WM2010-Tests: England, Mexiko, Südafrika

Nachdem die Asiaten, Australier und Teams aus Ozeanien am Mittag tätig waren, schritten heute Abend Europäer, Afrikaner und Amerikaner aus Nord und Süd zur Tat.

Die Eselsohren des Tages gingen an Portugal, die gegen “ihre” ehemalige Kolonie, die Kapverdischen Inseln (1000km westlich von Senegal im Atlantik) nur 0:0 spielten, obwohl – siehe Bild rechts – man nicht mit einer Daumenlutscher-Mannschaft angetreten ist. Portugals Gegner Brasilien, Elfenbeinküste und Nordkorea haben interessiert zugeschaut.

Ein Spiel von anderer Güteklasse war das drittletzte Testspiel der Gastgeber Südafrika, die in der Soccer City von Johannesburg Bulgarien empfingen. Endstand 1:1. Südafrika legte einen exzellenten Start hin: ganz starke 25 Minuten gegen ein bulgarisches Team, das sich geistig abwesend nur hinten verbarrakadierte. Südafrika belohnte sich in der 20ten Minute mit dem 1:0. Ecke #8 Tshabalala und ein Hammer-Kopfball vom unbedrängten Innenverteidiger #21 Sangweni (20te Minute). Kurz danach schien Südafrika zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass mit der Kür Schluß sein konnte und spulte nur noch Pflichtprogramm ab. Bulgarien meldete sich ins Spiel und das Spiel wurde ausgeglichener. Die Bulgaren ließen die südafrikanische Abwehr einige Male wackeln.

Aufstellung Südafrika

  • #16 Khune
  • #2 Gaxa – #21 Sangweni – #20 Khumalo – #28 ???
  • #23 Khuboni
  • #12 Letsholonyane – #24 Moriri – #8 Tshabalala
  • #11 Modise – #9 Mphela

Auffällige Spieler

Der Linksverteidiger #28 war nicht, wie in einigen Spielberichten angegeben, Parker. Parker kam später mit der #15 rein und ist nicht so bullig wie die #28.
Südafrika hat exzellente Standards. #8 Tshabalala (linkes/zentrales Mittefeld) hat eine waffenscheinpflichtige linke Klebe und kann extrem weit einwerfen. #8 Tshabalala und #11 Modise haben von links und rechts sehr gute Ecken geschossen. Die Innenverteidiger #21 Sangweni und #20 Khumalo sind bei hohen Bällen im gegnerischen Strafraum sehr gefährlich.
Rechtsverteidiger #2 Gaxa ist recht offensivorientiert und läßt dadurch hinten immer wieder Lücken.

In der 31ten Minute folgte der Ausgleich. Eine scharfe Flanke von rechts und Bozhinov rannte in die Nahtstelle zwischen Innen- und Rechtsverteidiger um den Ball flach anzunehmen und sofort zu schießen. Die restliche erste Halbzeit war ausgeglichen mit kleineren Torchancen hüben und drüben. Aus der zweiten Halbzeit hatte ich mich ausgeklinkt.

Südafrika servierter immer wieder gefährliche Standards, so wie sie überhaupt eine Mannschaft sind, die viel mit weiten Flanken arbeitet und wenig mit Dribblings oder 1:1-Situationen. In den ersten 25 Minuten war auch Struktur in Spielintelligenz zu erkennen. Aber als die Bulgaren anfingen, den Raum im Mittelfeld enger zu machen und damit das Kombinationsspiel der Südafrikaner kaputtmachten, war es geschehen. Aber meine Fresse: was für Standards… Mannschaften ohne gute Kopfballspieler werden untergehen. Die WM-Gegner: Mexiko, Uruguay und Frankreich.

Und nimmt man die Eindrücke aus diesem Spiel und legt dagegen das mexikanische Spiel, die am Abend im Wembley Stadium gegen England gespielt haben, werden die Mexikaner im Strafraum arge Probleme bekommen.

England Fans verabschieden die eigene Mannschaft

England gewann 3:1 gegen Mexiko. Die Mexikaner zu sehen, war wie alte Bekannte wieder zu begrüßen, denn zum Thema Abwehrkette kann ich das wiederholen, was ich schon 2006 schrieb.

Aufstellung Mexiko

  • #12 Perez
  • #5 Osorio – #4 Marquez – #2 Rodriguez
  • #6 Torrado –#3 Salcido
  • #16 Juarez – #13 Aguilar
  • #17 Giovani – #9 Franco – #11 Vela

Auffälligkeiten

Die Dreierkette ist mehr als “Drei aus Fünf” zu verstehen, in der je nach Konstellation drei bis fünf der fünf Spieler Osorio, Marquez, Rodriguez, Torrado und Salcido rein rücken.

Das kann man als 3-5-2 lesen, als 3-2-2-3 oder als 4-4-2. Der Abwehrketten-Wahnsinn entsteht dadurch, dass es fünf Defensiv-Spieler gibt, die alle je nach Spielsituation durch die Dreierkette durchrotieren oder auch mal eine Fünf-Mann-Kette geben. Dazu kommt ein #3 Salcido, Defensiv/Links, der von einem Moment zum anderen plötzlich Stürmer auf halblinks spielt. Oder ein #6 Torrado, der mal in die Kette einrückt, mal den Libero vor der Kette gibt, um dann zum Sechser zu mutieren und sich dann in einen Spielmacher mit Offensivdrang zu verwandeln. Es ist nicht so, dass blindes Chaos herrscht. Das Verständnis und die Antizipation sind da, damit die restliche Mannschaft einrückt. Und trotzdem hatte ich gerade beim Spiel gegen England das Gefühl, dass dies gerade in der Rückwärtsbewegung immer wieder für eine Hektik sorgte, die der Defensivarbeit nicht gut tat. Jedesmal, wenn die Engländer schnell und direkt spielten, kamen die Tacklings zu spät und wurden die Räume nicht sauber zugemacht.

Zwei der drei Gegentreffer Mexikos in Wembley waren Kopfballtore. Ein Blick auf den Zollstock offenbart: Osorio 1,73m, Marquez 1,82m, Rodriguez 1,84m, Salcido 1,75m, Torrado 1,77m. Damit hat sich die Zahl der über 1,80m-großen Spieler der mexikanischen Defensive im Vergleich zu 2006 verdoppelt.

Aufstellung England

  • #1 Green
  • #2 Glen Johnson – #5 Ferdinand – #6 King – #3 Baines
  • #7 Walcott – #11 Milner – #8 Carrick – #4 Gerrard
  • #9 Crouch – #10 Rooney

Zum Spiel: England ging in der 17ten Minute 1:0 in Führung. Eckball von links, #9 Crouch (1,98m) legte am Rand des Fünfmeter-Raums zurück auf den unbedrängten #6 King (1,85m). Vier Engländer im Strafraum gegen sechs Mexikaner – drei Engländer standen frei.

Das 2:0 kam in der 35ten Minute. Kurz ausgeführte Ecke von links, Flanke, Rooney köpft aufs Tor. Torwart Perez kann den Ball gegen die Latte lenken, wo der Ball als Kerze hochgeht und dicht vor der Latte sich absenkt. Crouch rennt aus Abseitsposition einfach ins Tor rein, den Ball einköpfend.

Die 2:0-Führung war zu hoch. England trat mit einer Mannschaft an, die bis auf zirka 4 Positionen auch die Startelf gegen die USA sein könnte. Die Defensive sah gegen die sehr quirligen, freigeistigen Mexikaner sehr hüftsteif aus und insbesondere #3 Baines sollte sich aus dem Team gespielt haben. Der Anschlusstreffer der Mexikaner in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit war mehr als verdient. Stürmer #9 Franco staubte ab, nachdem #3 Baines auf der Linie abwehrte und den Ball schräg raus zum nur 3 Meter entfernten Franco köpfte.

Licht und Schatten bei #2 Glen Johnson, der Rechtsverteidiger spielte und defensiv alles andere als sattelfest war, aber dafür mit #7 Walcott auf seiner Seite für viel Druck sorgte. Gekrönt wurde seine Offensivleistung durch das grandiose Solo dass er in der zweiten Halbzeit zum 3:1 abschloß. Johnson spielte stellvertretend für die englische Mannschaft: vorne hui, hinten pfui. Mitunter schön anzusehendes Kombinationspiel dank Mexikaner die in der eigenen Hälfte bei gegnerischen Tempoangriffen viel Raum gaben. Das Duo Crouch und Rooney spielte heute gut genug, dass Crouch den Vorzug vor Heskey bekommen könnte.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Unter Aguirre spielt Mexiko immer mit einer 4er Kette, eine Dreierkette gibt es eigentlich nicht mehr. Gegen England hat man eigentlich gut gespielt, vorne wieder mal nicht effektiv und hinten Probleme mit den hohen Bällen, allerdings sollte man auch dazu sagen, dass eher die B-Elf gegen England war. Es waren einige dabei, die auch bei der WM in der ersten Elf zu sehen, aber die Mannschaft wird in der Besetzung wohl nicht spielen.

    Die erste Elf dürfte dem sehr nahe kommen

    ————Chicharito————
    ————–Blanco————–
    Guardado—————Dos Santos
    ——–Torrado—-Castro——-
    Salcido-Magallón-Márquez-Juárez
    —————Ochoa—————

  3. Mexiko hat extrem variabel gespielt – echt schwierig, da ein genaues System zu benennen. Würde sagen, das war irgendwas zwischen 4-3-3 und 3-4-3. Eigentlich waren schon Aguilar-Osorio-Rodriguez-Salcido hinten, aber die beiden Aussen haben zuweilen extrem offensiv gespielt und sich dafür Marquez, eigentlich im defensiven Mittelfeld aufgestellt, nach hinten in die Mitte fallen lassen und mit Osorio und Rodriguez eine Dreier-Abwehr gebildet. Kam immer wieder vor, zu sehen z.b. hier ab 2:45. http://www.youtube.com/watch?v=kOnKVrGWObY
    Sind dann manchmal echt ziemlich viele Leute vorne, aber ist sehr interessant. Barcelona hat auch solche Phasen drin, da lässt sich dann Yaya Toure zurückfallen und die Aussenverteidiger spielen weit vorne. Und Chile soll auch so ähnlich spielen. Bin jedenfalls gespannt, wie gut das funktionieren wird. Eigentlich hats einen ganz guten Eindruck gemacht, die Ballsicherheit und Kreativität vorne wären vorhanden, um auch wirklich etwas daraus zu machen und allzu viel zugelassen hat man nicht aus dem Spiel heraus.