Die neue Formel 1-Saison

Man erinnere sich an letzten März. Was wurde da alles vorhergesagt, inkl. der Ablösung von Ferrari durch BMW-Williams. Am Ende sprang eine der langweiligsten Saisons ever heraus. Nicht nur weil es den Teams nicht gelang die Hierachien umzukippen (mit Ausnahme von BAR), sondern weil sich auch auf der Strecke kaum bemerkenswerte Aktionen taten. Der Trend der Vorjahre, Rennen werden in der Boxengasse durch Taktik und Reifen und nicht durch Überholmanäver entschieden, ging weiter.

Die Nerven sind entsprechend blank. Sogar die ansonsten glänzenden Jacques Schulz und Marc Surer müssen inzwischen Jahr um Jahr ihr Niveau und Anspruch absenken um überhaupt noch etwas berichtenswertes zu finden. In zwei Jahren sind sie auf Wasser/Danner-Niveau und unerträglich. Bleiben nur noch die Shirts und Blusen von Tanja Bauer.

Hätte es nicht die neuen Strecken in Bahrain und China gegeben, die Saison wäre längst in Vergessenheit geraten.

Was wird 2005 bringen?

Wenn neue Rennstrecken das Highlight sein sollen, dann ist auch dieses Jahr etwas dabei. Diesmal werden erstmals 19 Rennen ausgetragen und neu dabei ist der GP der Türkei in Instanbul. Der Otodrom soll in einer hügeligen Landschaft liegen und von Spa-Franchorchamps inspiriert sein. Untypisch für eine von Hermann Tilke gebaute Strecke, scheint sie ohne dem Tilke-typischen Element “lange Gerade auf Spitzkehre” auszukommen.

Mehr wird es möglicherweise aus dieser Saison nicht zu vermelden geben, ich habe mich auf eine weitere langweilige Saison eingerichtet. Das neue Regelwerk, das eigentlich kleinen Teams helfen soll, indem es die Kosten verringert, führt dazu das wg. Motoren- und Reifenverschleiß die Freien Trainings eine völlig sinnbefreite Aktion werden. Auch wird in den Rennen eher der kühle Kopf gewinnen, der ruhig dahin fährt, als der kolumbianische Hitzkopf mit dem Messer zwischen den Zähnen, der ab und zu gewagte Aktionen rausläßt.

Leute wie Heidfeld oder “Ralle” passen vielleicht gut zu den Regeln, aber sie killen den Sport.

Die Regeln

In Stichworten die Neuerungen:
Qualifying – Wenn sich jemand noch an den japanischen Monsun vom letzten Jahr erinnern kann: jener Qualifying-Modus wird übernommen.

Samstag nachmittag: jeder versucht nacheinander eine schnellste Runde hinzubekommen.

Sonntag vormittag: jeder versucht nacheinander eine schnellste Runde hinzubekommen. Bis zum Rennen darf nicht mehr nachgetankt werden.

Startaufstellung: Addition der Samstags und Sonntags-Zeit.

Zeiten
Fr 11-12h: 1tes Freies Training
Fr 14-15h: 2tes Freies Training
Sa 9-9h45: 3tes Freies Training
Sa 10h15-11h: 4tes Freies Training
Sa 13h: Qualifying
So 10h 2tes Qualifying
So 14h Rennen

Motoren – müssen zwei (statt ein) Rennwochenenden durchhalten. Motorwechsel führt vor dem Qualifying zu einer “Zurückversetzung” um zehn Startplätze, beim bzw. nach dem Qualifying zum letzten Startplatz. Nur wer ein Rennen nicht beendet, darf “straffrei” den Motor wechseln, was allenthalben als sperrangelweites Tor für Manipulationen angesehen wird.

Reifen – Nur noch drei Reifensätze pro Rennwochenende. Beide Qualifyings und Rennen müssen mit denselben vier Pneus absolviert werden. Folge: härtere Reifen, geringere Kurvengeschwindigkeit.

Aerodynamik – Veränderte Vorschriften für die Flügel bringen geringeren Abtrieb und damit geringere Geschwindigkeiten.

Teams

Nichts neues bei Ferrari. Wie im letzten Jahr wurde ein bißchen Geheimniskrämerei betrieben. Nichts gravierendes hat sich geändert. Wenn etwas gegen Ferrari spricht, dann der Umstand dass Bridgestone nach dem Wechsel von Sauber zu Michelin zwei “Testfahrzeuge” weniger hat.

BMW-Williams fahren die entgegengesetzte Taktik des Vorjahres und reden sich selber schlecht. Es fühlt sich aber wirklich wie ein Übergangsjahr an. Keiner weiß wie innig die Kooperation zwischen Williams und BMW noch ist. Mark Webber muss zeigen dass seine Meriten berechtigt sind. Nick Heidfeld, eh nur zweite Wahl nach dem geplatzten Button-Deal, wirkt irgendwie deplaziert und wie von BMW gegenüber Williams durchgedrückt, um einen deutschen Fahrer präsentieren zu können. Wenn Heidfeld dieses Jahr nix reißt, wird er nie was reißen.

Bei McLaren-Mercedes hat man hinreichend Ablenkunsgmanöver: vom besoffenen Kimi Raikkönen bis hin zum fetten Montoya. Über die Qualitäten des Fahrzeug reden die wenigsten… In den letzten Jahren profitierte McLaren immer wieder von Steigerungen während der Saison. Der etwas kantige Montoya wirkt bei McLaren deplaziert. Er ist nicht unbedingt der geschliffene Fahrer mit dessen Hilfe die Ingenieure ein Fahrzeug im Laufe der Saison verbessern können. Ich bin sehr gespannt wie sich Montoyas resourceverschlingender Fahrstil unter den neuen Regeln macht.

BAR waren die Überraschungsmannschaft des Vorjahres. Aber das ganze ging nicht ohne Theater ab. Jenson Button wollte wechseln, Dave Richards wurde letzten August bei einem Putsch von Honda überraschend gefeuert. Ich bin ja auf Takuma Sato gespannt. Einst als Kamikaze-Pilot beschimpft, fuhr er letzte Saison sehr, sehr wacker. Erst gegen Ende der Saison, enerviert durch diverse technische Probleme die immer nur ihn, aber den den britischen Kollegen mit dem Pferdegebiß trafen, hatte er einige Blackouts und schmiß den Wagen weg. Nach allem was man hört, soll der BAR dieses Jahr nicht mehr so doll laufen.

Eigentlich sollte Renault seinen Vorjahressprung wiederholen und Ferrari ernsthaft attackieren. Stattdessen “Underachiever”, was auch für den vermeidlichen Top-Piloten Fernando Alonso gilt. Nach einigen Jahren des Exils fährt nun Giancarlo Fisichella für Flavio “Penis” Briatore.

Leider, leider, leider, halte ich die Verpflichtung von Jacques Villeneuve bei Sauber für den Flop des Jahres. Villeneuve fuhr letztes Jahr nach der Entlassung von Trulli bei Renault so erschreckend schwache Rennen und schiebt nun als Entschuldigung “ich war überrascht wie anstregend die F1 geworden ist” vor… Ich fürchte er nimmt seinen Job nicht mehr ernst genug, ist nicht mehr “hungrig”. Prompt wird er in den Test von Felipe Massa dermassen an die Wand gefahren… Erklärung Villeneuve: das Auto passe nicht zu seiner Fahrweise. Schade. Ein Sympath demontiert sich 2005 selber.

Villeneuve und Sauber klingen merkwürdig. Coulthard bei Jaguar klingt besser, aber Jaguar ist nicht mehr Jaguar sondern “Red Bull Racing“. Coulthard erweckte noch nie den Eindruck, als hätte er Ehrgeiz ein team aufzubauen. Es riecht daher auch hier nach Fehlbesetzung. Für das zweite Cockpit will man die Fahrer rotieren lassen. In Melbourne wird Christian Klien fahren. In den anderen Rennen bekommt vielleicht Tonio Liuzzi seine Chance.

Bei Toyota tickt der Countdown. Lange werden sich die Japaner ein so lasches F1-Engagement nicht mehr antun wollen. Und wenn zwei renommierte F1-Piloten wie Ralf Schumacher und Trulli die Geschichte nicht nach vorne bringen können, wird in 2-3 Jahren der Stecker gezogen. Erste Tests dieses Jahr waren sehr, sehr mäßig. Für Melbourne werden gravierendere Veränderungen getestet.

Nach dem Verkauf von Eddie Jordan, steht für die Gelben ein Übergangsjahr an. Die russischen Investoren rund um Shnaider und Midland F1 werden nach und nach das Team in eine neue Zukunft bringen, u.a. mit Chassis von Dallara. Neu dabei sind der indische Fahrer Narain Karthikeyan – was für ein gruseliger Name für alle Journalisten und Schreiberlinge – und der Portugiese Tiago Monteiro. Irgendwas sagt mir der Name “Monteiro”, weiß aber noch nicht bei welcher Rennserie es klingelt.

Die beiden Fahrer bei Minardi heißen Friesacher und Albers. Ersterer ist Österreicher, letzterer Holländer. Fraglich ist ob beide in Melbourne starten dürfen. Noch hat Ferrari kein okay gegeben, dass Minardi mit dem Vorjahresauto fahren darf. Red Bull hat einen Einspruch inzwischen zurückgezogen.

TV

Nicht aufregend neues. PREMIERE ist wie gehabt permanent und im gewohnten Umfang dabei. Neu ist eine halbstündige Zusammenfassung am Sonntag. RTL macht seinen Job im Free-TV weiter wie bislang. RTL-Juniorpartner n-tv bekommt die Brotkrümel vom Mittagstisch, darf die beiden Freitagstrainings zeigen. Tele 5 wiederholt als erster die Rennen im Free-TV, wie im letzten Jahr, garniert es aber mit zusätzlichen F1-Magazinen. Und da gab es noch irgendeinen anderen deutschen Sportsender, aber dessen Namen ist mir seit letzten Sonntag entfallen…

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Tiago Monteiro müsste im letzten Jahr entweder in der Cart Serie oder in der IRL gefahren sein. Kann aber auch das Jahr davor gewesen sein. Aber ich bin mir was Cart angeht eigentlich ziemlich sicher.

  3. Monteiro? Klingt wie “Tuero”.

    Die Regelung mit dem Motorwechseln nach nicht durchfahrenem Rennen klingt schon unglücklich.
    Sicher, es spült etwas Geld in die Kassen wenn man ins Ziel kommt, auch wenn man es nicht in die Punkteränge schafft – dennoch könnte ich mir aber vorstellen, dass da der ein oder andere Fahrer kurz vor Rennende in der eigenen Box parkt um fürs nächste Rennen gerüstet zu sein.

  4. Monteiro ist wohl in der tat CART bzw. Champ-Car gefahren (was mich erstaunt, denn ich glaube die gesamtzahl an sendeminuten die ich von CART in den letzten 3 jahren wahrgenommen habe, dürfte so bei zehnn liegen. aber vielleicht fuhr er auch die Indy500).

    motoren-regelung: das ist das große problem der regelung. es sind sperrangelweit türen für tricksereien offen gelassen worden. denkbar wäre auch das jemand der eine runde vorsprung auf den nachfolgenden fahrer hat und damit kalkuliert dass das rennen rechtzeitig abgewunken wird.

    geschickter wäre es gewesen gleichzeitig auch punkte für aämtliche platzierungen, also nicht nur den ersten acht, zu geben, so dass es sich auch für die toyotas dieser welt sich lohnt um platz 14 zu fighten.

  5. Etwas unglücklich finde ich evntl. auch die Reifenregelung.
    Ich weiß nicht, es hat irgendwo auch eine gewisse Spannung reingebracht wer welche Härte nimmt, wer frische Reifen hat, usw.
    Die “3-Stop-Strategie” wirds wohl nun seltener zu sehen geben.

  6. Wobei ich bereits im letzten Jahr fand, dass es sehr viel weniger “extreme” Strategien gab. Zwei-Stopp wurde zum “common sense”.

    Der ganze Hokuspokus um Reifen, Elektronik etc… hat das klassische “Racing” gekillt. Je mehr sie davon zurückgahren, desto besser (was ein Wahnsinn, wenn Millionen für Rennwagenentwicklung ausgegeben wurden und letztendlich Reifen von Michelin die entscheidende Sekunde Verbesserung brachte).

    Ich verfolge mit Interesse die Bemühungen der A1-GP-Serie, die im Sommer mit Einheitswagen fahren wird.