Feuer und Eis

Soviel war dann gestern für mich doch drin: ein bißchen Championsleague im Fernsehen.

Bayern – Chelsea

Die beiden Chelsea-Spiele der Bayern sind prototypisch für deren Saison: man weiß nicht recht was man sagen soll. Nicht so richtig schlecht, aber gemessen an der Rhetorik die man vorher geschwungen hatte, etwas arg farblos. Aber auf der anderen Seite: es gibt halt keine besseren in Deutschland…

Nach den Kraftsprüchen aus dem Umfeld der Bayern im Vorfeld, ich habe nur noch auf ein lautes “TSCHAKKKAAAAAA” von Oliver Kahn gewartet, hatte ich gestern anderes erwartet. “Totale Aggression”, “Willenskraft”, “Niedermachen”, “Wände wackeln” um nur einiges aus dem reichhaltigen Vokabular der Münchner zu nennen.

Gemessen daran haben höchstens 15 Minuten die Anprüche erfüllt. Der Rest war harmloses Ballgeschiebe der Bayern, meistens mit dem Bemühen den Ball mit Zunge pfannenfertig auf irgendeinen Bayern im Strafraum zu spielen, statt mal gepflegt aus 25m auf nassem Rasen abzuziehen.

Chelsea schien man die Abwesenheit Mourinhos anzumerken. Sie schienen wie auf “Autopilot” durch die Partie zu gleiten. Hinten war es diesmal eher eine Frage der Quantität (8 Spieler) als der Qualität (2 etatmäßige Innenverteidiger mussten Außenverteidiger geben). Aber selbst in den Momenten größten bayrischen Druck herrschte keine Panik, sondern wurden die Reihen fester geschlossen.

Für die Bayern reichte aber selbst dieses Maß an “gebremster Torgefährlichkeit” um das Genick zu brechen. Didier Drogba. Fabulöser Mann. Ich glaube es gibt keinen Mann der derzeit besser zum Ball gehen und mit dem Körper abschirmen kann. Kovac hatte von der ersten Minute an, verheerende Probleme mit ihm.

Überhaupt Kovac und Lucio. Die Bayern hatten unlängt mit den beiden eine Innenverteidigung auf europäischen Spitzenniveau. Seit einigen Wochen ist aber die Verunsicherung insbesondere von Kovac sehr groß (Vertragsverhandlungen?)

Was bislang von dieser Saison der Bayern bleibt, ist das Gefühl das Potential nicht ausgeschöpft zu haben. Und damit wären wir beim Trainer Felix Magath. In der Spätphase Hitzfeld wirkten die Spieler müde und willenslos, nicht bereit zur einer Kraftanstregung.

Dies hat sich unter Magath gebessert, die Töne im Vorfeld sind spürbar selbstbewusster geworden. Aber auf dem Feld strahlen die Bayern keine Präsenz, keine Autorität aus. Man kann die europäischen Spitzenteams durchgehen und anhand von wenigen Stichwörter ein markantes Profil zeichnen. Was aber will man über die Bayern sagen? Eine Handschrift Magaths kann ich auf dem Feld nicht erkennen.

Mailand – Mailand

Nach dem 1:2 von Chelsea bot sich die Gelegenheit bei PREMIERE auf den anderen Kanal, nach Mailand zu zappen, wo das Spiel gerade erst Minuten vorher das erste Mal abgebrochen wurde.

Die Szenen sind bar jeder Beschreibung gewesen.

Kai Dittmann ersann die Idee, die Mannschaften wie in der ersten Halbzeit spielen zu lassen, also Inter vor der eigenen Kurve spielen zu lassen. Abgesehen davon dass dieses möglicherweise nicht regelkonform ist, kann es hier nicht darum gehen irgendwie noch die 90 Minuten vollzukriegen. Die Inter-Fans haben gesprochen und die Offiziellen haben drauf reagiert.

Die Vorkommnisse von gestern werfen zwei Fragen auf. Die drängenste: was wird heute Abend in Turin los sein? Man erinnere sich an die Szenen von letzter Woche, als zahlreiche Juve-Fans das Andenken der Liverpool-Fans und -Offiziellen an die Heysel-Katastrophe derart mit Füßen traten, dass selbst die italienischen Medien sich nicht mehr einkriegten. Es bleibt zu hoffen das Juve-Fans nicht 20 Jahre später eine Rechnung mit den angereisten 3.000 Reds-Fans begleichen wollen.

Generell stellt sich die Frage ob die UEFA wegen der zunehmenden Vorkommnisse (Frisk in Rom, Rom-Derby) drastischer eingreifen sollte. Zumal die Probleme nicht nur auf die Spitzenclubs beschränkt ist (BBC)

Wenn ein Spieler einen anderen per Faustschlag niederschlägt, gibt es dafür sechs bis acht Spiele Sperre. Als Frisk von einem Feuerzeug niedergestreckt wurde, hat der AS Rom nur 2 Spiele Heimsperre bekommen. Da sind für meinen Geschmack die Maßstäbe verrutscht, insbesondere weil der AS ein Wiederholungstäter war.

Mir stellt sich die Frage, ob es nun nicht Zeit für Sippenhaft ist und wie einst Mitte der achtziger Jahre mit englischen Clubs, mal eine Zeitlang alle italienischen Vereine zu sperren, damit der italienische Verband, der Staat und die Clubs Konzepte gegen die Ultras entwickeln und umsetzen.

Das Spiel gestern war aber ein neuer Tiefpunkt. Fans die ausgerastet sind und alles was nicht niet- und nagelfest gewesen ist, in den Strafraum geschossen haben. Inter-Spieler die ihr übriges taten um die Stimmung aufzuheizen und auf Merk einredeten und Polizisten die nicht zu mehr in der Lage waren als die Unterränge zu räumen aber anscheinend auf den Oberrängen nicht handelten. Kontrollbehörden an denen massenweise Feuerwerkskörper und ähnliches vorbeigeschmuggelt wurde.

Vereinzelte Idioten gibt es immer wieder, aber drei solche Spiele innerhalb eines Jahres sind zu viel.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Die BBC meldet bereits erste Zwischenfälle zwischen Juve- und Reds-Fans. Angeblich sollen Juve-Fans sogar die Stadt nach Reds-Fans durchkämmen um sie mit Flaschen und Baseball-Schlägern niederzuknüppeln. Konkret wusste aber BBC Five Live nur zwei Vorfälle zu melden und man muss vorsichtig sein, dass Medien vereinzelte Ereignisse nicht überhöhen.

  3. drei solche Spiele innerhalb eines Jahres sind zu viel.
    D’accord!

  4. Ich weiß nicht, ob man Magath für den tatsächlich fehlenden Charakter der Bayern verantwortlich machen kann. Scheint mir eher ein Problem der Teamstruktur zu sein. Es fehlt ein verlängerter Arm des Trainers auf dem Platz, ein Deco, Terry, Nedved, Keane oder Vieira, mit denen man auch Philosophie und Stil des Teams verbinden kann. (Nur ein Moment gestern: Als Mitte der zweiten Halbzeit Hektik bei Chelsea ausbrach, stauchte Terry Makelele für einen üblen Tritt zusammen, den der Schiedsrichter übersehen hatte.)
    Ballack oder Makaay als gelegentlich abtauchende, opportunistische Spielertypen sind da eher ungeeignet, Kahn und Lucio vielleicht zu absurde Figuren. Dafür verantwortlich ist auch die Zickzackpolitik der Vereinsführung, die mal offensiven Traumfußball anpeilt (das selige “Weiße Ballett”) , dann in Krisensituationen oder bei übermächtigen Gegnern wieder das grimmige Gesicht (wie die Spanier zu sagen pflegten: die “schwarze Bestie”) der Effenbergära beschwört. Entsprechend hat man Künstlertypen eingekauft, (die dann aber bitteschön beißen sollten), dann gegengesteuert, dann die Korrektur wieder korrigiert. Diagnose: andauernde Identitätskrise
    In diesem Rahmen war es gestern aber ein starker Auftritt, der mit etwas Glück sogar hätte reichen können.

    Dass die Italiener zum Fan-Abkühlen ganz rausgenommen werden, glaube ich nicht (da muss leider erst noch Schlimmeres passieren). Mein Bedauern würde sich aber auch in Grenzen halten.

  5. Die FAZ hat heute eine “Bestandsaufnahme” gebracht.

    Weil man – anders als in England – in Italien nach dem Heysel-Drama wenig gegen die Hooliganszene, die sogenannten Ultras, unternommen hat und auch die Spielorte nicht modernisierte, kann Lazios Präsident Lotito nun lamentieren, das römische Olympiastadion sei nun einmal mit seinem täglichen Kommen und Gehen nicht zu sichern. Ebenso klingt es nach Fußfall vor den Gewalttätern, wenn der linke Livorneser Star Cristiano Lucarelli seinen abgewiesenen Tifosi die Heimfahrt im Bus aus eigener Tasche finanzierte. Extremistische Fans kontrollieren bei Lazio sogar den Verkauf von Fan-Artikeln und rechtfertigen ihre Ausschreitungen ausführlich im lokalen Fernsehen der Radiostationen, die den “Ultras” freundlich gesinnt sind. Bei so viel offizieller Laxheit wird es immer schwerer, den Sumpf der Gewalt trockenzulegen.

    Von der BBC kommt auch die Info, dass die Sicherheit im Stadion, anders als in Deutschland, nicht den Vereinen unterliegt, sondern der Polizei. Das heißt um so mehr sind staatliche Initiativen gefragt um die Pest zu beseitigen.

    Ein Hörer bei BBC Radio Five Live meint auch nicht zu Unrecht, dass die UEFA mit der Verhandlung zum Spielabbruch erst am Freitag, eine Chance verpasst hat, für das Spiel heute abend Zeichen zu setzen.

  6. Hatten wir vor nicht allzu langer Zeit mal von den lächerlichen UEFA-Raktionen geschrieben…
    Es ist an der Zeit ein Zeichen zu setzen!
    Italien sofort komplett heraus nehmen aus allen internationalen Wettbewerben, inkl. WM und 5 Jahre wegsperren.
    Wenn sich die Lage dann zum Positven verändert haben sollte, dürften die Italiener wieder eine internationale Beteiligung beantragen.
    Basta!

  7. @Rally
    In einer Zeit, in der man immer mehr von sportlichen Erfolg (sprich: Teilnahme an de CL) abhängig sind, kann dies das Todesurteil für das ein oder andere Spitzenteam bedeuten.
    Nicht, dass dies gegen Deinen Vorschlag spräche, es zeigt nur die Unwahrscheinlichkeit der Umsetzung.
    Aber die UEFA muss endlich zeigen, dass der Spruch “We care about Football” nicht nur eine Phrase ist!

  8. @T.S.Garp
    kann dies das Todesurteil für das ein oder andere Spitzenteam bedeuten
    … da hast Du natürlich vollkommen Recht.
    Ist mir aber lieber als das Todesurteil für den Fußballfan durch Randalierer… was muss den eigentlich noch passieren?

  9. @t.s.garp
    von was bitteschön, wenn nicht von sportlichem erfolg soll ein sportverein denn auch sonst abhängig sein. und genau das wäre der ansatz, vielleicht nicht 5 jahre wie von rally gefordert, aber bitteschön doch mehr als die lächerlichen 2 heimspiele ohne zuschauer wie unlängst gegen die durchgeknallten römer.

    es muss schon mal so richtig weh tun.

    betrachtet man heute premier-league spiele, grösstenteils ohne zaun, mit allerbester stimmung und 90 minuten gesang, so blickt man, so gehts mir jedenfalls, als friedlicher fussballfan und geniesser nur allzu eifersüchtig rüber auf die insel.
    unsereins steht seit jahr und tag in einer völlig rauchbomben und sonstwas freien gegengrade schliesslich selbst in der regionalliga schön artig hinterm maschendrahtzaun.

    und wenn die vereine in ihrem kaufwahn sich selbst an den rande des bankrotts oder darüber hinaus gewirtschafftet haben dann hält sich mein bedauern ebenfalls in grenzen.

    dive on
    haibi

  10. Es ist auch eine Frage der Durchsetzbarkeit. Es gibt derzeit in Italien eine böse Mischung aus Fußball, Medien und Politik (Berlusconi). Man kann sich ausmalen was für ein Druck Italien machen wird, wenn es zur einer, nach eigenem Empfinden, zu drastischen Strafe kommt.

    Der zweite Hebel sind die permanenten Kämpfe zwischen UEFA und der “G-14”: Wieviele italienische Vereine sind dabei? Drei? Vier? Überzieht die UEFA, riskiert sie, dass die G-14 wieder ihre eigenen CL-Pläne aus der Schublade holt.

    Von daher ist das Urteil morgen alles andere als ein Selbstläufer. Und es würde mich wundern, wenn morgen auch bereits das letzte Wort darüber gesprochen werden würde.

  11. Nachdem was sich der italienische Fussball in letzter Zeit so gönnt, denke ich nicht, dass es ein allzu großes Risiko für die UEFA sein würde, wenn die G-14 am Ende einen eigenen Laden aufmachen, aber ausser den italienischen Vereinen keiner dort mitmachen möchte.

  12. @dogfood
    …was für ein Druck Italien machen wird
    Das ist wohl das eigentliche Problem. Nach eigenem Empfinden werden sich die Italiener auch ungerecht behandelt fühlen, wenn sie zur Strafe 3,- Euro ins Phrasenschwein stecken müssten.
    Außerdem hat ja sowieso der “hässliche Deutsche” Schiedsrichter die Hauptschuld an den Ausschreitungen.
    Wenn eine Reaktion der UEFA sich an irgendwelchem G-14 Krempel orientieren sollte, sag ich schon mal: “Gute Nacht”!
    P.S.
    Gut, dass Juve raus ist. Für den Fan ein Gesundheitsrisiko weniger.

  13. hi,
    ich sehs auch eher so wie rally, wenn die uefa, die ja letzlichn unterverband der fifa ist, ganz im gegensatz zur G-14, den schwanz einzieht vor einem landesverband, dann gute nacht.
    das italienische problem ist, wie der eingefügte und hoffentlich funktionierende link zeigt, ja kein ganz neues, und da wirds m.M. zeit mal ein richtiges signal zu setzen.
    einfüg:http://www.prairie.at/dossiers/20020717084446/artikel/20011010201559
    schönen abend
    haibi

  14. Ich sehe gerade die Wiederholung auf PREMIERE. Zwei Anmerkungen: es gab seit Dienstag das gerücht, dass die Feuerwerksattacke auf Dida von langer Hand geplant gewesen ist. Angeblich (ich weiß nicht mehr in welchem Medium ich es gehört/gelesen habe), hat der UEFA-Beobachter gesehen, wie wenige Minuten vorher Inter-Fans ein Transparent hochhielten “Journalisten, aufgepasst”, also dieses wohlmöglich angekündigt haben.

    Unterstützt wird dieses m.E. durch den Umstand, dass der Beschuß der Feuerwerkskörper plötzlich auftrat. Mit einem Mal flogen gleich 4-5 Feuerwerkraketen auf einem Schlag.

    Zweite Anmerkung: in der Wiederholung ist auch zu sehen, wie ein erboster Inter-Trainer Mancini mit Schiedsrichter Merk diskutiert. Jener Mancini der später zu Protokoll gibt, dass Merk an den Ausschreitungen schuld ist.

    Ich habe Trainer bereits für viel unwesentlicheres Fehlverhalten bestraft gesehen.

  15. Und inzwischen steht die Strafe fest: 4 Spiele ohne Zuschauer für Inter. Plus zwei auf Bewährung. Das halte ich für extrem lächerlich angesichts des Umfangs, mit dem da die Raketen flogen. Dies ist sicherlich kein Zeichen gegen die Ultras, dass die UEFA da gesetzt hat, da hatte man wohl zu viel Angst vor dem italienischen Verband.

  16. Heute findet sich in der SZ eine hochspannendes Interview mit Magath: http://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga/artikel/287/52235/

    Daraus wird vieles erklärlich, insbesondere auch warum Magaths Handschrift noch nicht so klar zu erkennen war: Er ist nämlich selbst hin und her gerissen zwischen einem modernen Führungsstil und dem seiner Lehrmeister Zebec und Happel. Absolut lesenswert!

  17. Yep, ich gebe dir Recht, interessantes Interview. Magath kann, wenn er die Ruhe hat, zumindest in Zeitungen und Zeitschriften exzellente Interviews geben. Ich habe mal hier aus den aas-Archiven zwei weitere Interviews gefunden, die in der Retrospektive interessant sind.

    Während alle Beobachter drumherum wie Hühner herumgescheucht sind, hat er straight seine Linie durchgezogen, auch an den Stellen an denen er einen kleinen Kurswechsel machen musste.

    Magath im KICKER im Mai 2004
    Magath, Ende August 2004, in der SZ.

  18. Von Uli Hoeneß gibt es inzwischen in Sachen Magath in der FAZ eine nette Replik:

    Von der Trainingslehre, vom taktischen Know-how ist alles da. Sähe er im Spieler noch mehr den Partner, täte ihm das auf Dauer gut. Da hängt er meines Erachtens manchmal noch stark der Ära Happel und Zebec nach, unter denen er beim Hamburger SV Spieler war. Das war die Zeit, in der mehr als heute mit dem Instrument Druck gearbeitet wurde. Ich versuche ihn in unseren oft intensiven Diskussionen davon zu überzeugen, daß man aus dem Spieler als Partner auch alles herauskitzeln kann. Lächelnd die eigene Botschaft rüberzubringen, das kann ebenfalls ein Weg zum Erfolg sein. Natürlich ist dieser Grat sehr schmal. Gibt er sich zu smart, wird er zu sehr Kumpel, geht die wichtige Distanz allzu leicht verloren. Die Kunst jedoch in allen Arbeitsprozessen ist, die Menschen so zu motivieren, daß sie sich immer wieder freuen, in ihren Berufen noch etwas mehr zu erreichen.