PREMIERE-Championsleague-Deal revisited

4-5 Tage nachdem der Deal von PREMIERE und der UEFA über die TV-rechte der Championsleague bekannt wurde, hat sich die Zahl der verbalen Nebelkerzen eher erhöht und die Reaktionen auf das Geschäft sind mitunter nicht nachzuvollziehen.

Ei, ungelegt

Grundlage all der getippten, geschriebenen und gesprochenen Worte zum Thema ist ein Vertrag, der noch gar nicht existiert. UEFA und PREMIERE sagen ganz unverhüllt, dass zwar die Rahmenbedingungen fix sind, aber nicht unwesentliche Details wie z.B. Quantität und Qualität der Free-TV-Berichterstattung noch ausgehandelt werden müssen.

Der Deal und das EU-Recht

Eine von den meisten Medien ausgeblendete Frage ist, inwieweit die Verträge überhaupt konform sind mit den Bestrebungen der EU-Kommission die Pakete aufzuschnüren und an viele TV-Sender zu verteilen.

Ein Artikel der FTD macht deutlich, dass die antimonopolistischen Bestrebungen der EU diesbezüglich vielleicht mißverstanden wurden. Es geht nicht darum, das viele TV-Sender zum Zug kommen, sondern das viele TV-Sender aufgrund der Zahl der Vertragspakete, zumindest die Chance haben, zum Zug zu kommen. Und die UEFA sieht dies erfüllt:

Die Uefa beharrt hingegen darauf, der Bieterprozess habe sich an den Vorgaben der EU orientiert: “Die EU-Kommission schreibt vor, dass jeder Sender für jedes Paket bieten kann – unabhängig davon, ob es sich um einen Pay- oder einen Free-TV-Sender handelt”, sagt Le Floc’h.

Die Kommission hatte im Juli 2003 die Rechtevergabe der Uefa für die Champions League neu geregelt, um für mehr Wettbewerb im Bieterprozess zu sorgen. Danach darf die Uefa die Rechte nicht mehr wie früher in einem Paket an eine Rundfunkanstalt vergeben, die einzelne Rechte dann etwa an einen Bezahlsender weiterverkauft. Eine solche “Gatekeeper”-Rolle schade dem Wettbewerb. Stattdessen setzte die EU eine Aufteilung der Rechte in diverse Pakete durch, für die jeder Sender bieten kann. Dass nun Premiere alle zehn ausgeschriebenen Pakete erwirbt, steht daher nur auf den ersten Blick im Widerspruch zur EU-Forderung nach mehr Wettbewerb.

Der Artikel spricht übrigens von “allen 10 Paketen”, womit dann auch geklärt ist, wo die Internet-Broadcasting-Rechte hingewandert sind. Gut, das wäre abgehakt.

Freier Fußball für freie Bürger

Der Deal hat bei diversen Leuten für erhöhten Propagandaausstoß gesorgt, die das “Verschwinden des CL-Fußballs” ins Pay-TV für den Untergang der abendländischen Kultur halten.

Nun frage ich mich, in was für einer Gesellschaft wir leben, in der der Europapokal zum Bestandteil des Existenzminums definiert wird. Hier entgleiten die Maßstäbe dann gleich reihenweise.

Zum anderen wird über etwas diskutiert, was noch nicht vertraglich fixiert ist und von dem niemand weiß wie es aussieht. Wie bereits Mitte der Woche: PREMIERE wird sich hüten im Free-TV nur drittklassige Ware zu bringen. Quersubvention hin und her, wenn sie die Chance haben mit einer attraktiven Begegnung hochpreisige Markenartikel-Werbung in ihrem Free-TV-Sender an Land zu ziehen, dann möchte ich mal sehen, wie sie Piräus – Rosenborg gegenüber Schalke – Eindhoven vorziehen.

Es kommt noch besser. Wie Melkus am Freitag richtig bemerkte, zeigt sich auch bei PREMIERE noch einiges im Fluß. Der “Mahr-Hansi” hat auf einer Konferenz am Donnerstag beiläufig erwähnt, dass sogar zwei Free-TV-Spiele pro Woche denkbar wären, womit dann für den “freien” Bürger die Lage noch besser als zu RTL oder SAT.1-Zeiten wäre.

Wasch mich, mach mir aber den Pelz nicht naß

Eine geradezu sensationelle Kakophonie-Performance liefern derzeit die Verantwortlichen von Bundesligisten ab, namentlich Karl-Heinz Rummenigge.

Der Deal ist nichts anderes als ein Vorgeschmack auf die anstehenden Bundesliga-Verhandlungen und folgt der von Hackmann/Seifert/Rummenigge themself ausgegeben Linie: “mehr Exklusivität für mehr Geld”. Dass nun ausgerechnet die bayrische Abteilung Attacke verbal nun gegen seinen Kunden PREMIERE die große Keule holt, ist nur begrenzt nachvollziehbar. Uli Hoeneß:

Was den FC Bayern anbelangt, werden wir uns mit Händen und Füßen dagegen wehren. Dann sind wir nämlich wieder mal für sie der Lockvogel und haben selber nichts davon – außer großem Ärger mit den Fans […]

Ich sehe den Abschluss von Premiere mit der Uefa nicht als modelltauglich für die Bundesliga. Herr Kofler wird sich noch wundern, welch harte Verhandlungen er da noch vor sich hat.

Und schließlich der 500-Millionen-Mann “Kalle” Rummenigge:

Wenn das Topspiel des Spieltags nur im Bezahlfernsehen zu sehen sei, würden die Fans “in erpresserischer Weise zu Abonnements gezwungen

Diese Statements sind nur begrenzt zu verstehen. In all den Diskussionen über die Summen aus den TV-Verträgen habe ich keine Zahl von Hoeneß in Erinnerung. Gerade in dieser Frage verhielt er sich in letzter Zeit recht leise. Er darf sich also beschweren. Aber Karl-Heinz Rummenigge muss sich Hypokrisie stärkster Ausprägung vorwerfen lassen. Man kann keine Sprüche über 500 Mio EUR für Bundesliga-Rechte oder Asien-kompatible Übertragungszeiten reißen und dann plötzlich die Fans-Seele entdecken. Der CL-Deal ist absolut auf einer Linie zu dem was mit der Bundesliga von den meisten angestrebt wird: Mehr Exklusivität für mehr Geld.

Nun kommen aber drei Faktoren hinzu, die bei solchen Statements zu berücksichtigen.

Zum einen wird die Abhängigkeit der Bundesliga von PREMIERE immer größer. Ein Konkurrent ist nicht in Sicht. Da sollte man zumindest verbal PREMIERE ab und zu abgrätschen und deren Ego (Stichwort: Hans Mahr) in die Schranken verweisen.

Zum zweiten dürfte Rummenigges eigentliche Zielscheibe nicht der Kofler-Schorsch und der Mahr-Hansi sein, sondern die UEFA, die da, nach Verständnis Rummenigge, wieder über die Köpfe der Vereine hinweg entschieden hat. An der G14 vorbei, dessen Sprecher Rummenigge ist (oder war).

Der dritte Faktor dürften die Sponsoren sein, die sich derzeit immer lauter zu Worte melden. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass in der Zwischenzeit einige Gespräche stattgefunden haben und einige Vereinsvertreter nun verzweifelt nach dem Rückwärtsgang suchen. Rummenigge ist in der FR plötzlich eingefallen wo das Sparschwein sein Futter herbekommt:

Wenn Bayern München 34 Spieltage der Saison an erster Stelle steht, erhält der Klub 16,2 Millionen Euro aus der Bundesliga. Die Sponsoren geben uns viermal so viel. Auf das Geld sind wir angewiesen, wollen wir Spieler wie Michael Ballack in Deutschland halten.

Das Argument mit den Spielern und den Gehälter wurde noch vor Monatsfrist pro causa TV-Deals verwandt.

Warmer Winter

Das nun schon so ein “läppischer” 70-Millionen-Deal derartige Beiß- und Trittreflexe auslöst, läßt noch einige warme Monate hinsichtlich der Ausschreibung der Bundesliga-TV-Rechte erwarten, zumal die ARD deutlich gemacht hat, dass sie kampflos die Sportschau nicht hergeben wird und noch einige Euro gefunden hat.

Nach der CAPITAL-Story fingen die Sponsoren an, sich einzumischen. Und mit den letzten Sprüchen aus dem Hause Bayern, sind nun alle Fronten aufgelöst und das Schlachtfeld liegt nun endgültig unter einem fog of war.

Während die Bundesliga-Rechte-Verhandlungen bioslang einen recht straighten Weg gen PREMIERE und 22h-Free-TV-Zusammenfassungen gingen, dürfte nach dem letzten Krach wieder alles offen sein. So bizarr es klingen mag, der größte Gewinner des PREMIERE-Championsleague-Deal ist möglicherweise die ARD.

Für mich sah es am Mittwoch nach einem cleveren Schachzug von PREMIERE aus, nicht zuletzt weil die Option “eigener Free-TV-Sender” viel Potential für PREMIERE besitzt. Möglicherweise wird es aber zu einem klassischen Phyrrussieg.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp