Auf den Nebenplätzen

Die Bundesliga war schon mal stärker profiliert. Sie startet nun in eine Saison in der sie eingeklemmt ist zwischen den euphorischen Erwartungen der WM 2006® und Klinsmanns Nationalbubis und dem laut geführten Geschacher um die Fernsehrechte.

Eigentlich geht das Bieten erst im Herbst los. Die Ausschreibungsunterlagen werden von der DFL ab dem dritten Quartal zur Verfügung gestellt.

Die von Rummenige und der DFL medial durchgeprügelte Meßlatte für Deals liegt beim 500 Millionen EUR. Gestern gab der neue DFL-Geschäftsführer Christian Seifert in der Wirtschaftswoche dann den Part des Stoßstürmers und legte mit der Behauptung die Pay-TV-Rechte der DFL wären eine Milliarde wert, einen ziemlichen Hammer vor. Wer das einstige Karstadt-Vorstandsmitglied Seifert bei der Ligapokal-Premiere in Düsseldorf erlebte, wie er vor leerer Stadionkulisse was von gelungener Auftaktveranstaltung mit Nachjustierungsbedarf sprach, hat sich gefragt unter was für Drogen der Mann stand.

Was auch immer für ein Gras es gewesen sein mag, die Wirkung hält ziemlich lange an. Auf den ersten Blick hört sich die Argumentation von Seifert nicht schlecht an.

Premiere ist an der Börse etwa zwei Milliarden Euro wert. Und es gibt Experten, die behaupten, mindestens die Hälfte der Zuschauer hätte den Sender nur wegen Bundesliga-Fußball abonniert. Also müssten die TV-Rechte aus Sicht von Premiere eine Milliarde Euro wert sein. Letztlich geht es also nur darum, welchen Preisabschlag wir hinnehmen

Ja, nettes Gedankenspiel. Aber gleichzeitig so hohl, dass ich nicht die Verve gehabt hätte, mich derart in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen.

Die Rechnung ist ganz einfach. Wer Bundesliga live sehen will, muss nach den neuen Preisen von PREMIERE 35,– EUR pro Monat zahlen, also 420,– EUR im Jahr ausgeben. In der letzten Saison sahen samstags knapp 1,2 Millionen Zuschauer Bundesliga auf PREMIERE. Addieren wir knapp die Hälfte der Sonntagszuschauer (890.000) hinzu und machen daraus gewagte 1,6 Millionen Abonnenten. 1,6 Millionen mal 420,– EUR pro Jahr macht 672 Millionen EUR Einnahmen p.A.

Diese Zahl darf nun nach Gusto runtergerechnet werden. Zum Beispiel um diejenigen die im Rahmen von Bestandsverträgen noch bis zu zwei Jahre lang nur 23,– für Sport bezahlen. Oder diejenigen, denen das FUSSBALL Live-Paket zu teuer ist und sich daher nur die Wiederholungen ansehen, somit nur 20,– statt 35,– abdrücken. Oder diejenigen die via Bestandverträge oder Kabel Deutschland-Abo die Bundesliga per 5,–-Abo auf PREMIERE START sehen. Und in den 672 Millionen Einnahmen aller Bundesligagucker stecken ja zudem auch noch die Kosten für die Rechte anderer Fußball-Ligen, Formel 1, NBA und Konsorten.

Dem stehen nur geringe Werbeeinnahmen gegenüber. Ein Spot für die ganze Hinrunde ist Samstags für 350.000 EUR zu haben, Einzelspots liegen zwischen 7.500 und 19.500 EUR pro 30 Sekunden. Und das Wachstumspotential? Die Abozahlen von PREMIERE stagnieren oder wachsen nur langsam. Wenn Kofler von 3.000 neuen Abonnenten täglich spricht, verschweigt er die Zahl der Abonnenten die täglich abspringen oder die nach Auslaufen der billigeren Bestandsverträgen abspringen werden.

Die Redakteure von Wirtschaftswoche und Handelsblatt springen aber alle erstmal auf Großmaul Seifert an, bar jedes Hinterfragen. Zum Beispiel “Siebenhaar” im Handelblatt:

Die Zahl der Abonnenten stagniert bei rund 3,3 Mill. Euro. Vorstandschef Georg Kofler und sein Mitarbeiter Mahr sind derzeit dringend darauf angewiesen, den Premiere-Kunden mehr Exklusivität zu bieten. Die Schlüsselrolle spielt dabei der Fußball.
Der geschickte Taktiker Seifert, früher Fernseh- und Internetchef bei Karstadt, kennt die Nöte seiner Geschäftspartner und bietet Premiere daher ungeahnte Exklusivität an.

Herr oder Frau Siebenhaar: mich würde interessieren wer denn derzeit neben PREMIERE um PayTV-Rechte mitbieten könnte? Kabel Deutschland hat jegliches Interesse inzwischen dementiert und damit gibt es derzeit keinen Pay-TV-Konkurrenten der mitbietet. Wie war das mit Angebot und Nachfrage? Und die wirtschaftliche Lage der Bundesliga-Vereine ist zu fragil, als dass sie einfach aus Protest gegen ein schlechtes Angebot von PREMIERE völlig auf die Vergabe von Pay-TV-Rechten verzichten könnten. Wo also liegt das Drohpotential der Liga?

Deswegen wird man möglicherweise heute morgen in der DFL-Zentrale in Sektlaune sein, denn Axel Springer hat die Übernahme der Pro7Sat1-AG bekanntgegeben. Die Pro7-Gruppe hatte mal eine kurze Zeit lang Pay-TV-Pläne in der Schublade. Jetzt wo die lähmenden Übernahmeverhandlungen vorrüber sind, könnte man anfangen Gerüchte zu streuen, dass Axel Springer mit Bundesligarechten einen krachenden Coup landen könnte um ins Pay-TV-Geschäft zu landen. Die Frage ist nur, ob man die finanziellen Ressourcen dazu hätte, denn bereits für die Übernahme muss Axel Springer ans Limit ds finanziell machbaren gehen (SZ, FAZ [1], [2])

Wenn Pro7Sat1 nicht plötzlich als “dark horse” auftauchen, werden die Pay-TV-Rechte für 400-450 Mio an PREMIERE gehen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. zumindest die redakteure der wirtschaftswoche sind nicht “auf großmaul seifert angesprungen, bar jedes hinterfragen”. erste reaktion, als seifert die magische zahl genannt hatte: “das ist jetzt ein witz, oder?” deutlicher kann man sich nicht distanzieren.

  3. Habe ich so in keiner der zwei von der WiWo herausgegebenen Vorabmeldungen (1, 2) gelesen. Und alle nachfolgenden Medien haben die Summe auch relativ unamüsiert 1:1 weitergegeben.

    Herr Siebenhaar hat in seinem Kommentar die Summe auch nicht relativiert, sondern sogleich zur “Forderung” deklariert. Zumindest ist nicht allen WiWo-Redakteuren die Witzigkeit der Summe bewusst gewesen.

  4. bundesliga auf premiere start? hihi, da such mal nach…:-)

  5. es ist das spiel was im SPORT portal zu gegebenen zeit weiß markiert wird. es wird vermutet dass es am samstag hannover – hertha ist.

    ich verweise ansonsten auf das FAQ:

    PREMIERE START Abonnenten können selbstverständlich auch zukünftig pro Spieltag ein ausgewähltes Live-Spiel der 1. und 2. Fußball-Bundesliga sehen. Diese sehen Sie nun über das PREMIERE Sportportal, für das Sie permanent frei geschaltet sind. Dort ist farblich markiert, welcher Optionskanal für PREMIERE START Abonnenten frei geschaltet ist.

  6. ich habe die wiwo-leute nicht ganz richtig zitiert. hier mal das original [sollte dir inzwischen auch per mail zugegangen sein]:

    WIWO: wie viel sollte der profifußball den sendern ab der saison 2006/07 wert sein?

    Seifert: ich bin davon überzeugt, dass allein die pay-tv-rechte für deutschland eine milliarde euro wert sind.

    WIWO: sie scherzen? so viel zahlt kein tv-sender der welt für fußball.

    Seifert: premiere ist an der börse … [zitat aus der pm, s.o.]

    WIWO: für Sie wäre es bei zuletzt sinkenden rechtepreisen doch schon ein erfolg, wenn Sie 450 mio. euro mit einem neuen tv-vertrag erzielen könnten?

    Seifert: ich werde keine weitere zahl kommentieren.

    [Edit: von mir umformatiert -dogfood]

  7. @WR: cool, danke für den artikel.

    Wenn ich mir Seiferts Antworten durchlesen, bin ich noch mehr davon überzeugt, dass er die Zahl “1 Milliarde” einfach mal so als Gedankenexperiment rausgehauen hat, um mal dem Stammtisch ein bißchen Futter zu geben, es aber keine seriös gemeinte Zahl war. Ich kann mir vorstellen das er beim Satz “Letztendlich geht es darum, welchen Preisabschlag wir hinnehmenÂ…” von einen bis zum anderen Ohr gegrinst hat.

  8. Und um in Sachen Abo-Zahlen bei PREMIERE ein bißchen Butter bei die Fische zu geben. Die SZ befast sich heute mit dem Ende der Kooperation zwischen Kabel Deutschland und PREMIERE. Die SAT+KABEL zitiert ausgiebig.

    – Kabel Deutschland stellt sein Paket Kabel Digital Basic (Xtra-Music-Radiokanäle und PREMIERE START für 6,–) ein
    – Kabel Deutschland Digital hat 44.000 Neukunden im 2ten Quartal bekommen, die Gesamtzahl beträgt jetzt 267.000 (siehe KDG)
    – Im ersten Quartal hat PREMIERE 51.500 neue Abonnenten gewinnen können.
    – PREMIERE hat im 2ten Quartal 7.000 neue Abonnenten bekommen (ich denke damit ist die Netto-Zahl gemeint)
    – Schuld an den schwachen PREMIERE-Zahlen im zweiten Quartal soll der laue Kick in der Bundesliga und in der Championsleague, die schwache Formel-1 und das gute Wetter gewesen sein.