY gehen. Das K.O.-Wort ist “attraktiv“. Bereits letztens versuchte SKY ein Paket von Spielen loszuwerden, aber kein Mitbewerber biß an, mangels Attraktivität. Die EU-Kommission verlangt daher, dass genügend Spiele der Top-6-Mannschaften in mehrere Pakete aufgeteilt und dadurch attraktiv werden. Ferner sollen die Verhandlungen unabhängig und transparent durchgeführt werden.

Unter der Woche fanden Gespräche zwischen Premier League und EU statt, wie eine solche Aufteilung der Pakete aussehen kann, zumal die Liga von einem Kompromiß von 2003 wieder zurücktrat. Hieß es damals noch das man alle Liga-Spiele in vier Pakete anbieten würde wollen, von denen minimum ein Paket an einen SKY-Konkurrenten gehen sollte, bietet die Liga derzeit wohl sechs Pakete an, von denen minimum nur eines an einen Konkurrenten gehen soll.

(GUARDIAN Sport, )

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Und ich hatte nach dem Lesen der Überschrift schon befürchtet, das in den USA sich ausbreitende, abgefilmte Kartenspielen würde sich womöglich jetzt auch zu uns schwappen :-O
    Puh.

  3. Hmmpfff…. Musste “Wasserstandsmeldung” heißen…